Mein lieber Ernst! Konstanz, 11.2.41
Heute bekam ich keinen Brief von Dir,
leider. Du wirst sicher denken, daß ich sehr
ungenügsam bin, nachdem ich doch gestern zwei bekommen habe. Aber Briefe
von Dir kann ich eben gar nicht genug gekommen.
Ich habe mich heute einmal hingesetzt und
habe an Kurt und Elsa geschrieben. Es ist zwar nicht viel Gescheites dabei
herausgekommen, aber ich habe wenigstens geantwortet. Die Durchschläge schicke
ich Dir mit. Wunderst du Dich nicht über das komische Papier? Seidenpapier habe
ich aber keins mehr und richtiges Schreibpapier ist mir zu schade.
Ein paar kleine Zeitungsabschnitte schicke
ich Dir auch noch mit. Vielleicht finden sie Dein Interesse.
Das Gestell, wo wir die Bohnenstangen
drauf liegen haben, war an einer Seite zusammengebrochen. Ich weiß nicht, ob
evtl. Kinder was dran gemacht haben. Es ist ja auch gleich. Ich habe es heute
früh wieder in Ordnung gebracht. Kleinere Stangen, die in den Vorraum passen,
habe ich dort hineingestellt. Da liegen nun nicht mehr so viele Stangen auf dem
Gestell und ich hoffe, daß es hält.
Ich habe heute in den Schlafzimmern die
Doppelfenster herausgemacht. Wenn es auch noch ein paar Mal kalt werden sollte,
das tut nichts. So lange wird es wohl nicht immer anhalten. Wenn ich aber die
Läden davor habe, kann ich wenigstens nachts wieder ein bißchen das Fenster
offen lassen. Ich kann da viel besser schlafen. Wir sind es eben doch so
gewöhnt.
Heute hat der Pfarrer wieder gefragt,
warum Helga nicht zum Kindergottesdienst kommt. Ich bin gespannt, wie oft er
noch Lust zum fragen hat. Heute hat der Pfarrer im Unterricht von Abraham
gesprochen, daß er gehorsam und fromm gewesen sei. Da habe ich aber Helga den
Standpunkt klar gemacht, damit sie solchen Unsinn nicht glaubt.
Heute haben wir wieder sonniges Wetter.
Jörg ist schon seit heute früh draußen. Nur beim Essen bekomme ich ihn noch zu
sehen und Helga hat auch jede Minute wahrgenommen, wo sie zum spielen hinaus
konnte. Jetzt ist sie ja in der Schule.
Ich will nachher noch den Brief
fortschaffen, aber vorher muß ich noch mein Rad putzen. Von den Regentagen ist
es so bespritzt, daß ich mich gar nicht so fort traue.
Es heißt jetzt oft im Heeresbericht, daß
englische Flugzeuge an der Kanalküste einfliegen wollten. Ist das bei Euch? Wir
haben bisher Ruhe gehabt, aber vielleicht muß man sich bald mal darauf gefaßt
mache, daß Flieger kommen. Es geht ja jetzt dem Frühjahr entgegen.
Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt
von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 12.2.41
Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom
6.3. mit den zwei Durchschlägen von Deinem Gesuch. Ich bin wirklich gespannt,
was aus der ganzen Sache wird. Es sind ja inzwischen schon wieder acht Tage
vergangen, seit Du die Gesuche geschrieben hast, da kann sich schon manches
entschieden haben.
Als Siegfried hier war, habe ich mir ja
schon verschiedene Filme ansehen können. Aber ich muß sagen, ich war froh, als
ich nicht mehr gehen mußte. Ich bin das lange Aufbleiben nicht gewöhnt und war
die nächsten Tage ganz kaputt. Das schöne ist, daß es wenigstens wertvolle Filme
waren, die ich mir ansehen konnte. Da reut es mich wenigstens nicht.
Heute Vormittag ist es, wie die
vergangenen Tage, neblig. Gegen Mittag wird es sich wahrscheinlich wieder
aufhellen. Gestern habe ich erst am Abend in der Stube feuern müssen, so warm
war es.
Nachdem ich gestern gerade an Kurt geschrieben
habe, kam heute ein Brief von ihm. Er schreibt, daß sie wahrscheinlich bald von
ihrem Platz dort wegkommen. Er schickt dann wieder einige Sachen her. Wie er
mir noch schreibt, ist Nanni wieder krank. Sie hat Rippenfellentzündung und
kann sich kaum rühren. Sie muß sich pflegen lassen.
Am Nachmittag gehe ich mit den Kindern in
die Stadt. Helga hat ja keine Schule am Mittwoch. Aufgaben hat sie auch nicht
auf, da ihre Lehrerin krank ist und die
elsäßischen Lehrer auch nicht mehr da sind. Da kommen sie Montag und Dienstag
zu der ersten, die anderen Tage zu der dritten Klasse. Lernen tun sie in der
Zeit ja auch nicht viel.
Nun ist es Nachmittag. Heute Vormittag
haben wir wieder mal die Spielsachen aufgeräumt. Ein Fach des Regals haben mir
die Kinder frei gemacht für meine Teedosen. Da habe ich nun im Schrank etwas
mehr Platz bekommen und konnte aus dem Eßschränkchen die großen Kuchenteller und
Auflaufformen rausnehmen, die immer so viel Platz weggenommen haben. Die
Eisenbahn von Jörg haben wir auch aus den zwei Schachteln in eine große getan,
damit nicht so viel herumsteht. Jetzt bin ich froh, daß die Aufräumerei vorbei
ist.
Meine Vorhersage heute früh war fasch. Es
hat sich nicht aufgeklärt. Der Nebel ist nur etwas höher gegangen. Mit Sonne
ist es also nichts. Die Kindern ziehen sich gerade an. Es ist gleich 3 Uhr. Ich
will mich auch fertig machen und grüße und küsse Dich recht herzlich und oft
Deine Annie.
Viele
Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.
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