Donnerstag, 8. August 2019

Brief 771 vom 8. und 9.8.1944


Mein liebster Ernst !                                                                            8.8.44    

 Heute erhielt ich Deine lieben Briefe Nr. 33 und 34 vom 19. und 24.7. (abgestempelt beide am 30.7. und Nr. 36 vom 2.8. Für alle recht viel Dank. Ich weiß nun, wie es Dir in den letzten Wochen gegangen ist und ich muß sagen, ich war erschrocken, wie viel Schweres Du erleben mußtest. Ich kann Dir garnicht sagen, wie dankbar ich bin, daß Du alles soweit gut überstanden hast. Der Kampf wird zwar  bald wieder weiter gehen, aber wir wollen hoffen, daß Du auch weiterhin alles gesund überstehst. Ich hatte erst nicht gedacht, daß sie Euch gleich ganz an die Front stellen würden. Gottseidank seid Ihr auch durch den Einschließungsring wieder furchgebrochen. Es bedrückt mich manchmal, daß wir noch so daheim sein können. Meinst Du, ich sollte mich vielleicht freiwillig zum Arbeitseinsatz melden? Natürlich nur halbe Tage.  Ich habe mich direkt wundern müssen, daß Ihr so lange Tage fast ohne Essen ausgehalten habt. Und dabei noch die Anstrengungen. Das Hungergefühl muß ja furchtbar quälend sein. Hoffentlich kommst Du nicht gleich wieder in eine solche Lage.  Inzwischen weißt Du ja nun auch das Ergebnis des Diphterieabstrichs. Ob Du wohl noch im Lazarett bist? Deine neue Feldpostnummer weiß ich noch nicht genau. Auf einem Brief steht 31 179d, auf dem anderen 31 971d. Welche Nummer stimmt? Froh bin ich, daß Du Dich, nach Deinem Brief vom 2.8. zu schließen, wieder wohler fühlst. Daß also die Krankheit nicht zu heftig aufgetreten ist. Ein paar ruhige Lazaretttage vor neunen Anstrengungen wü+nsche ich Dir aber noch.  Jörg hat sich über Deine Geburtstagsgrüße sehr gefreut. Die 10,Mk gebe ich ihm noch. Ich muß erst alles aus dem Keller holen. Da steht ja jetzt fast alles, sogar Truhen. In den letzten Tagen hatten wir ja einigermaßen Ruhe vor Fliegern. Vor einigen Wochen sind doch 3 aus einem Flugzeug mit dem Fallschirm in Wollmatingen gelandet. Ich schrieb Dir schon davon, aber den Brief wirst Du wahrscheinlich nicht erhalten haben.  Unsere Kinder waren heute am Horn baden.  Es war sehr warm. Heute fragte mich Frau Schwehr, ob ich ihr nicht eine Kleiderschürze verkaufen wollte. Sie gäbe mir etwas anderes dafür. Ich hätte doch so viel.  Leider mußte ich die Frau enttäuschen, und ihr sagen, daß ich selber nur 3 Stück besitze. Wenn man immer alles rechtzeitig wäscht, um es frisch anzuziehen, meint man gleich, man hat viel.  Von Resi soll ich Dich auch grüßen, ebenso von Vater. Ich habe ihnen gesagt, was Du geschrieben hast von den Kämpfen. Gefreut hat es mich, daß Du schreibst „immer war und bin ich Dein Ernst“ Das macht ja auch mein ganzes großes Glück aus, daß Du mein Ernst bist. Das macht mich ja immer wieder froh, wenn mich in dieser Zeit etwas niederdrücken will, daß Du mir gehörst, ein Mensch, dem ich voll vertrauen kann. Sonst fühlte ich mich ja manchmal recht einsam, denn Du weißt ja, wie man überall aufpaßt in der Nachbarschaft. Damit sage ich Dir ja nichts neues. Nun sollst Dunoch recht viele Grüße und Küsse bekommen, Du lieber Mann, von Deiner Annie.


Mein liebster Mann!                                                                                9.8.44      

 Schon ist wieder die halbe Woche vergangen, seit ich Deinen lieben Brief aus dem Lazarett bekam. Ob Du noch dort bist, weiß ich ja nicht. Ich war heute den ganzen Tag so unruhig. Hoffentlich stehst Du nicht schon wieder im Kampf. Über jeden Tag, den es sich hinauszögert, bin ich froh.  Es war heute mächtig heiß. Die Kinder sind gleich wieder zum baden gegangen. Da ich leider nicht mitkonnte, habe ich am Nachmittag gebügelt. Am Vormittag hatten wir wieder Alarm. Flieger sind aber nicht direkt bei uns gewesen. Aber im Wehrmachtsbericht hieß es heute wieder, daß bomben in Ostpreußen gefallen sind. Hoffentlich nicht bei Dir dort.  Von Elsa Legler bekam ich heute einen Brief. Gerhard ist noch in Leipzig, aber er ist seit 3 Wochen k.v. geschrieben. Wie lange er noch daheim sein kann, ist nicht gewiß.  Von Papa hatte ich gestern eine Karte erhalten, in der er u.a. schreibt, daß Lotte am 5.8. nach Kamnitz vornweg fahren würde. Sie müßte einmal fort, denn die häufigen Angriffe seien nicht spurlos an ihr vorüber gegangen. Dann schreibt er wörtlich: Ich werde mich nun die 8 Tage allein behelfen müssen, glaubte erst, Erna würde sich anbieten, mit etwas abends zu machen, aber da sie sich nicht gerührt hat, will ich sie auch nicht darum angehen. Werde schon fertig werden, meinst Du nicht auch?“ Lotte hätte gut und gerne zu Erna sagen können, ob sie Papa abends nichts kochen könnte. Das wär doch nicht schlimm gewesen. Erna kann doch auch nicht wissen, wie es Papa während dieser Woche machen will. Sie müßte doch auch Marken dafür haben und bei dem Verhältnis, wie es zwischen den beiden Parteien besteht, hätte es evtl. noch so aussehen können, als wenn Erna etwas dabei gutmachen wollte. Es ist schade, daß sie sich gegenseitig kein gutes Wort gönnen. Vielleicht kommt heute der ersehnte Regen. Die Bohne, Tomaten und Gurken  könnten schon wieder welchen gebrauchen. Der Donner grollt schon.  Als ich vorhin merkte, daß es regnen würde, bin ich schnell noch in den garten gegangen und habe das vorgestern umgegrabene Stück in 2 Beete geteilt und auf eins Ro senkohl gesetzt. Nun wird er gleich gut angegossen. Auf das andere Beet werde ich wahrscheinlich Spinat säen. Vorhin zum Abendbrot habe ich die Kinder mit Pudding überrascht. Das war eine Freude. Ich muß mich bei solcher Freude immer gleich in Sicherheit bringen, denn da werde ich bestürmt. Hinterher sehe ich ganz verstrubbelt aus vor lauter Küssen und Drücken. Ich glaube, Du würdest Dich freuen, wenn Du die Hälfte davon abbekämst. Und ich würde mich freuen, wenn ich von Dir ein paar dazu bekäme.  Aber das sind ja alles Träume. Erst wollen wir froh sein, wenn Du alles Schwere gut überstehst. Das ist meine tägliche Bitte. Wenn Gedanken doch behüten könnten. Nun gehe ich schlafen. Wie ich den ganzen Tag an Dich denke, so sind auch meine letzten Gedanken bei Dir, ehe ich einschlafe.  Laß Dich fest grüßen und küssen von Deiner Annie.

Brief 770 vom 6. und 7.8.1944

Mein liebster Schatz !                                                                       6.8.44   Sonntag        

 Da ich so erlöst bin, daß ich wieder einen Brief von Dir erhalten habe, fange ich nun heute noch den zweiten Brief an Dich an. Es beeindruckt mich zwar immer wieder der Gedanke, ob Du nicht vielleicht doch noch kränker geworden bist. Dann denke ich aber wieder, sicher hat die Spritze doch etwas geholfen, daß die Krankheit nicht gar so schwer zum Ausbruch gekommen ist. Ich hoffe, daß ich in den nächsten Tagen wieder etwas von Dir hören werde.  In der letzten Zeit war ich ja manchmal sehr niedergedrückt. Es war so lange her, seit ich etwas con Dir gehört hatte. Immer wieder hatte ich die Hoffnung gehabt, der Briefträger bringt etwas und immer wieder ging er so vorbei. Aber ich will nicht mehr daran denken, noch weniger will ich Dir was vorjammern. Ich halte jetzt wieder einen Brief v on Dir in den Händen und das macht mich glücklich. Du nennst mich ein Dummerle (ein liebes) weil ich mir Sorgen um Dich mache. Da will ich gern ein Dummerle sein. Soll ich mir um meinen lieben Mann keine Sorgen machen? Ich habe Dich ja so lieb. Wie wollte ich Dich vor allem Schweren beschützen, wenn ich nur könnte. So kann ich aber nur daheim sitzen und kann nichts tun, als nur immer an Dich denken. Wollte doch nur dieser Krieg einmal ein Ende nehmen. Aber durch solche Verräter, wie wir sie erst jetzt wieder erleben mußten, wird ja alles verschlimmert. Erschießen ist für solche Verbrecher geradezu zu mild. Sie denken bei hren ehrgeizigen Plänen ja nur an sich und nicht an das Volk. Italien hätte ihnen eigentlich eine Warnung sein müssen. Aber da waren sie schon so sehr in ihrem Verrat verstrickt, daß sie garnicht zurückkonnten. Wie der Führer heute vor den Gauleitern sagte, begann dieser ja schon 1933.  Du machst mir eine große Freude, wenn Du die paar Marken nimmst, die ich hier mitschicke und Dir etwas besorgen läßt. Zurückschicken hat auch keinen Wert, da sie dann schon nicht mehr gelten. Die ReiseButtermarken gelten entgegen dem Aufdruck bis 20.8.  Heute Nachmittag war ich bei Resi, während die Kinder mit Ingrid unten im Zelt gespielt haben. So ist auch dieser Tag vorbei gegangen.  Nun olaß mich wieder schließen. Sei recht oft gegrüßt und geküßt, mein Ernst, von Deiner Annie. 


