Montag, 6. Februar 2017

Brief 281 vom 2./3.2.1942


Mein liebster Ernst!                                                                              2.2.42                                                                  

Heute war ein ziemlich ereignisreicher Tag, der teils schönes, teils weniger schönes brachte.
Mit dem schöneren will ich anfangen. Da kamen Deine lieben Briefe vom 22. und 28.1. Der erstere hat sich ja ziemlich verspätet. Aus dem Brief vom 28. konnte ich lesen, daß Du nun wahrscheinlich doch bald auf Urlaub kommen kannst. Das war mir das Wichtigste und liebste. Hoffen wir, daß Du wirklich kommen kannst. Wir würden uns ja so sehr freuen. Zur Vorsicht schreibe ich aber doch noch bis zum Mittwoch, damit Du, wenn doch noch was dazwischen kommt, nicht so lange ohne Post bist.
Das Päckchen Nr. 11 ist ja nun eher angekommen als der Brief, in dem Du es ankündigst.
Es ist jetzt hier auch so, daß ich meist ein paar Briefe zusammen bekomme. Vielleicht wird die Post von einigen Tagen immer zusammen versandt.
Der Brief an Jörg kam heute auch an. Das war eine Freude. Er hat ihn mir gleich vorgelesen. Es sieht so lieb aus, wenn er beim lesen die Zeilen mit dem kleinen Zeigefinger verfolgt. Aber Jörg hat alles fließend lesen können.
Die 26,- von Siegfried kamen heute auch an. Er hat eigentlich 30,- geschickt. Die 4,- sollen für die Kinder sein.
Das Paket von Papa kam auch an. Wir haben es uns heute Nachmittag von der Post geholt. Ausgetragen werden sie jetzt nicht, weil die Briefträger nicht mit dem Rad fahren können bei dem Schnee. Die Briefkästen werden auch nicht mehr regelmäßig geleert, so daß ich den Brief an Dich am Morgen immer Helga mitgebe, die ihn auf die Petershauser Post bringt.
Die große Wäsche habe ich auch soweit fertig. Es hängt alles auf dem Speicher. Helga hat mir beim Auswringen fest geholfen.
Nun kommt das weniger Schöne. Es waren heute mehrere fremde Kinder hinterm Haus und haben eine Schneehöhle gebaut. Ein Junge hat nun zur Margret gesagt, sie soll Jörg eine Schaufel Schnee anwerfen. Die macht es auch, aber so dumm, daß sie Jörg mit der scharfen Kante gerade auf die linke Augenbraue schlägt. Es hat ziemlich geblutet und ist ganz dick. Kaum war das vorbei, sagt mir Helga, daß die Jungen in unserem Garten in dem schrägen Stück stehen und mit der Schaufel den Schnee wegschaufeln. Nun habe ich aber doch Erdbeeren frisch gesetzt. Die hauen sie mir doch mit den scharfen Schaufeln weg. Da bin ich runter und habe es verboten. Da haben sie bei den Blumen von Frau Nußbaumer weggeschaufelt. Da ist sie runter gegangen und hat die fremden Jungen rausgejagt. Da ist der Erich doch frech geworden. Am liebsten hätte man ihm eine gelangt. Auf einmal hat Frau Büsing mit keifen angefangen. „Geht nicht mehr zu den verrückten Menschern in den Garten, die haben ja keinen Verstand usw.usw.“ Dann sagt sie zu mir: „Frau Schwehr hat mir schon gesagt, daß sie bei Herrn Ganahl waren, sie scheinheiliges Luder, sie sind ein ganz scheinheiliges Mensch usw.“
Die ganze Litanei habe ich gar nicht gehört, nur daß sie noch gesagt hat: „Sie erreichen gar nichts.“
Ich habe mich gar nicht mehr drum gekümmert. Weil ich mich nicht mit ihr rumgeschlagen habe, sondern zu Herrn Ganahl gegangen bin, bin ich also scheinheilig. Na, lassen wir sie. Wenn es wieder schlimm wird, beschwere ich mich eben wieder. Ich weiß nicht, hat es gemacht, daß Du Deinen Urlaub angekündigt hast, aber ich habe mich gar nicht viel aufgeregt. Das ist mir schon bald zu dumm.
Das wäre also das Schlechte gewesen. Das ist nun auch vorbei.
An Papa werde ich in den nächsten Tagen auch wieder schreiben. Mich freut ja, daß er endlich mit der Frau Junghanns Schluß gemacht hat. Hätte das doch meine Mutter noch erleben können. Sie wär sicher sehr froh gewesen.
Nun laß mich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Heute traf ich die Mutter von Fritz Bautz. Sie sagte mir, daß Fritz jetzt auch eingezogen worden ist. Zur Ausbildung ist er in Heilbronn.
Die Gisela und die Ingrid liegen schon seit dem Neujahr im Krankenhaus mit Scharlach. Sie sind beide auf dem Weg der Besserung.

Mein liebster Ernst!                                                              Konstanz, den 3.2.42

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 29.1. Ich hoffe auch ganz fest mit Dir, daß Du bestimmt auf Urlaub kommen kannst. Aber richtig freuen will ich mich doch erst, wenn Du hier vor mir stehst.
Ich habe heute mehrere Briefe beantwortet. Von Papa hatte ich ja 3 Stück erhalten. Er schrieb mir auch, daß Siegfried ernstlich krank gewesen ist und daß er schwere Sorgen um ihn gehabt hat. Gott sei dank war er nach dem letzten Brief wieder auf dem Weg der Besserung. Die letzten WHW Abzeichen hat uns Papa auch wieder geschickt. Wir haben uns recht darüber gefreut. In dem Zeitungspaket hat mir Papa außer einigen Taschentüchern auch ein Nachthemd von Mama mitgeschickt. Das ist noch aus Stromeyerstoff hergestellt. So hellgrün mit kleinen Blumen. Das hat sich Mama mal bei ihrem Hiersein von der Frau Rist machen lassen, wenn ich mich recht erinnere. Es ist aber noch ganz neu, denn sogar die Stoffreste lagen noch bei. In diesem Hemd steckte nun die Kontrollmarke von der Sparkasse des Bauvereins. Ich glaube, daß es die ist, nach der wir in Leipzig so eifrig gesucht haben. Ich habe sie Papa heute wieder mitgeschickt. Hoffentlich kommt sie richtig an.
Wie Papa schrieb, bekommen wir jetzt sicher den Schlitten von Alice. Da hat dann endlich mal der Zank um den Rodelschlitten ein Ende. Eine Weile wird es zwar noch dauern, bis derselbe hier eintrudelt.
Gestern habe ich den Dentisten Beck angerufen, wann es ihm am günstigsten ist, wenn wir Drei zum nachsehen der Zähne kommen. Er meinte, am besten am Freitag um 4 Uhr. Da werden wir also hingehen.
Sonst ist heute nicht viel Neues zu berichten. Sei deshalb heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

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