Mein liebster
Mann! 25.7.44
In der vergangenen
Nacht hatten wir auch wieder mal Alarm. Und stell Dir vor, gestern bei Tag
haben Flieger zwischen Radolfzell und Markelfingen eine Zug beschossen. Ist das
nicht gemein? Man kann wirklich nirgends mehr hin. Im allgemeinen bleiben wir
ja auch daheim.. Nur zu seinem Geburtstag möchte Jörg gern wieder auf den
Hohentwiel. Wir werden ja sehen, ob wir fahren. Helga hatte sich doch vor kurzem in den Fuß geschnitten. Es
heilte ganz gut zu, nur die eine Seite eiterte. Nun ist heute Morgen noch ein
kleines Stück Scherbe rausgekommen. Wie sich das doch langsam rausgearbeitet
hat. Ich habe heute wieder einmal die
Sachen aus dem Luftschutzkoffern gesonnt und gelüftet. Vor allen Dingen ist es
wichtig, daß Deine Anzüge nicht stockfleckig werden. Das wäre ein großer
Schaden. Man verbummelt ja ziemlich viel Zeit, aber es ist doch wichtig, daß
diese Arbeit getan wird. Am Morgen war
ich im Garten und habe das Blumenkohl und Kohlrabibeet (im kleinen Garten u
mgegraben. Es soll Rosenund Grünkohl drauf kommen. Die Erbsen im gr. G. kann
ich auch bald raustun. Sie sind nicht so reich tragend wie die niederen im kl.
G. An denen habe ich meine Freude. Wir konnten schon davon ernten und Jörg hat
heute welche davon zu Vater runter gebracht.
Am Nachmittag hatten sie die Kinder wieder das Zelt aufgebaut. Damit
können sie immer wieder spielen. Das bekommen sie nie satt. Jörg hatte gleich
einen ganzen Obstkorb mit Büchern mitgenommen. Da hat er es sich auch wieder
gemütlich gemacht und gelesen. Früh macht er es jetzt auch vielmals so. Er
bleibt noch im Bett liegen und liest während Helga noch schläft. Welch kleine
Leseratte Helga sonst auch ist, früh schläft sie sich lieber aus. Es ist auch
gut für sie, denn sie wächst ja so. Jetzt ist sie 1,60 m groß. Bald wird sie
uns eingeholt haben. Magerer ist sie aber nicht geworden, denn ihre Röcke
werden ihr in der Hüfte zu eng. Sie selbst meint ja, sie sei „fett“. Aber das
kann man beim besten Willen nicht sagen. Ich finde die Entwicklung so ganz
richtig. Denn nur in die Höhe schießen hat auch keinen Wert. Für Jörg habe ich
zum Geburtstag ein kleines Edelweiß aus Metall für seine Mütze bekommen. Es ist
ja nur eine Kleinigkeit, aber bestimmt macht es ihm Freude. Nach solchem
Edelweiß ist er doch schon öfter die ganze Stadt abgelaufen. Zum Ersatz habe
ich ihm doch schon ein kleines Edelweiß aus Kunstharz aus unserer
Abzeichensammlung annähen müssen. Helga
hat mir auch schon ihre Geburtstagswünsche anvertraut. Sie möchte auch 1 Paar
Söckchen und dazu vielleicht noch irgend eine Kleinigkeit. Sie sind ja Beide
sehr bescheiden. Da kann ich nicht klagen. Inzwischen konnte ich für Helga noch
eine Schürze bekommen. Eine geschlossene, nicht nur mit Trägern. Von Siegfried erhielt ich eine Karte. Er
steht noch nicht wieder im Einsatz und hat eine neue Feldpostnummer bekommen,
sie lautet: 28291. Ein bißchen Ruhe wird ihm auch gut tun,. Vater war vorhin auch da. Ich habe ihm
gesagt, er soll nicht wieder die flieger locken, indem er sagt, wir müssen
wieder mit Alarm rechnen. Er mußte lachen und meinte, man müßte eben doch
wieder damit rechnen. Wie geht es Dir,
mein liebster Ernst! Ich hoffe, daß Du auch weiterhin gesund bist. Strapazen werdet ihr zwar genug zu erdulden
haben. Vielleicht bekomme ich bald einmal einen Brief von Dir. Für heute grüße
und küsse ich Dich fest und innig Deine Annie. 26.7. Heute Nacht hatten wir
Alarm von ½ 2 3 Uhr.
Mein liebster Ernst! 26.7.44
Heute haben wir im Garten die ersten
Buschbohnen geenrtet. Die haben geschmeckt. Wir hatten sie zum Abendbrot und
hinterher Griespudding. Zu Mittag gab es Kohlrabi. Auch aus unserem Garten. Ich
brauche eigentlich garnichts mehr kaufen. Das freut mich jedes Mal von neuem.
Kartoffeln bekommen wir zugeteilt, neue Kartoffeln. 5 Pfund pro Person und
Woche. Das ist zwar nicht zu viel. Aber zur Not kann ich aus dem Garten welche
holen. Die Kinder waren am Vormittag
auf dem Bismarcksturm und haben wegen Lindenblüten geschaut. Sie sind noch halb
zu, aber die Leute reißen doch schon ab. Ich tue es aber nicht. So sind sie
nicht so wertvoll. 1 2 Tage kann man
mindestens noch warten. Ich war
inzwischen in der Stadt, einkaufen und wegen Zeitungen schauen. Die von der
vergangenen Woche sind noch nicht da, trotzdem schon bald wieder die neuen
kommen müßten. Am Nachmittag waren wir
baden im Hallenbad. Mir wars bis zum Horn zu weit. Wir konnten aber garnicht so
lange bleiben, weil Luftgefahr 20 war. Alarm gab es dann aber doch keinen und
wir waren umsonst schnell heim gegangen. Aber, das macht ja nichts. Im Wasser waren
wir auf jeden Fall, wir hätten uns doch nur noch hingesetzt. Vorhin hat Dr. Goebbels gesprochen. Er hat
erst die Hintergründe des Attentats aufgedeckt und ist dann auf den totalen
Krieg zu sprechen gekommen. Recht hat er ja, wenn er meint, an manchen Stelllen
kann noch eingespart werden und Leute sind auch noch da. Wahrscheinlich komme ich doch jetzt auch mit
schaffen dran. Ob ich es ja fertig bringen werde neben dem großen Garten, das
werde ich sehen. Drücken will ich mich aber nicht. Laß mich nun schließen. Bleib gesund und laß Dich vielmals und
fest, ganz fest grüßen und küssen von Deiner Annie.
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