Liebster Ernst !                                                                                7.8.44       Montag        

Du schreibst ja in Deinem Brief vom 1.8., daß es nicht sicher sei, ob Dich meine Briefe im Lazarett erreichen. Ich wage es aber doch auch heute wieder und schreibe.  Heute morgen habe ich einen Einschreibebrief mit einigen Lebensmittelmarken an Dich abgesandt. Ich bitte Dich herzlich, verwende sie bitte. Uns machst Du eine große Freude und entbehren tun wir durch die Marken nichts. Wir können ja jetzt im Garten ernten. Heute habe ich die ersten 20 Pfund Kartoffeln raus gemacht. Die gekauften waren so schlecht, daß ich viele garnicht verwenden konnte. Da sind die aus dem Garten eine große Hilfe. Und wie gesund und schön sind sie. Sie sehen direkt appetitlich aus. Und zu klein sind sie auch nicht. Ich habe auch Vater davon welche runtergeschickt. Heute mittag gab es eigene Bohnen. In den nächsten Tagen werde ich auch ein paar Gläser davon sterilisieren. Morgen giebt es Wirsing, dann einmal Kohlrabi, dann Bayrisch Kraut. Aufs Brot haben wir schon Gurken. Du siehst, wir haben jetzt zu essen. _ Vorhin habe ich noch eine weniger schöne, aber notwendige Arbeit getan. Ich habe Gülle geschleppt. Bei Tag hatte ich die Zwiebeln raus getan. Nun habe ich gleich die 2 Beeten umgegraben, weißt Du, unten im kleinen Garten. Außerdem habe ich an die Krautsetzlinge Gülle getan und an die Erdbeeren im kleinen Garten, da ich diese schon soweit ausgeputzt hatte. Ich habe es deshalb am Abend erst gemacht, weil Frau L.  gerade die gleiche Arbeit vor hatte. Da brauchte ich mir den Schöpfer nicht extra borgen. ½ 10 Uhr war ich fertig.  Bis jetzt, ½ 11 Uhr, war Vater hier. Ich soll Dir von ihm viele Grüße ausrichten. Eigentlich auch gestern schon, denn ich war ja gleich zu ihm runter gegangen, als Dein Brief kam.  Die Kinder haben sich wieder den ganzen Tag über im Zelt vergnügt. Sie haben gelesen, mit den Puppen und Soldaten und mit der Kinderpost gespielt. Ich habe bei Tage gebügelt.  Heute ist es sogar im Haus aufgefallen, daß ich wieder froher bin. Sie meinten, jetzt würde ich wieder leise vor mich hinsingen, in den letzten Wochen sei ich so still gewesen. Da muß man doch auch froh sein, wenn man wieder einen lieben Brief bekommt, nicht wahr? Die Hauptsache ist, daß es Dir wieder besser geht. Und das hoffe ich fest. Ob sie Dich zwar gleich wieder dort fort lassen, das weiß ich nicht.  Wenn Du noch Diphteriebazillen hast, mußt Du ja noch dort bleiben. Vielleicht erhalte ich bald wieder Bescheid von Dir,.  Das Päckchen Nr. 4 mit Zigaretten ist heute angekommen. Ich werde sie wieder mit aufheben. Solltest Du noch länger dort sein, so schreibe mir bitte, was ich Dir evtl. noch schicken soll. Kannst Du Dein kleines Brettchen noch brauchen, und Dein Rasierwasser, Dein Haarwasser, Hautcreme, und die alte Zahnbürste, wegen der Du einmal geschrieben hast? Oder möchtest Du Zeitungen? Schreibst Du mir bitte darüber. Nun laß mich schlafen gehen. Vorher bekommst Du aber noch viele liebe Grüße und Küsse von Deiner Annie.

Brief 769 vom 2.8.


Mein liebster Ernst!                                                                           2.8.44         

Heute bekam ich meinen Brief vom 14.7. zurück mit der Bemerkung „Neue Anschrift abwarten“. Nun weiß ich, daß Du nicht mehr beim Lehrgang bist.  Aber sonst weiß ich auch jetzt noch nichts weiter. Ich wäre so froh, wenn ich wieder einmal einen Brief von Dir erhielte. Solange ich aber noch keinen bekomme, schreibe ich die wichtigsten Tagesereignisse kurz auf. Viel kann ich ja nicht schreiben, sonst wird der Brief zu schwer und ich kann ihn nicht wegschicken. Heute war ich im Kino. Der Film „Der Verteidiger hat das Wort“ mit Heinrich George wurde gespielt. Am Abend habe ich noch die Socken für Jörg zum Geburtstag fertig gestrickt. Heute erhielt ich die Todesanzeige von Alfred Seifert. Am 21.7. hat er bei einem tödlichen Unglücksfall in Ausübung seines Dienstes sein Leben geofpert. Die Beerdigung hat am 31.7. in Lindenberg stattgefunden. Um diesen Menschen ist es doch auch schade.  3.8. Heute hatten wir Alarm. In F. und, wie ich hörte, in Meersburg, seien sie gewesen. Ob das letztere stimmt, weiß ich nicht. Fr. ist aber gewiß wahr. Heute geht hier das Gerücht um, es sdeien Flugblätter abgeworfen worden, morgen kämen sie zu uns. Wir werden ja sehen, was daran wahr ist. Vorläufig gehe ich erst mal schlafen. Für Jörg habe ich heute noch ein Schlauchboot genäht. Diesmal ein schwarzes. Es sieht ganz echt aus. Jrög freut sich ja schon mächtig aufden Geburtstag.  Gebacken habe ich heute schon 2 Kuchen.  Heute ist noch unser Clo kaputt gegangen. Genau wie das vorige Mal. Es läßt sich nicht mehr abstellen. Jetzt haben wir einstweileneinen Draht dazwischengeklemmt, damit es wenigstens bis morgen früh hält.  4.8. Nun ist der Geburtstag von Jörg auch vorbei. Am Morgen haben wir beschert und ich habe ihm auch in Deinem Namen gratuliert. Er hat 1 Flieger, 1 Schlauchboot, 1 Bogen mit Pfeil (von Helga) 1 kl. Tasche für seinen Ausweis, 1 Paar Socken, 1 kl. Säge, Postkarten, 1 Teller Gebäck (von Ingrid)2 Mk. (von Vater bekommen. Er hat sich riesig gefreut. Jörg meinte, so viel Geschenke habe er sich nicht vorgestellt. Morgens haben wir STreußelkuchen gegessen. Dann haben die Kinder das Zelt aufgebaut. Helga und Ingrid haben es Jörg zu Ehren mit Blumen ausgeschmückt. Auf einer mit einem weißen Tuch bedeckten Kiste haben sie alle nochmals im Zelt Kaffee getrunken und Kuchen gegessen. Am Nachmittag gab es dann Marmorkuchen und Pudding. Der Geburtstag ist doch wirklich gefeiert worden, nicht wahr? Aber wer weiß, ob man es nächstes Jahr noch kann. Vater kam erst gegen Abend.  Alarm hatten wir heute keinen. Ja, die Gerüchtemacher.  Ich zerbreche mir bald den Kopf, warum ich keinen Brief von Dir erhalte. Hoffentlich bist Du ganz gesund. Es wird hier so manches erzählt, wie schlimm es dort sei, daß es einem manchmal ganz verzweifelt wird. Ich meine manchmal, der Kopf will mir zerspringen. Aber man kann grübeln und kommt doch zu keinem ERgebnis. Ach Ernst, wie glücklich wäre ich, wenn ich wieder eine Nachricht von Dir bekäme.  6.8. Der große, große Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Heute, am Sonntag, erhielt ich Deinen lieben Brief vom 1.8. Wie bin ich dumm, statt daß ich lache, kommen mir  fast die Tränen vor Freude. Nach so langer Zeit wieder ein Brief. ERnst, lieber, lieber Ernst! Ich hoff nur, daß Du nicht noch heftig Diphterie bekommen hast sondern , daß es Dir wieder besser geht. Sicher wirst Du mir bald wieder Nachricht geben, wie es Dir geht. Vielleicht hat die Spritze doch etwas ausgemacht, daß es nicht gar so schlimm wird. Du hast es ja auch schwer gehabt, wenn Du krank noch marschieren mußtest. Es ist nur gut, daß Du öfter irgendwo aufsitzen konntest. Ich bin direkt dankbar dafür.  Deinen Brief vom 24.7. haben wir noch nicht erhalten. Der letzte Brief, den wir bisher erhalten hatten, war vom 28.6. Wo Du jetzt bist, bei der Truppeund wie es Dir in den letzten Wochen gegangen ist, davon habe ich keine Ahnung. Die größte Sorge habe ich mir gemacht, ob Du auch den Russen entkommen bist. Gottseidank ist das der Fall. Ich bin ja so froh darüber. Leider ist es ja so, daß in den letzten Tagen immer feindliche Flieger nach Ostpreußen kommen.  Hoffentlich bleibt Ihr davon verschont.  Heute bekam ich meinen Brief vom 12.7. zurück. Ich schicke ihn mit. Da ich nicht weiß, welche Briefe Du gekommen hast, schreibe ich Dir heute nochmals mit, daß unser Radio, bei dem der Widerstand kaputt, vollständig kaputt war, wieder repariert worden ist. Ein neuer Widerstand ist gleich eingebaut worden. Ich hatte den Apparat bei Andres in der Paradiesstraße.  Ich weiß nicht, ob Du die Zeugnisabschriften bekommen hast. Die Zeugnisse waren bei Beiden gut ausgefallen.  Eine 4 war nirgends dabei. Nur 2 und einzelne 3, welche ja für normale Leistung jetzt gegeben wird.  Heute werde ich Resi sicher wieder besuchen, die mit Sehnenentzündung im Bett liegt. Sie hatte vorzeitig vom Kirschenpflücken heimkommen müssen, da sie nicht mehr stehen konnte. Sie hat schon immer danach gefragt, ob ich Nachricht von Dir hätte.  Von Papa erhielt ich einen Rundbrief und verschiedene neue Briefmarken. Den einen Brief schicke ich Dir mit.  Jörg schafft den Brief jetzt gleich mit dem Rad in die Stadt. Vielleicht erhältst Du ihn doch noch dort.  Werde wieder ganz gesund. Ich weiß nicht, soll ich „recht schnell“ wünschen. So hast Du doch noch einige Tage für neue Kräfteschöpfen. Leicht wird es dann sicher auch wieder nicht werden. Immer wieder wünsche ich Dir viel, viel Soldatenglück.  Laß Dich für heute recht, recht oft grüßen und küssen von Deiner, immer Deiner Annie.


 

Brief 768 vom 30.7.1944


Lieber, lieber Ernst!                                                                    30.7.44  Sonntag         

In dieser Nacht konnten wir einmal durchschlafen. Das ist direkt ein Genuß. Gegen Morgen gab es ein Gewitter und es hat nur so gegossen. Das hat alles tüchtig durchgeweicht. Am morgen bin ich zuerst mal in den Garten gegangen und habe Bohnen geholt. Zuerst habe ich bei den Buschbohnen nachgesehen. Da gab es noch nicht so viel, da ich die meisten doch hatte nachstupfen müssen. Ich schaue noch mal nach den Stangenbohnen, da hängen bei der einen Sorte schon schöne Bohnen dran. Ich habe eine ganze Tasche voll gepflückt. Einen Teil hat Jörg zu Vater runter gebracht. Später sind wir in die Wochenschau gegangen. Heimzu sind wir gelaufen, da es erst nach ½ 12 war. Bis 12 Uhr zum Zug hätten wir zu lange warten müssen. Die Kinder hatten mich schon lange um ein Eis gebeten. Heute habe ich ihnen nun Geld gegeben und sie sind ins Cafe‘ Müller gegangen, so sie auch welches bekamen. Ich bin einstweilen heim gegangen und habe Essen gekocht. Am Nachmittag kam Ingrid und die Kinder haben zusammen gespielt. Ich bin dden Nachmittag über bei Resi gewesen. Sie muß ja im Bett liegen. Ich habe ihr verschiedenes zum lesen mitgenommen. Während meines Dortseins haben wir uns unterhalten und ich habe dabei gestrickt. Wir haben uns schon besprochen, wenn wir uns zum arbeiten melden müssen, dann wollen wir sehen, ob wir zusammen wo hinkommen. Von Dir haben wir auch gesprochen, wie es Dir wohl geht und wo Du bist. Wenn ich nur erst wieder mal Nachricht von Dir hätte.  Ich wäre so sehr froh. Vielleicht dauert es doch nicht mehr gar so lange. Wenn Du nur gesund bleibst. Das ist mein großer Wunsch. Ich denke ja immer an Dich, mein lieber Mann und grüße und küsse Dich auch heute wieder herzlich und fest Deine Annie.

