Mein lieber, lieber Ernst! Konstanz, 15.2.41
Nun habe ich den zweitenTag keinen Brief
von Dir erhalten. Ich hoffe aber ganz fest auf morgen.
Von Siegfried erhielt ich ein paar kurze
Zeilen. Er schreibt nur, daß er gut
angekommen sei und daß er, wenn mit dem Zug alles geregelt ist, nach Weißenfels
kommt.
Mit dem Gehalt hat sich nichts erhöht. Die
Kürzung besteht also nach wie vor.
Als ich gestern mit den Kindern in der
Stadt war, habe ich mich nach Lodenmänteln umgesehen. Es sind keine zu haben.
Für Jörg hätte ich evtl. einen bekommen, aber der hat ihn wieder nicht so nötig
wie Helga. Jetzt warte ich, bis Du mal auf Urlaub kommst. Da können wir dann
besprechen, was wir evtl. kaufen wollen. Ich bin nun gestern auf der Bezugsscheinstelle
gewesen und habe für unsere Beiden Halbschuhe beantragt. Da kaufe ich eben erst
die zuerst, wenn ich sie bewilligt bekomme. Sonst müßte ich ihnen eben
Holzschuhe kaufen.
Die 20.-Mk habe ich für Dich zurückgelegt
und werde sie Ende Februar wegschicken.
Auf großes Drängen habe ich heute wieder
mal die „Musik“ vom Speicher geholt. Jörg hat den ganzen Vormittag gespielt und
kam sich sehr wichtig dabei vor.
„Nicht wahr, das ist beim Schaffen
gemütlicher, wenn du Musik hast. So schöne Lieder spielen sie nicht mal immer
im Radio,“ hat er mir mehrmals versichert.
Heute ist
es bereits 1/2 5 geworden, ehe ich zum schreiben kam. Ich habe etwas
gewaschen, gebacken und gekocht und die Treppe mußte ich auch putzen. Jetzt
habe ich aber alles hinter mir. Die Kinder spielen noch ein bißchen hinterm
Haus. Sie sind noch nicht lange unten, denn das Wetter war nicht danach. Heute
Morgen hat es geregnet, am Vormittag war es dann sehr windig und eigentlich
erst jetzt, wo es bald Abend wird, ist es schön geworden.
Nun ist bereits der 15. Bis heute sollte
doch der Lehrgang beginnen. Ich bin gespannt, wie sich alles entschieden hat.
Eine Weile werde ich mich ja wegen des Bescheids noch gedulden müssen.
Ich habe heute wieder einen „Mond“
gebacken. Ob Du wohl die zwei Kuchen schon bekommen hast, die ich am Montag
weggeschickt habe?
Nun wird es schon wieder Zeit, daß ich
mich zum fortfahren fertig mache.
Nun grüße und küsse ich Dich recht
herzlich und bitte Dich, denke immer an uns, wie ich auch immer an Dich denke. Recht
viele Küsse von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 16.2.41
Bei mir war heute, am Sonntag, die
Enttäuschung groß, als wieder kein Brief von Dir kam. Das Beste vom Sonntag
fehlt da.
Es ist heute so ein halbtrüber Tag und wir
sitzen alle in der Stube, d.h. Helga liegt ein bißchen, sie hat sich beide Knie
aufgeschlagen. Daran war aber Jörg schuld. Kaum war ich gestern in die Stadt
gefahren, da sind die Kinder an der Seite die Stufen runtergegangen. Jörg ging
es natürlich zu langsam und er gab Helga einen Stoß, daß sie vier Stufen runter
flog. Frau Nußbaumer hat Helga Pflaster draufgemacht und Jörg fest ausgeschimpft,
daß ich das auch nicht mehr besorgen brauchte. Er war ganz geknickt und sagte
immer wieder, er sei so froh, daß sich Helga nichts gebrochen habe. Ich habe
ihn natürlich noch richtig vermahnt, wie lange wird es anhalten. Manchmal macht
mir sein Zorn Sorge. Ich habe ihn schon öfter verwichst, wenn es zu arg war.
Ich habe ihm auch schon gut zugesprochen, aber ab und zu wird er doch wieder
wütig. Im Allgemeinen ist er ja ein guter Kerl und ich muß eben sehen, seinen
Zorn zu unterdrücken.
Morgen werde ich sicher an die Eltern an
Kurt und Siegfried schreiben. Heute
habe ich keine große Lust dazu. Ich mache einen faulen Sonntag. Das
Wunschkonzert höre ich mir nachher auch an.
Jörg hat wieder ein neues Spiel entdeckt.
Er hat sich die ganzen kleinen Figuren genommen, die Schornsteinfeger, Bergleute
usw. und stellt sie immer wieder verschieden auf. Damit beschäftigt er sich
jetzt schon eine ganze Zeit. Die Figuren machen ihm großen Spaß.
Nachher bringen unsere Beiden den Brief
fort. Helga will natürlich auch mit, denn auf das Omnibusfahren freuen sie sich
doch schon die ganze Woche. Wenn es halbwegs möglich ist, lassen sie sich das
doch nicht entgehen. Hoffentlich kommt
morgen ein Brief. Der letzte, den ich erhielt, war vom 7.2. Das sind immerhin
schon wieder 9 Tage, seit Du ihn geschrieben hast. Ich möchte doch auch wieder
etwas von Dir hören.
Sei nun für heute recht herzlich gegrüßt
und geküßt von Deiner Annie.
Viele
Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 17.2.41
Wieder kein Brief von Dir. Das ist doch
schlimm. Nun muß ich auf morgen hoffen.
Gestern habe ich mich mal ausgeruht.
Nachdem wir Abendbrot gegessen hatten, um 5 Uhr, haben wir uns die Photografien
von früher angesehen. Dabei sind mir so verschiedene Erlebnisse von früher
eingefallen. Da waren die Bilder dabei,
wo Du mit dem Ernst auf Fahrt warst, wo Ihr auf dem Wegweiser sitzt, Du lachst
da so lieb. Auch die Bilder von unserer Kinderzeit haben den Kindern besonders
gefallen.
„Daß Ihr auch mal so klein gewesen seid“
riefen sie immer wieder aus. Gestern Abend war Vater da. Wir haben uns erst
unterhalten, dann hat er Zeitung gelesen.
Vorhin war ein Schutzmann da und hat
unseren „Luftschutzkeller“ angesehen. Viel hat er da nicht sehen können, weil
eigentlich keiner da ist.
Vater hat mir gestern Fensterkitt
mitgebracht. Da habe ich am Vormittag die Fenster gekittet, sonst läuft überall
der Regen herein, wenn die Doppelfenster später wieder weg sind. Helga ist
jetzt gerade aus der Schule gekommen. Da sie keine Schulaufgaben auf hat, ist
sie gleich zum spielen gegangen. Jörg baut sich hinterm Haus mit Sand und Erde
eine Burg. Ich habe sie vorhin erst einmal bewundern müssen.
Wenn nur die Zeit bald wieder einmal da
wäre, wo Du Urlaub hast. Manchmal meine ich, ich werde mich bald an das
Alleinsein gewöhnen, dann merke ich wieder, daß ich mich getäuscht habe. Ich
werde mich wohl nie daran gewöhnen. Dazu habe ich Dich viel zu lieb. Du bist
doch mein lieber Mann. Hoffentlich erhalte ich recht bald wieder einen Brief
von Dir.
Sei für heute recht herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner immer an Dich denkenden Annie.
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