Mein
liebster Ernst! Konstanz,
18.2.42
Es
ist wieder Abend geworden, die Kinder sind gerade ins Bett gegangen und ich
will nun an Dich schreiben. Den Tag über habe ich genäht. Die Kinder haben
heute Mittag gleich zusammen abgewaschen und abgetrocknet, damit ich
weiterschaffen konnte. Beim Abtrocknen hilft mir Helga überhaupt öfter und ab
und zu wäscht sie auch noch ab. Aus älteren Sachen habe ich Helga 2 Unterröcke
genäht und außerdem aus verschiedenen Resten einige Wischtücher gemacht, damit
ich die guten noch nicht gleich verbrauchen muß. Für morgen habe ich wieder
verschiedenes zum Abändern da.
Heute
bekam ich Deinen lieben Brief vom 13.2. Ich danke Dir dafür.
Das
Geld wirst du ja inzwischen sicher bekommen haben.
Heute
Mittag kam Vater kurz herauf. Ich sollte für ihn Zigarren besorgen. Man muß
nämlich mindestens alle 2 Tage gehen, sonst verfallen die 2 letzten Abschnitte
der Raucherkarte. Nun kann Vater abends ja schlecht gehen, wenn er erst 3/4 7
aus dem Geschäft kommt. Nun ist aber heute eine Bestimmung herausgekommen,
wonach jeder persönlich kommen muß, oder Vater muß sich vom Geschäft, wo er
arbeitet, eine Bescheinigung geben lassen, daß er wegen zu langer Arbeitszeit
nicht selber gehen kann. Dann bekomme ich die Sachen für ihn. Diese
Bescheinigung will er sich nun heute geben lassen. Das ist doch umständlich,
nicht wahr?
An
Kurt werde ich in den nächsten Tagen auch schreiben und ihm zum Geburtstag
gratulieren. Die Post nach Rußland geht ja lange.
Ich
würde mich sehr freuen, wenn Du noch Zucker bekommen könntest. Daß es jetzt sehr
schwierig ist, noch irgendetwas zu bekommen, das glaub ich. Der Krieg dauert
eben doch schon ziemlich lange.
Heute
haben wir wieder mal unsere „Musik“ vom Speicher geholt. Den ganzen Tag haben
die Kinder schon die Platten laufen lassen.
Laß
mich nun wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner
Anni.
Mein
lieber Ernst! Konstanz, 19.2.42
Heute
Abend bin ich ziemlich müd. Wir haben heute die Kohlen geholt. Da noch lange
keine Aussicht bestand, daß sie uns gebracht würden, dachte ich mir, am besten
ist es, wenn wir sie selber holen, solange noch richtig Schnee liegt. So
konnten wir gleich die Schlitten nehmen. Aber froh sind wir doch, daß wir`s
hinter uns haben. Wir haben 4 Mal je 2 Ztr. geholt.
Ich
erinnere mich gerade daran, daß Papa in einem Brief bei Dir anfragte, wie Dir
der silberne Drehbleistift gefallen hat. Du hast ihn ja noch gar nicht
bekommen. Alle Kleinigkeiten, die wir Dir nachträglich zu Weihnachten schenken
wollten, harrten noch auf Dein Kommen. Auch die Stolle von uns und ein Stück
aus Leipzig ist noch da. Nur der Weihnachtsbaum fehlt. Aber den braucht man ja
jetzt nicht mehr, wo es bald Frühling werden soll, nicht wahr?
Heute
haben wir auch unsere letzten eingelagerten Äpfel herauf geholt. Sie haben doch
aber immerhin ziemlich lange gereicht.
Als
übrigens Vater gestern Mittag hier war, habe ich ihm etwas von Deiner Butter
abgegeben. Außerdem habe ich ihm noch 3 kleine Zigarren von Dir geschenkt, die
ich noch da hatte. Er hat sich über Beides sehr gefreut. Tabakwaren sind ja
überhaupt sehr begehrt.
Nimm
es bitte nicht übel, wenn ich jetzt schon mit schreiben aufhöre, aber ich
möchte gern ins Bett gehen und mich richtig ausschlafen.
20.2.42
Mit
dem Ausschlafen ist es doch nichts geworden. Mir hat der Rücken weh getan, daß
ich dauernd aufgewacht bin und mich immer auf eine andere Seite legen mußte.