Brief 767 vom 28. und 29.7.1944


Mein liebster Ernst !                                                                        28.7.44      

Ich weiß nun seit einem Monat nichts con Dir, denn der Brief, den ich zuletzt von Dir erhielt, war vom 28.6. Ich hoffe nur immer wieder, daß Du noch gesund bist. Vielleicht klappt die Postversorgung bald wieder besser und ich höre, wie es Dir geht. Eigentlich hätte ich ja gestern Abend schreiben sollen, da bin ich aber nicht dazu gekommen. Ich hatte am Morgen in der Zeitung etwas von einer Treuekundgebung gelesen, war aber davon wieder abgekommen. Abends um 7 Uhr sagte ich zur Helga, sie sollte doch einmal nachsehen, an welchem Tag die Kundgebung ist. Da war es schon gestern Abend ½ 9 Uhr. Ich sagte zu den Kindern, da gehen wir mal zusammen hin. Sonst gehe ich ja eigentlich nie zu Versammlungen, aber diese Treuekundgebung zum Führer war etwas anderes. Als wir zum Konzil kamen, da haben wir doch gestaunt. Der obere und untere Konzilsaal waren gestopft voll, dazu die obere Konzilterrasse, ums Konzil rum Leute, ebenso an der Bahn beim Rentamt. Da haben wir dann auch gestanden, weil man die Rede dort gut hören konnte. Vorm Konzil standen alle Soldaten von hier. Es war wirklich eine Kundgebung. Hinterher fand ein Vorbeimarsch auf der Marktstätte statt. Die Militärkapelle spielte. Es war ein schönes Bild. Wir haben dann an der Rheinbrücke gewartet, bis die Musik kam und sind mitgelaufen bis zur Kaserne Es war auf dem Heimweg natürlich schon dunkel, denn es war ja schon nach 10 Uhr. Aber die Musiker können ja das meiste schon aus dem Kopf spielen. Als wir an unserem Haus vorbei kamen, stand Großvater an der Haustür. Es hatte ihn auch heraus gelockt. Ich hatte den Schlüssel bei Frau Nußbaumer gelassen, sodaß Vater in die Wohnung konnte.  Dieses Erlebnis war wieder einmal etwas für unsere Kinder, umsomehr als die anderen Kinder aus dem Haus zuhause und manche schon im Bett waren. Und sie durften das alles erleben.  Ich habe Helga ein neues Trägerkleid genäht. Es ist aus älterem Stoff, den Vater aus einem Korb im Keller mit ausgekramt hat. Er ist dunkelblau. Ich habe ihn gewendet und er ist wieder tadellos.  Dazu habe ich ihr einen modernen Gürtel gemacht. Von Mama hatte ich einen Gürtel da von früherer Zeit. Da hat man ja auch mal so was ähnliches getragen. Er ist weiß mit goldfarbigen Fäden. An beiden Seiten habe ich eine beigefarbige Borte mit rot und blauen Herzen drauf angenäht, sodaß in der Mitte nur noch das alte Muster zu sehen ist. Es sieht sehr schön aus. Vorn habe ich 4 Trachtenknöpfe angenäht aus Metall.  Ich weiß nicht, ob Du Dich an meinen früheren Regenmantel erinnern kannst. Er war gekästelt in einr weiß/weinroten Farbe. Da er nicht mehr richtig gummiert war, hatte ich den gummi ganz rausgebürstet und ihn als Sommermantel benutzt. Da ich ihn aber so selten trage, habe ich ihn jetzt für Helga abgeändert. Sie kann ihn gut brauchen, da sie ja für den Sommer nur einige Strickjacken hat.  Gestern brachte Ingrid ca. 3 Pfund Kirschen. Da habe ich 2 Kuchen davon gebacken. Einen für gestern Abend , einen für heute früh. Die haben geschmeckt.  Gestern Morgen fing es zu regnen an. Da habe ich gleich auf dem leeren Beet im kl.G. Grün und Rosenkohl gesetzt. Heute muß ich gleich in die Stadt. Es giebt eine Zuteilung an Bodenseefischen.  Mal sehen, was für welche. Entgehen lassen will ich sie nicht.  Laß mich nun schließen. Ich denke immer an Dich und grüße und küsse Dich von ganzem Herzen Deine Annie. 


Liebster, bester Ernst!                                                                      29.7.44         

 Ich schreibe und schreibe immer und weiß garnicht, ob Du die Briefe überhaupt erhältst. Vielleicht hast Du inzwischen eine andere Feldpostnummer bekommen. Vielleicht geht es Dir aber auch so wie mir, daß lange Zeit überhaupt keine Post eingeht. Wie dem auch sei, ich werde jedenfalls weiter schreiben.  Gestern schrieb ich, daß wir bodenseefische bekämen. Leider war es dann nichts, denn sie waren schon gleich ausverkauft. Am Nachmittag war Helga mit Ingrid baden, Jörg hat mit Richard und dem Hermann Bolz im ersten Stock auf dem Flur gspielt. Jörg stellt ja dazu immer die Spielsachen, Soldaten, Autos, Eisenbahn usw. Dafür können sie sich aber auvh den ganzen Nachmittag über beschäftigen. Ich hatte wieder einmal im Keller zu tun. Ich habe noch einiges Geschirr in die große Kiste verpackt. Man weiß ja nie, wie‘s noch kommt.  Heute Nacht hatten wir auch wieder Alarm. Erst ging es 8 Tage lang bei Tag, jetzt Nacht für Nacht. Heute habe ich wieder mal gründlich sauber gemacht und dabei alle Schränke usw.  weggerückt. Es muß auch wieder mal getan werden. Helga hat mir vorhin beim Treppe putzen mitgeholfen. Den ganzen Hausflur hat sie gewischt. Das ist doch schon ein großes Mädel, nicht wahr? Aber es schadet nichts, wenn sie auch schon etwas kann. Resi war doch beim Kirschen pflücken. Gestern ist sie mit Venenentzündung heim gekommen und liegt nun im Bett. Wahrscheinlich werde ich sie einmal besuchen.  Nachher gehe ich mit Helga in die Stadt. Jörg will lieber daheim bleiben und wieder spielen, . Ich wünschte mir nur,. daß ich einmal wieder einen Brief von Dir erhielt, damit ich wüßte, wie es Dir geht. Ich wünsche Dir immer wieder Gesundheit und grüße und küsse Dich ganz fest Deine Annie.

Mittwoch, 7. August 2019

Brief 766 vom 25./26.7.44


Mein liebster Mann!                                                                                 25.7.44               

In der vergangenen Nacht hatten wir auch wieder mal Alarm. Und stell Dir vor, gestern bei Tag haben Flieger zwischen Radolfzell und Markelfingen eine Zug beschossen. Ist das nicht gemein? Man kann wirklich nirgends mehr hin. Im allgemeinen bleiben wir ja auch daheim.. Nur zu seinem Geburtstag möchte Jörg gern wieder auf den Hohentwiel. Wir werden ja sehen, ob wir fahren.  Helga hatte sich doch vor kurzem in den Fuß geschnitten. Es heilte ganz gut zu, nur die eine Seite eiterte. Nun ist heute Morgen noch ein kleines Stück Scherbe rausgekommen. Wie sich das doch langsam rausgearbeitet hat.  Ich habe heute wieder einmal die Sachen aus dem Luftschutzkoffern gesonnt und gelüftet. Vor allen Dingen ist es wichtig, daß Deine Anzüge nicht stockfleckig werden. Das wäre ein großer Schaden. Man verbummelt ja ziemlich viel Zeit, aber es ist doch wichtig, daß diese Arbeit getan wird.  Am Morgen war ich im Garten und habe das Blumenkohl und Kohlrabibeet (im kleinen Garten u mgegraben. Es soll Rosenund Grünkohl drauf kommen. Die Erbsen im gr. G. kann ich auch bald raustun. Sie sind nicht so reich tragend wie die niederen im kl. G. An denen habe ich meine Freude. Wir konnten schon davon ernten und Jörg hat heute welche davon zu Vater runter gebracht.  Am Nachmittag hatten sie die Kinder wieder das Zelt aufgebaut. Damit können sie immer wieder spielen. Das bekommen sie nie satt. Jörg hatte gleich einen ganzen Obstkorb mit Büchern mitgenommen. Da hat er es sich auch wieder gemütlich gemacht und gelesen. Früh macht er es jetzt auch vielmals so. Er bleibt noch im Bett liegen und liest während Helga noch schläft. Welch kleine Leseratte Helga sonst auch ist, früh schläft sie sich lieber aus. Es ist auch gut für sie, denn sie wächst ja so. Jetzt ist sie 1,60 m groß. Bald wird sie uns eingeholt haben. Magerer ist sie aber nicht geworden, denn ihre Röcke werden ihr in der Hüfte zu eng. Sie selbst meint ja, sie sei „fett“. Aber das kann man beim besten Willen nicht sagen. Ich finde die Entwicklung so ganz richtig. Denn nur in die Höhe schießen hat auch keinen Wert. Für Jörg habe ich zum Geburtstag ein kleines Edelweiß aus Metall für seine Mütze bekommen. Es ist ja nur eine Kleinigkeit, aber bestimmt macht es ihm Freude. Nach solchem Edelweiß ist er doch schon öfter die ganze Stadt abgelaufen. Zum Ersatz habe ich ihm doch schon ein kleines Edelweiß aus Kunstharz aus unserer Abzeichensammlung annähen müssen.  Helga hat mir auch schon ihre Geburtstagswünsche anvertraut. Sie möchte auch 1 Paar Söckchen und dazu vielleicht noch irgend eine Kleinigkeit. Sie sind ja Beide sehr bescheiden. Da kann ich nicht klagen. Inzwischen konnte ich für Helga noch eine Schürze bekommen. Eine geschlossene, nicht nur mit Trägern.  Von Siegfried erhielt ich eine Karte. Er steht noch nicht wieder im Einsatz und hat eine neue Feldpostnummer bekommen, sie lautet: 28291. Ein bißchen Ruhe wird ihm auch gut tun,.  Vater war vorhin auch da. Ich habe ihm gesagt, er soll nicht wieder die flieger locken, indem er sagt, wir müssen wieder mit Alarm rechnen. Er mußte lachen und meinte, man müßte eben doch wieder damit rechnen.  Wie geht es Dir, mein liebster Ernst! Ich hoffe, daß Du auch weiterhin gesund bist.  Strapazen werdet ihr zwar genug zu erdulden haben. Vielleicht bekomme ich bald einmal einen Brief von Dir. Für heute grüße und küsse ich Dich fest und innig Deine Annie. 26.7. Heute Nacht hatten wir Alarm von ½ 2  3 Uhr.


