Mittwoch, 7. August 2019

Brief 766 vom 25./26.7.44


Mein liebster Mann!                                                                                 25.7.44               

In der vergangenen Nacht hatten wir auch wieder mal Alarm. Und stell Dir vor, gestern bei Tag haben Flieger zwischen Radolfzell und Markelfingen eine Zug beschossen. Ist das nicht gemein? Man kann wirklich nirgends mehr hin. Im allgemeinen bleiben wir ja auch daheim.. Nur zu seinem Geburtstag möchte Jörg gern wieder auf den Hohentwiel. Wir werden ja sehen, ob wir fahren.  Helga hatte sich doch vor kurzem in den Fuß geschnitten. Es heilte ganz gut zu, nur die eine Seite eiterte. Nun ist heute Morgen noch ein kleines Stück Scherbe rausgekommen. Wie sich das doch langsam rausgearbeitet hat.  Ich habe heute wieder einmal die Sachen aus dem Luftschutzkoffern gesonnt und gelüftet. Vor allen Dingen ist es wichtig, daß Deine Anzüge nicht stockfleckig werden. Das wäre ein großer Schaden. Man verbummelt ja ziemlich viel Zeit, aber es ist doch wichtig, daß diese Arbeit getan wird.  Am Morgen war ich im Garten und habe das Blumenkohl und Kohlrabibeet (im kleinen Garten u mgegraben. Es soll Rosenund Grünkohl drauf kommen. Die Erbsen im gr. G. kann ich auch bald raustun. Sie sind nicht so reich tragend wie die niederen im kl. G. An denen habe ich meine Freude. Wir konnten schon davon ernten und Jörg hat heute welche davon zu Vater runter gebracht.  Am Nachmittag hatten sie die Kinder wieder das Zelt aufgebaut. Damit können sie immer wieder spielen. Das bekommen sie nie satt. Jörg hatte gleich einen ganzen Obstkorb mit Büchern mitgenommen. Da hat er es sich auch wieder gemütlich gemacht und gelesen. Früh macht er es jetzt auch vielmals so. Er bleibt noch im Bett liegen und liest während Helga noch schläft. Welch kleine Leseratte Helga sonst auch ist, früh schläft sie sich lieber aus. Es ist auch gut für sie, denn sie wächst ja so. Jetzt ist sie 1,60 m groß. Bald wird sie uns eingeholt haben. Magerer ist sie aber nicht geworden, denn ihre Röcke werden ihr in der Hüfte zu eng. Sie selbst meint ja, sie sei „fett“. Aber das kann man beim besten Willen nicht sagen. Ich finde die Entwicklung so ganz richtig. Denn nur in die Höhe schießen hat auch keinen Wert. Für Jörg habe ich zum Geburtstag ein kleines Edelweiß aus Metall für seine Mütze bekommen. Es ist ja nur eine Kleinigkeit, aber bestimmt macht es ihm Freude. Nach solchem Edelweiß ist er doch schon öfter die ganze Stadt abgelaufen. Zum Ersatz habe ich ihm doch schon ein kleines Edelweiß aus Kunstharz aus unserer Abzeichensammlung annähen müssen.  Helga hat mir auch schon ihre Geburtstagswünsche anvertraut. Sie möchte auch 1 Paar Söckchen und dazu vielleicht noch irgend eine Kleinigkeit. Sie sind ja Beide sehr bescheiden. Da kann ich nicht klagen. Inzwischen konnte ich für Helga noch eine Schürze bekommen. Eine geschlossene, nicht nur mit Trägern.  Von Siegfried erhielt ich eine Karte. Er steht noch nicht wieder im Einsatz und hat eine neue Feldpostnummer bekommen, sie lautet: 28291. Ein bißchen Ruhe wird ihm auch gut tun,.  Vater war vorhin auch da. Ich habe ihm gesagt, er soll nicht wieder die flieger locken, indem er sagt, wir müssen wieder mit Alarm rechnen. Er mußte lachen und meinte, man müßte eben doch wieder damit rechnen.  Wie geht es Dir, mein liebster Ernst! Ich hoffe, daß Du auch weiterhin gesund bist.  Strapazen werdet ihr zwar genug zu erdulden haben. Vielleicht bekomme ich bald einmal einen Brief von Dir. Für heute grüße und küsse ich Dich fest und innig Deine Annie. 26.7. Heute Nacht hatten wir Alarm von ½ 2  3 Uhr.


 Mein liebster Ernst!                                                                                  26.7.44           

 Heute haben wir im Garten die ersten Buschbohnen geenrtet. Die haben geschmeckt. Wir hatten sie zum Abendbrot und hinterher Griespudding. Zu Mittag gab es Kohlrabi. Auch aus unserem Garten. Ich brauche eigentlich garnichts mehr kaufen. Das freut mich jedes Mal von neuem. Kartoffeln bekommen wir zugeteilt, neue Kartoffeln. 5 Pfund pro Person und Woche. Das ist zwar nicht zu viel. Aber zur Not kann ich aus dem Garten welche holen.  Die Kinder waren am Vormittag auf dem Bismarcksturm und haben wegen Lindenblüten geschaut. Sie sind noch halb zu, aber die Leute reißen doch schon ab. Ich tue es aber nicht. So sind sie nicht so wertvoll. 1  2 Tage kann man mindestens noch warten.  Ich war inzwischen in der Stadt, einkaufen und wegen Zeitungen schauen. Die von der vergangenen Woche sind noch nicht da, trotzdem schon bald wieder die neuen kommen müßten.  Am Nachmittag waren wir baden im Hallenbad. Mir wars bis zum Horn zu weit. Wir konnten aber garnicht so lange bleiben, weil Luftgefahr 20 war. Alarm gab es dann aber doch keinen und wir waren umsonst schnell heim gegangen. Aber, das macht ja nichts. Im Wasser waren wir auf jeden Fall, wir hätten uns doch nur noch hingesetzt.  Vorhin hat Dr. Goebbels gesprochen. Er hat erst die Hintergründe des Attentats aufgedeckt und ist dann auf den totalen Krieg zu sprechen gekommen. Recht hat er ja, wenn er meint, an manchen Stelllen kann noch eingespart werden und Leute sind auch noch da.  Wahrscheinlich komme ich doch jetzt auch mit schaffen dran. Ob ich es ja fertig bringen werde neben dem großen Garten, das werde ich sehen. Drücken will ich mich aber nicht.  Laß mich nun schließen. Bleib gesund und laß Dich vielmals und fest, ganz fest grüßen und küssen von Deiner Annie.

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