Mein liebster Ernst
! 28.7.44
Ich weiß nun seit
einem Monat nichts con Dir, denn der Brief, den ich zuletzt von Dir erhielt,
war vom 28.6. Ich hoffe nur immer wieder, daß Du noch gesund bist. Vielleicht
klappt die Postversorgung bald wieder besser und ich höre, wie es Dir geht.
Eigentlich hätte ich ja gestern Abend schreiben sollen, da bin ich aber nicht
dazu gekommen. Ich hatte am Morgen in der Zeitung etwas von einer
Treuekundgebung gelesen, war aber davon wieder abgekommen. Abends um 7 Uhr
sagte ich zur Helga, sie sollte doch einmal nachsehen, an welchem Tag die
Kundgebung ist. Da war es schon gestern Abend ½ 9 Uhr. Ich sagte zu den
Kindern, da gehen wir mal zusammen hin. Sonst gehe ich ja eigentlich nie zu
Versammlungen, aber diese Treuekundgebung zum Führer war etwas anderes. Als wir
zum Konzil kamen, da haben wir doch gestaunt. Der obere und untere Konzilsaal
waren gestopft voll, dazu die obere Konzilterrasse, ums Konzil rum Leute,
ebenso an der Bahn beim Rentamt. Da haben wir dann auch gestanden, weil man die
Rede dort gut hören konnte. Vorm Konzil standen alle Soldaten von hier. Es war
wirklich eine Kundgebung. Hinterher fand ein Vorbeimarsch auf der Marktstätte
statt. Die Militärkapelle spielte. Es war ein schönes Bild. Wir haben dann an
der Rheinbrücke gewartet, bis die Musik kam und sind mitgelaufen bis zur
Kaserne Es war auf dem Heimweg natürlich schon dunkel, denn es war ja schon
nach 10 Uhr. Aber die Musiker können ja das meiste schon aus dem Kopf spielen.
Als wir an unserem Haus vorbei kamen, stand Großvater an der Haustür. Es hatte
ihn auch heraus gelockt. Ich hatte den Schlüssel bei Frau Nußbaumer gelassen,
sodaß Vater in die Wohnung konnte.
Dieses Erlebnis war wieder einmal etwas für unsere Kinder, umsomehr als
die anderen Kinder aus dem Haus zuhause und manche schon im Bett waren. Und sie
durften das alles erleben. Ich habe
Helga ein neues Trägerkleid genäht. Es ist aus älterem Stoff, den Vater aus
einem Korb im Keller mit ausgekramt hat. Er ist dunkelblau. Ich habe ihn
gewendet und er ist wieder tadellos.
Dazu habe ich ihr einen modernen Gürtel gemacht. Von Mama hatte ich
einen Gürtel da von früherer Zeit. Da hat man ja auch mal so was ähnliches getragen.
Er ist weiß mit goldfarbigen Fäden. An beiden Seiten habe ich eine beigefarbige
Borte mit rot und blauen Herzen drauf angenäht, sodaß in der Mitte nur noch das
alte Muster zu sehen ist. Es sieht sehr schön aus. Vorn habe ich 4
Trachtenknöpfe angenäht aus Metall. Ich
weiß nicht, ob Du Dich an meinen früheren Regenmantel erinnern kannst. Er war
gekästelt in einr weiß/weinroten Farbe. Da er nicht mehr richtig gummiert war,
hatte ich den gummi ganz rausgebürstet und ihn als Sommermantel benutzt. Da ich
ihn aber so selten trage, habe ich ihn jetzt für Helga abgeändert. Sie kann ihn
gut brauchen, da sie ja für den Sommer nur einige Strickjacken hat. Gestern brachte Ingrid ca. 3 Pfund Kirschen.
Da habe ich 2 Kuchen davon gebacken. Einen für gestern Abend , einen für heute
früh. Die haben geschmeckt. Gestern
Morgen fing es zu regnen an. Da habe ich gleich auf dem leeren Beet im kl.G.
Grün und Rosenkohl gesetzt. Heute muß ich gleich in die Stadt. Es giebt eine
Zuteilung an Bodenseefischen. Mal
sehen, was für welche. Entgehen lassen will ich sie nicht. Laß mich nun schließen. Ich denke immer an
Dich und grüße und küsse Dich von ganzem Herzen Deine Annie.
Liebster, bester
Ernst! 29.7.44
Ich schreibe und schreibe immer und weiß
garnicht, ob Du die Briefe überhaupt erhältst. Vielleicht hast Du inzwischen
eine andere Feldpostnummer bekommen. Vielleicht geht es Dir aber auch so wie
mir, daß lange Zeit überhaupt keine Post eingeht. Wie dem auch sei, ich werde
jedenfalls weiter schreiben. Gestern
schrieb ich, daß wir bodenseefische bekämen. Leider war es dann nichts, denn
sie waren schon gleich ausverkauft. Am Nachmittag war Helga mit Ingrid baden,
Jörg hat mit Richard und dem Hermann Bolz im ersten Stock auf dem Flur gspielt.
Jörg stellt ja dazu immer die Spielsachen, Soldaten, Autos, Eisenbahn usw.
Dafür können sie sich aber auvh den ganzen Nachmittag über beschäftigen. Ich
hatte wieder einmal im Keller zu tun. Ich habe noch einiges Geschirr in die
große Kiste verpackt. Man weiß ja nie, wie‘s noch kommt. Heute Nacht hatten wir auch wieder Alarm.
Erst ging es 8 Tage lang bei Tag, jetzt Nacht für Nacht. Heute habe ich wieder
mal gründlich sauber gemacht und dabei alle Schränke usw. weggerückt. Es muß auch wieder mal getan
werden. Helga hat mir vorhin beim Treppe putzen mitgeholfen. Den ganzen
Hausflur hat sie gewischt. Das ist doch schon ein großes Mädel, nicht wahr?
Aber es schadet nichts, wenn sie auch schon etwas kann. Resi war doch beim
Kirschen pflücken. Gestern ist sie mit Venenentzündung heim gekommen und liegt
nun im Bett. Wahrscheinlich werde ich sie einmal besuchen. Nachher gehe ich mit Helga in die Stadt.
Jörg will lieber daheim bleiben und wieder spielen, . Ich wünschte mir nur,.
daß ich einmal wieder einen Brief von Dir erhielt, damit ich wüßte, wie es Dir
geht. Ich wünsche Dir immer wieder Gesundheit und grüße und küsse Dich ganz
fest Deine Annie.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen