Montag, 27. Februar 2017

Brief 286 vom 22./23./24.2.1942


Mein lieber, lieber Mann!       Konstanz, 22.2.42                                                                                                                             023

Auch heute, am Sonntag, erhielt ich keinen Gruß von Dir. Es ist nun schon der vierte Tag und ich mache mir Sorge, ob Du wohl krank bist. Denn als Du vor kurzem krank warst, hattest Du ja auch mehrere Tage nicht schreiben können. Meine Gedanken gehen immer zu Dir und es ist schlimm, daß ich nicht bis zu Dir sehen kann und weiß, wie es Dir geht. Bis morgen ist es doch noch sehr lang und es ist ja auch noch nicht gewiß, ob mich da ein Brief von Dir erreicht. Man muß immer warten.
Heute Nacht hatten wir nach langer Zeit wieder einmal Luftalarm. Aber nur 20 Minuten von 1 Uhr an. Halb zwei haben wir wieder in den Betten gelegen. Man merkte aber, daß es seit langem wieder zum ersten Mal war, denn die Kinder waren ganz verdutzt. Helga sagte, als ich sie weckte: „Ist das richtig Alarm, ich denke, es ist nur Übung.“ Jörg war gar nicht richtig munter und wußte gar nicht, was er anziehen sollte. Da man keine Flieger hörte, sind alle in der Wohnung geblieben. Nur Herr Leimenstoll stand vor der Haustür und hat für uns alle gehorcht.
Ich sitze in der Küche und nähe und lese ein bißchen. Da ich nicht weiß, wie es Dir geht, habe ich zu gar nichts rechte Lust. Die Kinder sind vorm Haus und bauen sich wieder eine Schneeburg. Dabei haben sie Bewegung und Freude.
Es ist nun inzwischen Abend geworden. Zum lesen hatte ich bei Tag doch nicht die rechte Ruhe, so habe ich lieber gearbeitet, das beschäftigt und lenkt mehr ab. Für Helga habe ich einen Unterrock genäht und für Jörg ein Strumpfhalterleibchen. Gegen Abends  habe ich noch gebügelt und vorhin Verschiedenes ausgebessert. So ist glücklicherweise auch dieser Tag vorbeigegangen. Ich gehe nun bald schlafen.

23.2  Mein liebster Ernst!

Gerade  bin ich aufgestanden, aber ich muß Dir doch schnell erst schreiben, daß ich heute Nacht wunderschön von Dir geträumt habe. Es war so schön und ich wünschte, es würde alles bald einmal Wirklichkeit. Als ich nach dem Traum heute in der Nacht erwachte, habe ich so fest an Dich gedacht, daß Du es fast gespürt haben mußt. Jedenfalls möchte ich Dich heute Morgen gleich mit einem Kuß begrüßen, einem ganz herzlichen. Er fliegt Dir aus diesem Brief entgegen, wenn Du dies liest.
Es ist jetzt 1/4 11 Uhr und ich habe gerade Deinen lieben Brief vom 18.2. bekommen. Ach, wie freue ich mich, daß Du doch gesund bist. Ich hatte mir schon solche Sorge gemacht.
Mit dem Urlaub will und will es diesmal nicht klappen. Das ist wie verhext. Jetzt warten wir eben wieder mal eine Woche und wollen sehen, was dann dazwischen kommt. Wenn es doch nur einmal klappen wollte. Wir sind doch jetzt lange genug auf die Folter  gespannt worden, denn eigentlich warten wir doch seit Anfang des Jahres. Na, wir wollen die Hoffnung nicht verlieren.
Von Siegfried erhielt ich heute einen Brief und von Papa einige Zeitungen und Romane. Von Alice erhielt ich gestern einen Brief. Ich muß also in den nächsten Tagen Verschiedenes beantworten. Eigentlich wollte ich gestern schon an Papa und Elsa und Alice schreiben, aber ich hatte nicht die Ruhe dazu. Nun kann ich ja Papa auch gleich das Päckchen bestätigen.
Schule haben die Kinder auch diese Woche noch nicht. Sie habe ja viel freie Zeit. Aber solange sie im Schnee spielen können und nicht in der Stube sitzen müssen, geht es ja.
Da hat mir Papa einen kleinen Zeitungsausschnitt mitgeschickt. Der hat mich gefreut. Ich schicke ihn Dir deshalb einmal mit. Vielleicht kannst Du ihn wieder mitbringen.
Ich gehe heute Nachmittag mit den Kindern in den Film „Jakko“. Es ist eine Jungensgeschichte und vor allem ist da Jugend zugelassen, so daß ich unsere zwei Lauser mitnehmen kann.
Nun schließe ich wieder, mein lieber, lieber Ernst. Ich freue mich so, daß ich wieder einen Brief von Dir bekommen habe und daß Du gesund bist.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!       Konstanz, 23.2.42

