Donnerstag, 11. Februar 2016

Brief 129 vom 11./12.2.1941


Mein lieber Ernst!                                                                            Konstanz, 11.2.41                    

Heute bekam ich keinen Brief von Dir, leider. Du wirst sicher denken, daß ich sehr  ungenügsam bin, nachdem ich doch gestern zwei bekommen habe. Aber Briefe von Dir kann ich eben gar nicht genug gekommen.
Ich habe mich heute einmal hingesetzt und habe an Kurt und Elsa geschrieben. Es ist zwar nicht viel Gescheites dabei herausgekommen, aber ich habe wenigstens geantwortet. Die Durchschläge schicke ich Dir mit. Wunderst du Dich nicht über das komische Papier? Seidenpapier habe ich aber keins mehr und richtiges Schreibpapier ist mir zu schade.
Ein paar kleine Zeitungsabschnitte schicke ich Dir auch noch mit. Vielleicht finden sie Dein Interesse.
Das Gestell, wo wir die Bohnenstangen drauf liegen haben, war an einer Seite zusammengebrochen. Ich weiß nicht, ob evtl. Kinder was dran gemacht haben. Es ist ja auch gleich. Ich habe es heute früh wieder in Ordnung gebracht. Kleinere Stangen, die in den Vorraum passen, habe ich dort hineingestellt. Da liegen nun nicht mehr so viele Stangen auf dem Gestell und ich hoffe, daß es hält.
Ich habe heute in den Schlafzimmern die Doppelfenster herausgemacht. Wenn es auch noch ein paar Mal kalt werden sollte, das tut nichts. So lange wird es wohl nicht immer anhalten. Wenn ich aber die Läden davor habe, kann ich wenigstens nachts wieder ein bißchen das Fenster offen lassen. Ich kann da viel besser schlafen. Wir sind es eben doch so gewöhnt.
Heute hat der Pfarrer wieder gefragt, warum Helga nicht zum Kindergottesdienst kommt. Ich bin gespannt, wie oft er noch Lust zum fragen hat. Heute hat der Pfarrer im Unterricht von Abraham gesprochen, daß er gehorsam und fromm gewesen sei. Da habe ich aber Helga den Standpunkt klar gemacht, damit sie solchen Unsinn nicht glaubt.
Heute haben wir wieder sonniges Wetter. Jörg ist schon seit heute früh draußen. Nur beim Essen bekomme ich ihn noch zu sehen und Helga hat auch jede Minute wahrgenommen, wo sie zum spielen hinaus konnte. Jetzt ist sie ja in der Schule.
Ich will nachher noch den Brief fortschaffen, aber vorher muß ich noch mein Rad putzen. Von den Regentagen ist es so bespritzt, daß ich mich gar nicht so fort traue.
Es heißt jetzt oft im Heeresbericht, daß englische Flugzeuge an der Kanalküste einfliegen wollten. Ist das bei Euch? Wir haben bisher Ruhe gehabt, aber vielleicht muß man sich bald mal darauf gefaßt mache, daß Flieger kommen. Es geht ja jetzt dem Frühjahr entgegen.
Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                              Konstanz, 12.2.41

Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom 6.3. mit den zwei Durchschlägen von Deinem Gesuch. Ich bin wirklich gespannt, was aus der ganzen Sache wird. Es sind ja inzwischen schon wieder acht Tage vergangen, seit Du die Gesuche geschrieben hast, da kann sich schon manches entschieden haben.
Als Siegfried hier war, habe ich mir ja schon verschiedene Filme ansehen können. Aber ich muß sagen, ich war froh, als ich nicht mehr gehen mußte. Ich bin das lange Aufbleiben nicht gewöhnt und war die nächsten Tage ganz kaputt. Das schöne ist, daß es wenigstens wertvolle Filme waren, die ich mir ansehen konnte. Da reut es mich wenigstens nicht.
Heute Vormittag ist es, wie die vergangenen Tage, neblig. Gegen Mittag wird es sich wahrscheinlich wieder aufhellen. Gestern habe ich erst am Abend in der Stube feuern müssen, so warm war es.
Nachdem ich gestern gerade an Kurt geschrieben habe, kam heute ein Brief von ihm. Er schreibt, daß sie wahrscheinlich bald von ihrem Platz dort wegkommen. Er schickt dann wieder einige Sachen her. Wie er mir noch schreibt, ist Nanni wieder krank. Sie hat Rippenfellentzündung und kann sich kaum rühren. Sie muß sich pflegen lassen.
Am Nachmittag gehe ich mit den Kindern in die Stadt. Helga hat ja keine Schule am Mittwoch. Aufgaben hat sie auch nicht auf, da ihre Lehrerin krank ist und  die elsäßischen Lehrer auch nicht mehr da sind. Da kommen sie Montag und Dienstag zu der ersten, die anderen Tage zu der dritten Klasse. Lernen tun sie in der Zeit ja auch nicht viel.
Nun ist es Nachmittag. Heute Vormittag haben wir wieder mal die Spielsachen aufgeräumt. Ein Fach des Regals haben mir die Kinder frei gemacht für meine Teedosen. Da habe ich nun im Schrank etwas mehr Platz bekommen und konnte aus dem Eßschränkchen die großen Kuchenteller und Auflaufformen rausnehmen, die immer so viel Platz weggenommen haben. Die Eisenbahn von Jörg haben wir auch aus den zwei Schachteln in eine große getan, damit nicht so viel herumsteht. Jetzt bin ich froh, daß die Aufräumerei vorbei ist.
Meine Vorhersage heute früh war fasch. Es hat sich nicht aufgeklärt. Der Nebel ist nur etwas höher gegangen. Mit Sonne ist es also nichts. Die Kindern ziehen sich gerade an. Es ist gleich 3 Uhr. Ich will mich auch fertig machen und grüße und küsse Dich recht herzlich und oft Deine Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

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