Freitag, 19. Februar 2016

Brief 132 vom 18./19./24.2.1941


Mein liebster Ernst!                                                                          Konstanz, 18.2.41                         

Was soll man nun dazu sagen. Nun habe ich den vierten Tag keinen Brief von Dir bekommen und ich habe doch solche Sehnsucht nach Dir. Es bleibt mir ja nichts anderes übrig als mich zu gedulden, aber schwer ist es doch.
An die Eltern und Kurt habe ich vorhin geschrieben. Die Durchschläge sende ich Dir mit. An Siegfried habe ich noch nicht geschrieben, weil ich auch gar nicht weiß, was ich schreiben soll.
Bei uns wird jetzt der Film „Wunschkonzert“ gespielt. Da er mich interessiert, werde ich morgen mit den Kindern mal hingehen. Du wirst sicher nichts dagegen haben.
Gestern habe ich die Bezugsscheine für die Schuhe für die Kinder bekommen. Ich war ganz erstaunt, wie schnell es diesmal gegangen ist. Wir werden die Schuhe sicher morgen mit besorgen. Hoffentlich bekommen wir etwas Gutes.
Heute Vormittag hatten wir so schönes Wetter. Dann hat sich innerhalb weniger Stunden der Himmel bezogen und jetzt regnet es gar noch. Da werde ich Helga noch den Regenumhang in die Schule bringen müssen, sie wird sonst zu naß. Jörg kann sich noch nicht zum rauf kommen entschließen, er kann doch sooo schön im Vorraum spielen und nicht mal kalt ist es dort, das ist wenigstens seine Auffassung.
Meine Gedanken sind immer bei Dir und ich hoffe immer, daß ich recht bald wieder einen Brief von Dir bekomme. Ich möchte doch wissen,  ob Du ganz gesund bist, wie sich die Angelegenheit wegen des Lehrgangs entwickelt hat und noch vieles mehr. Die Briefe bedeuten doch für mich eine so große Freude. Ernst, mein lieber, lieber Ernst, wenn Du doch bei uns wärst, und wenn es auch nur wieder auf Urlaub wär.
Nimm viele herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deiner Annie.

Mein liebster Ernst!                                                                     Konstanz, 19.2.41

Nun habe ich den fünften Tag keinen Brief von Dir erhalten. Was ist da nur los? Hoffentlich bist Du gesund, das ist die Hauptsache. Gestern Abend habe ich gemeint, Du kämst heim, ich habe es immer klingeln hören und bin öfter an die Tür gelaufen. Es war natürlich nichts. Und nun heute wieder keinen Brief. Ich mache mir Sorgen um Dich, Du lieber Ernst. Der letzte Brief war vom 7., das ist doch schon lange her.
Wir wollen heute Schuhe kaufen und ins Kino gehen. Ich habe eigentlich gar keine Lust mehr dazu, aber ich habe es den Kindern versprochen und die freuen sich schon riesig drauf. Das eine Gute ist dabei, daß der Tag schneller vorbei geht. Vielleicht bekomme ich doch morgen wieder einen Brief von Dir.
Wir haben heute sehr schlechtes Wetter, es regnet die ganze Zeit. Aber wenn wir fort gehen, haben wir ja alle unsere Regenmäntel, da macht es uns ja nichts aus.
Wir haben gerade Mittag gegessen und machen uns bald fertig, damit wir noch die Schuhe holen können, ehe wir ins Kino gehen.
Vorhin habe ich Jörg noch die Haare geschnitten. Er wollte ja eigentlich nicht, aber ich habe ihm ein Ultimatum, gestellt „Entweder läßt Du Dir die Haare schneiden, oder Du gehst nicht mit ins Kino.“ Jedes Mal fürchtet er sich erst davor, um hinterher zu sagen, daß es gar nicht weh getan habe und daß er sich jetzt viel besser gefällt.
Ich schließe nun heute in der festen Hoffnung, doch recht bald wieder Nachricht von dir zu bekommen. . Sei recht oft und fest gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.


Mein lieber Ernst!                                                                    Konstanz, 24.Febr. 41 abends

Nun bin ich wieder den ersten Abend allein. Daß doch die schönen Tage  immer so schnell vergehen müssen. Meine Gedanken sind immer bei Dir. Ob Du wohl schon ein Unterkommen gefunden hast? Es ist mir sehr einsam. Ich glaube, Dir wird es genau so gehen. Du mußt Dich doch auch erst eingewöhnen, hoffentlich war der Tag nicht gar zu schwer für Dich. Ich werde ja sicher bald Nachricht von Dir bekommen. Du hast hier verschiedenes vergessen. Vor allen Dingen die Lebensmittelkarte. Du wirst sie sicher vermißt haben, dann die Kleiderbürste und die Sockenhalter.
Als wir am Nachmittag nach hause kamen, war das Päckchen Nr. 4 mit Seife von Dir da. Am Nachmittag kam das Päckchen Nr. 12 mit dem Briefmarkenkatalog und den Umschlägen. Außerdem erhielt ich Deinen lieben Brief vom 15.2., in dem Du mir mitteilst, daß Du uns 2 Tage besuchen willst, bevor Du nach Karlsruhe fährst. Das ist nun auch schon wieder vorbei. Es ist alle recht leer ohne Dich.
Am Nachmittag habe ich mir die Rede des Führers angehört. Du wirst ja keine Gelegenheit dazu gehabt haben. Höchstens daß Du sie am Abend gehört hast als sie wiederholt wurde.
Helga kam am Nachmittag mit großem Stolz aus der Schule und brachte den Waschlappen mit, den sie gehäkelt hat. Er sieht sehr nett aus. Ich muß ihn waschen und bügeln. Dann muß sie ihn wieder mitnehmen. Am Ende des Schuljahres erhält sie ihn dann endgültig. Ich gehe nun schlafen, denn es ist nicht schön heute Abend so allein hier zu sitzen, nachdem die letzten Abende durch Dein Hiersein so verschönt worden sind.
Gute Nacht, mein lieber Schatz, schlaf recht gut. Wache  gesund wieder auf.  

Montag, 15. Februar 2016

Brief 131 vom 15./16./17.2.1941


Mein lieber, lieber Ernst!                                                              Konstanz, 15.2.41                   
                                                                                            
Nun habe ich den zweitenTag keinen Brief von Dir erhalten. Ich hoffe aber ganz fest auf morgen.
Von Siegfried erhielt ich ein paar kurze Zeilen. Er schreibt nur, daß er  gut angekommen sei und daß er, wenn mit dem Zug alles geregelt ist, nach Weißenfels kommt.
Mit dem Gehalt hat sich nichts erhöht. Die Kürzung besteht also nach wie vor.
Als ich gestern mit den Kindern in der Stadt war, habe ich mich nach Lodenmänteln umgesehen. Es sind keine zu haben. Für Jörg hätte ich evtl. einen bekommen, aber der hat ihn wieder nicht so nötig wie Helga. Jetzt warte ich, bis Du mal auf Urlaub kommst. Da können wir dann besprechen, was wir evtl. kaufen wollen. Ich bin nun gestern auf der Bezugsscheinstelle gewesen und habe für unsere Beiden Halbschuhe beantragt. Da kaufe ich eben erst die zuerst, wenn ich sie bewilligt bekomme. Sonst müßte ich ihnen eben Holzschuhe kaufen.
Die 20.-Mk habe ich für Dich zurückgelegt und werde sie Ende Februar wegschicken.
Auf großes Drängen habe ich heute wieder mal die „Musik“ vom Speicher geholt. Jörg hat den ganzen Vormittag gespielt und kam sich sehr wichtig dabei vor.
„Nicht wahr, das ist beim Schaffen gemütlicher, wenn du Musik hast. So schöne Lieder spielen sie nicht mal immer im Radio,“ hat er mir mehrmals versichert.
Heute ist  es bereits 1/2 5 geworden, ehe ich zum schreiben kam. Ich habe etwas gewaschen, gebacken und gekocht und die Treppe mußte ich auch putzen. Jetzt habe ich aber alles hinter mir. Die Kinder spielen noch ein bißchen hinterm Haus. Sie sind noch nicht lange unten, denn das Wetter war nicht danach. Heute Morgen hat es geregnet, am Vormittag war es dann sehr windig und eigentlich erst jetzt, wo es bald Abend wird, ist es schön geworden.
Nun ist bereits der 15. Bis heute sollte doch der Lehrgang beginnen. Ich bin gespannt, wie sich alles entschieden hat. Eine Weile werde ich mich ja wegen des Bescheids noch gedulden müssen.
Ich habe heute wieder einen „Mond“ gebacken. Ob Du wohl die zwei Kuchen schon bekommen hast, die ich am Montag weggeschickt habe?
Nun wird es schon wieder Zeit, daß ich mich zum fortfahren fertig mache.
Nun grüße und küsse ich Dich recht herzlich und bitte Dich, denke immer an uns, wie ich auch immer an Dich denke. Recht viele Küsse von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                   Konstanz, 16.2.41