 Mein liebster Ernst!                                                                                  26.7.44           

 Heute haben wir im Garten die ersten Buschbohnen geenrtet. Die haben geschmeckt. Wir hatten sie zum Abendbrot und hinterher Griespudding. Zu Mittag gab es Kohlrabi. Auch aus unserem Garten. Ich brauche eigentlich garnichts mehr kaufen. Das freut mich jedes Mal von neuem. Kartoffeln bekommen wir zugeteilt, neue Kartoffeln. 5 Pfund pro Person und Woche. Das ist zwar nicht zu viel. Aber zur Not kann ich aus dem Garten welche holen.  Die Kinder waren am Vormittag auf dem Bismarcksturm und haben wegen Lindenblüten geschaut. Sie sind noch halb zu, aber die Leute reißen doch schon ab. Ich tue es aber nicht. So sind sie nicht so wertvoll. 1  2 Tage kann man mindestens noch warten.  Ich war inzwischen in der Stadt, einkaufen und wegen Zeitungen schauen. Die von der vergangenen Woche sind noch nicht da, trotzdem schon bald wieder die neuen kommen müßten.  Am Nachmittag waren wir baden im Hallenbad. Mir wars bis zum Horn zu weit. Wir konnten aber garnicht so lange bleiben, weil Luftgefahr 20 war. Alarm gab es dann aber doch keinen und wir waren umsonst schnell heim gegangen. Aber, das macht ja nichts. Im Wasser waren wir auf jeden Fall, wir hätten uns doch nur noch hingesetzt.  Vorhin hat Dr. Goebbels gesprochen. Er hat erst die Hintergründe des Attentats aufgedeckt und ist dann auf den totalen Krieg zu sprechen gekommen. Recht hat er ja, wenn er meint, an manchen Stelllen kann noch eingespart werden und Leute sind auch noch da.  Wahrscheinlich komme ich doch jetzt auch mit schaffen dran. Ob ich es ja fertig bringen werde neben dem großen Garten, das werde ich sehen. Drücken will ich mich aber nicht.  Laß mich nun schließen. Bleib gesund und laß Dich vielmals und fest, ganz fest grüßen und küssen von Deiner Annie.

Brief 765 vom 20./22. 23.07. 44


Mein liebster Ernst !                                                                                       20.7.44              

Wie jetzt schon oft, habe ich auch heute keine Post erhalten.  Aber ich will nicht ungeduldig werden und auch weiterhin warten. Wenn ich nur wüßte, Du bist gesund. Heute hatten wir innerhalb einer Woche zum 8ten Mal Alarm. Sie sind auch wieder bei F. gewesen. Über uns sind 7 Fallschirme geflogen. 3 Mann sind in Wollmatingen  runter gekommen, 4 Mann sind in den See getrieben und die Schweizer haben sie geholt. Mit dem Fernglas hat man sie gut im Fallschirm hängen sehen. Der Vormittag ging durch den Alarm wieder verloren. Am Nachmittag habe ich in der Stadt Fisch geholt. Salzheringe hat es gegeben. Die Kinder waren inzwischen im Hallenbad. Eigentlich hatten sie ja vor, ans Wasserwerk zu gehen, damit Jörg Schiffle schwimmen lassen könnte. Aber es war zu spät dazu. Vorhin habe ich im Garten die Tomaten und Gurken gegossen. Es war in den letzten Tagen so heiß. 21.7. Das Gießen war gestern unnötig. Wir haben heute einen ausgiebigen Gewitterregen. Der tut den Gärten wieder gut. Alarm haben wir auch wieder einmal Soeben giebt auch die Schweiz Alarm. Da sind die flieger in der Nähe.  Natürlich, es wummert auch schon in der Ferne. Man muß ja zusehen, daß man bald mit der wichtigsten Arbeit fertig ist, sonst kommt der Alarm dazwischen.  Jetzt, ¾ 12 Uhr ist Entwarnung. Nun können wir das Essen kochen.  Was sagst Du zu dem Attentat auf den Führer? Das ist doch eine furchtbare Gemeinheit. Wie gut ist es, daß alles so gut vorbeigegangen ist. Gemeinheit ist eigentlich zu wenig gesagt, es ist ein Verbrechen. Wer kann auch so etwas tun. Vielleicht kommt noch etwas davon im Radio. Du wirst Dir denken, warum schreibt sie jetzt nur manchmal zwei Briefe zusammen. Es ist so, daß ich eigentlich garnicht viel zu berichten weiß. Meist denke ich an Dich, wie es Dir geht. Ich weiß ja jetzt so garnichts von Dir. Ein Brief kam auch heute nicht. Da heißt es eben weiterwarten. Sei mir nicht böse, wenn ich jetzt den Brief schon schließe. Ich hab garnicht so richtig die Gedanken dazu.  Ich hoffe, daß Du gesund bist und wünsche Dir alles Gute. Laß Dich herzlich und innig grüßen und küssen von Deiner Annie.


 Mein lieber, lieber Ernst !                                                                            22.7.44       

 Heute ist nach 9 Tagen der erste Tag ohne Alarm. Man kann es erst fast garnicht glaubenund wartet fast drauf. Wenn keiner kommt, ist man natürlich froh. Nach dem Wehrmachtsbericht waren sie ja am Donnerstag in Friedrichshafen und in Leipzig. Hoffentlich sind unsere Angehörigen wieder gut davon gekommen.  Ich wollte gestern wieder einmal raus und bin in den Film „Meine 4 Jungens“ mit Käthe Haak gegangen. Er hat mir ausgezeichnet gefallen. Das ist wirklich kein Kitsch wie mancher andere Film. Es ist nichts unwahrscheinlich drin. Den Kindern habe ich je 2 Stück gefüllten Kuchen mit heim genommen, damit sie auch etwas von dem Tag hatten.  Gestern Mittag hatten wir Salzhering zum Mittag. Ich hatte mich darauf gefreut und dann ist er mir garnicht gekommen und ich konnte ihn nicht bei mir behalten. Es ist bei mir ja meist so, daß ich etwas Saures nicht so gut vertrage. Als ich das Biest wieder los hatte, wurde mir bald wieder wohl.  Als ich nach dem Kino heim kam, hatte sich unsere zwei Lauser eine Decke und darüber die Steppdecke auf den Boden gelegt, dazu ein paar Kissen genommen. Sie lagen vergnügt da mit einem Buch und haben gelesen. Gel, sie machen sich‘s bequem.  Heute haben wir Regenwetter. Am Vormittag bin ich richtig eingeregnet, als ich in die Stadt fuhr. Dabei habe ich das meiste nicht bekommen, nicht Deine Zeitungen und keinen Quark, mit dem ich einen einfachen Kuchen backen wollte. Da mache ich eben etwas anderes. Wahrscheinlich giebt es morgen Abend Rohrnudeln. Die Kinder sind mir gleich um den Hals gefallen, als ich sie ankündigte. Sie sind doch auch solche, die lieber etwas süßes essen als sonst etwas.  Bin ich nicht ein Bummelant, ich habe immer noch kein Paket für Ursula weggeschickt. Aber jetzt muß es werden. Wir schicken ein Stofftier, 1 Trompete, 1 kl. Holzspielzeug, 2 Bildertaschentücher, 1 rote Halskette und 2 Paar gebrauchte, aber doch sehr gut erhaltene weiße Schuhe. Ich denke, daß sie Erna sicher für Ursula brauchen kann. Etwas anderes kann ich jetzt eben nicht schicken.  Lieber Ernst, einen Brief von Dir habe ich auch heute nicht erhalten. Täglich ware ich darauf. Aber Siegfried ist ja manchmal auch 4 Wochen nicht zum schreiben gekommen und er war doch gesund. Daß Du gesund bist, das hoffe ich von ganzem Herzen auch von Dir, mein liebster, bester Mann.  Damit wir wenigstens wieder einmal eine Sirene hören, hat die Schweiz gerade Alarm.Jetzt haben wir Feierabend. Wir haben vorhin Abendbrot gegessen, dann hat mir Helga abtrocknen geholfen. Nun spielen die Kinder „Rat fix“. Aber es ist schlimm. Jörg kann einfach nicht sehen, wenn jemand mehr Antworten weiß wie er und deshalb mehr Karten bekommt. Da wird er immer wütig. Wenn er etwas weiß, dann strahlt er, aber Helga ist nicht immer einverstanden. Es ist also keine reine Freude, bei dem Spiel dabei zu sitzen. Mir graust schon immer vorher. Jetzt schicke ich die zwei Lauser aber ins Bett, ich will doch noch an den Socken für Jörg stricken.  Morgen früh hat Jörg ¾ 8 Antreten am Hallenbad. Warum sie während der Ferien Dienst tun, weiß ich auch nicht. Und noch am Sonntag. Aber Dienst ist nun mal Dienst. Ich habe das kleine Bild von Dir vor mir liegen, wo Du mit Graser auf der Burg Gravensteen in Gent bist. Da lachst Du so vor Dich hin und ich kann mich garnicht satt daran sehen. Ob Du jetzt Gelegenheit zum lachen hast, weiß ich ja nicht, glaube es aber nicht. Wahrscheinlich wirst Du es jetzt schwer haben. Daß ich Dir so garnichts abnehmen kann. Und wir dürfen es noch so gut haben. Immer sind meine Gedanken bei Dir. Mein größter Wunsch ist, wieder einmal einen Gruß von Dir zu erhalten. Doch nein, noch größer ist mein Wunsch, daß Du gesund bleibst. Dafür will ich gern noch länger auf Post warten.  Für heute laß mich schließen.  Doch nein, da fällt mir noch was ein. Im Radio hörte ich gestern noch, daß es einige deutsche Offiziere waren, die den Führer beseitigen wollten. Ist das nicht furchtbar. Deutsche gegen den Führer. Hat man denn nicht an Italien gesehen, wie so etwas ausgeht. VErachten nicht alle den BAdoglio. Italiienischen GEfangenen rufen die Kinder auf der Straße „BAdoglioverräter“ nach und bei uns finden sich noch solche Lumpen. Pfui Teufel, kann man da nur sagen. Diese Kerle verraten aus persönlichem Ehrgeiz ein ganzes Volk.  Man faßt sich immer wieder an den Kopf und kann es nicht glauben, daß so etwas möglich ist. Ich glaube, da steckt auch noch ihr „von“ Spleen dahinter. Der Führer war und ist ein Mann aus dem Volk. Das können diese Herren nicht brauchen. Aber das Volk braucht den Führer. Da sind diese Lumpen nicht maßgebend. Es ist gut, daß da aufgeräumt wird. Aber es waren doch, wie ich herausgelesen habe, welche von Heimatheer.  Diesen Herren ist es eben zu gut gegangen. Du hast ja selbst schon Beobachtungen gemacht, wie manche hier noch leben. Vielleicht wird das auch man noch bessen.  Die Hauptsache ist er mal, der Führer lebt. Gottseidank.  Nun will ich wirklich schließen. Ich wünsche Dir immer wieder Soldatenglück und Gesundheit und bin mit vielen lieben Grüßen und Küssen immer Deine Annie.


