Samstag, 13. Juli 2019

Brief 762 vom 13.7.1944


Mein lieber Ernst !          Konstanz, 12.7.44          23.

 Heute Mittag hatten wir wieder Alarm. In München waren sie sicher wieder. 2 ½ Stunden lang hat man die Flieger immer gehört und gewummert hat es auch ziemlich. Durch den Alarm  ist man garnicht richtig zum schaffen gekommen. Wir haben nur Johannisbeeren gepflückt zum Abendbrot, dann habe ich die Tomaten ausgeputzt und frisch angebunden und hinterher Unkraut raus gemacht. Außerdem hatte ich natürlich die übliche Hausarbeit.  Von Papa bekam ich eine Karte und einen Brief mit Bildern von den Gräbern in Leipzig und von Ursula zu ihrem ersten Geburtstag. Die Bilder von den Gräbern habe ich Vater gegeben, denn ihn gehen sie ja auch viel an und Dir hat Papa ja auch welche geschickt. Diese können wir ja aufheben. Bei dem Angriff auf Leipzig ist gerade noch alles soweit gut vorbei gegangen. Man ist jedesmal froh. Heute haben sie die kleine Gerda von Waibels uns gegenüber ins Krankenhaus geschafft. Sie soll Magen und Darmkatarrh haben. So ein kleines nettes Ding von 2 Jahren ist sie.  Vater hat vom Wehrmeldeamt die Anfrage bekommen, ob Kurt schon die Ostmedaille bekommen hat. Sonst möchte Vater hinkommen. Er geht auch in den nächsten Tagen gleich.  Mein liebster Mann!          13.7. GEstern Abend wußte ich nichts weiter zu schreiben. Da wir den Brief heute Mittag mit in die Stadt nehmen, schreibe ich gleich noch von heute mit. Vorhin hatten wir wieder Alarm. Man hat es von weitem wummern hören. Bei uns waren die Flieger nicht. _ Das kleine Mädel von Waibels ist heute gestorben. Es hatte Magen und Darmvergiftung. Von was, wissen sie auch nicht. Es ist so traurig, wenn man so ein liebes kleines Dingl verlieren muß.  Unser Jörg hat sich mit seinen Freunden im Hof ein Zelt aus Decken und Säcken gebaut. Darin  sitzen sie die ganze Zeit. Jörg hat die Musik mit, welche allen gefällt. Wie viel Freude hat sie doch schon bereitet. Helga sitzt hier bei mir und malt. Das ist immer noch ihre Freude. Menschen malen. Am Nachmittag gehe ich mit ihr in die Stadt. Wir wollen doch wieder nach dem Radio fragen. Jörg bleibt lieber bei seinem Zelt. _ Post habe ich auch heute wieder nicht von Dir bekommen. Vielleicht, vielleicht habe ich morgen mehr Glück. Ich würde mich sehr freuen. Aber inzwischen hoffe ich, daß Du ganz gesund bist und daß Du es nicht gar so schwer hast. Daß meine Gedanken immer bei Dir sind, das darfst Du glauben. Laß Dich recht herzlich grüßen und küssen von Deiner Annie.

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