Mein lieber Ernst! 4.Februar
Zuerst, einen Brief habe ich wieder nicht
bekommen.
Nun ist meine Wäsche wieder vorbei. Das
meiste habe ich aufgehängt, nur die großen Bettbezüge noch nicht, damit sie mir
nicht in der Nacht gestohlen werden.
Vergangene Nacht hat nun Helga wieder in
ihrem Bett geschlafen. Das habe ich gemerkt. Die vergangenen Tage hatte sie mir
immer so schön das Bett gewärmt. Helga war immer ganz stolz, daß ich dadurch
stets gleich warme Füße bekam.
Es ist heute wieder ziemlich kalt geworden.
Es möchte immer schneien, so ganz, ganz winzige Flocken kommen ab und zu. Aber
es ist zu kalt dazu. Vielleicht schneit es wieder über Nacht.
Es ist heute schon 1/2 6 Uhr. Helga wird
bald wieder aus der Schule kommen. Ich will dann schnell noch den Brief fort
bringen.
Ich habe Dir noch gar nicht geschrieben,
daß wir jetzt Vollkornbrot essen. Siegfried hatte doch zwei Stück mitgebracht.
Das hat uns so gut gemundet, daß uns unser übliches Brot gar nicht mehr
schmecken wollte. So habe ich mich entschlossen, auch weiterhin Vollkornbrot zu
kaufen.
Du hast mir noch gar nicht geschrieben,
wie viel ich Dir Geld schicken soll und ob ich die NS.-Frauen-Warte bestellen
kann. Es kann ja sein, daß es in den Briefen steht, die ich noch nicht bekommen
habe. Es fehlen zwischen denen, die ich schon bekommen habe, die Briefe vom
18., 19., 20., 25., 26., den vom 27. habe ich zuletzt erhalten.
Nun will aber schließen. Sonst wird es zu
spät.
Sei für heute recht oft und herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! ! Konstanz, 5.Februar
1941
Jetzt habe ich nun schon wieder seit
Samstag keinen Brief erhalten und ich warte doch so darauf. Das ist doch eine
große Bummelei von der Post, nicht wahr? Ich glaube kaum, daß heute Nachmittag
noch einer kommt. Heute Nacht und am Vormittag hat es ein bißchen geschneit,
ca. 5 cm hoch liegt Schnee. Unsere zwei Schlawanzers wollen versuchen, ob sie
nicht Schlitten fahren können. Sie sind gerade beim anziehen.
Am Vormittag haben wir den Christbaum
weggetan. Er stand bis jetzt immer auf Deinem Nachtischchen. Wir haben ihn so
lange aufgehoben, damit wir ein Andenken an das mit Dir verlebte Weihnachtsfest
hatten.
Ich habe seit längerer Zeit unseren Sessel
nicht mehr am Tisch stehen, sondern beim Nähtisch. Auf dem Nähtisch steht das
Radio und darauf die Tischlampe. Wenn ich nun stricke oder stopfe oder lese,
setzte ich mich am liebsten auf den Sessel. Da habe ich gleich das Radio bei
mir und auch den warmen Ofen. Da ist es am gemütlichsten und ich sitze abends
auch nicht so allein am großen Tisch.
Sieh doch mal zu, ob Du Dir nicht noch ein
paar warme Filzschuhe dort besorgen kannst. Siegfried hat Deine angehabt, als
er hier war und sie sind dadurch nicht besser geworden.
Nun hätte ich noch eine Frage an Dich.
Kannst Du eigentlich noch ein paar Tafeln Schokolade besorgen. Ich hätte
nämlich sehr Appetit darauf, möchte aber doch nicht alle aufessen. Wenn Du
keine mehr bekommen kannst, hebe ich sie lieber noch auf. Denkst Du nicht, ich
bin sehr verfressen?
Ich habe heute wieder mal überall
gründlich aufgeräumt, Schränke, Schubladen usw. Nun wärme ich mich in der Stube
erst mal gründlich auf, bevor ich einkaufen und den Brief fortschaffen gehe.
Hier in der Stube ist es mollig warm.
Nun will ich mich fertig machen. Die
Kinder wollen mitgehen, wie sie mir eben sagte. Es ist gerade 1/2 4 Uhr.
Lieber Ernst! Ich hoffe ganz fest, daß ich
recht bald wieder einen Brief von Dir bekomme und grüße und küsse Dich recht
herzlich Deine Annie.
Ernst, mein lieber Ernst! Konstanz, 6.2.41
Denke Dir, heute habe ich fünf Briefe von
Dir bekommen, fünf Briefe. Ich habe gedacht, ich sehe nicht recht. Das ist doch
noch nie vorgekommen. Die Briefe sind vom 19., 20., 25., 28., und 29.1. Der
Brief vom 25. ist durch die Zensur gegangen.
In Deinen Schreiben sind nun auch alle
Fragen beantwortet, die ich an Dich gerichtet hatte. Die 35,- Mk gebe ich noch
heute an Dich auf. Wenn Du noch etwas brauchst, mußt Du mir schreiben.
Es ist so lieb von Dir, daß Du Dir Bilder
von uns in einen Rahmen getan hast. Da hast Du uns doch immer bei Dir.
Helga freut sich schon sehr auf die Puppe.
Sie hat ja nun eine große Familie. Von der Federhaltertasche habe ich ihr noch
nichts gesagt. Ich sehe erst einmal, ob sie für sie geeignet ist. An die Schule
hat sie sich schon wieder gewöhnt. Die Lehrerin von Helga ist krank. Sie hat
schwere Grippe. Da gibt ein elsäßischer Lehrer Unterricht.
Zum Schlachtfest seid Ihr also eingeladen
gewesen. Das ist ja jetzt ein seltenes Fest. Habt Ihr richtig gefuttert? Du
wirst mir sicher in dem Brief vom 26., der noch nicht eingetroffen ist, davon
berichten.
Lieber Ernst! Ich bin Dir nicht böse, wenn
Du schreibst, ich soll uns nichts absparen, um Dir etwas Gebackenes zu
schicken. Aber, bitte nimm es ohne diese Gedanken an. Uns geht ja nichts ab.
Siehst Du, ich möchte Dir recht gern viel zuliebe tun und kann es doch jetzt
gar nicht. Ein ganz, ganz kleiner Ersatz dafür ist nur, daß ich Dir ab und zu
einmal etwas Gebackenes schicke. Und diese kleine Freude willst Du mir doch
sicher lassen, nicht wahr, Du lieber Kerl. Ich habe Dir, während Siegfried da
war, schon einmal deswegen geschrieben und ich glaube, ein bißchen grob. War es
nicht so? Sei mir bitte deshalb nicht böse. Weißt Du, ich war während
Siegfrieds Hiersein manchmal ein bißchen nervös, wegen seines Geredes.
Und da komme ich auch gleich auf Deinen
Brief vom 29. zu sprechen. Es ist wahr, Siegfried hatte mir ziemlich den Kopf
und das Herz schwer gemacht. Aber, ich bin wieder so ziemlich drüber weg.
Ich habe ja schließlich Dich und ich weiß
auch, was ich an Dir habe. Du und Siegfried seid ja gar nicht zu vergleichen.
Siegfried entschuldigt all sein Tun damit, daß er eben so sei. Er gibt sich
auch gar keine Mühe, etwas an sich zu ändern. Seine Gedanken kreisen nur
ausschließlich um das Sinnliche. Er wollte in dem Sinne auch einmal etwas unter
einen Brief an Dich schreiben, von Dir und mir. Da bin ich aber grob geworden.
Ich habe ihm gesagt, daß ich das nicht dulde und daß unsere Gedanken aneinander
auch nicht von seiner Art sind. Er hat dann nur einen kurzen Gruß geschrieben
und sagte, daß er das nicht begreife, wir seien doch auch noch jung. Ich
antwortete ihm daß das mit jung nichts
zu tun habe. Wie gesagt, ich bin so ziemlich wieder drüber weg. Ich lasse mich
nicht unterkriegen, Du sollst doch stolz auf mich sein können. Ich bitte Dich
aber, schreibe Siegfried von dem allen nichts. Wir wollen uns nicht extra noch
verzanken und es wird sicher auf eine ganze Zeit vergehen, bis er mal wieder
kommt.
Nanni geht es also scheinbar ziemlich
schlecht. Es ist aber ein Risiko, Öl bis nach Lubmin zu schicken, vor allen
Dingen, weil die Päckchen doch nur zwei Pfund wiegen dürfen. Es ginge
höchstens, daß Du es mal mitbringst, wenn Du auf Urlaub kommst. Von hier aus
könnte man es ja dann gut verpackt nach Lubmin schicken. Ist das Öl, das Du mir
mitgebracht hast, auch Olivenöl? Soll ich davon vielleicht eine Flasche
schicken? Aber das wird ihr wohl nicht genügen. Wie meinst Du? Man würde doch
Nanni gern helfen. Sie hat ja früher auch mit für Euch gesorgt.
Es freut mich, daß Ihr dort immer noch gut
versorgt werdet. Wir leiden ja hier auch keine Not. Weil ich vorhin gerade von
dem Öl gesprochen habe. Das hat mir jetzt schon oft geholfen. Ich habe dadurch
schon öfter Puffer, Eierkuchen usw. backen können. Da brauche ich die Pfanne
nur mit einem in Öl getauchten Pinsel auszustreichen. Das langt vollkommen.
Auch Kuchen mit Öl und Quark habe ich schon öfter gebacken. Dabei habe ich doch
noch nicht mehr als ca. 1/2 Flasche verbraucht.
Bei uns ist das Wetter immer noch gleich
kalt. Die Fenster sind wieder ganz gefroren. Mit meiner Wäsche habe ich so
ziemlich Glück gehabt. Da es windig war, ist fast alles trocken geworden. Bei
der Kälte ist man froh, wenn man die Wäsche weg hat, denn man bekommt ganz
eisige Hände. Ein bißchen habe ich mir auch den Husten geholt. Es ist aber
nicht schlimm. Zur Vorsicht bringe ich heute gleich noch Tussamag mit. Bei dem
Wetter muß man schon so etwas im Haus haben.
Gestern Abend habe ich mir`s wieder auf dem
Sessel am Ofen gemütlich gemacht. Als ich ins Bett ging, hatte ich dann ganz
warme Füße und habe dadurch gut schlafen können.
Es war recht, daß Du an Papa zum
Geburtstag geschrieben hast. Du weißt ja, er ist sonst gleich beleidigt. Wie er
in dem Brief an mich schrieb, hat er sich ja auch darüber gefreut. Wir sind ja
nicht gleich so beleidigt, wenn mal jemand nicht schreibt.
Da es auf der Straße sehr glatt ist, laufe
ich heute mit den Kindern in die Stadt.
Ich mache mich nun fertig. Ich danke Dir
nochmals für Deine lieben Briefe, vor allen Dingen auch für den vom 29.1. mit
dem Du mir wieder das Herz froh und leicht gemacht hast. Ich danke Dir sehr
dafür, daß Du mir so gut zugesprochen hast. Es ist mir jetzt viel leichter. Du
bist doch mein lieber, lieber Mann.
Sei nun für heute recht herzlich gegrüßt
und geküßt von Deiner immer an Dich denkenden Annie.
Sind von den englischen Fliegern, von
denen 17 abgeschossen wurden, auch welche bis zu Euch gekommen?
Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga
und Jörg.
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