Donnerstag, 8. August 2019

Brief 767 vom 28. und 29.7.1944


Mein liebster Ernst !                                                                        28.7.44      

Ich weiß nun seit einem Monat nichts con Dir, denn der Brief, den ich zuletzt von Dir erhielt, war vom 28.6. Ich hoffe nur immer wieder, daß Du noch gesund bist. Vielleicht klappt die Postversorgung bald wieder besser und ich höre, wie es Dir geht. Eigentlich hätte ich ja gestern Abend schreiben sollen, da bin ich aber nicht dazu gekommen. Ich hatte am Morgen in der Zeitung etwas von einer Treuekundgebung gelesen, war aber davon wieder abgekommen. Abends um 7 Uhr sagte ich zur Helga, sie sollte doch einmal nachsehen, an welchem Tag die Kundgebung ist. Da war es schon gestern Abend ½ 9 Uhr. Ich sagte zu den Kindern, da gehen wir mal zusammen hin. Sonst gehe ich ja eigentlich nie zu Versammlungen, aber diese Treuekundgebung zum Führer war etwas anderes. Als wir zum Konzil kamen, da haben wir doch gestaunt. Der obere und untere Konzilsaal waren gestopft voll, dazu die obere Konzilterrasse, ums Konzil rum Leute, ebenso an der Bahn beim Rentamt. Da haben wir dann auch gestanden, weil man die Rede dort gut hören konnte. Vorm Konzil standen alle Soldaten von hier. Es war wirklich eine Kundgebung. Hinterher fand ein Vorbeimarsch auf der Marktstätte statt. Die Militärkapelle spielte. Es war ein schönes Bild. Wir haben dann an der Rheinbrücke gewartet, bis die Musik kam und sind mitgelaufen bis zur Kaserne Es war auf dem Heimweg natürlich schon dunkel, denn es war ja schon nach 10 Uhr. Aber die Musiker können ja das meiste schon aus dem Kopf spielen. Als wir an unserem Haus vorbei kamen, stand Großvater an der Haustür. Es hatte ihn auch heraus gelockt. Ich hatte den Schlüssel bei Frau Nußbaumer gelassen, sodaß Vater in die Wohnung konnte.  Dieses Erlebnis war wieder einmal etwas für unsere Kinder, umsomehr als die anderen Kinder aus dem Haus zuhause und manche schon im Bett waren. Und sie durften das alles erleben.  Ich habe Helga ein neues Trägerkleid genäht. Es ist aus älterem Stoff, den Vater aus einem Korb im Keller mit ausgekramt hat. Er ist dunkelblau. Ich habe ihn gewendet und er ist wieder tadellos.  Dazu habe ich ihr einen modernen Gürtel gemacht. Von Mama hatte ich einen Gürtel da von früherer Zeit. Da hat man ja auch mal so was ähnliches getragen. Er ist weiß mit goldfarbigen Fäden. An beiden Seiten habe ich eine beigefarbige Borte mit rot und blauen Herzen drauf angenäht, sodaß in der Mitte nur noch das alte Muster zu sehen ist. Es sieht sehr schön aus. Vorn habe ich 4 Trachtenknöpfe angenäht aus Metall.  Ich weiß nicht, ob Du Dich an meinen früheren Regenmantel erinnern kannst. Er war gekästelt in einr weiß/weinroten Farbe. Da er nicht mehr richtig gummiert war, hatte ich den gummi ganz rausgebürstet und ihn als Sommermantel benutzt. Da ich ihn aber so selten trage, habe ich ihn jetzt für Helga abgeändert. Sie kann ihn gut brauchen, da sie ja für den Sommer nur einige Strickjacken hat.  Gestern brachte Ingrid ca. 3 Pfund Kirschen. Da habe ich 2 Kuchen davon gebacken. Einen für gestern Abend , einen für heute früh. Die haben geschmeckt.  Gestern Morgen fing es zu regnen an. Da habe ich gleich auf dem leeren Beet im kl.G. Grün und Rosenkohl gesetzt. Heute muß ich gleich in die Stadt. Es giebt eine Zuteilung an Bodenseefischen.  Mal sehen, was für welche. Entgehen lassen will ich sie nicht.  Laß mich nun schließen. Ich denke immer an Dich und grüße und küsse Dich von ganzem Herzen Deine Annie. 


Liebster, bester Ernst!                                                                      29.7.44         

 Ich schreibe und schreibe immer und weiß garnicht, ob Du die Briefe überhaupt erhältst. Vielleicht hast Du inzwischen eine andere Feldpostnummer bekommen. Vielleicht geht es Dir aber auch so wie mir, daß lange Zeit überhaupt keine Post eingeht. Wie dem auch sei, ich werde jedenfalls weiter schreiben.  Gestern schrieb ich, daß wir bodenseefische bekämen. Leider war es dann nichts, denn sie waren schon gleich ausverkauft. Am Nachmittag war Helga mit Ingrid baden, Jörg hat mit Richard und dem Hermann Bolz im ersten Stock auf dem Flur gspielt. Jörg stellt ja dazu immer die Spielsachen, Soldaten, Autos, Eisenbahn usw. Dafür können sie sich aber auvh den ganzen Nachmittag über beschäftigen. Ich hatte wieder einmal im Keller zu tun. Ich habe noch einiges Geschirr in die große Kiste verpackt. Man weiß ja nie, wie‘s noch kommt.  Heute Nacht hatten wir auch wieder Alarm. Erst ging es 8 Tage lang bei Tag, jetzt Nacht für Nacht. Heute habe ich wieder mal gründlich sauber gemacht und dabei alle Schränke usw.  weggerückt. Es muß auch wieder mal getan werden. Helga hat mir vorhin beim Treppe putzen mitgeholfen. Den ganzen Hausflur hat sie gewischt. Das ist doch schon ein großes Mädel, nicht wahr? Aber es schadet nichts, wenn sie auch schon etwas kann. Resi war doch beim Kirschen pflücken. Gestern ist sie mit Venenentzündung heim gekommen und liegt nun im Bett. Wahrscheinlich werde ich sie einmal besuchen.  Nachher gehe ich mit Helga in die Stadt. Jörg will lieber daheim bleiben und wieder spielen, . Ich wünschte mir nur,. daß ich einmal wieder einen Brief von Dir erhielt, damit ich wüßte, wie es Dir geht. Ich wünsche Dir immer wieder Gesundheit und grüße und küsse Dich ganz fest Deine Annie.

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