Da ich so erlöst bin, daß ich wieder einen
Brief von Dir erhalten habe, fange ich nun heute noch den zweiten Brief an Dich
an. Es beeindruckt mich zwar immer wieder der Gedanke, ob Du nicht vielleicht
doch noch kränker geworden bist. Dann denke ich aber wieder, sicher hat die
Spritze doch etwas geholfen, daß die Krankheit nicht gar so schwer zum Ausbruch
gekommen ist. Ich hoffe, daß ich in den nächsten Tagen wieder etwas von Dir
hören werde. In der letzten Zeit war
ich ja manchmal sehr niedergedrückt. Es war so lange her, seit ich etwas con
Dir gehört hatte. Immer wieder hatte ich die Hoffnung gehabt, der Briefträger
bringt etwas und immer wieder ging er so vorbei. Aber ich will nicht mehr daran
denken, noch weniger will ich Dir was vorjammern. Ich halte jetzt wieder einen
Brief v on Dir in den Händen und das macht mich glücklich. Du nennst mich ein
Dummerle (ein liebes) weil ich mir Sorgen um Dich mache. Da will ich gern ein
Dummerle sein. Soll ich mir um meinen lieben Mann keine Sorgen machen? Ich habe
Dich ja so lieb. Wie wollte ich Dich vor allem Schweren beschützen, wenn ich
nur könnte. So kann ich aber nur daheim sitzen und kann nichts tun, als nur
immer an Dich denken. Wollte doch nur dieser Krieg einmal ein Ende nehmen. Aber
durch solche Verräter, wie wir sie erst jetzt wieder erleben mußten, wird ja
alles verschlimmert. Erschießen ist für solche Verbrecher geradezu zu mild. Sie
denken bei hren ehrgeizigen Plänen ja nur an sich und nicht an das Volk.
Italien hätte ihnen eigentlich eine Warnung sein müssen. Aber da waren sie
schon so sehr in ihrem Verrat verstrickt, daß sie garnicht zurückkonnten. Wie
der Führer heute vor den Gauleitern sagte, begann dieser ja schon 1933. Du machst mir eine große Freude, wenn Du die
paar Marken nimmst, die ich hier mitschicke und Dir etwas besorgen läßt.
Zurückschicken hat auch keinen Wert, da sie dann schon nicht mehr gelten. Die
ReiseButtermarken gelten entgegen dem Aufdruck bis 20.8. Heute Nachmittag war ich bei Resi, während
die Kinder mit Ingrid unten im Zelt gespielt haben. So ist auch dieser Tag
vorbei gegangen. Nun olaß mich wieder
schließen. Sei recht oft gegrüßt und geküßt, mein Ernst, von Deiner Annie.
Liebster Ernst
! 7.8.44 Montag
Du schreibst ja in
Deinem Brief vom 1.8., daß es nicht sicher sei, ob Dich meine Briefe im
Lazarett erreichen. Ich wage es aber doch auch heute wieder und schreibe. Heute morgen habe ich einen Einschreibebrief
mit einigen Lebensmittelmarken an Dich abgesandt. Ich bitte Dich herzlich,
verwende sie bitte. Uns machst Du eine große Freude und entbehren tun wir durch
die Marken nichts. Wir können ja jetzt im Garten ernten. Heute habe ich die
ersten 20 Pfund Kartoffeln raus gemacht. Die gekauften waren so schlecht, daß ich
viele garnicht verwenden konnte. Da sind die aus dem Garten eine große Hilfe.
Und wie gesund und schön sind sie. Sie sehen direkt appetitlich aus. Und zu
klein sind sie auch nicht. Ich habe auch Vater davon welche runtergeschickt.
Heute mittag gab es eigene Bohnen. In den nächsten Tagen werde ich auch ein
paar Gläser davon sterilisieren. Morgen giebt es Wirsing, dann einmal Kohlrabi,
dann Bayrisch Kraut. Aufs Brot haben wir schon Gurken. Du siehst, wir haben
jetzt zu essen. _ Vorhin habe ich noch eine weniger schöne, aber notwendige
Arbeit getan. Ich habe Gülle geschleppt. Bei Tag hatte ich die Zwiebeln raus
getan. Nun habe ich gleich die 2 Beeten umgegraben, weißt Du, unten im kleinen
Garten. Außerdem habe ich an die Krautsetzlinge Gülle getan und an die
Erdbeeren im kleinen Garten, da ich diese schon soweit ausgeputzt hatte. Ich
habe es deshalb am Abend erst gemacht, weil Frau L. gerade die gleiche Arbeit vor hatte. Da brauchte ich mir den
Schöpfer nicht extra borgen. ½ 10 Uhr war ich fertig. Bis jetzt, ½ 11 Uhr, war Vater hier. Ich soll Dir von ihm viele
Grüße ausrichten. Eigentlich auch gestern schon, denn ich war ja gleich zu ihm
runter gegangen, als Dein Brief kam.
Die Kinder haben sich wieder den ganzen Tag über im Zelt vergnügt. Sie
haben gelesen, mit den Puppen und Soldaten und mit der Kinderpost gespielt. Ich
habe bei Tage gebügelt. Heute ist es
sogar im Haus aufgefallen, daß ich wieder froher bin. Sie meinten, jetzt würde
ich wieder leise vor mich hinsingen, in den letzten Wochen sei ich so still
gewesen. Da muß man doch auch froh sein, wenn man wieder einen lieben Brief bekommt,
nicht wahr? Die Hauptsache ist, daß es Dir wieder besser geht. Und das hoffe
ich fest. Ob sie Dich zwar gleich wieder dort fort lassen, das weiß ich
nicht. Wenn Du noch Diphteriebazillen
hast, mußt Du ja noch dort bleiben. Vielleicht erhalte ich bald wieder Bescheid
von Dir,. Das Päckchen Nr. 4 mit
Zigaretten ist heute angekommen. Ich werde sie wieder mit aufheben. Solltest Du
noch länger dort sein, so schreibe mir bitte, was ich Dir evtl. noch schicken
soll. Kannst Du Dein kleines Brettchen noch brauchen, und Dein Rasierwasser,
Dein Haarwasser, Hautcreme, und die alte Zahnbürste, wegen der Du einmal
geschrieben hast? Oder möchtest Du Zeitungen? Schreibst Du mir bitte darüber.
Nun laß mich schlafen gehen. Vorher bekommst Du aber noch viele liebe Grüße und
Küsse von Deiner Annie.
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