Donnerstag, 8. August 2019

Brief 770 vom 6. und 7.8.1944

Mein liebster Schatz !                                                                       6.8.44   Sonntag        

 Da ich so erlöst bin, daß ich wieder einen Brief von Dir erhalten habe, fange ich nun heute noch den zweiten Brief an Dich an. Es beeindruckt mich zwar immer wieder der Gedanke, ob Du nicht vielleicht doch noch kränker geworden bist. Dann denke ich aber wieder, sicher hat die Spritze doch etwas geholfen, daß die Krankheit nicht gar so schwer zum Ausbruch gekommen ist. Ich hoffe, daß ich in den nächsten Tagen wieder etwas von Dir hören werde.  In der letzten Zeit war ich ja manchmal sehr niedergedrückt. Es war so lange her, seit ich etwas con Dir gehört hatte. Immer wieder hatte ich die Hoffnung gehabt, der Briefträger bringt etwas und immer wieder ging er so vorbei. Aber ich will nicht mehr daran denken, noch weniger will ich Dir was vorjammern. Ich halte jetzt wieder einen Brief v on Dir in den Händen und das macht mich glücklich. Du nennst mich ein Dummerle (ein liebes) weil ich mir Sorgen um Dich mache. Da will ich gern ein Dummerle sein. Soll ich mir um meinen lieben Mann keine Sorgen machen? Ich habe Dich ja so lieb. Wie wollte ich Dich vor allem Schweren beschützen, wenn ich nur könnte. So kann ich aber nur daheim sitzen und kann nichts tun, als nur immer an Dich denken. Wollte doch nur dieser Krieg einmal ein Ende nehmen. Aber durch solche Verräter, wie wir sie erst jetzt wieder erleben mußten, wird ja alles verschlimmert. Erschießen ist für solche Verbrecher geradezu zu mild. Sie denken bei hren ehrgeizigen Plänen ja nur an sich und nicht an das Volk. Italien hätte ihnen eigentlich eine Warnung sein müssen. Aber da waren sie schon so sehr in ihrem Verrat verstrickt, daß sie garnicht zurückkonnten. Wie der Führer heute vor den Gauleitern sagte, begann dieser ja schon 1933.  Du machst mir eine große Freude, wenn Du die paar Marken nimmst, die ich hier mitschicke und Dir etwas besorgen läßt. Zurückschicken hat auch keinen Wert, da sie dann schon nicht mehr gelten. Die ReiseButtermarken gelten entgegen dem Aufdruck bis 20.8.  Heute Nachmittag war ich bei Resi, während die Kinder mit Ingrid unten im Zelt gespielt haben. So ist auch dieser Tag vorbei gegangen.  Nun olaß mich wieder schließen. Sei recht oft gegrüßt und geküßt, mein Ernst, von Deiner Annie. 


Liebster Ernst !                                                                                7.8.44       Montag        

Du schreibst ja in Deinem Brief vom 1.8., daß es nicht sicher sei, ob Dich meine Briefe im Lazarett erreichen. Ich wage es aber doch auch heute wieder und schreibe.  Heute morgen habe ich einen Einschreibebrief mit einigen Lebensmittelmarken an Dich abgesandt. Ich bitte Dich herzlich, verwende sie bitte. Uns machst Du eine große Freude und entbehren tun wir durch die Marken nichts. Wir können ja jetzt im Garten ernten. Heute habe ich die ersten 20 Pfund Kartoffeln raus gemacht. Die gekauften waren so schlecht, daß ich viele garnicht verwenden konnte. Da sind die aus dem Garten eine große Hilfe. Und wie gesund und schön sind sie. Sie sehen direkt appetitlich aus. Und zu klein sind sie auch nicht. Ich habe auch Vater davon welche runtergeschickt. Heute mittag gab es eigene Bohnen. In den nächsten Tagen werde ich auch ein paar Gläser davon sterilisieren. Morgen giebt es Wirsing, dann einmal Kohlrabi, dann Bayrisch Kraut. Aufs Brot haben wir schon Gurken. Du siehst, wir haben jetzt zu essen. _ Vorhin habe ich noch eine weniger schöne, aber notwendige Arbeit getan. Ich habe Gülle geschleppt. Bei Tag hatte ich die Zwiebeln raus getan. Nun habe ich gleich die 2 Beeten umgegraben, weißt Du, unten im kleinen Garten. Außerdem habe ich an die Krautsetzlinge Gülle getan und an die Erdbeeren im kleinen Garten, da ich diese schon soweit ausgeputzt hatte. Ich habe es deshalb am Abend erst gemacht, weil Frau L.  gerade die gleiche Arbeit vor hatte. Da brauchte ich mir den Schöpfer nicht extra borgen. ½ 10 Uhr war ich fertig.  Bis jetzt, ½ 11 Uhr, war Vater hier. Ich soll Dir von ihm viele Grüße ausrichten. Eigentlich auch gestern schon, denn ich war ja gleich zu ihm runter gegangen, als Dein Brief kam.  Die Kinder haben sich wieder den ganzen Tag über im Zelt vergnügt. Sie haben gelesen, mit den Puppen und Soldaten und mit der Kinderpost gespielt. Ich habe bei Tage gebügelt.  Heute ist es sogar im Haus aufgefallen, daß ich wieder froher bin. Sie meinten, jetzt würde ich wieder leise vor mich hinsingen, in den letzten Wochen sei ich so still gewesen. Da muß man doch auch froh sein, wenn man wieder einen lieben Brief bekommt, nicht wahr? Die Hauptsache ist, daß es Dir wieder besser geht. Und das hoffe ich fest. Ob sie Dich zwar gleich wieder dort fort lassen, das weiß ich nicht.  Wenn Du noch Diphteriebazillen hast, mußt Du ja noch dort bleiben. Vielleicht erhalte ich bald wieder Bescheid von Dir,.  Das Päckchen Nr. 4 mit Zigaretten ist heute angekommen. Ich werde sie wieder mit aufheben. Solltest Du noch länger dort sein, so schreibe mir bitte, was ich Dir evtl. noch schicken soll. Kannst Du Dein kleines Brettchen noch brauchen, und Dein Rasierwasser, Dein Haarwasser, Hautcreme, und die alte Zahnbürste, wegen der Du einmal geschrieben hast? Oder möchtest Du Zeitungen? Schreibst Du mir bitte darüber. Nun laß mich schlafen gehen. Vorher bekommst Du aber noch viele liebe Grüße und Küsse von Deiner Annie.

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