Ich bin eben so Schwerarbeit nicht gewöhnt. Wenigstens jetzt im Winter nicht.
Später beim Umgraben wird mir ja manchmal wieder der Rücken weh tun. Heute bei
Tag geht es schon wieder ganz gut. Viel habe ich heute noch nicht getan, nur
ein wenig genäht und Blödsinn mit den Kindern gemacht. Da sind sie natürlich
dabei und wollen gar nicht mehr aufhören.
Jetzt
haben wir gerade Mittagbrot gegessen und nachher wollen wir noch in der Stadt
einkaufen. Ich besorge alles schon gern am Freitag, da brauche ich am Samstag,
wenn die Meisten laufen, nicht rumzurennen.
Einen
Brief von Dir habe ich auch heute nicht bekommen. Vielleicht bekomme ich am
dritten Tag, also morgen, wieder einen. Es war ja jetzt schon öfter so.
Jörg
geht jetzt schon ans lesen von richtigen Büchern. Jetzt hat er sich das Buch „Die
lustigen Drei von der Herzogsbastei“ vorgenommen. Es macht ihm großen Spaß,
schon alles richtig lesen zu können.
Helga
bügelt mit ihrem kleinen Bügeleisen mal ihre ganze Puppenwäsche durch. Manche
hat es ja ziemlich nötig, denn Helga legt sie ja nicht immer gerade sorgfältig
zusammen. Das kleine Bügeleisen und Bügelbrett habe ich ja auch als Kind schon
gehabt. Nun habe ich`s schon weitervererbt.
Nun
laß mich schließen. Ich will noch abwaschen, damit wir dann bald fortkommen.
Sei
recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Mein
liebster Ernst! Konstanz, 21.2.42
Auch
dieser Tag geht vorbei, ohne daß ich einen Brief von dir erhalten habe.
Zeitungen mit Briefumschlägen habe ich heute bekommen, aber es war kein Brief
dabei und außerdem sind sie, wenn ich den Stempel richtig entziffert habe, seit
dem 11. unterwegs. Ich habe nun seit dem 13. keine Nachricht mehr von Dir und
hoffe nur, daß Du noch ganz gesund bist.
Gestern
Nachmittag waren wir in der Stadt. Auf dem Heimweg bat mich vor allen Dingen
Jörg, ob wir nicht mal an der Seestraße unten am Wasser lang laufen können.
Auch auf die Sandbänke wären sie gern mal gegangen. Ich habe ihnen dann diesen
Wunsch erfüllt. Wir sind bald bis ans Ende der Seestraße gegangen, um über ein
zugefrorenes Stück auf die Sandbank zu kommen. Auf eine andere wären wir auch
noch gern gelaufen, aber man mußte da über Steine klettern, da der See dort
nicht zugefroren war und das ging mit den Kindern nun doch nicht. Aber die
Freude war auch so schon groß genug. Jörg sagte, so schön hätte es ihm noch nie
gefallen, wenn er mit in die Stadt gegangen ist.
Du
hattest doch mal geschrieben, daß alle Päckchen an Nanni weggekommen waren.
Daran mußte ich heute denken, als ich in der Zeitung las, daß eine 48 jährige
Frau aus Kassel, die bei der Post beschäftigt war, zum Tode verurteilt worden
ist, da sie neben einigen anderen Sachen auch 70 bis 80 Feldpostpäckchen
gestohlen oder ausgeräubert hat. Und das in der kurzen Zeit von nach
Weihnachten bis Ende Januar. Trotzdem es so hohe Strafen gibt, finden sich
immer wieder Menschen, die das Stehlen nicht sein lassen könne.
Gerade
ist Jörg hereingekommen. Er hat sich mit Helga zusammen eine Burg vorm Haus
gebaut, aber jetzt ist er so naß und friert so, da er doch lieber herein kommt.
Helga schafft nachher noch den Brief an Dich fort, während ich noch Kuchen
backen will. Dabei will mir Jörg fest helfen, wie er sagt.
Nun
will ich wieder schließen. Hoffentlich bekomme ich morgen wieder einen Brief
von Dir. Ich würde mich sehr freuen.
Ich
schicke Dir heute wieder viele herzlich Grüße und Küsse und hoffe, daß Du ganz
gesund bist. Deine Anni.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen