Mein
lieber Ernst! Konstanz, 16.2.42
Es
ist nun bereits Mitte Februar geworden. Als Du zum ersten Mal in diesem Jahr um
Urlaub nachgesucht hast, wollten sie Dich Mitte Februar gehen lassen. Das war
Dir zu spät und Du hattest es dann soweit gebracht, daß Du hättest Mitte Januar
gehen dürfen. Leider kam die Sperre dazwischen und nun bist Du auch Mitte
Februar noch nicht da. So werden manchmal die Wünsche durchkreuzt. Ich bin ja
gespannt, ob wir Dich wenigstens noch in diesem Monat bei uns sehen werden.
Manchmal meint man, daß man es gar nicht mehr erwarten kann.
Heute
Morgen haben die Kinder den vorhergehenden Brief an Dich weggeschafft. Gestern
Abend war es zum auf die Post gehen zu spät. In die Schule müssen sie noch
nicht. Diese Woche wird also wohl noch frei sein.
Nachher
gehe ich mit den Kindern noch in die Stadt zum einkaufen. Zum Rad fahren ist es
immer noch nichts. Manche versuchen´s ja doch, aber man sieht auch oft welche
hinfallen. Das möchte ich nicht gern.
Heute
sagte mir Helga: „Morgen ist ja Fastnacht!“ Ich war ganz erstaunt. Daran denkt
man eigentlich gar nicht mehr. Was war da früher für ein Trubel. Kaum waren die
Kinder munter, da wollten sie auch schon als Rotkäppchen und Holländer
angezogen werden und in die Stadt wollten sie auch. Wie stolz sind sie da durch
die Straßen gelaufen. Und am Sonntag hat man sich dann den Umzug angesehen. Ich
war ja von Fastnacht nie sehr begeistert, aber ich habe immer an den
„Tauchscher“ denken müssen. Da bin ich auch als Rotkäppchen oder Junge
herumgelaufen und war genau so begeistert wie unsere Kinder vor einigen Jahren.
Helga kaspert ja auch heute noch in ihrem langen Rock, den sie gestern als
„Braut“ an hatte, herum und kann sich nicht davon trennen. Sie spielt also auch
ein bißchen Fastnacht für sich.
Jörg
hat heute etwas anderes vor, er näht. Erst hat er sich Stoffblumen aufgenäht
und jetzt hat er es schon bis zu einer Schürze für Helga`s kleine Puppe
gebracht. Er ist doch tüchtig, nicht wahr?
Nun
laß mich für heute wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von
Deiner Anni.
Mein
lieber, lieber Ernst! 17.2.42
Einen
Brief habe ich ja auch heute nicht von Dir bekommen. Dafür erhielt ich aber das
Päckchen mit der Butter. Ich habe es mir am Vormittag von der Post geholt. Die
Butter ist noch gut, nur das Äußere hatte ein bißchen einen Geschmack. Aber ich
habe einen ziemlich dicken Rand abgeschnitten und ausgelassen. Alles hätten wir
ja sowieso nicht gleich essen können. Ich danke Dir vielmals für die Butter. Du
hast mir viel Freude damit gemacht. Etwas mehr Butter zu haben, schadet ja
nicht. Wenn Du hier wärst, würde ich Dich einmal fest abküssen dafür, aber nun
kann ich Dir nur so dafür danken.
Ich
hatte Dir ja wegen Salz geschrieben.
Wenn Du noch keins gekauft hast, brauchst Du es nicht mehr tun. Webers haben,
glaub ich, ihren Kunden ganz unnötigerweise Angst gemacht. Seit gestern haben
sie wieder Salz.
Du
bist beim vorigen Urlaub von
Friedrichshafen aus mit dem Schiff gefahren. Ich habe mir heute mal den
Fahrplan angesehen, da mußte ich feststellen, daß der Schiffsverkehr wegen
Eisbildung eingestellt worden ist. Ich wollte es Dir nur mitteilen, wenn Du bei
Deinem evtl. Urlaub wieder mit dem Schiff fahren wolltest.
Von
Elsa erhielt ich heute einen Brief. Sie schreibt, daß Gerhard noch nicht wieder
ganz gesund ist. Er hat eine Art Venenentzündung und außerdem hat er sich die
Zehen angefroren.
Heute
habe ich mir mal wieder die Nähmaschine in die Küche geholt. Ich hatte das
Nähen immer hinausgeschoben, da ich meinte, Du kämst in Urlaub. Da das ja aber
noch nicht sicher ist, will ich lieber damit anfangen.
Bei
uns hat es in den letzten Nächten immer ein wenig geschneit. Aber es war
wenigstens nicht so kalt dabei. Da ist man schon wegen der Heizung froh.
Solange die Kinder jetzt keine Schule haben, stehen wir wieder erst mit dem
Hellwerden auf. Da brauchen wir kein Licht, müssen erst später Feuer machen und
sparen das 2. Frühstück. Das ist doch was wert, nicht wahr? Oder sind wir da
Faulpelze?
Heute
hat mich der Ernst Hagenauer angehalten. Er erzählte mir natürlich wieder vom
Mayer. Dessen Frau ist in der Wessenbergstraße voller Wut auf ihn zugegangen
und hat ihn angespuckt. Das hatte natürlich wieder eine Eingabe zur Folge. Der
Hagenauer sagte, wenn Du mal auf Urlaub kämst, solltest Du doch auf das
Wirtschaftsamt zu ihm kommen. Er hätte Dir manches zu erzählen.
Es
ist zwar erst 9 Uhr durch, aber ich will doch schlafen gehen. Ich sitze gar nicht
mehr gern allein da. Ich kann machen, was ich will, immer horche ich, ob Du
nicht kommst. Geht es dem Morgen zu, da ist es schon öfter vorgekommen, daß ich
es ganz deutlich habe klingen hören. Ich fahre dann im Bett hoch und horche, ob
sich das Klingeln wiederholt, was natürlich nicht der Fall war. So geht das nun
schon die ganze Zeit, seit ich hoffe, daß Du auf Urlaub kommst. Es wird direkt
eine Erlösung sein, wenn Du wirklich eintriffst. Wir warten ja alle schon
sehnsüchtig darauf, Dich wieder einmal hier zu haben, Du lieber Ernst.
Nun
gute Nacht, lieber Mann, bleib uns gesund und komm recht bald auf Urlaub. Nimm
viele Grüße und Küsse von Deiner Anni.
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