Donnerstag, 11. Februar 2016

Brief 126 vom 4./5./6.2.1941


Mein lieber Ernst!                                                                                        4.Februar                        

Zuerst, einen Brief habe ich wieder nicht bekommen.
Nun ist meine Wäsche wieder vorbei. Das meiste habe ich aufgehängt, nur die großen Bettbezüge noch nicht, damit sie mir nicht in der Nacht gestohlen werden.
Vergangene Nacht hat nun Helga wieder in ihrem Bett geschlafen. Das habe ich gemerkt. Die vergangenen Tage hatte sie mir immer so schön das Bett gewärmt. Helga war immer ganz stolz, daß ich dadurch stets gleich warme Füße bekam.
Es ist heute wieder ziemlich kalt geworden. Es möchte immer schneien, so ganz, ganz winzige Flocken kommen ab und zu. Aber es ist zu kalt dazu. Vielleicht schneit es wieder über Nacht.
Es ist heute schon 1/2 6 Uhr. Helga wird bald wieder aus der Schule kommen. Ich will dann schnell noch den Brief fort bringen.
Ich habe Dir noch gar nicht geschrieben, daß wir jetzt Vollkornbrot essen. Siegfried hatte doch zwei Stück mitgebracht. Das hat uns so gut gemundet, daß uns unser übliches Brot gar nicht mehr schmecken wollte. So habe ich mich entschlossen, auch weiterhin Vollkornbrot zu kaufen.
Du hast mir noch gar nicht geschrieben, wie viel ich Dir Geld schicken soll und ob ich die NS.-Frauen-Warte bestellen kann. Es kann ja sein, daß es in den Briefen steht, die ich noch nicht bekommen habe. Es fehlen zwischen denen, die ich schon bekommen habe, die Briefe vom 18., 19., 20., 25., 26., den vom 27. habe ich zuletzt erhalten.
Nun will aber schließen. Sonst wird es zu spät.
Sei für heute recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst! !                                                                 Konstanz, 5.Februar 1941

Jetzt habe ich nun schon wieder seit Samstag keinen Brief erhalten und ich warte doch so darauf. Das ist doch eine große Bummelei von der Post, nicht wahr? Ich glaube kaum, daß heute Nachmittag noch einer kommt. Heute Nacht und am Vormittag hat es ein bißchen geschneit, ca. 5 cm hoch liegt Schnee. Unsere zwei Schlawanzers wollen versuchen, ob sie nicht Schlitten fahren können. Sie sind gerade beim anziehen.
Am Vormittag haben wir den Christbaum weggetan. Er stand bis jetzt immer auf Deinem Nachtischchen. Wir haben ihn so lange aufgehoben, damit wir ein Andenken an das mit Dir verlebte Weihnachtsfest hatten.
Ich habe seit längerer Zeit unseren Sessel nicht mehr am Tisch stehen, sondern beim Nähtisch. Auf dem Nähtisch steht das Radio und darauf die Tischlampe. Wenn ich nun stricke oder stopfe oder lese, setzte ich mich am liebsten auf den Sessel. Da habe ich gleich das Radio bei mir und auch den warmen Ofen. Da ist es am gemütlichsten und ich sitze abends auch  nicht so allein am großen Tisch.
Sieh doch mal zu, ob Du Dir nicht noch ein paar warme Filzschuhe dort besorgen kannst. Siegfried hat Deine angehabt, als er hier war und sie sind dadurch nicht besser geworden.
Nun hätte ich noch eine Frage an Dich. Kannst Du eigentlich noch ein paar Tafeln Schokolade besorgen. Ich hätte nämlich sehr Appetit darauf, möchte aber doch nicht alle aufessen. Wenn Du keine mehr bekommen kannst, hebe ich sie lieber noch auf. Denkst Du nicht, ich bin sehr verfressen?
Ich habe heute wieder mal überall gründlich aufgeräumt, Schränke, Schubladen usw. Nun wärme ich mich in der Stube erst mal gründlich auf, bevor ich einkaufen und den Brief fortschaffen gehe. Hier in der Stube ist es mollig warm.
Nun will ich mich fertig machen. Die Kinder wollen mitgehen, wie sie mir eben sagte. Es ist gerade 1/2 4 Uhr.
Lieber Ernst! Ich hoffe ganz fest, daß ich recht bald wieder einen Brief von Dir bekomme und grüße und küsse Dich recht herzlich Deine Annie.

Ernst, mein lieber Ernst!                                                                        Konstanz, 6.2.41

