Sonntag, 19. Februar 2017

Brief 285 vom 18./19./21.02.1942


Mein liebster Ernst!                                                                     Konstanz, 18.2.42           
                      
Es ist wieder Abend geworden, die Kinder sind gerade ins Bett gegangen und ich will nun an Dich schreiben. Den Tag über habe ich genäht. Die Kinder haben heute Mittag gleich zusammen abgewaschen und abgetrocknet, damit ich weiterschaffen konnte. Beim Abtrocknen hilft mir Helga überhaupt öfter und ab und zu wäscht sie auch noch ab. Aus älteren Sachen habe ich Helga 2 Unterröcke genäht und außerdem aus verschiedenen Resten einige Wischtücher gemacht, damit ich die guten noch nicht gleich verbrauchen muß. Für morgen habe ich wieder verschiedenes zum Abändern da.
Heute bekam ich Deinen lieben Brief vom 13.2. Ich danke Dir dafür.
Das Geld wirst du ja inzwischen sicher bekommen haben.
Heute Mittag kam Vater kurz herauf. Ich sollte für ihn Zigarren besorgen. Man muß nämlich mindestens alle 2 Tage gehen, sonst verfallen die 2 letzten Abschnitte der Raucherkarte. Nun kann Vater abends ja schlecht gehen, wenn er erst 3/4 7 aus dem Geschäft kommt. Nun ist aber heute eine Bestimmung herausgekommen, wonach jeder persönlich kommen muß, oder Vater muß sich vom Geschäft, wo er arbeitet, eine Bescheinigung geben lassen, daß er wegen zu langer Arbeitszeit nicht selber gehen kann. Dann bekomme ich die Sachen für ihn. Diese Bescheinigung will er sich nun heute geben lassen. Das ist doch umständlich, nicht wahr?
An Kurt werde ich in den nächsten Tagen auch schreiben und ihm zum Geburtstag gratulieren. Die Post nach Rußland geht ja lange.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Du noch Zucker bekommen könntest. Daß es jetzt sehr schwierig ist, noch irgendetwas zu bekommen, das glaub ich. Der Krieg dauert eben doch schon ziemlich lange.
Heute haben wir wieder mal unsere „Musik“ vom Speicher geholt. Den ganzen Tag haben die Kinder schon die Platten laufen lassen.
Laß mich nun wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein lieber Ernst!                                                                    Konstanz, 19.2.42

Heute Abend bin ich ziemlich müd. Wir haben heute die Kohlen geholt. Da noch lange keine Aussicht bestand, daß sie uns gebracht würden, dachte ich mir, am besten ist es, wenn wir sie selber holen, solange noch richtig Schnee liegt. So konnten wir gleich die Schlitten nehmen. Aber froh sind wir doch, daß wir`s hinter uns haben. Wir haben 4 Mal je 2 Ztr. geholt.
Ich erinnere mich gerade daran, daß Papa in einem Brief bei Dir anfragte, wie Dir der silberne Drehbleistift gefallen hat. Du hast ihn ja noch gar nicht bekommen. Alle Kleinigkeiten, die wir Dir nachträglich zu Weihnachten schenken wollten, harrten noch auf Dein Kommen. Auch die Stolle von uns und ein Stück aus Leipzig ist noch da. Nur der Weihnachtsbaum fehlt. Aber den braucht man ja jetzt nicht mehr, wo es bald Frühling werden soll, nicht wahr?
Heute haben wir auch unsere letzten eingelagerten Äpfel herauf geholt. Sie haben doch aber immerhin ziemlich lange gereicht.
Als übrigens Vater gestern Mittag hier war, habe ich ihm etwas von Deiner Butter abgegeben. Außerdem habe ich ihm noch 3 kleine Zigarren von Dir geschenkt, die ich noch da hatte. Er hat sich über Beides sehr gefreut. Tabakwaren sind ja überhaupt sehr begehrt.
Nimm es bitte nicht übel, wenn ich jetzt schon mit schreiben aufhöre, aber ich möchte gern ins Bett gehen und mich richtig ausschlafen.
20.2.42   
Mit dem Ausschlafen ist es doch nichts geworden. Mir hat der Rücken weh getan, daß ich dauernd aufgewacht bin und mich immer auf eine andere Seite legen mußte. Ich bin eben so Schwerarbeit nicht gewöhnt. Wenigstens jetzt im Winter nicht. Später beim Umgraben wird mir ja manchmal wieder der Rücken weh tun. Heute bei Tag geht es schon wieder ganz gut. Viel habe ich heute noch nicht getan, nur ein wenig genäht und Blödsinn mit den Kindern gemacht. Da sind sie natürlich dabei und wollen gar nicht mehr aufhören.
Jetzt haben wir gerade Mittagbrot gegessen und nachher wollen wir noch in der Stadt einkaufen. Ich besorge alles schon gern am Freitag, da brauche ich am Samstag, wenn die Meisten laufen, nicht rumzurennen.
Einen Brief von Dir habe ich auch heute nicht bekommen. Vielleicht bekomme ich am dritten Tag, also morgen, wieder einen. Es war ja jetzt schon öfter so.
Jörg geht jetzt schon ans lesen von richtigen Büchern. Jetzt hat er sich das Buch „Die lustigen Drei von der Herzogsbastei“ vorgenommen. Es macht ihm großen Spaß, schon alles richtig lesen zu können.
Helga bügelt mit ihrem kleinen Bügeleisen mal ihre ganze Puppenwäsche durch. Manche hat es ja ziemlich nötig, denn Helga legt sie ja nicht immer gerade sorgfältig zusammen. Das kleine Bügeleisen und Bügelbrett habe ich ja auch als Kind schon gehabt. Nun habe ich`s schon weitervererbt.
Nun laß mich schließen. Ich will noch abwaschen, damit wir dann bald fortkommen.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                        Konstanz, 21.2.42

