Samstag, 13. Juli 2019

Brief 759 vom 7 und 8.7.1944


Mein liebster Ernst !         Konstanz, 7.7.44       

Gesternbin ich nicht zum schreiben gekommen. Ich war abens so müd, daß ich schon die Kinder zeitiger hereingerufen habe, damit wir ins Bett gehen konnten. Frü waren wir zuerst im Garten und haben 7 ½ Pfund Johannisbeeren gepflückt. 6 Pfund hat Jörg gleich zu Vater geschafft. Die restlichen 1 ½ Pfund habe ich noch mit zur Marmelade verwendet, die ich gerade kochte. Im ganzen habe wir jetzt 32 Pfund Johannisbeeren gepflückt. Ungerechnet die, die gleich vom Busch gegessen worden sind. Die Büsche leeren wir auch nie ganz. Die Nachlese können Helga und Jörgh halten.  Am Nachmittag waren wir in der Stadt. Wir wollten das Radio holen. Wie ich mir schon dachte, war es noch nicht fertig. Wir haben uns auf der Marktstätte noch ein Platzkonzert der Militärkapelle angehört und haben dann nochmals nach Riemensandalen geschaut. Für Beide konnte ich diesmal welche bekommen. Dann sind wir heim gegangen. Ich habe Abendbrot gemacht und wir haben gegessen. Während ich aufgeräumt habe, sind die Kinder noch spielen gegangen. Dann habe ich sie gerufen und wir sind zeitig ins Bett gegangen.  Heute bin ich gleich zeitig aufgestanden und habe zu putzen angefangen. Es ist ja Freitag. Das Waschhaus mußte ich auch aufräumen. Jetzt, es ist ½ 3 Uhr, bin ich so ziemlich fertig und will dann noch in die Stadt fahren. Die Kinder sind vorhin ans Horn baden gegangen. Wenn ich noch Lust habe, fahre ich nach. Das muß ich mir aber erst noch überlegen. Gestern  und heute haben wir strahlend schönes Wetter. Für uns hier ist es ja schön. Ob Ihr aber darüber froh seid, wenn es bei Euch auch so heiß ist? Ich weiß ja nicht, wo Du jetzt bist. Es heißt ja südlich und südöstlich M wird noch erbittert gekämpft. Ob Ihr da noch dabei seid oder ob das zurückkommende Truppen sind? Ich hoffe ja, daß Du es nicht gar so schwer hast und gesund bist und bleibst. Immer denke ich an Dich, Du Lieber.  . Vom Papa erhielt ich heute eine Karte, daß er ein Zeitungspaket an uns abgeschickt hat. Er hat auch einige Photoalben mit reingetan. Das ist ja ganz schön, aber wo soll ich mit all den Sachen hin. Mir wird angst und bang. Gerade heute habe ich wieder allerhand ausgekramt, was ich wegtun will. Da kommt was Neues. Papa fragt auch, ob ich eine Brotschneidemaschine habe, sonst würde er mir die von Mama schicken. Wenn ich sie nicht brauchen kann, dann bekommt sie Erna. Ich habe ja noch die, die Papa mir gekauft hat.  Gestern gab mir Vater noch einen kleinen Korb mit Deckel, den ovalen, den Du auch im Keller gesehen hast. Ich nehme ihn nun als Flickkorb und tue meinen Spankorb (ohne Deckel) dafür weg. Nun habe ich aber genug so Sachen und lehne jede weitere Annahme ab. Nun laß mich schließen. Bleib immer gesund mein lieber, lieber Ernst und laß Dich herzlich grüßen und oft küssen von Deiner Annie. 


Mein lieber, guter Ernst !               7.7.44         

Da ich Dir gestern nicht geschrieben hatte, beginne ich heute nun den zweiten Brief an Dich. Mittags hatte ich ja den anderen weggeschafft. Ich bin gleich dabei einkaufen gefahren und hinterher bin ich zu den Kindern ans Horn gefahren.  Es war heute schrecklich heiß und das baden war direkt ein Genuß. Unsere Zwei sind natürlich fast den ganzen Nachmittag im Wasser gewesen. Als ich kam, da froen sie fast und natürlich sollte ich dann auch nicht so lang im Wasser bleiben. Einmal sind Beide mit mir ein ganzes Stück rausgeschwommen. Sie könnens schon sehr gut. Ich muß nur immer bremsen, daß sie sich nicht zu viel vornehmen. Lange sind wir nicht mehr geblieben, da es schon später war. Gegen ¾ 8 Uhr kamen wir daheim an. Ich hatte für uns je 1 Schüssel Griespudding, verziert mit einem Kranz einzelner Johannisbeeren ring herum und einer kleinen Traube in der Mitte auf den Tisch hingestellt. Das hat Helga und Jörg gefreut. Hinterher gab es Brotsuppe. Ein Lieblingsessen unserer Kinder. Sie haben sich schon für morgen früh wieder welche bestellt. Tüchtig braun gebrannt sind unsere Zwei schon. Sie sind ja auch meist im Freien, wenn sie nicht schlafen oder essen. Vor 9 Uhr stehen sie jetzt garnicht mehr auf. Das eine Gute ist dabei, ich spare das zweite Frühstück. Dafür kann ich ihnen nachmittags zum baden ein Brot geben. Bei der nächsten Kartenperiode bekommt ja Jörg nun mehr Brot, da er 10 Jahre alt wird. Das ist sehr wichtig.  Gestern ist bei Jörg wieder einmal ein Spulwurm zum Vorschein gekommen. Wodurch er die nur immer bekommt? Unsere Helga hat durch das viele schwimmen unter Wasser ganz entzündete Augen. Dabei ist sie so ein Dummerle. Wenn ich sage, sie soll es sein lassen, dann meint sie, das schwimmen unter Wasser sei soo schön.  Offiziell ist das Strandbad Horn noch nicht geöffnet, auch nicht Strandbad Jakob. Es soll angeschlagen sein, daß das Bad wegen Fliegergefahr nicht eröffnet werde. Die Bevölkerung bade auf eigene Gefahr. Hoffentlich passiert nie etwas.  Wenn morgen wieder gutes Wetter wird, werden wir wahrscheinlich wieder Johannisbeeren pflücken. Diese würde ich dann sterilisieren.  Es ist nun inzwischen ziemlich spät geworden. Darum beende ich den Brief und grüße und küsse Dich ganz herzlich Deine Annie.


 Mein liebster Ernst !                                                            Konstanz, 8.7.44

Ich schreibe heute gleich einmal auf Briefpapaier, welches ich von Papa bekam. Es kam nämlich das Zeitungspaket an. Es waren allerhand Zeitungen drin, dann ein Pinsel, 1 Dose Klebepaste, mehrere kleine Rollen Klebestreifen, einige Bleistifte, 2 Scheuertücher, 4 Photoalben. Es sind die, die auf einem kleinen Tischchen in Leipzig lagen und in denen Bilder von uns und von den Eltern und Siegfried sind. Außerdem hat Papa einzelne Bilder mitgeschickt aus seiner Kinder. und Jugendzeit. Dann war noch Briefpapier und Umschläge drin. Zu lesen haben wir wieder allerhand. Die Kinder auch, denn VAter brachte vorhin Kinderzeitungen von 1924 mit, die er aufgestöbert hat. Da haben sich unsere Kinder natürlich draufgestürzt. Es ist der „Kinder.Kurier von Onkel Max“ Dazu noch einige Hefte der Jugendbücherei „Förster Fleck. Feldzug in Rußland 1812.“ „Die Höllenfahrt“, Hans, der Mahrwirtssohn.“ Unsere Zwei wollen heute garnicht ins Bett und es ist doch schon 10 Uhr. Aber soeben habe ich ein Machtwort gesprochen und ausgezogen muß jetzt werden. Morgen ist auch noch ein Tag. Ein Sonntag ist für die Kinder ja jetzt jeder Tag. Sie können ja jetzt immer faulenzen. Heute waren sie auch wieder baden. Eine Lieblingsbeschäftigung der Kinder ist jetzt auch aufs Sofa liegen. Das tun sie mit Ausdauer. Und dabei wird natürlich gelesen. Auch unser Jörg liest dann. Ganz so abgeneigt wie erst ist er nicht mehr.  In der vergangenen Woche hatte ich doch im Garten sauber gemacht. In dieser Woche kam ich vor Beeren pflücken und einkochen nicht zum nachschauen. Wie ich heute durchgehe, da sehe ich, waß wir einige große Blumenkohl haben. Und die anderen werden auch schon. Da habe ich mich aber gefreut. Wir hatten sie doch gepflanzt, als Du auch Urlaub da warst. Wir haben auch schon feste, große Weißkrautköpfe und Wirsing konnten wir auch schon kochen. Die Buschbohnen stehen prima da. Die Stachelbeeren werden jetzt bald weich. Bei den Johannisbeeren haben wir noch 3 Büsche abzupflücken und zwar welche mit kleinen Beeren. Die mit großen haben wir schon geplündert. Davon haben wir auch Vater gegeben, da er sonst mit zupfen garnicht fertig wird. Die Kartoffeln blühen jetzt, ebenso die niedrigen Erbsen und die Brombeeren. Vater geben wir heute einen Blumenkohl und ein Weißkraut mit.  Was wir morgen machen, wissen wir noch nicht. Vielleicht gehen wir garnicht fort oder wir gehen baden. Es richtet sich nach dem Wetter. Ein richtig fauler Tag ist auch mal schön.  Laß Dich nun zum Schluß des Briefes herzlich grüßen und küssen von Deiner Annie.  VAter sagte mir gerade, daß nach dem Wehrmachtsbericht die feindl. Flieger wieder in Leipzig waren. Hoffentlich ist alles gut vorbweigegangen, daß alle gesund sind.


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