Denke Dir, heute habe ich fünf Briefe von Dir bekommen, fünf Briefe. Ich habe gedacht, ich sehe nicht recht. Das ist doch noch nie vorgekommen. Die Briefe sind vom 19., 20., 25., 28., und 29.1. Der Brief vom 25. ist durch die Zensur gegangen.
In Deinen Schreiben sind nun auch alle Fragen beantwortet, die ich an Dich gerichtet hatte. Die 35,- Mk gebe ich noch heute an Dich auf. Wenn Du noch etwas brauchst, mußt Du mir schreiben.
Es ist so lieb von Dir, daß Du Dir Bilder von uns in einen Rahmen getan hast. Da hast Du uns doch immer bei Dir.
Helga freut sich schon sehr auf die Puppe. Sie hat ja nun eine große Familie. Von der Federhaltertasche habe ich ihr noch nichts gesagt. Ich sehe erst einmal, ob sie für sie geeignet ist. An die Schule hat sie sich schon wieder gewöhnt. Die Lehrerin von Helga ist krank. Sie hat schwere Grippe. Da gibt ein elsäßischer Lehrer Unterricht.
Zum Schlachtfest seid Ihr also eingeladen gewesen. Das ist ja jetzt ein seltenes Fest. Habt Ihr richtig gefuttert? Du wirst mir sicher in dem Brief vom 26., der noch nicht eingetroffen ist, davon berichten.
Lieber Ernst! Ich bin Dir nicht böse, wenn Du schreibst, ich soll uns nichts absparen, um Dir etwas Gebackenes zu schicken. Aber, bitte nimm es ohne diese Gedanken an. Uns geht ja nichts ab. Siehst Du, ich möchte Dir recht gern viel zuliebe tun und kann es doch jetzt gar nicht. Ein ganz, ganz kleiner Ersatz dafür ist nur, daß ich Dir ab und zu einmal etwas Gebackenes schicke. Und diese kleine Freude willst Du mir doch sicher lassen, nicht wahr, Du lieber Kerl. Ich habe Dir, während Siegfried da war, schon einmal deswegen geschrieben und ich glaube, ein bißchen grob. War es nicht so? Sei mir bitte deshalb nicht böse. Weißt Du, ich war während Siegfrieds Hiersein manchmal ein bißchen nervös, wegen seines Geredes.
Und da komme ich auch gleich auf Deinen Brief vom 29. zu sprechen. Es ist wahr, Siegfried hatte mir ziemlich den Kopf und das Herz schwer gemacht. Aber, ich bin wieder so ziemlich drüber weg.
Ich habe ja schließlich Dich und ich weiß auch, was ich an Dir habe. Du und Siegfried seid ja gar nicht zu vergleichen. Siegfried entschuldigt all sein Tun damit, daß er eben so sei. Er gibt sich auch gar keine Mühe, etwas an sich zu ändern. Seine Gedanken kreisen nur ausschließlich um das Sinnliche. Er wollte in dem Sinne auch einmal etwas unter einen Brief an Dich schreiben, von Dir und mir. Da bin ich aber grob geworden. Ich habe ihm gesagt, daß ich das nicht dulde und daß unsere Gedanken aneinander auch nicht von seiner Art sind. Er hat dann nur einen kurzen Gruß geschrieben und sagte, daß er das nicht begreife, wir seien doch auch noch jung. Ich antwortete ihm  daß das mit jung nichts zu tun habe. Wie gesagt, ich bin so ziemlich wieder drüber weg. Ich lasse mich nicht unterkriegen, Du sollst doch stolz auf mich sein können. Ich bitte Dich aber, schreibe Siegfried von dem allen nichts. Wir wollen uns nicht extra noch verzanken und es wird sicher auf eine ganze Zeit vergehen, bis er mal wieder kommt.
Nanni geht es also scheinbar ziemlich schlecht. Es ist aber ein Risiko, Öl bis nach Lubmin zu schicken, vor allen Dingen, weil die Päckchen doch nur zwei Pfund wiegen dürfen. Es ginge höchstens, daß Du es mal mitbringst, wenn Du auf Urlaub kommst. Von hier aus könnte man es ja dann gut verpackt nach Lubmin schicken. Ist das Öl, das Du mir mitgebracht hast, auch Olivenöl? Soll ich davon vielleicht eine Flasche schicken? Aber das wird ihr wohl nicht genügen. Wie meinst Du? Man würde doch Nanni gern helfen. Sie hat ja früher auch mit für Euch gesorgt.
Es freut mich, daß Ihr dort immer noch gut versorgt werdet. Wir leiden ja hier auch keine Not. Weil ich vorhin gerade von dem Öl gesprochen habe. Das hat mir jetzt schon oft geholfen. Ich habe dadurch schon öfter Puffer, Eierkuchen usw. backen können. Da brauche ich die Pfanne nur mit einem in Öl getauchten Pinsel auszustreichen. Das langt vollkommen. Auch Kuchen mit Öl und Quark habe ich schon öfter gebacken. Dabei habe ich doch noch nicht mehr als ca. 1/2 Flasche verbraucht.
Bei uns ist das Wetter immer noch gleich kalt. Die Fenster sind wieder ganz gefroren. Mit meiner Wäsche habe ich so ziemlich Glück gehabt. Da es windig war, ist fast alles trocken geworden. Bei der Kälte ist man froh, wenn man die Wäsche weg hat, denn man bekommt ganz eisige Hände. Ein bißchen habe ich mir auch den Husten geholt. Es ist aber nicht schlimm. Zur Vorsicht bringe ich heute gleich noch Tussamag mit. Bei dem Wetter muß man schon so etwas im Haus haben.
Gestern Abend habe ich mir`s wieder auf dem Sessel am Ofen gemütlich gemacht. Als ich ins Bett ging, hatte ich dann ganz warme Füße und habe dadurch gut schlafen können.
Es war recht, daß Du an Papa zum Geburtstag geschrieben hast. Du weißt ja, er ist sonst gleich beleidigt. Wie er in dem Brief an mich schrieb, hat er sich ja auch darüber gefreut. Wir sind ja nicht gleich so beleidigt, wenn mal jemand nicht schreibt.
Da es auf der Straße sehr glatt ist, laufe ich heute mit den Kindern in die Stadt.
Ich mache mich nun fertig. Ich danke Dir nochmals für Deine lieben Briefe, vor allen Dingen auch für den vom 29.1. mit dem Du mir wieder das Herz froh und leicht gemacht hast. Ich danke Dir sehr dafür, daß Du mir so gut zugesprochen hast. Es ist mir jetzt viel leichter. Du bist doch mein lieber, lieber Mann.
Sei nun für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner immer an Dich denkenden Annie.
Sind von den englischen Fliegern, von denen 17 abgeschossen wurden, auch welche bis zu Euch gekommen? 
Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und  Jörg.

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