Mein liebster Ernst !                                                                        23.7.44         

Daß ich keine Post von Dir bekommen habe, möchte ich fast nicht mehr schreiben. Es klingt sonst fast wie ein Klagelied und das soll es doch nicht sein. Es kann ja sein, daß Du keine Zeit hast oder di Beförderung klappt nicht so.  Du sollst Dir jedenfalls keine Gedanken darüber machen.  Der heutige Sonntag ist sehr friedlich vorbei gegangen. Aber es kommt mir fast wie ein Unrecht vor, daß Ihr es draußen so schwer habt und wir leben noch friedlich.  Am Morgen sind wir ziemlich zeitig aufgestanden, da Jörg Dienst hatte. Er kam aber bald wieder heim, denn es waren fast keine Buben gekommen. Ein Teil von ihnen ist ja auch verreist. Während Jörg fort war, habe ich gleich wieder an dem Söckchen für ihn gestrickt. Ebenso später, als er den Brief für Dich auf die Post brachte und am Nachmittag, als er in der Stube auf dem Sofa lag und las. Ich bin auch ein gut Stück weiter gekommen. Zu Mittag hatten wir heute Krautwickel, am Abend Rohrnudeln, also eine Art Dampfnudel. Nur werden diese im Backofen in einer Auflaufform mit süßer Milch gebacken.  Da kein schönes Wetter war, sind wir daheim geblieben. Die Kinder waren in der Stube und haben gelesen. Ich saß in der Küche, habe gestrickt und gelesen. Wenn Jörg mal raus kam, schwupp, verschwand der Strickstrumpf im Flickkorb. Die Kinder waren heute mal so brav, daß es direkt eine Freude war. Sie haben sich fast garnicht gezankt. Es war direkt eine Erholung. Und so brav geholfen hat mir Helga. Es war wirklich ein Sonntag.  Am Nachmittag habe ich das Päckchen für Ursula gepackt. Es ist darin: 1 Stofftier(Kamel), 1 Holzspielzeug, 2 Taschentücher, 1 Halskette, 1 Leibchen, 1 Mütze, 2 Paar weiße, sehr gute Schuhe, die Trompete, die wir noch schicken wollten, ging leider nicht ins Päckchen. Das macht aber nichts, da heben wir sie eben einstweilen auf. Ich habe nur ein paar kurze Zeilen dazu geschrieben wegen der Sachen. Heute Abend hat sich Helga ein Heidebuch angesehen. Da habe ich ihr einmal die Postkarten dazu gegeben, die Du von Bremen, Worpswede usw. mitgebracht hattest. Das hat sie sehr gefreut.  24.7. Lieber Ernst! Denk Dir, heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 28.6. Nr. 32. Der war doch wirklich lange unterwegs, fast 4 Wochen. Die ersten Sendungen der Bilder hattest Du bekommen. Daß sie Dir Spaß gemacht haben freut mich. Es sind doch schöne Erinnerungen an den vergangenen Urlaub.  Du hast mir nun auch bestätigt, daß ich Dir ruhig in Tintenstift schreiben kann. Mit der Maschine schreibe ich jetzt nicht mehr so oft. Die Typen sind ziemlich scharf, da geht das Farbband schnell entzwei und immer bekommt man ja auch keins nach. Tintenstifte aber habe ich noch genug da.  Heute Morgen habe ich vom kleinen Strauch  im großen Garten 7 Pfund Stachelbeeren gepflückt. Den letzten Blumenkohl habe ich auch geholt. Nun kann ich dieses Beet für Grün und Rosenkohl umgraben. Morgen kann ich schon Erbsen holen. Vater gebe ich heute ein Rotkraut mit. Du siehst, wir haben alles da.  Gerade hatten wir wieder über eine Stunde Alarm. Flieger waren keine da.  Nachher fahre ich in die Stadt und nehme den Brief gleich mit. Ich freue mich ja so, daß ich wieder einmal einen Gruß von Dir erhalten habe, wenn der Brief auch schon ziemlich lange geschrieben ist. Es ist doch ein lieber Gruß.  Ich hoffe Dich gesund und grüße und küsse Dich von ganzem Herzen Deine Annie.

Donnerstag, 18. Juli 2019

Brief 763 vom 14./15.7.1944


Lieber, lieber Ernst !                                                              Konstanz, 14.7.44         

Auch heute erhielt ich keinen Brief von Dir. Da ich nun garnichts beantworten kann, muß ich Dir nur von unserem Tagwerk berichten und das ist nicht viel.  Gest ern Nachmittag sind wir wieder vergeblich nach dem Radio gelaufen.  Das Fräulein hat ihn nicht in die Werkstatt gegeben und er stand noch unberü+hrt da.  Gestern war nun der Mann selber da und sagte, er würde nun bestimmt gemacht.  Eigentlich bis morgen. Ob das aber stimmt? Ich glaube garnichts mehr.  Einige alte Ringe von Sterilisierungsgläser wollte ich noch umtauschen, bezw. neue gegen Rückgabe der alten kaufen, aber auch da hatte ich kein Glück. So war der Weg in die Stadt ziemlich umsonst. Heute war oder vielmehr ist Putztag. Da habe ich wieder einmal alle Holzbödenaufgefärbt. Das war wieder einmal nötig. Währenddem kam Vater. Er hatte bei Paula Stachelbeeren geholt. Sie haben gefragt, wieviel er wollte. Er wollte „nicht unverschämt sein“ und hat 6 Pfund gesagt. Ich bin vorhin in den Garten gegangen und habe Stachelbeeren zu Marmelade und Johannisbeeren zum sterilisieren gepflückt.  Heute Abend muß ich sie noch fertig machen. Vorher fahre ich aber in die Stadt, um das bestellte kleine Kränzle für die Gerda von Waibels zu holen.  Die Kinder haben heute ein Zelt aus Zeltbahnen im Garten aufgebaut. Erst hatten sie es auf der Wiese, aber das ließ anderen Kindern keine Ruhe und sie mußten dauernd stören. So ist es viel besser. Das Zelt macht ihnen natürlich viel Spaß und sie meinten, wenn sie es jeden Tag aufstellen dürften, dann würden das die schönsten Ferien.  Von Tante Agnes  Mamas Schwester, erhielt ich heute eine Karte. Auf dieser teilt sie mir mit, daß Hubert  der jüngste Sohn  am 26.6. an der Düna durch Kopfschuß gefallen sei. Da s tut mir sehr leid. Tante Agnes hat doch auch dauernd Kummer. Erst stirbt Maria , dann kommt Hans in Gefangenschaft, nun fällt Hubert. Leo, der Älteste, der im Lazarett war. steht wieder im Süden der Ostfront.  Wenn ich nur wüßte, wie es Dir geht.  Immer denke ich an Dich, wo Du wohl jetzt sein könntest. Es wär für mich solch große Freude, wenn ich wieder einmal einen Gruß von Dir erhielt. Bleib nur immer gesund, Du Lieber. Laß Dich recht oft grüßen und küssen von Deiner Annie.


 Mein liebster Ernst!                                                        Konstanz, 15.7.44            

Wieder habe ich keine Post erhalten und so bleibt mir auch heute nichts weiter übrig, als Dir von uns zu erzählen.  Gestern gegen Abend bin ich in die Stadt gefahren wegen des Kranzes für die kleine Gerda.  Ich dachte, ich fahre nochmals beim Radiohändler vorbei und gucke, ob unser Apparat schon in Arbeit ist. Und denk Dir, da war er schon fertig. Ich bin dann nur schnell zum Blumengeschäft gefahren und habe gesagt, daß ich den Kranz heute Morgen hole. Dann habe ich den Apparat mit heim genommen. Nun läuft er wieder. Die Rechnung lautet: Vorschaltwiderstand gefertigt und in das Gerät eingebaut Widerstandsdraht  Schrauben, Aspestschiefer Gesamtkosten des Materials             ,45 Arbeitslohn für 2 ½ Stunden           6,25    = 6,70 Der Widerstand besteht jetzt aus einer mit Draht umwickelten Scheibe, die an der Seitenwand mit einer langen Schraube festgemacht ist. Die Seitenwand wird dadurch natürlich heiß. Vom Widerstand laufen 2 Drähteab, die eingearbeitet sind. Wir werden ja sehen, wie lange es jetzt wieder hält. Jedenfalls freuen wir uns erst mal, daß wir ihn wieder haben. Wir stellen den Apparat ja sowieso sparsam ein.  Bei den Kindern hat es eine riesige Freude her vorgerufen, als das Radio wieder ging.  Heute Morgen habe ich gleich den Kranz besorgt und dann mußte ich mich schon bald zum Begräbnis anziehen.  Am Nachmittag habe ich Stachelbeeren gepflückt. 4 Gläser voll habe ich sterilisiert und von 6 ½ Pfund koche ich Marmelade. Bis jetzt haben wir ca. 17 Pfund geerntet. Sterilisiert habe ich 6 Gläser Rhabarber, 6 Gläser Erdbeeren, 8 Gläser Johannisbeeren, 4 Gläser Stachelbeeren.  Die Kinder hatten wieder ihr Zelt aufgebaut. Das ist so recht nach ihrem Geschmack. Da können sie drin sitzen oder liegen, können lesen oder auch nur faulenzen. So gefallen ihnen die Ferien,.  Ich sagte heute zu Helga und Jörg, sie möchten auch noch Stachelbeeren pflücken, weil sie zur Marmelade noch nicht reichen. Es mußten noch ca. 4 Pfund gepflückt werden. Sie kamen dann später und brachten sie mir gleich fertig geputzt wieder. Sie hatten also schon den Stiel und die Blüte abgemacht. Da habe ich mich aber gefreut.  Wir sind nur gespannt, was Vater für ein Gesicht macht, wenn das Radio wieder da ist. Das hört er doch so gern. Er hat auch immer die Angewohnheit, daß er unsere Uhr mit dem Radio vergleicht und jedes Mal heißt es dann „die Uhr geht auch drei Minuten vor.“ Oder natürlich auch mal nach, denn genau geht sie nie. Aber gemacht wird sie jetzt auch nicht, und ob sie dann besser ging, das ist noch die Frage.  Nun gehe ich ins Bett und vorher grüße und küsse ich Dich recht oft und herzlich. Und einen großen Wunsch habe ich, daß ich bald wieder von Dir einen Brief erhalte. Noch größer ist mein Wunsch, daß Du ganz gesund bleibst. Nun bekommst Du nochmals einen festen Kuß von Deiner Annie.

Samstag, 13. Juli 2019

Brief 762 vom 13.7.1944


Mein lieber Ernst !          Konstanz, 12.7.44          23.