Auch dieser Tag geht vorbei, ohne daß ich einen Brief von dir erhalten habe. Zeitungen mit Briefumschlägen habe ich heute bekommen, aber es war kein Brief dabei und außerdem sind sie, wenn ich den Stempel richtig entziffert habe, seit dem 11. unterwegs. Ich habe nun seit dem 13. keine Nachricht mehr von Dir und hoffe nur, daß Du noch ganz gesund bist.
Gestern Nachmittag waren wir in der Stadt. Auf dem Heimweg bat mich vor allen Dingen Jörg, ob wir nicht mal an der Seestraße unten am Wasser lang laufen können. Auch auf die Sandbänke wären sie gern mal gegangen. Ich habe ihnen dann diesen Wunsch erfüllt. Wir sind bald bis ans Ende der Seestraße gegangen, um über ein zugefrorenes Stück auf die Sandbank zu kommen. Auf eine andere wären wir auch noch gern gelaufen, aber man mußte da über Steine klettern, da der See dort nicht zugefroren war und das ging mit den Kindern nun doch nicht. Aber die Freude war auch so schon groß genug. Jörg sagte, so schön hätte es ihm noch nie gefallen, wenn er mit in die Stadt gegangen ist.
Du hattest doch mal geschrieben, daß alle Päckchen an Nanni weggekommen waren. Daran mußte ich heute denken, als ich in der Zeitung las, daß eine 48 jährige Frau aus Kassel, die bei der Post beschäftigt war, zum Tode verurteilt worden ist, da sie neben einigen anderen Sachen auch 70 bis 80 Feldpostpäckchen gestohlen oder ausgeräubert hat. Und das in der kurzen Zeit von nach Weihnachten bis Ende Januar. Trotzdem es so hohe Strafen gibt, finden sich immer wieder Menschen, die das Stehlen nicht sein lassen könne.
Gerade ist Jörg hereingekommen. Er hat sich mit Helga zusammen eine Burg vorm Haus gebaut, aber jetzt ist er so naß und friert so, da er doch lieber herein kommt. Helga schafft nachher noch den Brief an Dich fort, während ich noch Kuchen backen will. Dabei will mir Jörg fest helfen, wie er sagt.
Nun will ich wieder schließen. Hoffentlich bekomme ich morgen wieder einen Brief von Dir. Ich würde mich sehr freuen.
Ich schicke Dir heute wieder viele herzlich Grüße und Küsse und hoffe, daß Du ganz gesund bist. Deine Anni.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen