Mein
liebster Ernst! Konstanz, 26.1.42
Es
wird heute nur ein kurzer Brief, den ich Dir schreiben kann, aber ganz ohne
einen Gruß sollst Du auch heute nicht bleiben. Ich schreibe nämlich kurz bzw.
bevor wir in die Stadt gehen.
Als
wir am Morgen aufwachten, hatte es mit regnen aufgehört, die Pfützen waren
etwas gefroren und ab und zu gab es regelrechte Schneestürme. So auch jetzt
wieder.
Den
Vormittag habe ich mit schustern verbracht. Ich habe Jörg`s feste hohe Schuhe,
die bis vor kurzem Helga gehörten, besohlt. Die Sohlen hatten zwar noch kein
Loch, aber das wäre in den nächsten Tagen gekommen. Sie waren aber so dünn
geworden, daß sie sich ganz durchdrücken ließen und auch gegen Nässe überhaupt
keinen Schutz mehr boten. Und das ist jetzt ja schließlich die Hauptsache.
Jetzt halten sie wieder was ab. Ich pflege ja auch alle Schuhsohlen regelmäßig
mit einem Mittel, der sie wasserdicht macht und außerdem die Sohlen schont.
Helga
hat doch ein Paar Lackschuhe von Mama. Da waren die Gummiabsätze etwas schief
getreten. Ich will nun nicht, daß sich Helga die Füße damit verdirbt, darum
habe ich nun Lederabsätze drauf gemacht und ebenso wie an die Spitze, Eisen
drauf getan. Die treten sich dann nicht gleich ab. Natürlich sind es nur die
kleinen dünnen Eisen, die nicht auffallen.
Am
Vormittag brachte der Briefträger nun doch die Päckchen selber. Es war eins von
Dir und 2 von Kurt. Dein Päckchen Nr. 9 mit den Tabakwaren hat mich gefreut. Da
kann ich heute gleich das Paket an Papa wegschicken. Den Tabak, die Pfeife und
einige Zigarren habe ich ihm eingepackt. Die anderen Zigarren und noch etwas
Tabak (ich habe noch ein kleines Päckchen da) gebe ich Vater. Das ist doch
richtig geteilt, nicht wahr? Für die Bonbons, den Fisch und die Fruchtstangen
möchte ich Dir auch danken.
In
den Päckchen von Kurt war der Behälter des Feldstechers, diesmal aber mit
Bonbons, bzw. Weinsäure-Zucker, gefüllt. Dann waren noch einige Bücher usw. zum
Aufheben drin, dazu noch eine Dose Schuhcreme, die ich sicher Vater geben
werde.
Nachmittag
wollen wir nun also in die Stadt gehen. Ich möchte bei dem Wetter nicht gern
mit dem Rad fahren. Ich möchte mich nun fertig machen und schließe deshalb.
Bleib
recht gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Mein
liebster Ernst! Konstanz, 27.1.42
Heute
Morgen kam Dein liebes Päckchen Nr. 10 mit der Butter und den Mandarinen an. Es
war alles gut, auch alle Mandarinen. Ich möchte nur wissen, wo die 2 anderen
Päckchen, die noch fehlen, geblieben sind. Vielleicht liegen sie unter einem
großen Haufen und kommen erst später mal zum Vorschein. Über das Päckchen habe
ich mich sehr gefreut und danke Dir sehr.
Bei
uns ist es wieder kalt geworden, heute waren es 11 Grad Kälte. Die große Pfütze
vorm Haus ist so gefroren, daß die Kinder drauf herumlaufen können.
Ich
gehe heute mit den Kindern mal ins Kino. Ein Film mit Rühmann wird gespielt
„Quax, der Bruchpilot“. Ich bin ja gespannt, ob es rechter Kohl ist. Evtl. gehe
ich diese Woche auch noch mal in den Film „Menschen im Sturm“. Da dürfen die
Kinder ja nicht mit. Gell, ich bin unternehmungslustig?
Ich
muß nun schon schließen, denn wir müssen bereits um 2 Uhr fort.
Sei
wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Mein
liebster Ernst! Konstanz, 28.1.42
Dein
lieber Brief vom 21. kam mit den Zeitungen heute an. Das ist ein langer Brief
und ich freue mich riesig.
Bei
Euch ist es also auch kalt und nicht mal richtige Heizung habt Ihr. Das ist ja
wirklich allerhand. Wenn Du abends heim kommst, mußt Du ja ganz durchfroren
sein.
Wie
heißt die Mischung zwischen Apfelsine und Zitrone? Schreib`s mir doch noch Mal
mit richtigen Buchstaben auf. Ich bin gespannt, wie es schmeckt. Den Kindern
habe ich noch nichts davon gesagt. Aber du bist ein ganz lieber Kerl, alle
Sachen, die wir hier sonst nicht so haben, willst Du uns probieren lassen.
