Mittwoch, 1. Februar 2017

Brief 278 vom 26./27./28.1.1942


Mein liebster Ernst!                                                                   Konstanz, 26.1.42                                        

Es wird heute nur ein kurzer Brief, den ich Dir schreiben kann, aber ganz ohne einen Gruß sollst Du auch heute nicht bleiben. Ich schreibe nämlich kurz bzw. bevor wir in die Stadt gehen.
Als wir am Morgen aufwachten, hatte es mit regnen aufgehört, die Pfützen waren etwas gefroren und ab und zu gab es regelrechte Schneestürme. So auch jetzt wieder.
Den Vormittag habe ich mit schustern verbracht. Ich habe Jörg`s feste hohe Schuhe, die bis vor kurzem Helga gehörten, besohlt. Die Sohlen hatten zwar noch kein Loch, aber das wäre in den nächsten Tagen gekommen. Sie waren aber so dünn geworden, daß sie sich ganz durchdrücken ließen und auch gegen Nässe überhaupt keinen Schutz mehr boten. Und das ist jetzt ja schließlich die Hauptsache. Jetzt halten sie wieder was ab. Ich pflege ja auch alle Schuhsohlen regelmäßig mit einem Mittel, der sie wasserdicht macht und außerdem die Sohlen schont.
Helga hat doch ein Paar Lackschuhe von Mama. Da waren die Gummiabsätze etwas schief getreten. Ich will nun nicht, daß sich Helga die Füße damit verdirbt, darum habe ich nun Lederabsätze drauf gemacht und ebenso wie an die Spitze, Eisen drauf getan. Die treten sich dann nicht gleich ab. Natürlich sind es nur die kleinen dünnen Eisen, die nicht auffallen.
Am Vormittag brachte der Briefträger nun doch die Päckchen selber. Es war eins von Dir und 2 von Kurt. Dein Päckchen Nr. 9 mit den Tabakwaren hat mich gefreut. Da kann ich heute gleich das Paket an Papa wegschicken. Den Tabak, die Pfeife und einige Zigarren habe ich ihm eingepackt. Die anderen Zigarren und noch etwas Tabak (ich habe noch ein kleines Päckchen da) gebe ich Vater. Das ist doch richtig geteilt, nicht wahr? Für die Bonbons, den Fisch und die Fruchtstangen möchte ich Dir auch danken.
In den Päckchen von Kurt war der Behälter des Feldstechers, diesmal aber mit Bonbons, bzw. Weinsäure-Zucker, gefüllt. Dann waren noch einige Bücher usw. zum Aufheben drin, dazu noch eine Dose Schuhcreme, die ich sicher Vater geben werde.
Nachmittag wollen wir nun also in die Stadt gehen. Ich möchte bei dem Wetter nicht gern mit dem Rad fahren. Ich möchte mich nun fertig machen und schließe deshalb.
Bleib recht gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                         Konstanz, 27.1.42

Heute Morgen kam Dein liebes Päckchen Nr. 10 mit der Butter und den Mandarinen an. Es war alles gut, auch alle Mandarinen. Ich möchte nur wissen, wo die 2 anderen Päckchen, die noch fehlen, geblieben sind. Vielleicht liegen sie unter einem großen Haufen und kommen erst später mal zum Vorschein. Über das Päckchen habe ich mich sehr gefreut und danke Dir sehr.
Bei uns ist es wieder kalt geworden, heute waren es 11 Grad Kälte. Die große Pfütze vorm Haus ist so gefroren, daß die Kinder drauf herumlaufen können.
Ich gehe heute mit den Kindern mal ins Kino. Ein Film mit Rühmann wird gespielt „Quax, der Bruchpilot“. Ich bin ja gespannt, ob es rechter Kohl ist. Evtl. gehe ich diese Woche auch noch mal in den Film „Menschen im Sturm“. Da dürfen die Kinder ja nicht mit. Gell, ich bin unternehmungslustig?
Ich muß nun schon schließen, denn wir müssen bereits um 2 Uhr fort.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                           Konstanz, 28.1.42

Dein lieber Brief vom 21. kam mit den Zeitungen heute an. Das ist ein langer Brief und ich freue mich riesig.
Bei Euch ist es also auch kalt und nicht mal richtige Heizung habt Ihr. Das ist ja wirklich allerhand. Wenn Du abends heim kommst, mußt Du ja ganz durchfroren sein.
Wie heißt die Mischung zwischen Apfelsine und Zitrone? Schreib`s mir doch noch Mal mit richtigen Buchstaben auf. Ich bin gespannt, wie es schmeckt. Den Kindern habe ich noch nichts davon gesagt. Aber du bist ein ganz lieber Kerl, alle Sachen, die wir hier sonst nicht so haben, willst Du uns probieren lassen.
Die Ernährung hier ist wohl ziemlich einseitig, aber wir haben uns dran gewöhnt und sind es zufrieden. Große Ansprüche stellen wir ja nicht und gehungert haben wir ja noch nicht. Bei manchen Sachen haben ja Deine Sendungen viel geholfen. Z.B. vor allen Dingen beim Zucker. Ich hätte manches nicht backen können, auch manchen Pudding hätte ich nicht machen können. Aber damit komme ich auch wieder auf Deine Puddingsendung. Auch das Öl hat mir schon manchen guten Dienst getan. Ich habe immer noch 1/4 Flasche da. Genau so ist es mit der Butter, die ich gestern bekommen habe. Die essen wir nun diese Woche und unsere Wochenration habe ich eingeschmolzen. Da habe ich immer einen kleinen Vorrat da. Von den Fischkonserven habe ich auch noch was da. Eine Dose haben wir jetzt wieder mal verbraucht. Sie war noch tadellos. Es gäb ja noch manches, was zu erwähnen wäre, aber Du weißt ja, was Du uns alles geschickt hast und ich weiß es auch und bin Dir sehr dankbar dafür.
Ich verliere nicht die Geduld, weil Du jetzt nicht gleich heimkommen kannst. Der Krieg lehrt einem ja manches und so habe ich auch das Warten gelernt. Wir haben ja den Urlaub immer noch vor uns und einmal wird es ja werden. Ich lege die Urlaubsgedanken erst mal ein bißchen zur Seite. Solltest Du dann doch bald kommen können, soll es mich doppelt freuen. Ich weiß ja, daß Du alles tust, um wieder einmal heimzukommen. - Ja, übermütig sind unsere Beiden manchmal. Ich bin ja froh, daß sie sich jetzt draußen im Schnee austoben können. Da bekomme ich wenigstens nicht zu viel zu spüren. - Manchmal muß man ja über so einen Lauser wieder lachen. Als Kurt verschiedene Beutel Bonbons geschickt hatte, bekam jeder einen. Ein paar lagen noch da. Auf einmal fängt Helga an: ä Du Mutterle, ich muß mich mal mit Dir richtig aussprechen. Kriege ich noch einen Beutel Bonbons oder nicht? ä Gestern sprachen wir von Amerika, auf einmal sagt sie:ä, Ja, die sind ganz verrückt, die malen sich sogar Bilder auf`s Knie, so was trägt man bei uns in den größten Hundstagen nicht.ä - Der Stoff für das Kleid für Helga kam mir etwas teuer vor, aber natürlich behalten wir ihn. Es kann ja sein, daß es hier bald genau so teuer wird, denn es gibt natürlich auch teuerere Kleider- Es ist nie zum Schaden, wenn man was da hat, ich war schon manchmal froh. Und daß wir das Geld dazu nicht mehr aufbringen würden, davon kann ja,wie Du schon schriebst, keine Rede sein. - Wenn Du noch 25 Schachteln Munitionen gekauft hast, so reicht das schon noch eine Weile. - Das Gemüse bekommen wir ja nicht auf Karten. Man muß eben zusehen, daß man was bekommt. Es ist aber angeregt worden, daß für Sachen, die seltener sind, Karten ausgegeben werden. Es stand jetzt gerade wieder ein Fall in der Zeitung, daß man einer äFrau Doktorä Orangen direkt angeboten hat, während man eine andere Frau, die auch welche wollte, angefahren hat, ob sie nicht schon bekommen hätte. Es ist ja nicht überall so, aber es gibt immer wieder Außenseiter. - Papa hat mir heute eine Karte geschrieben, daß er am Montag ein Paket mit Zeitungen und Taschentüchern von Mama an mich abgeschickt hat. Vo letzteren soll ich in meinem Brief nichts erwähnen. - Am Samstag/Sonntag muß ich vom Luftschutz aus Abzeichen verkaufen. Ich bin ja nicht so begeistert, aber Helga, die auch mitgehen will, und Jörg, freuen sich schon sehr. Es hat schon Krach zwischen ihnen gegeben,. wer was tragen darf. Am liebsten gingen sie allein los. - Wie Helga`s Lehrerin heute gesagt hat, kommen die Mädels, die dieses Jaht 10 Jahre werden, im Mai zu den Jungmädels. Da ist also unsere auch dabei. - Gestern waren wir doch in dem Film äQuax der Bruchpilotä. Ach Ernst, haben wir gelacht, das war lustig. Ich habe leider vom Lachen so Kopfschmerzen bekommen, daß ich ganz zeitig schlafen gegangen bin. Aber schön war`s doch. - Heute will ich Dir auch die verschiedenen Briefdurchschläge beilegen, die ich immer vergessen hatte. - Und nun für heute wieder Schluß. Bleib uns gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

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