Montag, 15. Februar 2016

Brief 131 vom 15./16./17.2.1941


Mein lieber, lieber Ernst!                                                              Konstanz, 15.2.41                   
                                                                                            
Nun habe ich den zweitenTag keinen Brief von Dir erhalten. Ich hoffe aber ganz fest auf morgen.
Von Siegfried erhielt ich ein paar kurze Zeilen. Er schreibt nur, daß er  gut angekommen sei und daß er, wenn mit dem Zug alles geregelt ist, nach Weißenfels kommt.
Mit dem Gehalt hat sich nichts erhöht. Die Kürzung besteht also nach wie vor.
Als ich gestern mit den Kindern in der Stadt war, habe ich mich nach Lodenmänteln umgesehen. Es sind keine zu haben. Für Jörg hätte ich evtl. einen bekommen, aber der hat ihn wieder nicht so nötig wie Helga. Jetzt warte ich, bis Du mal auf Urlaub kommst. Da können wir dann besprechen, was wir evtl. kaufen wollen. Ich bin nun gestern auf der Bezugsscheinstelle gewesen und habe für unsere Beiden Halbschuhe beantragt. Da kaufe ich eben erst die zuerst, wenn ich sie bewilligt bekomme. Sonst müßte ich ihnen eben Holzschuhe kaufen.
Die 20.-Mk habe ich für Dich zurückgelegt und werde sie Ende Februar wegschicken.
Auf großes Drängen habe ich heute wieder mal die „Musik“ vom Speicher geholt. Jörg hat den ganzen Vormittag gespielt und kam sich sehr wichtig dabei vor.
„Nicht wahr, das ist beim Schaffen gemütlicher, wenn du Musik hast. So schöne Lieder spielen sie nicht mal immer im Radio,“ hat er mir mehrmals versichert.
Heute ist  es bereits 1/2 5 geworden, ehe ich zum schreiben kam. Ich habe etwas gewaschen, gebacken und gekocht und die Treppe mußte ich auch putzen. Jetzt habe ich aber alles hinter mir. Die Kinder spielen noch ein bißchen hinterm Haus. Sie sind noch nicht lange unten, denn das Wetter war nicht danach. Heute Morgen hat es geregnet, am Vormittag war es dann sehr windig und eigentlich erst jetzt, wo es bald Abend wird, ist es schön geworden.
Nun ist bereits der 15. Bis heute sollte doch der Lehrgang beginnen. Ich bin gespannt, wie sich alles entschieden hat. Eine Weile werde ich mich ja wegen des Bescheids noch gedulden müssen.
Ich habe heute wieder einen „Mond“ gebacken. Ob Du wohl die zwei Kuchen schon bekommen hast, die ich am Montag weggeschickt habe?
Nun wird es schon wieder Zeit, daß ich mich zum fortfahren fertig mache.
Nun grüße und küsse ich Dich recht herzlich und bitte Dich, denke immer an uns, wie ich auch immer an Dich denke. Recht viele Küsse von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                   Konstanz, 16.2.41

Bei mir war heute, am Sonntag, die Enttäuschung groß, als wieder kein Brief von Dir kam. Das Beste vom Sonntag fehlt da.
Es ist heute so ein halbtrüber Tag und wir sitzen alle in der Stube, d.h. Helga liegt ein bißchen, sie hat sich beide Knie aufgeschlagen. Daran war aber Jörg schuld. Kaum war ich gestern in die Stadt gefahren, da sind die Kinder an der Seite die Stufen runtergegangen. Jörg ging es natürlich zu langsam und er gab Helga einen Stoß, daß sie vier Stufen runter flog. Frau Nußbaumer hat Helga Pflaster draufgemacht und Jörg fest ausgeschimpft, daß ich das auch nicht mehr besorgen brauchte. Er war ganz geknickt und sagte immer wieder, er sei so froh, daß sich Helga nichts gebrochen habe. Ich habe ihn natürlich noch richtig vermahnt, wie lange wird es anhalten. Manchmal macht mir sein Zorn Sorge. Ich habe ihn schon öfter verwichst, wenn es zu arg war. Ich habe ihm auch schon gut zugesprochen, aber ab und zu wird er doch wieder wütig. Im Allgemeinen ist er ja ein guter Kerl und ich muß eben sehen, seinen Zorn zu unterdrücken.
Morgen werde ich sicher an die Eltern an Kurt  und Siegfried schreiben. Heute habe ich keine große Lust dazu. Ich mache einen faulen Sonntag. Das Wunschkonzert höre ich mir nachher auch an.
Jörg hat wieder ein neues Spiel entdeckt. Er hat sich die ganzen kleinen Figuren genommen, die Schornsteinfeger, Bergleute usw. und stellt sie immer wieder verschieden auf. Damit beschäftigt er sich jetzt schon eine ganze Zeit. Die Figuren machen ihm großen Spaß. 
Nachher bringen unsere Beiden den Brief fort. Helga will natürlich auch mit, denn auf das Omnibusfahren freuen sie sich doch schon die ganze Woche. Wenn es halbwegs möglich ist, lassen sie sich das doch nicht entgehen.  Hoffentlich kommt morgen ein Brief. Der letzte, den ich erhielt, war vom 7.2. Das sind immerhin schon wieder 9 Tage, seit Du ihn geschrieben hast. Ich möchte doch auch wieder etwas von Dir hören.
Sei nun für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Mein lieber Ernst!                                                                      Konstanz, 17.2.41

Wieder kein Brief von Dir. Das ist doch schlimm. Nun muß ich auf morgen hoffen.
Gestern habe ich mich mal ausgeruht. Nachdem wir Abendbrot gegessen hatten, um 5 Uhr, haben wir uns die Photografien von früher angesehen. Dabei sind mir so verschiedene Erlebnisse von früher eingefallen.  Da waren die Bilder dabei, wo Du mit dem Ernst auf Fahrt warst, wo Ihr auf dem Wegweiser sitzt, Du lachst da so lieb. Auch die Bilder von unserer Kinderzeit haben den Kindern besonders gefallen.
„Daß Ihr auch mal so klein gewesen seid“ riefen sie immer wieder aus. Gestern Abend war Vater da. Wir haben uns erst unterhalten, dann hat er Zeitung gelesen.
Vorhin war ein Schutzmann da und hat unseren „Luftschutzkeller“ angesehen. Viel hat er da nicht sehen können, weil eigentlich keiner da ist.
Vater hat mir gestern Fensterkitt mitgebracht. Da habe ich am Vormittag die Fenster gekittet, sonst läuft überall der Regen herein, wenn die Doppelfenster später wieder weg sind. Helga ist jetzt gerade aus der Schule gekommen. Da sie keine Schulaufgaben auf hat, ist sie gleich zum spielen gegangen. Jörg baut sich hinterm Haus mit Sand und Erde eine Burg. Ich habe sie vorhin erst einmal bewundern müssen.
Wenn nur die Zeit bald wieder einmal da wäre, wo Du Urlaub hast. Manchmal meine ich, ich werde mich bald an das Alleinsein gewöhnen, dann merke ich wieder, daß ich mich getäuscht habe. Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen. Dazu habe ich Dich viel zu lieb. Du bist doch mein lieber Mann. Hoffentlich erhalte ich recht bald wieder einen Brief von Dir.
Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner immer an Dich denkenden Annie.

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