Ich muß heute Abend nochmals an Dich schreiben, wenn es auch nur ein paar kurze Zeilen sind. Ich bin noch voll Freude über Deinen Brief, den ich heute erhielt. Du hast mir nun evtl. Deinen Urlaub am 1.3. in Aussicht gestellt. Ich weiß ja, daß wohl wieder etwas dazwischen kommen kann, aber ich freue mich doch darauf und habe so wieder ein Ziel. Ich meinte ja erst und habe es auch geschrieben, daß es wohl besser sein, wenn Du gar nichts vom Urlaub mehr schreibst und plötzlich einmal kommst. Aber es ist nicht besser, jedenfalls in diesem Falle nicht, wo wir doch immer mit Urlaub rechnen. Es war in letzter Zeit ein tägliches hoffnungsloses Warten. Das zermürbte ganz. Solltest Du nächsten Sonntag auch nicht kommen können, so ist es wieder eine Enttäuschung, aber ich habe mich wenigstens die Tage vorher freuen können. Und ich wollte mich freuen, ich will nicht mehr täglich bangen und warten und am Abend doch enttäuscht sein. Nein, die nächsten Tage will ich mich freuen, als sei alles ganz bestimmt. Und darum bin ich Dir auch dankbar, daß Du mir wieder ein Datum geschrieben hast, an das ich mich halten kann.
Und schreiben muß ich Dir heute auch noch, daß ich Dich ganz fest lieb habe. Lach mich bitte deshalb nicht aus. Wenn Du so lange nicht heim kommst, muß ich es Dir doch einmal schreiben, Du lieber Lieber


Lieber Ernst!        24.2.

Heute Morgen erhielt ich das Salzpäckchen. Ich habe mich sehr gefreut, daß Du meinen Wunsch gleich erfüllt hast. Wenn ich es auch nun nicht gleich brauche, so will ich mir doch immer ein wenig aufheben. Wie ich jetzt durch Vater hörte, war der Mangel nicht nur bei Webers, sondern auch noch in anderen Geschäften aufgetreten.
Nun möchte ich Dir noch von gestern Nachmittag erzählen. Der Film „Jakko“ war wirklich schön. Ich erzähle Dir davon, wenn Du wirklich auf Urlaub kommst. Auf dem Heimweg sahen wir, daß ein weiteres Stück des See`s zugefroren war, so daß man vom ersten Bootssteg auf die große Sandbank gelangen konnte. Natürlich wollten die Kinder gern hin. Ich bin dann auch mit ihnen hingegangen. Die Kinder kamen gut rüber, aber bei mir knackte und sprang das Eis, so daß es mir schon ein bißchen komisch zu Mute wurde und ich froh war, als ich auf der Sandbank war. Wir sind dann überall herum gestiefelt. Am Rand lagen im flachen Wasser  lauter volle und leere Muscheln. Die Kinder waren ganz erstaunt, daß es im Bodensee so große Muscheln gibt und haben sich je eine große, leere mitgenommen. Froh war ich nachher aber doch, als ich über das dünne Eis wieder am Ufer war. Ich habe dann aber ein ganz großes Lob von den Kindern bekomme. Ich sei tapfer, daß ich mitgegangen sein, die anderen Mütter hätten Angst und gingen nicht mit. Ist das Lob nichts wert? Wir sind dann heimgegangen, haben gegessen und sind später ins Bett gegangen. Damit war also auch dieser Tag vorbei.
Von heute ist nicht viel zu berichten. Ich tue meine tägliche Arbeit und will am Nachmittag noch ein bißchen nähen.
Da Jörg innerhalb einer Reihenuntersuchung von der Ersatzkasse aus mit daran kommen soll, muß ich morgen oder übermorgen wegen der „schriftlichen Vorarbeit“ auf die Kasse kommen. Ich habe heute ein Rundschreiben bekommen.
Gestern hatte es mit Tauen angefangen und es war ein scheußliches Laufen. Vielleicht triffst Du bald keinen Schnee mehr an, wenn nicht inzwischen wieder neuer gefallen ist. Heute ist auch die Sonne wieder hervor gekommen und wird wohl den Schnee weiter vermindern.
Nun laß mich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.


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