Mein liebster Ernst
! 8.8.44
Heute erhielt ich Deine lieben Briefe Nr. 33
und 34 vom 19. und 24.7. (abgestempelt beide am 30.7. und Nr. 36 vom 2.8. Für
alle recht viel Dank. Ich weiß nun, wie es Dir in den letzten Wochen gegangen
ist und ich muß sagen, ich war erschrocken, wie viel Schweres Du erleben
mußtest. Ich kann Dir garnicht sagen, wie dankbar ich bin, daß Du alles soweit
gut überstanden hast. Der Kampf wird zwar
bald wieder weiter gehen, aber wir wollen hoffen, daß Du auch weiterhin
alles gesund überstehst. Ich hatte erst nicht gedacht, daß sie Euch gleich ganz
an die Front stellen würden. Gottseidank seid Ihr auch durch den
Einschließungsring wieder furchgebrochen. Es bedrückt mich manchmal, daß wir
noch so daheim sein können. Meinst Du, ich sollte mich vielleicht freiwillig
zum Arbeitseinsatz melden? Natürlich nur halbe Tage. Ich habe mich direkt wundern müssen, daß Ihr so lange Tage fast
ohne Essen ausgehalten habt. Und dabei noch die Anstrengungen. Das Hungergefühl
muß ja furchtbar quälend sein. Hoffentlich kommst Du nicht gleich wieder in
eine solche Lage. Inzwischen weißt Du
ja nun auch das Ergebnis des Diphterieabstrichs. Ob Du wohl noch im Lazarett
bist? Deine neue Feldpostnummer weiß ich noch nicht genau. Auf einem Brief
steht 31 179d, auf dem anderen 31 971d. Welche Nummer stimmt? Froh bin ich, daß
Du Dich, nach Deinem Brief vom 2.8. zu schließen, wieder wohler fühlst. Daß
also die Krankheit nicht zu heftig aufgetreten ist. Ein paar ruhige
Lazaretttage vor neunen Anstrengungen wü+nsche ich Dir aber noch. Jörg hat sich über Deine Geburtstagsgrüße
sehr gefreut. Die 10,Mk gebe ich ihm noch. Ich muß erst alles aus dem Keller
holen. Da steht ja jetzt fast alles, sogar Truhen. In den letzten Tagen hatten
wir ja einigermaßen Ruhe vor Fliegern. Vor einigen Wochen sind doch 3 aus einem
Flugzeug mit dem Fallschirm in Wollmatingen gelandet. Ich schrieb Dir schon davon,
aber den Brief wirst Du wahrscheinlich nicht erhalten haben. Unsere Kinder waren heute am Horn
baden. Es war sehr warm. Heute fragte
mich Frau Schwehr, ob ich ihr nicht eine Kleiderschürze verkaufen wollte. Sie
gäbe mir etwas anderes dafür. Ich hätte doch so viel. Leider mußte ich die Frau enttäuschen, und ihr sagen, daß ich
selber nur 3 Stück besitze. Wenn man immer alles rechtzeitig wäscht, um es
frisch anzuziehen, meint man gleich, man hat viel. Von Resi soll ich Dich auch grüßen, ebenso von Vater. Ich habe
ihnen gesagt, was Du geschrieben hast von den Kämpfen. Gefreut hat es mich, daß
Du schreibst „immer war und bin ich Dein Ernst“ Das macht ja auch mein ganzes
großes Glück aus, daß Du mein Ernst bist. Das macht mich ja immer wieder froh,
wenn mich in dieser Zeit etwas niederdrücken will, daß Du mir gehörst, ein
Mensch, dem ich voll vertrauen kann. Sonst fühlte ich mich ja manchmal recht
einsam, denn Du weißt ja, wie man überall aufpaßt in der Nachbarschaft. Damit
sage ich Dir ja nichts neues. Nun sollst Dunoch recht viele Grüße und Küsse
bekommen, Du lieber Mann, von Deiner Annie.
Mein liebster
Mann! 9.8.44
Schon ist wieder die halbe Woche vergangen,
seit ich Deinen lieben Brief aus dem Lazarett bekam. Ob Du noch dort bist, weiß
ich ja nicht. Ich war heute den ganzen Tag so unruhig. Hoffentlich stehst Du
nicht schon wieder im Kampf. Über jeden Tag, den es sich hinauszögert, bin ich
froh. Es war heute mächtig heiß. Die
Kinder sind gleich wieder zum baden gegangen. Da ich leider nicht mitkonnte,
habe ich am Nachmittag gebügelt. Am Vormittag hatten wir wieder Alarm. Flieger
sind aber nicht direkt bei uns gewesen. Aber im Wehrmachtsbericht hieß es heute
wieder, daß bomben in Ostpreußen gefallen sind. Hoffentlich nicht bei Dir dort. Von Elsa Legler bekam ich heute einen Brief.
Gerhard ist noch in Leipzig, aber er ist seit 3 Wochen k.v. geschrieben. Wie
lange er noch daheim sein kann, ist nicht gewiß. Von Papa hatte ich gestern eine Karte erhalten, in der er u.a.
schreibt, daß Lotte am 5.8. nach Kamnitz vornweg fahren würde. Sie müßte einmal
fort, denn die häufigen Angriffe seien nicht spurlos an ihr vorüber gegangen.
Dann schreibt er wörtlich: Ich werde mich nun die 8 Tage allein behelfen
müssen, glaubte erst, Erna würde sich anbieten, mit etwas abends zu machen,
aber da sie sich nicht gerührt hat, will ich sie auch nicht darum angehen.
Werde schon fertig werden, meinst Du nicht auch?“ Lotte hätte gut und gerne zu
Erna sagen können, ob sie Papa abends nichts kochen könnte. Das wär doch nicht
schlimm gewesen. Erna kann doch auch nicht wissen, wie es Papa während dieser
Woche machen will. Sie müßte doch auch Marken dafür haben und bei dem
Verhältnis, wie es zwischen den beiden Parteien besteht, hätte es evtl. noch so
aussehen können, als wenn Erna etwas dabei gutmachen wollte. Es ist schade, daß
sie sich gegenseitig kein gutes Wort gönnen. Vielleicht kommt heute der
ersehnte Regen. Die Bohne, Tomaten und Gurken
könnten schon wieder welchen gebrauchen. Der Donner grollt schon. Als ich vorhin merkte, daß es regnen würde,
bin ich schnell noch in den garten gegangen und habe das vorgestern umgegrabene
Stück in 2 Beete geteilt und auf eins Ro senkohl gesetzt. Nun wird er gleich
gut angegossen. Auf das andere Beet werde ich wahrscheinlich Spinat säen.
Vorhin zum Abendbrot habe ich die Kinder mit Pudding überrascht. Das war eine
Freude. Ich muß mich bei solcher Freude immer gleich in Sicherheit bringen,
denn da werde ich bestürmt. Hinterher sehe ich ganz verstrubbelt aus vor lauter
Küssen und Drücken. Ich glaube, Du würdest Dich freuen, wenn Du die Hälfte
davon abbekämst. Und ich würde mich freuen, wenn ich von Dir ein paar dazu
bekäme. Aber das sind ja alles Träume.
Erst wollen wir froh sein, wenn Du alles Schwere gut überstehst. Das ist meine
tägliche Bitte. Wenn Gedanken doch behüten könnten. Nun gehe ich schlafen. Wie
ich den ganzen Tag an Dich denke, so sind auch meine letzten Gedanken bei Dir,
ehe ich einschlafe. Laß Dich fest
grüßen und küssen von Deiner Annie.