Montag, 1. Februar 2016

Brief 124 vom 1./2.2.1941


Mein liebster Ernst!                                                                           Konstanz, 1.2.41                

Du liebe Zeit, es schneit, es schneit!
Das wollte ich heute früh über den Brief schreiben und habe es ja nun auch getan, aber seine Berechtigung hat es eigentlich nicht mehr. In der Nacht hat es geschneit. Über 10 cm Schnee lag überall und alles sah wieder wunderschön aus. Aber nun regnet es schon wieder und der Kampf mit Matsch und Schlamm wird bald von neuem beginnen. Man war gerade so froh, daß es wieder richtig trocken war.
Ich bin heute so froh und weißt Du warum? Ich habe von Dir geträumt. Du bist auf Urlaub gekommen. Ich habe wieder mit Dir geredet und habe Dich richtig gesehen. Einen schöneren Traum kann es für mich doch gar nicht geben. Darum bin ich auch jetzt noch richtig froh.
Ich war nun gestern im Kino. Das Programm schicke ich Dir wieder mit. Es ist ein wunderbarer Film. Nun sagt mir Siegfried, ich soll mir unbedingt noch „Bismarck“ ansehen. Er bezahlte es. Er wäre sonst mitgegangen, aber er hat es auch schon gesehen. Ich wollte erst absolut nicht, aber er wurde ganz wütend, sich solle doch nicht so dumm sein, ich hätte doch nicht gleich wieder die Gelegenheit dazu. Er könnte doch gut noch mal bei den Kindern bleiben. Ich gehe nun heute Nachmittag noch mal fort. Aber dann bringen mich keine 10 Pferde mehr ins Kino. Ich bin das viele fortgehen nicht gewöhnt. Mir brennen ganz die Augen vom vielen sehen. Ich gehe ja dann auch nicht mehr fort, bis du mal wieder auf Urlaub kommst. Darauf freue ich mich ja schon heute ganz fest.
Es ist jetzt 1/4 12 Uhr. Ich weiß nicht, ob der Briefträger schon vorbei ist
Gerade kam er und brachte 2 Briefe, vom 21. und 27. Da bist Du scheinbar ganz besonders fröhlich gewesen, denn Du hast mich ziemlich gefrozzelt. Das paßt gerade heute zu meiner Stimmung. Ich habe fest lachen müssen.
Wenn es Tatsache ist, daß ein Teil der Gehaltsabzüge wegfällt, so wäre ich auch nicht böse. Verschwenden tue ich ja trotzdem nichts, das weißt Du ja.
Na, nun von wegen, Du seist schwer zu behandeln. Ich protestiere und zwar ganz energisch, verstehst Du. Du bist mir der allerliebste Mensch.
Und wegen Kaden. Da habe ich am meisten gelacht. Ach Ernst, lieber Ernst, wie froh bin ich, daß ich Deine Frau bin und mit Kaden nichts zu tun hatte und habe. Ich gäbe Dich für alles in der Welt nicht her, Du lieber, lieber Kerl.
Ich bin gespannt, wie sich das  Kohlenproblem bei Euch löst. Daß Arbeiter streiken, käme ja hier bei uns nicht vor. Die müssen doch auch bedenken, daß dann ihre eigenen Volksgenossen frieren müssen. Aber ich glaube, solche Erwägungen gibt es bei denen nicht, es sind eben Franzosen und sie haben nicht so einen Führer, wie wir ihn haben. Und sie haben auch kein Vorbild in ihren Staatsmännern. Es ist eben alles anders als bei uns.
Vorhin ist auch Helga aus der Schule gekommen. Sie ist gleich noch (ein bißchen) rausgelaufen, damit sie noch ein bißchen Schlitten fahren kann, solange der Schnee noch liegt. Es hat wieder ein bißchen mit regnen aufgehört.
Gerade habe ich den letzten Absatz noch mal gelesen. Drei Mal habe ich glücklicherweise „ein bisschen“ geschrieben. In der Schule gäbe das ja eine schlechte Zensur, aber ich hoffe, Du wirst nicht so kritisch sein. Drück halt mal ein Auge zu, nicht wahr?
Lieber Ernst! Du hast mir mit Deinen Briefen wieder eine große Freude gemacht und ich möchte Dir noch recht herzlich danken.
Sei für heute recht oft gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.    

Besten Gruß Dein Schwager Siegfried.


Mein lieber, lieber Ernst!                                                                     Konstanz, 2.2.41

Heute habe ich keinen Brief von Dir bekommen dafür aber ja gestern zwei. Der halbe Sonntag ist schon wieder vergangen. Es hatte in der Nacht wieder etwas geschneit, aber die Sonne hat schon alles wieder weggetaut. Der Himmel sieht aber teilweise noch so aus, als ob ziemlich viel Schnee oben hängen würde.
Ich höre mir nachher das Wunschkonzert an. Eigentlich hätten wir Siegfried zur Bahn gebracht, er bleibt aber bis morgen hier. Das Wunschkonzert haben sie ja „mit großen Überraschungen“ angekündigt. Mal sehen, ob es wirklich so schön wird.
Ich war doch gestern in dem Film „Bismarck“, das war wirklich ein Spitzenfilm. Den solltest Du Dir auch unbedingt ansehen. Das Programm schicke ich Dir auch wieder mit.
Am Abend haben Siegfried und ich Kreuzworträtsel gelöst. Das ist so ein Sport von Siegfried. Da war es auch manchmal gut, daß wir den kleinen Brockhaus da hatten. Vater war auch bis um 12 Uhr da. Heute gegen Abend kommt er auch noch mal rauf und bringt mir die Wäsche zum waschen.
Am Vormittag hat Siegfried mit den Kindern „Mensch ärgere Dich nicht“ gespielt. Da hat Jörg wieder 30 Pfennig und Helga 10 Pfennig gewonnen. Am Nachmittag, wenn die Kinder den Brief weggeschafft haben, natürlich mit dem Omnibus, wollen wir alle zusammen noch mal spielen. Das ist ein Spiel, das sie schon verstehen und das ihnen Freude macht.
Ich weiß heute gar nicht viel zu schreiben. Nimm es mir bitte nicht übel. Morgen folgt sicher wieder ein längerer Brief.
Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Ich fahre nun doch erst morgen und kann noch einen Sonntag hier bleiben. Indem ich Dir alles Gute wünsche, verbleibe ich Dein Schwager Siegfried.

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