Bei mir war heute, am Sonntag, die Enttäuschung groß, als wieder kein Brief von Dir kam. Das Beste vom Sonntag fehlt da.
Es ist heute so ein halbtrüber Tag und wir sitzen alle in der Stube, d.h. Helga liegt ein bißchen, sie hat sich beide Knie aufgeschlagen. Daran war aber Jörg schuld. Kaum war ich gestern in die Stadt gefahren, da sind die Kinder an der Seite die Stufen runtergegangen. Jörg ging es natürlich zu langsam und er gab Helga einen Stoß, daß sie vier Stufen runter flog. Frau Nußbaumer hat Helga Pflaster draufgemacht und Jörg fest ausgeschimpft, daß ich das auch nicht mehr besorgen brauchte. Er war ganz geknickt und sagte immer wieder, er sei so froh, daß sich Helga nichts gebrochen habe. Ich habe ihn natürlich noch richtig vermahnt, wie lange wird es anhalten. Manchmal macht mir sein Zorn Sorge. Ich habe ihn schon öfter verwichst, wenn es zu arg war. Ich habe ihm auch schon gut zugesprochen, aber ab und zu wird er doch wieder wütig. Im Allgemeinen ist er ja ein guter Kerl und ich muß eben sehen, seinen Zorn zu unterdrücken.
Morgen werde ich sicher an die Eltern an Kurt  und Siegfried schreiben. Heute habe ich keine große Lust dazu. Ich mache einen faulen Sonntag. Das Wunschkonzert höre ich mir nachher auch an.
Jörg hat wieder ein neues Spiel entdeckt. Er hat sich die ganzen kleinen Figuren genommen, die Schornsteinfeger, Bergleute usw. und stellt sie immer wieder verschieden auf. Damit beschäftigt er sich jetzt schon eine ganze Zeit. Die Figuren machen ihm großen Spaß. 
Nachher bringen unsere Beiden den Brief fort. Helga will natürlich auch mit, denn auf das Omnibusfahren freuen sie sich doch schon die ganze Woche. Wenn es halbwegs möglich ist, lassen sie sich das doch nicht entgehen.  Hoffentlich kommt morgen ein Brief. Der letzte, den ich erhielt, war vom 7.2. Das sind immerhin schon wieder 9 Tage, seit Du ihn geschrieben hast. Ich möchte doch auch wieder etwas von Dir hören.
Sei nun für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Mein lieber Ernst!                                                                      Konstanz, 17.2.41

Wieder kein Brief von Dir. Das ist doch schlimm. Nun muß ich auf morgen hoffen.
Gestern habe ich mich mal ausgeruht. Nachdem wir Abendbrot gegessen hatten, um 5 Uhr, haben wir uns die Photografien von früher angesehen. Dabei sind mir so verschiedene Erlebnisse von früher eingefallen.  Da waren die Bilder dabei, wo Du mit dem Ernst auf Fahrt warst, wo Ihr auf dem Wegweiser sitzt, Du lachst da so lieb. Auch die Bilder von unserer Kinderzeit haben den Kindern besonders gefallen.
„Daß Ihr auch mal so klein gewesen seid“ riefen sie immer wieder aus. Gestern Abend war Vater da. Wir haben uns erst unterhalten, dann hat er Zeitung gelesen.
Vorhin war ein Schutzmann da und hat unseren „Luftschutzkeller“ angesehen. Viel hat er da nicht sehen können, weil eigentlich keiner da ist.
Vater hat mir gestern Fensterkitt mitgebracht. Da habe ich am Vormittag die Fenster gekittet, sonst läuft überall der Regen herein, wenn die Doppelfenster später wieder weg sind. Helga ist jetzt gerade aus der Schule gekommen. Da sie keine Schulaufgaben auf hat, ist sie gleich zum spielen gegangen. Jörg baut sich hinterm Haus mit Sand und Erde eine Burg. Ich habe sie vorhin erst einmal bewundern müssen.
Wenn nur die Zeit bald wieder einmal da wäre, wo Du Urlaub hast. Manchmal meine ich, ich werde mich bald an das Alleinsein gewöhnen, dann merke ich wieder, daß ich mich getäuscht habe. Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen. Dazu habe ich Dich viel zu lieb. Du bist doch mein lieber Mann. Hoffentlich erhalte ich recht bald wieder einen Brief von Dir.
Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner immer an Dich denkenden Annie.

