Mein lieber Mann! Konstanz, 13.2.41
Ich danke Dir sehr für Deinen lieben Brief
vom 7.2.
Bezüglich Siegfried hast du recht gehabt,
er war wirklich ganz niedergeschmettert, als die Eltern Erna ins Haus nehmen
wollten. Um eine Entscheidung drückt er sich aber immer wieder herum. Das lese
ich wieder aus den kurzen Zeilen, die ich heute mit einem Zeitungspaket von den
Eltern erhielt. Sie schreiben u.a.:
„Siegfried war vorgestern mit seinem
Freund Fritzsche 1 1/2 Stunde hier, sonst haben wir ihn noch nicht sprechen können.
Er habe Grüße an mich bestellt und den Eltern erzählt, daß es ihm sehr gut
gefallen habe. Siegfried weicht also einer Aussprache aus. Nun kommt für mich
das unangenehmste. Die Eltern ahnen scheinbar etwas und fragen nun: “Hat Siegfried
mit Dir über sein Verhältnis mit Erna gesprochen?“
Nun möchte ich Dich fragen, Ernst, was
soll ich da antworten? In den nächsten Tagen, wenn ich einen Brief an die
Eltern schreibe, ist ja Deine Antwort noch nicht da. Ich werde diese Frage
darin einfach überspringen, aber sie werden sicher noch mal anfragen, wenn
Siegfried nicht inzwischen mit ihnen gesprochen hat. Ich habe schon die letzten
Tage immer gefürchtet, daß die Eltern diese Frage an mich richten werden.
Belügen kann ich sie ja nicht, denn ich glaube sicher, daß sich besonders Mama
Sorge macht, andernteils hat Siegfried mir gesagt, die Eltern sollen noch
nichts davon wissen. Ich habe in den letzten Tagen mal ein Lied gehört, darin
heißt es:
„Es reden zu viele von Liebe, die nichts
von Liebe verstehn.“
Das könnte man bei Siegfried auch anwenden,
denn von richtiger Liebe hat er ja auch nicht einen blassen Schimmer. Das soll
mir ja schließlich gleich sein, aber es wäre mir fast lieber, er hätte mir von
allem nichts erzählt, da stände ich jetzt nicht in allem mit drin. Die Eltern
tun mir in gewisser Beziehung auch leid, denn sie sind eigentlich auch in einer
peinlichen Lage.
Das Stoffmuster des Mantels schicke in Dir
wieder mit zurück. Der Stoff gefällt mir gut. Zu heikel ist er wohl nicht? Statt
der 35,- habe ich Dir ja 50,- zugeschickt. Vielleicht kannst Du davon einen
Teil des Mantels bezahlen. Für diesen Mantel durfte ich Dir ja nur noch
10.-schicken.
Von dem Gehalt, den ich übermorgen hole,
könnte ich 20,- entbehren. Es ist wohl am besten, ich schicke die 20,- zusammen
Ende Februar weg und nicht jetzt 10,- und Anfang März 10,-. Ist es so recht?
Von dem anderen Geld, das ich noch übrig
habe, möchte ich Helga einen Lodenmantel kaufen. Schuhe brauchen beide auch
wieder. Würden Dir die 20,- reichen?
Unseren beiden Stromern geht es gut. Mit
dem brav sein hapert es ja manchmal, aber
ich werde schon mit ihnen fertig. Als Siegfried da war, hat er ein paar Mal
mit ihnen schimpfen wollen, aber sie haben ihn gar nicht ernst genommen und
haben gelacht. Da hat er es aufgegeben.
Von der rostbraunen Wolle, die Du mir
geschenkt hast, stricke ich mir jetzt eine Jacke, ich habe jedenfalls mal
angefangen. Das habe ich praktisch gefunden, daß die Wolle gleich so gewickelt
ist, daß man sofort stricken kann, ohne daß man sie noch mal aufwickeln muß.
Heute haben wir wieder trübes Wetter. Aber
kalt ist es nicht. Wir haben übrigens Besuch bekommen. Unsere Stare sind wieder
da. Hoffentlich müssen sie nicht mehr so frieren wie das vergangene Jahr. Die
Eltern haben mir in dem Paket das Kalkpräparat mitgeschickt, das Siegfried aus
Frankreich mitgebracht hatte. Ich kann aber noch nicht viel damit anfangen,
denn ich weiß nicht, wie es zu verwenden ist. Da muß ich warten, bis Du auf
Urlaub kommst, damit Du mir mit Deinen französischen Kenntnissen hilfst.
Außer den Illustrierten Zeitungen haben
mir die Eltern 13 Romane mitgeschickt. Das langt doch. Leider sind es meist so
Romanhefte. Schlechte Sachen stehen ja nicht drin, aber viel Geist verlangen
sie auch nicht. Ich schicke sie später wieder an Kurt. Aber diesmal sind auch
ziemlich viel Illustrierte dabei. Die lese ich ja auch gern. Jörg hat ganz
allein das kleine Tischle belegt und studiert die Zeitungen schon fest. Helga
muß nur erst noch Schulaufgaben machen, aber sie hat sich auch schon welche
rausgesucht. Ich schaffe dann erst den Brief noch fort. Hinterher oder heute
Abend werde ich dann stricken und lesen. Sei nun recht oft und innig gegrüßt
und geküßt von Deiner Annie.
Viele
Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg
Mein liebster Ernst! Konstanz, 14.2.41
Nachdem heute so schönes sonniges Wetter
ist, gehe ich am Nachmittag mit den Kindern in die Stadt. Gestern Abend hat es
den ganzen Nebel runtergeregnet.
Am Vormittag habe ich ziemlich geschafft
und Jörg hat mir dabei geholfen. Ich habe in den Schlafzimmern alle Möbel von
ihren Plätzen gerückt und dahinter geputzt und abgekehrt. Jörg hat Staub
gewischt und Teppiche geklopft. Hinterher habe ich mit der Maschine
verschiedene Sachen ausgebessert. Es sammelt sich gleich etwas an.
Helga hat vorhin gleich ihre Aufgaben
gemacht. Jetzt sind alle beide hinterm Haus in der Sonne. Es ist bald 1 Uhr und
wir wollen essen, damit wir nicht zu spät fortkommen.
In dem Paket, das ich gestern erhielt,
haben die Eltern ungestempelt die Marke Hitler-Mussolini und vom Tag der
Briefmarke mitgeschickt. Ich habe sie in Dein Album gelegt.
Gestern Abend habe ich gelesen und
gestrickt. Heute werde ich es sicher genau so machen. Da geht die Arbeit gut
voran. Ich freue mich schon darauf, wenn ich die Jacke mal fertig habe.
Gestern Nachmittag war ich mal drüben im
Garten und habe mir alles angesehen. Die Erdbeeren stehen gut da. Von den neuen Setzlingen ist bis jetzt keiner
ausgefallen.
Wie ist das, Anfang März muß ich doch
umgraben und Mist in die Erde tun? Denn der Mist soll doch nicht erst rein,
wenn man schon mit säen anfängt? Schreib mir bitte darüber. Ich freue mich
schon, wenn ich mich wieder richtig ausarbeiten kann. Das rum sitzen habe ich
jetzt satt.
Heute wird der Brief mal ein bißchen
kürzer. Nicht böse sein deshalb. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von
Deiner Annie.
Viele
Grüße und tausend Millionen Küsse von Deiner Helga und Jörg. Wir möchten aber
gern noch fortkommen, solange die Sonne scheint.
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