 Heute Mittag hatten wir wieder Alarm. In München waren sie sicher wieder. 2 ½ Stunden lang hat man die Flieger immer gehört und gewummert hat es auch ziemlich. Durch den Alarm  ist man garnicht richtig zum schaffen gekommen. Wir haben nur Johannisbeeren gepflückt zum Abendbrot, dann habe ich die Tomaten ausgeputzt und frisch angebunden und hinterher Unkraut raus gemacht. Außerdem hatte ich natürlich die übliche Hausarbeit.  Von Papa bekam ich eine Karte und einen Brief mit Bildern von den Gräbern in Leipzig und von Ursula zu ihrem ersten Geburtstag. Die Bilder von den Gräbern habe ich Vater gegeben, denn ihn gehen sie ja auch viel an und Dir hat Papa ja auch welche geschickt. Diese können wir ja aufheben. Bei dem Angriff auf Leipzig ist gerade noch alles soweit gut vorbei gegangen. Man ist jedesmal froh. Heute haben sie die kleine Gerda von Waibels uns gegenüber ins Krankenhaus geschafft. Sie soll Magen und Darmkatarrh haben. So ein kleines nettes Ding von 2 Jahren ist sie.  Vater hat vom Wehrmeldeamt die Anfrage bekommen, ob Kurt schon die Ostmedaille bekommen hat. Sonst möchte Vater hinkommen. Er geht auch in den nächsten Tagen gleich.  Mein liebster Mann!          13.7. GEstern Abend wußte ich nichts weiter zu schreiben. Da wir den Brief heute Mittag mit in die Stadt nehmen, schreibe ich gleich noch von heute mit. Vorhin hatten wir wieder Alarm. Man hat es von weitem wummern hören. Bei uns waren die Flieger nicht. _ Das kleine Mädel von Waibels ist heute gestorben. Es hatte Magen und Darmvergiftung. Von was, wissen sie auch nicht. Es ist so traurig, wenn man so ein liebes kleines Dingl verlieren muß.  Unser Jörg hat sich mit seinen Freunden im Hof ein Zelt aus Decken und Säcken gebaut. Darin  sitzen sie die ganze Zeit. Jörg hat die Musik mit, welche allen gefällt. Wie viel Freude hat sie doch schon bereitet. Helga sitzt hier bei mir und malt. Das ist immer noch ihre Freude. Menschen malen. Am Nachmittag gehe ich mit ihr in die Stadt. Wir wollen doch wieder nach dem Radio fragen. Jörg bleibt lieber bei seinem Zelt. _ Post habe ich auch heute wieder nicht von Dir bekommen. Vielleicht, vielleicht habe ich morgen mehr Glück. Ich würde mich sehr freuen. Aber inzwischen hoffe ich, daß Du ganz gesund bist und daß Du es nicht gar so schwer hast. Daß meine Gedanken immer bei Dir sind, das darfst Du glauben. Laß Dich recht herzlich grüßen und küssen von Deiner Annie.

Brief 761 vom 10. und 11.7.1944


Mein liebster Ernst !       Konstanz, 10.7.44       

Ja, was soll ich Dir heute berichten? Viel Abwechslung gab es heute in der Beschäftigung nicht. Am Vormittag waren wir im Garten und haben 11 PfundJohannisbeeren gepflückt, sodaß wir bisher 43 Pfund geerntet haben. Am Nachmittag habe ich alle Beeren abgezupft und vorhin habe ich nun 6 Gläser Johannisbeeren sterilisiert.  Nach dem Abendessen bin ich noch ein Weilchen in den Garten geganen um Unkraut auszureißen. Am Baum war wieder ein großer Schwamm. Wir haben ihn vorhin abgekratzt.  Während ich so beschäftigt war kam Vater. Er sitzt jetzt hier am Tisch und liest. Er brachte wieder einige Hefte für die Kinder mit, weil die armen Kerlchen garnichts zum lesen haben. An Papa habe ich eine Karte geschrieben, damit er weiß, daß sein Brief, seine Karte und das Paket angekommen ist. Und damit er die Brotmaschine Erna geben kann.  Das Wetter war heute wie im April. Die Kinder wußten garnicht, sollen sie raus gehen oder drin bleiben. Jörg hat es ganz schlau gemacht. Er hat sich seinen Bauernhof aufgestellt und immer damit gespielt, wenn es regnete.  Zwischendurch hat er wieder auf der Straße gespielt. Jörg weiß sich auch zu helfen. Er brauchte umbedingt einen reitenden Hirten. Da hat er sich einen aus doppelten, starken Papier ausgeschnitten, angemalt und zusammengeklebt. Die Hände und Beine hat er aber auseinander gelassen, sodaß er den Mann aufs Pferd setzen kann und die Hände legt er an den Hals des Pferdes. Solch selbstgefertigtes  Spielzeug macht genau so viel Spaß wie anderes.  Morgen wollen wir nochmals nach dem Radio fragen. Fertig wird es ja wieder nicht sein, aber ich frage immer nach, damit sie sehen, man kümmert sich drum. Vielleicht gehen wir vorher ins Kino. Es wird ein jugendfreier Film gespielt „Das Lied der Nachtigall.“ Das Einkaufen werden wir auf dem Weg gleich auch mit besorgen.  Vater ist jetzt heimgegangen. Und ich gehe ins Bett. Es ist doch schon wieder nach 11 Uhr. Hoffentlich bekomme ich recht bald wieder Nachricht von Dir. Bleib immer gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner immer in Gedanken bei Dir weilenden Annie. Nachts? Vorhin hatten wir seit längerer Zeit wieder einmal Voralarm.


 Mein lieber, lieber Ernst!        Konstanz, 11.7.44       

 Auch heut e erhielt ich keine Post von Dir. Ich hoffe wieder auf morgen. Ich würde mich so über einen Brief freuen. ABer ich will nicht ungeduldig werden, es sind ja erst 5 TAge vergangen, seit ich Deinen lieben Brief vom 26.  erhielt. Wahrscheinlich werde auch ich das warten auf Post jetzt lernen müssen, denn bei den jetzigen EReignissen wirst Du wenig zum schreiben kommen. Und glaub mir, ich werde auch froh sein, wenn Du hin und wieder einmal schreibst und wenn es nur eine Karte ist. Wie es Dir wohl jetzt geht? Hast Du es sehr schwer? Nach dem Wehrmachtsbericht soll bei Euch drückende Hitze herrschen. Dadurch wird ja alles erschwert. Bei uns geht alles seinen Gang. Heute Mittag hatten wir seit längerer Zeit wieder einmal Alarm. Die Flieger müssenin München oder Augsburg gewesen sein. 2 flieger sind über uns nach der Schweiz geflogen.  Am Nachmittag waren wir Drei zusammen im Kino. Es war insofern eine Enttäuschung, als die Wochenschau nicht angekommen war und überhaupt keine gezeigt wurde. Und gerade die Wochenschau ist doch mit das Wichtigste. Hinterher haben wir nach dem Radio gefragt. Natürlich war es nicht fertig.  Als ich dem Fräulein sagte, es müßte doch nur ein Vorschaltwiderstand eingebaut werden, da meinte sie „ach so, ich dachte immer, ein anderer Widerstand. Da will ich gleich nochmals fragen.“ Sie meinte dann, er würde bis Donnerstag gemacht, denn sie sollte den Apparat gleich in die Werkstatt bringen. Ob er nun tatsächlich gemacht wird? Ich bin gespannt.  Von Frau Dietz bekam ich eine Karte. Sie fragt wegen Jörgs Geburtstag an. Ob sie ihm auf die Kleiderkarte etwas kaufen könnte oder ob wir sonst einen Wunsch haben. Die Kleiderkarte kann ich ihr nicht schicken. Wir wollen doch für eine lange Uniformhose für den Winter Punkte sparen. Und sonst haben wir eigentlich auch keinen Wunsch. Ich selber kann Jörg auch nichts schenken. Es könnte höchstens sein, ich fände noch eine Kleinigkeit. Evtl. stricke ich ihm ein Paar Söckchen. Das muß ich dann aber abends tun, denn bei Tag sind die Kinder ja immer hier.  Sobald wieder gutes Wetter ist, werden wir noch einen Busch johannisbeeren pflücken. Diese werde ich wieder sterisisieren. Einen Teil gebe ich vielleicht noch Vater.  Paula hat doch Vater Stachelbeeren angeboten. 1 ½ Ztr. haben sie bisher geerntet, wie sie sagt. Nun fragte sie Vater, wieviel er haben wollte bezw. wieviel er noch Zucker zum einmachen hätte.  Als er meinte, ca. 6 Pfund, da sagte sie: „bei Stachelbeeren muß man schon fast Pfund auf Pfund nehmen.“ Das ist aber nicht der Fall. Ich bin nun gespannt, ob sie VAter mit 6 Pfund abspeisen wird. Sie verkauft nämlich sonst ihre Beeren nur gegen Zucker, wie sie Vater sagte. Von einer Frau hat sie 10 Pfund, von einer anderen 6 Pfund bekommen. Bei Vater kann sie natürlich damit nicht rechnen.  Gestern abend waren alle Kinder vom Haus und Nebenhaus im Vorraum versammelt und der Willi von Büsings hat Geister und Detektivgeschichten erzählt. Mit Begeisterung haben sie drauf gehört. Aber hinterher hat es Helga doch ein bißl mit der Angst zu tun bekommen. Sie hat mir verschiedenes erzählt und meinte immer wieder „gel, ich brauche keine Angst zu haben. Das gibt es doch nicht.“ Ich konnte sie beruhigen. Es waren zu phantastische Sachen. Jörg hatte ja keine Angst. So war rührt ihn nicht. Da lacht er nur dazu. Es ist ja auch gut so. Nun schließe ich wieder. Bleib Du, mein Ernst, gesund und laß Dich herzlich grüßen und küssen von Deiner Annie.

Brief 760 vom 9.7.1944

Mein lieber Mann !                                   Konstanz, 9.7.44  Sonntag        

GEstern habe ich sicher wieder keine Nummer auf meinen Brief geschrieben. Es füllt mir gerade jetzt ein, als ich im Kalender nachschaue, welche Nummer an der Reihe ist. Da stand noch keine drin. Es wäre 19 gewesen. Von Dir habe ich auch heute keine Post erhalten. Vielleicht kommt morgen etwas.  Der Tag vergeht heute recht friedlich und ist zum ausruhen geeignet. Zum baden ist es zu windig, darum sind wir daheim geblieben. So gegen ½ 8 Uhr sind wir aufgestanden und haben Frühstück gegessen. Dann wollte sich Helga aufs lesen stürzen. Sie war erst ein bißchen beleidigt, daß sie noch was mit schaffen sollte. Dann hat sie aber doch gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Jörg hat inzwischen den Brief an Dich auf die Post geschafft. Er tut es gern, denn er sagte einmal, mit dem Rad könnte ich ihn überall hinschicken. Fahren ist sein größtes Vergnügen. Auch jetzt ist er wieder ein Stück unterwegs. Er sagte vorhin „Mutterle, Du könntest mir einen ganz großen Wunsch erfüllen. Soll ichs sagen?“ Als ich ihn dazu aufforderte meinte er: „Ich möchte ein kleines Stück mit dem Rad fahren.“ Nun fährt er nach Wollmatingen, die eine Straße zu Stromeyer runter und dann zurück.  Am Vormittag habe ich dann aufgeräumt und Essen gekocht. Nach 12 Uhr haben wir schon gegessen. Nachdem ich hinterher aufgeräumt hatte, habe ich mich zum lesen gesetzt. Na, ganz stimmt es doch nicht. Ich hab noch einen Pudding gekocht. In die Schüsseln ist immer 1 Schicht Pudding und 1 Schicht Erdbeeren gekommen. Um 3 quälten mich die Kinder um 1 Schüssel und um 4 Uhr meinten sie, man könnte nun eigentlich die andere Schüssel und den restlichen Kuchen con heute früh essen. Das haben wir auch getan. Als ich vorhin meinte „es ist ja schon 5 Uhr“, da sagte Helga „prima, da können wir bald wieder essen“. Was sagst Du dazu? Ich habe lachen müssen und gesagt „Ihr seid doch eine ganz verfressene Gesellschaft“. Das hat sie aber garnicht gekränkt. Sie meinten sogar „so ein Tag ist mal prima, man braucht nur spielen und essen“. Jetzt sitzt mir Helga gegenüber und malt Mädel aus einer Zeitschrift ab, was ihr ganz gut gelingt.  Heute mittag haben wir doch lachen müssen. Es gab Kartoffeln, Blumenkohl und Hackfleisch. Da haben wir doch tatsächlich den Hackbraten vergessen zu essen. Kannst Du das verstehen? Der lag hinterher noch friedlich in der Pfanne. Na, satt sind wir auch so geworden und so gibt es nun ein gutes Abendbrot.  Da denke ich gerade an etwas. Im letzten Rundbrief klagt doch Papa wieder, daß Lotte nicht wüßte, was sie kochen soll. Sie hätten keine Kartoffeln. Ich kann ja keine hinschicken und dann glaube ich, daß Lotte auch selber mit schuld ist. Immer nur Haferflocken usw. brauchte sie bestimmt nicht kochen, wenn sie öfter mal Gemüse holen würde. Man kann das doch etwas dicker kochen, damit es sättigt. Mama hat es doch in einer knappen Zeit auch getan. Aber Lotte hat das schon bei unserem Besuch nicht getan. Einmal war es zu  viel Arbeit, ein andermal mußte man zu lange anstehen und ein drittes Mal war nach ihrer Meinung nicht viel dazu. Mit den Kartoffeln ist es genau so eine Sache. Ich hatte doch welche geschickt und wir hatten auch welche mitgenommen. Ich sagte damals zu ihr, es hätte eben auch manche kleine drin. Davon müßte man Pellkartoffeln kochen. Sie meinte darauf, Pellkartoffeln würde sie auf keinen Fall essen, lieber gar keine. Na also, da muß sie‘s eben haben. Damals hat sie durchs schälen auch die Hälfte weggeworfen. Wir haben auch Salzkartoffeln immer lieber gegessen und haben uns doch auf Pellkartoffeln umgestellt um auszukommen.  wir wußten ja erst nicht, daß wir nochmals welche bekämen und auch jetzt essen wir Pellkartoffeln. Ich sehe es nicht ein, daß wir ihr da helfen, so gern ich es auch Papa zuliebe tät. Aber so gut sind die Kartoffeln jetzt auch nicht mehr und es würde vielleicht nur noch darüber geredet. Inzwischen hat sich der Himmel stark bewölkt und es ist windig geworden. Jörg ist wieder daheim. Das fahren hat ihm soo gefallen. Helga hat das malen satt und schaut zum Fenster heraus. Und ich werde nun das Abendessen fertig machen. Es gibt Bratkartoffeln und Brot mit Hackbraten oder Käse. Nun habe ich von uns genug erzählt. Wenn ich nur wüßte, wie es Dir geht und wo Du jetzt bist. Das sind doch immer meine Gedanken. Ich hoffe, daß Du gesund bist und nicht soviel Schweres erlebst. Viele gute Wünsche begleiten Dich immer.  Für heute grüße und küsse ich Dich recht herzlich Deine Annie.  Liebes Vaterle! Wir haben jetzt Ferien. Ich freue mich, daß das Zeugnis gut ausgefallen ist. Du wirst es sicher schon in der Zwischenzeit bekommen haben.  Hat es Dich gefreut, daß ich eine 2 im Deutsch bekommen habe. Wir haben uns heute einen faulen Tag gemacht. Gestern ist nämlich das Packet von Papa mit Zeitungen angekommen. Da haben wir uns gleich „drangemacht.“ Gestern hat uns Großvaterle noch „Kinder Kurier“ mitgebracht. Die von 1925. Die hast Do wohl nicht mehr gelesen?  Aber sie sind wunderbar, glaubst Du? Ich hab sie heute schon ein wenig „durchgeschartet“. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga. Liebes VAterle! Ich schreibe Dir heute im Anschluß an Mutterle‘s Brief, auch einen kurzen Brief.  Heute bei Tag war schönes Wetter, jetzt ist es gleich ½ 7 Uhr, jetzt ist es schon sehr bewölkt. Ich weiß nicht, ob es noch zum regnen kommt.  Gest ern bekamen wir ein Paket mit Zeitungen von Papa. Heute bin ich nicht viel rausgegangen. Ich habe ein bißchen die Zeitungen angeschaut. Hast Du schon mein Zeugnis gekriegt? Gelt es war doch noch gut. Wie Dir Mutterle vieleicht schon schrieb, haben wir vom 4 Juli bis einschl. 24.August Ferien. Ich hab‘ es wieder schön, ich habe während den Ferien Geburtstag.  Viele Grüße und 10000000000 mal 9900000000 Küsse von Deinem Jörg.

Brief 759 vom 7 und 8.7.1944


Mein liebster Ernst !         Konstanz, 7.7.44       

Gesternbin ich nicht zum schreiben gekommen. Ich war abens so müd, daß ich schon die Kinder zeitiger hereingerufen habe, damit wir ins Bett gehen konnten. Frü waren wir zuerst im Garten und haben 7 ½ Pfund Johannisbeeren gepflückt. 6 Pfund hat Jörg gleich zu Vater geschafft. Die restlichen 1 ½ Pfund habe ich noch mit zur Marmelade verwendet, die ich gerade kochte. Im ganzen habe wir jetzt 32 Pfund Johannisbeeren gepflückt. Ungerechnet die, die gleich vom Busch gegessen worden sind. Die Büsche leeren wir auch nie ganz. Die Nachlese können Helga und Jörgh halten.  Am Nachmittag waren wir in der Stadt. Wir wollten das Radio holen. Wie ich mir schon dachte, war es noch nicht fertig. Wir haben uns auf der Marktstätte noch ein Platzkonzert der Militärkapelle angehört und haben dann nochmals nach Riemensandalen geschaut. Für Beide konnte ich diesmal welche bekommen. Dann sind wir heim gegangen. Ich habe Abendbrot gemacht und wir haben gegessen. Während ich aufgeräumt habe, sind die Kinder noch spielen gegangen. Dann habe ich sie gerufen und wir sind zeitig ins Bett gegangen.  Heute bin ich gleich zeitig aufgestanden und habe zu putzen angefangen. Es ist ja Freitag. Das Waschhaus mußte ich auch aufräumen. Jetzt, es ist ½ 3 Uhr, bin ich so ziemlich fertig und will dann noch in die Stadt fahren. Die Kinder sind vorhin ans Horn baden gegangen. Wenn ich noch Lust habe, fahre ich nach. Das muß ich mir aber erst noch überlegen. Gestern  und heute haben wir strahlend schönes Wetter. Für uns hier ist es ja schön. Ob Ihr aber darüber froh seid, wenn es bei Euch auch so heiß ist? Ich weiß ja nicht, wo Du jetzt bist. Es heißt ja südlich und südöstlich M wird noch erbittert gekämpft. Ob Ihr da noch dabei seid oder ob das zurückkommende Truppen sind? Ich hoffe ja, daß Du es nicht gar so schwer hast und gesund bist und bleibst. Immer denke ich an Dich, Du Lieber.  . Vom Papa erhielt ich heute eine Karte, daß er ein Zeitungspaket an uns abgeschickt hat. Er hat auch einige Photoalben mit reingetan. Das ist ja ganz schön, aber wo soll ich mit all den Sachen hin. Mir wird angst und bang. Gerade heute habe ich wieder allerhand ausgekramt, was ich wegtun will. Da kommt was Neues. Papa fragt auch, ob ich eine Brotschneidemaschine habe, sonst würde er mir die von Mama schicken. Wenn ich sie nicht brauchen kann, dann bekommt sie Erna. Ich habe ja noch die, die Papa mir gekauft hat.  Gestern gab mir Vater noch einen kleinen Korb mit Deckel, den ovalen, den Du auch im Keller gesehen hast. Ich nehme ihn nun als Flickkorb und tue meinen Spankorb (ohne Deckel) dafür weg. Nun habe ich aber genug so Sachen und lehne jede weitere Annahme ab. Nun laß mich schließen. Bleib immer gesund mein lieber, lieber Ernst und laß Dich herzlich grüßen und oft küssen von Deiner Annie. 


Mein lieber, guter Ernst !               7.7.44         

Da ich Dir gestern nicht geschrieben hatte, beginne ich heute nun den zweiten Brief an Dich. Mittags hatte ich ja den anderen weggeschafft. Ich bin gleich dabei einkaufen gefahren und hinterher bin ich zu den Kindern ans Horn gefahren.  Es war heute schrecklich heiß und das baden war direkt ein Genuß. Unsere Zwei sind natürlich fast den ganzen Nachmittag im Wasser gewesen. Als ich kam, da froen sie fast und natürlich sollte ich dann auch nicht so lang im Wasser bleiben. Einmal sind Beide mit mir ein ganzes Stück rausgeschwommen. Sie könnens schon sehr gut. Ich muß nur immer bremsen, daß sie sich nicht zu viel vornehmen. Lange sind wir nicht mehr geblieben, da es schon später war. Gegen ¾ 8 Uhr kamen wir daheim an. Ich hatte für uns je 1 Schüssel Griespudding, verziert mit einem Kranz einzelner Johannisbeeren ring herum und einer kleinen Traube in der Mitte auf den Tisch hingestellt. Das hat Helga und Jörg gefreut. Hinterher gab es Brotsuppe. Ein Lieblingsessen unserer Kinder. Sie haben sich schon für morgen früh wieder welche bestellt. Tüchtig braun gebrannt sind unsere Zwei schon. Sie sind ja auch meist im Freien, wenn sie nicht schlafen oder essen. Vor 9 Uhr stehen sie jetzt garnicht mehr auf. Das eine Gute ist dabei, ich spare das zweite Frühstück. Dafür kann ich ihnen nachmittags zum baden ein Brot geben. Bei der nächsten Kartenperiode bekommt ja Jörg nun mehr Brot, da er 10 Jahre alt wird. Das ist sehr wichtig.  Gestern ist bei Jörg wieder einmal ein Spulwurm zum Vorschein gekommen. Wodurch er die nur immer bekommt? Unsere Helga hat durch das viele schwimmen unter Wasser ganz entzündete Augen. Dabei ist sie so ein Dummerle. Wenn ich sage, sie soll es sein lassen, dann meint sie, das schwimmen unter Wasser sei soo schön.  Offiziell ist das Strandbad Horn noch nicht geöffnet, auch nicht Strandbad Jakob. Es soll angeschlagen sein, daß das Bad wegen Fliegergefahr nicht eröffnet werde. Die Bevölkerung bade auf eigene Gefahr. Hoffentlich passiert nie etwas.  Wenn morgen wieder gutes Wetter wird, werden wir wahrscheinlich wieder Johannisbeeren pflücken. Diese würde ich dann sterilisieren.  Es ist nun inzwischen ziemlich spät geworden. Darum beende ich den Brief und grüße und küsse Dich ganz herzlich Deine Annie.