Brief 130 vom 13./14.2.1941


Mein lieber Mann!                                                                                Konstanz, 13.2.41                            

Ich danke Dir sehr für Deinen lieben Brief vom 7.2.
Bezüglich Siegfried hast du recht gehabt, er war wirklich ganz niedergeschmettert, als die Eltern Erna ins Haus nehmen wollten. Um eine Entscheidung drückt er sich aber immer wieder herum. Das lese ich wieder aus den kurzen Zeilen, die ich heute mit einem Zeitungspaket von den Eltern erhielt. Sie schreiben u.a.:
„Siegfried war vorgestern mit seinem Freund Fritzsche 1 1/2 Stunde hier, sonst haben wir ihn noch nicht sprechen können. Er habe Grüße an mich bestellt und den Eltern erzählt, daß es ihm sehr gut gefallen habe. Siegfried weicht also einer Aussprache aus. Nun kommt für mich das unangenehmste. Die Eltern ahnen scheinbar etwas und fragen nun: “Hat Siegfried mit Dir über sein Verhältnis mit Erna gesprochen?“
Nun möchte ich Dich fragen, Ernst, was soll ich da antworten? In den nächsten Tagen, wenn ich einen Brief an die Eltern schreibe, ist ja Deine Antwort noch nicht da. Ich werde diese Frage darin einfach überspringen, aber sie werden sicher noch mal anfragen, wenn Siegfried nicht inzwischen mit ihnen gesprochen hat. Ich habe schon die letzten Tage immer gefürchtet, daß die Eltern diese Frage an mich richten werden. Belügen kann ich sie ja nicht, denn ich glaube sicher, daß sich besonders Mama Sorge macht, andernteils hat Siegfried mir gesagt, die Eltern sollen noch nichts davon wissen. Ich habe in den letzten Tagen mal ein Lied gehört, darin heißt es:
„Es reden zu viele von Liebe, die nichts von Liebe verstehn.“
Das könnte man bei Siegfried auch anwenden, denn von richtiger Liebe hat er ja auch nicht einen blassen Schimmer. Das soll mir ja schließlich gleich sein, aber es wäre mir fast lieber, er hätte mir von allem nichts erzählt, da stände ich jetzt nicht in allem mit drin. Die Eltern tun mir in gewisser Beziehung auch leid, denn sie sind eigentlich auch in einer peinlichen Lage.
Das Stoffmuster des Mantels schicke in Dir wieder mit zurück. Der Stoff gefällt mir gut. Zu heikel ist er wohl nicht? Statt der 35,- habe ich Dir ja 50,- zugeschickt. Vielleicht kannst Du davon einen Teil des Mantels bezahlen. Für diesen Mantel durfte ich Dir ja nur noch 10.-schicken.
Von dem Gehalt, den ich übermorgen hole, könnte ich 20,- entbehren. Es ist wohl am besten, ich schicke die 20,- zusammen Ende Februar weg und nicht jetzt 10,- und Anfang März 10,-. Ist es so recht?
Von dem anderen Geld, das ich noch übrig habe, möchte ich Helga einen Lodenmantel kaufen. Schuhe brauchen beide auch wieder. Würden Dir die 20,- reichen?
Unseren beiden Stromern geht es gut. Mit dem brav sein hapert es ja manchmal, aber  ich werde schon mit ihnen fertig. Als Siegfried da war, hat er ein paar Mal mit ihnen schimpfen wollen, aber sie haben ihn gar nicht ernst genommen und haben gelacht. Da hat er es aufgegeben.
Von der rostbraunen Wolle, die Du mir geschenkt hast, stricke ich mir jetzt eine Jacke, ich habe jedenfalls mal angefangen. Das habe ich praktisch gefunden, daß die Wolle gleich so gewickelt ist, daß man sofort stricken kann, ohne daß man sie noch mal aufwickeln muß.
Heute haben wir wieder trübes Wetter. Aber kalt ist es nicht. Wir haben übrigens Besuch bekommen. Unsere Stare sind wieder da. Hoffentlich müssen sie nicht mehr so frieren wie das vergangene Jahr. Die Eltern haben mir in dem Paket das Kalkpräparat mitgeschickt, das Siegfried aus Frankreich mitgebracht hatte. Ich kann aber noch nicht viel damit anfangen, denn ich weiß nicht, wie es zu verwenden ist. Da muß ich warten, bis Du auf Urlaub kommst, damit Du mir mit Deinen französischen Kenntnissen hilfst.
Außer den Illustrierten Zeitungen haben mir die Eltern 13 Romane mitgeschickt. Das langt doch. Leider sind es meist so Romanhefte. Schlechte Sachen stehen ja nicht drin, aber viel Geist verlangen sie auch nicht. Ich schicke sie später wieder an Kurt. Aber diesmal sind auch ziemlich viel Illustrierte dabei. Die lese ich ja auch gern. Jörg hat ganz allein das kleine Tischle belegt und studiert die Zeitungen schon fest. Helga muß nur erst noch Schulaufgaben machen, aber sie hat sich auch schon welche rausgesucht. Ich schaffe dann erst den Brief noch fort. Hinterher oder heute Abend werde ich dann stricken und lesen. Sei nun recht oft und innig gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg

Mein liebster Ernst!                                                                   Konstanz, 14.2.41

Nachdem heute so schönes sonniges Wetter ist, gehe ich am Nachmittag mit den Kindern in die Stadt. Gestern Abend hat es den ganzen Nebel runtergeregnet.
Am Vormittag habe ich ziemlich geschafft und Jörg hat mir dabei geholfen. Ich habe in den Schlafzimmern alle Möbel von ihren Plätzen gerückt und dahinter geputzt und abgekehrt. Jörg hat Staub gewischt und Teppiche geklopft. Hinterher habe ich mit der Maschine verschiedene Sachen ausgebessert. Es sammelt sich gleich etwas an.
Helga hat vorhin gleich ihre Aufgaben gemacht. Jetzt sind alle beide hinterm Haus in der Sonne. Es ist bald 1 Uhr und wir wollen essen, damit wir nicht zu spät fortkommen.
In dem Paket, das ich gestern erhielt, haben die Eltern ungestempelt die Marke Hitler-Mussolini und vom Tag der Briefmarke mitgeschickt. Ich habe sie in Dein Album gelegt.
Gestern Abend habe ich gelesen und gestrickt. Heute werde ich es sicher genau so machen. Da geht die Arbeit gut voran. Ich freue mich schon darauf, wenn ich die Jacke mal fertig habe.
Gestern Nachmittag war ich mal drüben im Garten und habe mir alles angesehen. Die Erdbeeren  stehen gut da. Von den neuen Setzlingen ist bis jetzt keiner ausgefallen.
Wie ist das, Anfang März muß ich doch umgraben und Mist in die Erde tun? Denn der Mist soll doch nicht erst rein, wenn man schon mit säen anfängt? Schreib mir bitte darüber. Ich freue mich schon, wenn ich mich wieder richtig ausarbeiten kann. Das rum sitzen habe ich jetzt satt.
Heute wird der Brief mal ein bißchen kürzer. Nicht böse sein deshalb. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und tausend Millionen Küsse von Deiner Helga und Jörg. Wir möchten aber gern noch fortkommen, solange die Sonne scheint.

