Mein lieber Mann
! Konstanz, 9.7.44 Sonntag
GEstern habe ich
sicher wieder keine Nummer auf meinen Brief geschrieben. Es füllt mir gerade
jetzt ein, als ich im Kalender nachschaue, welche Nummer an der Reihe ist. Da
stand noch keine drin. Es wäre 19 gewesen. Von Dir habe ich auch heute keine
Post erhalten. Vielleicht kommt morgen etwas.
Der Tag vergeht heute recht friedlich und ist zum ausruhen geeignet. Zum
baden ist es zu windig, darum sind wir daheim geblieben. So gegen ½ 8 Uhr sind
wir aufgestanden und haben Frühstück gegessen. Dann wollte sich Helga aufs
lesen stürzen. Sie war erst ein bißchen beleidigt, daß sie noch was mit
schaffen sollte. Dann hat sie aber doch gute Miene zum bösen Spiel gemacht.
Jörg hat inzwischen den Brief an Dich auf die Post geschafft. Er tut es gern,
denn er sagte einmal, mit dem Rad könnte ich ihn überall hinschicken. Fahren
ist sein größtes Vergnügen. Auch jetzt ist er wieder ein Stück unterwegs. Er
sagte vorhin „Mutterle, Du könntest mir einen ganz großen Wunsch erfüllen. Soll
ichs sagen?“ Als ich ihn dazu aufforderte meinte er: „Ich möchte ein kleines
Stück mit dem Rad fahren.“ Nun fährt er nach Wollmatingen, die eine Straße zu
Stromeyer runter und dann zurück. Am
Vormittag habe ich dann aufgeräumt und Essen gekocht. Nach 12 Uhr haben wir
schon gegessen. Nachdem ich hinterher aufgeräumt hatte, habe ich mich zum lesen
gesetzt. Na, ganz stimmt es doch nicht. Ich hab noch einen Pudding gekocht. In
die Schüsseln ist immer 1 Schicht Pudding und 1 Schicht Erdbeeren gekommen. Um
3 quälten mich die Kinder um 1 Schüssel und um 4 Uhr meinten sie, man könnte
nun eigentlich die andere Schüssel und den restlichen Kuchen con heute früh
essen. Das haben wir auch getan. Als ich vorhin meinte „es ist ja schon 5 Uhr“,
da sagte Helga „prima, da können wir bald wieder essen“. Was sagst Du dazu? Ich
habe lachen müssen und gesagt „Ihr seid doch eine ganz verfressene
Gesellschaft“. Das hat sie aber garnicht gekränkt. Sie meinten sogar „so ein
Tag ist mal prima, man braucht nur spielen und essen“. Jetzt sitzt mir Helga
gegenüber und malt Mädel aus einer Zeitschrift ab, was ihr ganz gut
gelingt. Heute mittag haben wir doch
lachen müssen. Es gab Kartoffeln, Blumenkohl und Hackfleisch. Da haben wir doch
tatsächlich den Hackbraten vergessen zu essen. Kannst Du das verstehen? Der lag
hinterher noch friedlich in der Pfanne. Na, satt sind wir auch so geworden und
so gibt es nun ein gutes Abendbrot. Da
denke ich gerade an etwas. Im letzten Rundbrief klagt doch Papa wieder, daß
Lotte nicht wüßte, was sie kochen soll. Sie hätten keine Kartoffeln. Ich kann
ja keine hinschicken und dann glaube ich, daß Lotte auch selber mit schuld ist.
Immer nur Haferflocken usw. brauchte sie bestimmt nicht kochen, wenn sie öfter
mal Gemüse holen würde. Man kann das doch etwas dicker kochen, damit es
sättigt. Mama hat es doch in einer knappen Zeit auch getan. Aber Lotte hat das
schon bei unserem Besuch nicht getan. Einmal war es zu viel Arbeit, ein andermal mußte man zu lange
anstehen und ein drittes Mal war nach ihrer Meinung nicht viel dazu. Mit den
Kartoffeln ist es genau so eine Sache. Ich hatte doch welche geschickt und wir
hatten auch welche mitgenommen. Ich sagte damals zu ihr, es hätte eben auch manche
kleine drin. Davon müßte man Pellkartoffeln kochen. Sie meinte darauf, Pellkartoffeln
würde sie auf keinen Fall essen, lieber gar keine. Na also, da muß sie‘s eben
haben. Damals hat sie durchs schälen auch die Hälfte weggeworfen. Wir haben
auch Salzkartoffeln immer lieber gegessen und haben uns doch auf Pellkartoffeln
umgestellt um auszukommen. wir wußten
ja erst nicht, daß wir nochmals welche bekämen und auch jetzt essen wir
Pellkartoffeln. Ich sehe es nicht ein, daß wir ihr da helfen, so gern ich es
auch Papa zuliebe tät. Aber so gut sind die Kartoffeln jetzt auch nicht mehr
und es würde vielleicht nur noch darüber geredet. Inzwischen hat sich der
Himmel stark bewölkt und es ist windig geworden. Jörg ist wieder daheim. Das
fahren hat ihm soo gefallen. Helga hat das malen satt und schaut zum Fenster heraus.
Und ich werde nun das Abendessen fertig machen. Es gibt Bratkartoffeln und Brot
mit Hackbraten oder Käse. Nun habe ich von uns genug erzählt. Wenn ich nur
wüßte, wie es Dir geht und wo Du jetzt bist. Das sind doch immer meine
Gedanken. Ich hoffe, daß Du gesund bist und nicht soviel Schweres erlebst.
Viele gute Wünsche begleiten Dich immer.
Für heute grüße und küsse ich Dich recht herzlich Deine Annie. Liebes Vaterle! Wir haben jetzt Ferien. Ich
freue mich, daß das Zeugnis gut ausgefallen ist. Du wirst es sicher schon in
der Zwischenzeit bekommen haben. Hat es
Dich gefreut, daß ich eine 2 im Deutsch bekommen habe. Wir haben uns heute
einen faulen Tag gemacht. Gestern ist nämlich das Packet von Papa mit Zeitungen
angekommen. Da haben wir uns gleich „drangemacht.“ Gestern hat uns Großvaterle
noch „Kinder Kurier“ mitgebracht. Die von 1925. Die hast Do wohl nicht mehr
gelesen? Aber sie sind wunderbar,
glaubst Du? Ich hab sie heute schon ein wenig „durchgeschartet“. Viele Grüße
und Küsse von Deiner Helga. Liebes VAterle! Ich schreibe Dir heute im Anschluß
an Mutterle‘s Brief, auch einen kurzen Brief.
Heute bei Tag war schönes Wetter, jetzt ist es gleich ½ 7 Uhr, jetzt ist
es schon sehr bewölkt. Ich weiß nicht, ob es noch zum regnen kommt. Gest ern bekamen wir ein Paket mit Zeitungen
von Papa. Heute bin ich nicht viel rausgegangen. Ich habe ein bißchen die
Zeitungen angeschaut. Hast Du schon mein Zeugnis gekriegt? Gelt es war doch
noch gut. Wie Dir Mutterle vieleicht schon schrieb, haben wir vom 4 Juli bis
einschl. 24.August Ferien. Ich hab‘ es wieder schön, ich habe während den
Ferien Geburtstag. Viele Grüße und
10000000000 mal 9900000000 Küsse von Deinem Jörg.
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