Die
Ernährung hier ist wohl ziemlich einseitig, aber wir haben uns dran gewöhnt und
sind es zufrieden. Große Ansprüche stellen wir ja nicht und gehungert haben wir
ja noch nicht. Bei manchen Sachen haben ja Deine Sendungen viel geholfen. Z.B.
vor allen Dingen beim Zucker. Ich hätte manches nicht backen können, auch
manchen Pudding hätte ich nicht machen können. Aber damit komme ich auch wieder
auf Deine Puddingsendung. Auch das Öl hat mir schon manchen guten Dienst getan.
Ich habe immer noch 1/4 Flasche da. Genau so ist es mit der Butter, die ich
gestern bekommen habe. Die essen wir nun diese Woche und unsere Wochenration
habe ich eingeschmolzen. Da habe ich immer einen kleinen Vorrat da. Von den
Fischkonserven habe ich auch noch was da. Eine Dose haben wir jetzt wieder mal
verbraucht. Sie war noch tadellos. Es gäb ja noch manches, was zu erwähnen wäre,
aber Du weißt ja, was Du uns alles geschickt hast und ich weiß es auch und bin
Dir sehr dankbar dafür.
Ich
verliere nicht die Geduld, weil Du jetzt nicht gleich heimkommen kannst. Der
Krieg lehrt einem ja manches und so habe ich auch das Warten gelernt. Wir haben
ja den Urlaub immer noch vor uns und einmal wird es ja werden. Ich lege die Urlaubsgedanken
erst mal ein bißchen zur Seite. Solltest Du dann doch bald kommen können, soll
es mich doppelt freuen. Ich weiß ja, daß Du alles tust, um wieder einmal
heimzukommen. - Ja, übermütig sind unsere Beiden manchmal. Ich bin ja froh, daß
sie sich jetzt draußen im Schnee austoben können. Da bekomme ich wenigstens
nicht zu viel zu spüren. - Manchmal muß man ja über so einen Lauser wieder
lachen. Als Kurt verschiedene Beutel Bonbons geschickt hatte, bekam jeder
einen. Ein paar lagen noch da. Auf einmal fängt Helga an: ä Du Mutterle, ich
muß mich mal mit Dir richtig aussprechen. Kriege ich noch einen Beutel Bonbons
oder nicht? ä Gestern sprachen wir von Amerika, auf einmal sagt sie:ä, Ja, die
sind ganz verrückt, die malen sich sogar Bilder auf`s Knie, so was trägt man
bei uns in den größten Hundstagen nicht.ä - Der Stoff für das Kleid für Helga
kam mir etwas teuer vor, aber natürlich behalten wir ihn. Es kann ja sein, daß
es hier bald genau so teuer wird, denn es gibt natürlich auch teuerere Kleider-
Es ist nie zum Schaden, wenn man was da hat, ich war schon manchmal froh. Und
daß wir das Geld dazu nicht mehr aufbringen würden, davon kann ja,wie Du schon
schriebst, keine Rede sein. - Wenn Du noch 25 Schachteln Munitionen gekauft
hast, so reicht das schon noch eine Weile. - Das Gemüse bekommen wir ja nicht
auf Karten. Man muß eben zusehen, daß man was bekommt. Es ist aber angeregt
worden, daß für Sachen, die seltener sind, Karten ausgegeben werden. Es stand
jetzt gerade wieder ein Fall in der Zeitung, daß man einer äFrau Doktorä
Orangen direkt angeboten hat, während man eine andere Frau, die auch welche
wollte, angefahren hat, ob sie nicht schon bekommen hätte. Es ist ja nicht
überall so, aber es gibt immer wieder Außenseiter. - Papa hat mir heute eine
Karte geschrieben, daß er am Montag ein Paket mit Zeitungen und Taschentüchern
von Mama an mich abgeschickt hat. Vo letzteren soll ich in meinem Brief nichts
erwähnen. - Am Samstag/Sonntag muß ich vom Luftschutz aus Abzeichen verkaufen.
Ich bin ja nicht so begeistert, aber Helga, die auch mitgehen will, und Jörg,
freuen sich schon sehr. Es hat schon Krach zwischen ihnen gegeben,. wer was
tragen darf. Am liebsten gingen sie allein los. - Wie Helga`s Lehrerin heute
gesagt hat, kommen die Mädels, die dieses Jaht 10 Jahre werden, im Mai zu den
Jungmädels. Da ist also unsere auch dabei. - Gestern waren wir doch in dem Film
äQuax der Bruchpilotä. Ach Ernst, haben wir gelacht, das war lustig. Ich habe
leider vom Lachen so Kopfschmerzen bekommen, daß ich ganz zeitig schlafen
gegangen bin. Aber schön war`s doch. - Heute will ich Dir auch die
verschiedenen Briefdurchschläge beilegen, die ich immer vergessen hatte. - Und
nun für heute wieder Schluß. Bleib uns gesund und sei recht herzlich gegrüßt
und geküßt von Deiner Anni.
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