 Mein liebster Ernst !                                                            Konstanz, 8.7.44

Ich schreibe heute gleich einmal auf Briefpapaier, welches ich von Papa bekam. Es kam nämlich das Zeitungspaket an. Es waren allerhand Zeitungen drin, dann ein Pinsel, 1 Dose Klebepaste, mehrere kleine Rollen Klebestreifen, einige Bleistifte, 2 Scheuertücher, 4 Photoalben. Es sind die, die auf einem kleinen Tischchen in Leipzig lagen und in denen Bilder von uns und von den Eltern und Siegfried sind. Außerdem hat Papa einzelne Bilder mitgeschickt aus seiner Kinder. und Jugendzeit. Dann war noch Briefpapier und Umschläge drin. Zu lesen haben wir wieder allerhand. Die Kinder auch, denn VAter brachte vorhin Kinderzeitungen von 1924 mit, die er aufgestöbert hat. Da haben sich unsere Kinder natürlich draufgestürzt. Es ist der „Kinder.Kurier von Onkel Max“ Dazu noch einige Hefte der Jugendbücherei „Förster Fleck. Feldzug in Rußland 1812.“ „Die Höllenfahrt“, Hans, der Mahrwirtssohn.“ Unsere Zwei wollen heute garnicht ins Bett und es ist doch schon 10 Uhr. Aber soeben habe ich ein Machtwort gesprochen und ausgezogen muß jetzt werden. Morgen ist auch noch ein Tag. Ein Sonntag ist für die Kinder ja jetzt jeder Tag. Sie können ja jetzt immer faulenzen. Heute waren sie auch wieder baden. Eine Lieblingsbeschäftigung der Kinder ist jetzt auch aufs Sofa liegen. Das tun sie mit Ausdauer. Und dabei wird natürlich gelesen. Auch unser Jörg liest dann. Ganz so abgeneigt wie erst ist er nicht mehr.  In der vergangenen Woche hatte ich doch im Garten sauber gemacht. In dieser Woche kam ich vor Beeren pflücken und einkochen nicht zum nachschauen. Wie ich heute durchgehe, da sehe ich, waß wir einige große Blumenkohl haben. Und die anderen werden auch schon. Da habe ich mich aber gefreut. Wir hatten sie doch gepflanzt, als Du auch Urlaub da warst. Wir haben auch schon feste, große Weißkrautköpfe und Wirsing konnten wir auch schon kochen. Die Buschbohnen stehen prima da. Die Stachelbeeren werden jetzt bald weich. Bei den Johannisbeeren haben wir noch 3 Büsche abzupflücken und zwar welche mit kleinen Beeren. Die mit großen haben wir schon geplündert. Davon haben wir auch Vater gegeben, da er sonst mit zupfen garnicht fertig wird. Die Kartoffeln blühen jetzt, ebenso die niedrigen Erbsen und die Brombeeren. Vater geben wir heute einen Blumenkohl und ein Weißkraut mit.  Was wir morgen machen, wissen wir noch nicht. Vielleicht gehen wir garnicht fort oder wir gehen baden. Es richtet sich nach dem Wetter. Ein richtig fauler Tag ist auch mal schön.  Laß Dich nun zum Schluß des Briefes herzlich grüßen und küssen von Deiner Annie.  VAter sagte mir gerade, daß nach dem Wehrmachtsbericht die feindl. Flieger wieder in Leipzig waren. Hoffentlich ist alles gut vorbweigegangen, daß alle gesund sind.


Brief 758 vom 4.und 5.7.1944


Mein liebster, bester Ernst !         Konstanz, 4.7.44           

Heute ist Dein Geburtstag, der 36ste. Wie schnell vergehen doch die Jahre. Als Du fort mußtest, warst Du noch 31 Jahre alt. So lange geht nun schon der Krieg. Daß wir die vielen Jahre getrennt sein würden, dachten wir damals noch nicht. Aber alles ist ja nicht so schlimm, wenn Du nur wiederkommst.  Am ersten Ferientag habe auch ich einmal ausgeschlafen. Gegen 8 Uhr bin ich aufgestanden.  Die Kinder sind bis um 9 Uhr im Bett geblieben. Dann haben wir Dir zu Ehren eine Tischdecke auf den Tisch getan und Dein Bild, mit Rosen umrahmt, an Deinen Platz gestellt. Wir haben immer an Dich gedacht. Die Feinde sind ja nahe bei Euch und vielleicht hast Du selbst nicht einmal Zeit gehabt, an Deinen Geburtstag zu denken. Unsere Gedanken waren aber immer mit den besten Wünschen bei Dir. Vater kam heute Abend auch rauf und wir haben einen Cognac auf ein gesundes Wiedersehen getrunken.  Geschafft habe ich heute nicht vbiel. da ich von vorgestern und gestern noch kaputt war. Außerdem regnete es, sodaß man auch draußen nicht viel tun konnte. Gegen Abend habe ich noch Johannisbeeren gepflückt, von denen ich Vater 5 Pfund abgegeben habe. Die anderen koche ich zu Marmelade. 15 Pfund haben wir bisher geerntet.  5.7. Lieber Ernst! Beim lesen des Wehrmachtsberichtes bin ich heute doch erschrocken. Die Russen waren ja schon an der Bahnlinie, an der Du bist. Wie wird es jetzt wohl dort sein, denn es wird von schweren Abwehrkämpfen gesprochen. Am 3.7. sei die Bahnlinie wieder freigekämpft worden. Es wird ja vielleicht jetzt so sein, daß Ihr gar keine Post bekomme und auch nicht zum schreiben kommt. Zum Post tranportieren werden sie sicher wenig Zeit haben. Aber ich werde immer mit meinen Gedanken bei Dir sein.  Ich wünsche Dir von ganzem Herzen recht viel Soldatenglück und grüße und küsse Dich recht fest Deine Annie.

Mein liebster Schatz !        Konstanz, 5.7.44      

Gleich 3 Briefe habe ich heute von Dir erhalten, denk, gleich drei auf einmal. Ich habe mich sehr gefreut. Sie sind vom 24./26. Nr. 28/30. Du hast recht, wenn Dur schreibst, daß wir durchhalten müssen, auch wenn es heiß hergeht und wir die Zähne zusammenbeißen müssen. Leicht wird es ja gerade Dir jetzt nicht sein, denn wenn Ihr dort geblieben seid, bist Du ja gerade jetzt im Kampfgebiet.  Ich denke immer daran, wie es Dir jetzt wohl gehen mag. Bis ich von diesen Tagen Nachricht habe, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Wenn Du nur gesund bleibst, dann wir ich gern warten. Du wunderst Dich, wo ich die Körbe noch unterbringe, die ich von Vater habe. Das sind doch kleine Körbe, die leicht unterzubringen sind. Einen habe ich ja auch nur in der Wohnung, der andere ist im Verschlag. Durch den Korb liegen die Puppensachen nicht mehr überall herum, sondern sind aufgeräumt. Dadurch wird manches frei.  Siehst Du, so schlecht schießt Du garnicht, wenn Du gleich eine Elster abschießen kannst. Das schießen ist ja auch gerade bei Euch draußen in Feindesland wichtig.  Wenn ich Dein Päckchen erhalte, werde ich eine Zahnbürste für Dich aufheben. Ich habe ja sowieso noch für Jeden eine Ersatzbürste  da.  Wie ich aus Papa‘s Brief, der heute auch ankam, lesen konnte, hat er ja schon Bindfaden an Dich geschickt. Vor 10 Tagen habt Ihr nun Geschützdonner gehört. Und jetzt sind ja schon Kämpfe an Eurem Platz. Die Zuversicht wegen der allgemeinen Lage verliere ich nicht, aber um Dich sorge ich mich.  Du hast mir in Deinem Brief vom 26.6.  ein Bild davon gemalt, wie es um Dich herum aussieht und was Du so beim Postenstehen siehst. Es hat mich sehr interessiert und auch gefreut, daß ich durch Deine Schilderung einen kleinen Begriff davon bekommen habe. Für die mitgeschickten Blumen danke ich Dir sehr. Diese kommen zu den schon vorher geschichten, die wir ja alle aufheben.  Vom heutigen Tag ist nicht viel zu berichten. Am Vormittag war ich in der Stadt einkaufen, am Nachmittag habe ich die verschiedenen Körbe zu Vater geschafft. Einen Wirsing habe ich ihm mitgenommen. Er hat mir (für die Johannisbeeren von gestern) 2 Pfund Mehl mitgegeben. Die Kinder waren inzwischen bei Ingrid zum spielen. Als wir alle wieder daheim waren, haben wir erst mal Abendbrot gegessen. Dann sind wir in den Garten gegangen und haben Johannisbeeren gepflückt. 25 Pfund haben wir bisher geerntet. Heute früh habe ich auch noch Marmelade gekocht. Sie ist sehr schö und fest geworden. Das größte Vergnügen für die Kinder ist ja, daß sie zwischen dem pflücken auch essen dürfen. Ganz geleert werden ja die Sträucher auch nicht, denn der Rest gehört den Kindern. Da können sie sich bei Appetit immer etwas holen. Heute Morgen hatte ich mich geärgert. Ich hatte von der Marmelade Schaum abgeschöpft. Es war ganz lockerer Schaum und schmeckte herrlich. Die Kinder waren begeistert. Da kam Ingrid und meinte: Sowas essen wir nicht, das schmeißen wir immer gleich in den Abort.“ Vor kurzem waren wir auch mal bei Resi. Da lagen mehrere Stücke trockenen Brotes im Abfalleimer. Helga meinte „oh, das schöne Brot“. Da sagte Resi „Das ist schon zu trocken, das kann man nicht mehr essen.“ Als Ingrid einmal hörte, daß wir Brotsuppe und Auflauf essen, hat sie es scheinbar daheim erzählt. Sie sagte später zu Helga „meine Mutter hat gesagt, da müßte sie sich brechen, wenn sie sowas essen müßte.“ Was sagst Du dazu? Uns hat es bisher immer geschmeckt und ich bin sehr froh um das trockene Brot, welches Du uns immer geschickt hast. Wir lassen es uns auch nicht verleiden. Nun laß mich wieder schließen. Dein Bild mit den Rosen steht immer noch neben mir auf dem Tisch und Du lächelst mir zu. Bleib uns weiterhin gesund und sei recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt von Deiner Annie.