Donnerstag, 11. Februar 2016

Brief 129 vom 11./12.2.1941


Mein lieber Ernst!                                                                            Konstanz, 11.2.41                    

Heute bekam ich keinen Brief von Dir, leider. Du wirst sicher denken, daß ich sehr  ungenügsam bin, nachdem ich doch gestern zwei bekommen habe. Aber Briefe von Dir kann ich eben gar nicht genug gekommen.
Ich habe mich heute einmal hingesetzt und habe an Kurt und Elsa geschrieben. Es ist zwar nicht viel Gescheites dabei herausgekommen, aber ich habe wenigstens geantwortet. Die Durchschläge schicke ich Dir mit. Wunderst du Dich nicht über das komische Papier? Seidenpapier habe ich aber keins mehr und richtiges Schreibpapier ist mir zu schade.
Ein paar kleine Zeitungsabschnitte schicke ich Dir auch noch mit. Vielleicht finden sie Dein Interesse.
Das Gestell, wo wir die Bohnenstangen drauf liegen haben, war an einer Seite zusammengebrochen. Ich weiß nicht, ob evtl. Kinder was dran gemacht haben. Es ist ja auch gleich. Ich habe es heute früh wieder in Ordnung gebracht. Kleinere Stangen, die in den Vorraum passen, habe ich dort hineingestellt. Da liegen nun nicht mehr so viele Stangen auf dem Gestell und ich hoffe, daß es hält.
Ich habe heute in den Schlafzimmern die Doppelfenster herausgemacht. Wenn es auch noch ein paar Mal kalt werden sollte, das tut nichts. So lange wird es wohl nicht immer anhalten. Wenn ich aber die Läden davor habe, kann ich wenigstens nachts wieder ein bißchen das Fenster offen lassen. Ich kann da viel besser schlafen. Wir sind es eben doch so gewöhnt.
Heute hat der Pfarrer wieder gefragt, warum Helga nicht zum Kindergottesdienst kommt. Ich bin gespannt, wie oft er noch Lust zum fragen hat. Heute hat der Pfarrer im Unterricht von Abraham gesprochen, daß er gehorsam und fromm gewesen sei. Da habe ich aber Helga den Standpunkt klar gemacht, damit sie solchen Unsinn nicht glaubt.
Heute haben wir wieder sonniges Wetter. Jörg ist schon seit heute früh draußen. Nur beim Essen bekomme ich ihn noch zu sehen und Helga hat auch jede Minute wahrgenommen, wo sie zum spielen hinaus konnte. Jetzt ist sie ja in der Schule.
Ich will nachher noch den Brief fortschaffen, aber vorher muß ich noch mein Rad putzen. Von den Regentagen ist es so bespritzt, daß ich mich gar nicht so fort traue.
Es heißt jetzt oft im Heeresbericht, daß englische Flugzeuge an der Kanalküste einfliegen wollten. Ist das bei Euch? Wir haben bisher Ruhe gehabt, aber vielleicht muß man sich bald mal darauf gefaßt mache, daß Flieger kommen. Es geht ja jetzt dem Frühjahr entgegen.
Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                              Konstanz, 12.2.41

Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom 6.3. mit den zwei Durchschlägen von Deinem Gesuch. Ich bin wirklich gespannt, was aus der ganzen Sache wird. Es sind ja inzwischen schon wieder acht Tage vergangen, seit Du die Gesuche geschrieben hast, da kann sich schon manches entschieden haben.
Als Siegfried hier war, habe ich mir ja schon verschiedene Filme ansehen können. Aber ich muß sagen, ich war froh, als ich nicht mehr gehen mußte. Ich bin das lange Aufbleiben nicht gewöhnt und war die nächsten Tage ganz kaputt. Das schöne ist, daß es wenigstens wertvolle Filme waren, die ich mir ansehen konnte. Da reut es mich wenigstens nicht.
Heute Vormittag ist es, wie die vergangenen Tage, neblig. Gegen Mittag wird es sich wahrscheinlich wieder aufhellen. Gestern habe ich erst am Abend in der Stube feuern müssen, so warm war es.
Nachdem ich gestern gerade an Kurt geschrieben habe, kam heute ein Brief von ihm. Er schreibt, daß sie wahrscheinlich bald von ihrem Platz dort wegkommen. Er schickt dann wieder einige Sachen her. Wie er mir noch schreibt, ist Nanni wieder krank. Sie hat Rippenfellentzündung und kann sich kaum rühren. Sie muß sich pflegen lassen.
Am Nachmittag gehe ich mit den Kindern in die Stadt. Helga hat ja keine Schule am Mittwoch. Aufgaben hat sie auch nicht auf, da ihre Lehrerin krank ist und  die elsäßischen Lehrer auch nicht mehr da sind. Da kommen sie Montag und Dienstag zu der ersten, die anderen Tage zu der dritten Klasse. Lernen tun sie in der Zeit ja auch nicht viel.
Nun ist es Nachmittag. Heute Vormittag haben wir wieder mal die Spielsachen aufgeräumt. Ein Fach des Regals haben mir die Kinder frei gemacht für meine Teedosen. Da habe ich nun im Schrank etwas mehr Platz bekommen und konnte aus dem Eßschränkchen die großen Kuchenteller und Auflaufformen rausnehmen, die immer so viel Platz weggenommen haben. Die Eisenbahn von Jörg haben wir auch aus den zwei Schachteln in eine große getan, damit nicht so viel herumsteht. Jetzt bin ich froh, daß die Aufräumerei vorbei ist.
Meine Vorhersage heute früh war fasch. Es hat sich nicht aufgeklärt. Der Nebel ist nur etwas höher gegangen. Mit Sonne ist es also nichts. Die Kindern ziehen sich gerade an. Es ist gleich 3 Uhr. Ich will mich auch fertig machen und grüße und küsse Dich recht herzlich und oft Deine Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Brief 128 vom 9./10.2.1941


Mein lieber Ernst!                                                                                Konstanz, 9.2.41                 

Recht vielen Dank für Deine lieben Briefe vom 2. und 3. Februar, die ich heute erhielt. Inzwischen habe ich ja auch die meisten der fehlenden Briefe bekommen, so daß ich auf dem Laufenden bin.
Nach den vergangenen regnerischen Tagen scheint heute zum ersten Mal wieder die Sonne. Die Kinder sind schon draußen. Helga natürlich mit ihrer neuen Puppe.
Für die Grüße Deiner Kollegen und der Familie Ganquie danke ich herzlich.
Nun zu dem Brief von der Stadt. Sie wollen nun also evtl. doch den Lehrgang durchführen. Das ist doch sicher derselbe, bei dem Du schon einmal angefangen hattest? Ich bin ja gespannt, wie es wird, ob Du los kommst. Wenn Du bei der Stadt bleibst, wäre es ja gut für später, wenn Du den Lehrgang mit machen könntest. Kämst Du dann heim, oder würdet Ihr in einer Schule untergebracht? Aber das weißt Du sicher selber noch nicht. Gingst Du gern von Deinen Kameraden fort und meinst Du, Du kämst später wieder mit ihnen zusammen? Das sind so verschiedene Fragen, die einen dabei einfallen. Aber jetzt wollen wir erst einmal abwarten, wie sich alles entwickelt. Sonst macht man sich Hoffnungen, die dann doch nicht in Erfüllung gehen.
Nun zu Siegfrieds Bemerkung unter den einen Brief, daß ich ihn nicht mitnehme, um mich seiner Aufsicht zu entziehen. Ich dachte gleich, daß Du Dich darüber ärgern würdest, mir ist es nämlich auch so gegangen. Aber weißt Du, das sind so seine Gedanken. Er rechnet immer nur von sich aus. Das sollte natürlich Spaß sein, aber solche Späße liebe ich nun nicht. Ich habe es aber aufgegeben, ihm das klar zu machen. Das versteht  er nämlich einfach nicht. Du weißt ja, Papa ist ja genau so. Wir passen eben einfach nicht zusammen. Unsere und Siegfrieds Meinung ist zu grundverschieden. Das siehst du schon daran. Die meisten unserer Bücher interessieren ihn nicht so, weil es entweder keine Liebesgeschichten mit soundso viel Verirrungen oder keine Abenteuerbücher sind. Bei ernsteren Büchern sagte er, die kann ich mal lesen, wenn ich 50 Jahre bin. Dabei sind die Bücher nicht einmal besonders schwer, sondern sie verlangen nur ein wenig Selbstbesinnung. Na, mir kann es ja gleich sein. Soll er bleiben, wie er ist. Wir haben ja wenig miteinander zu tun. Ich muß aber sagen, daß ich ganz froh bin, wieder allein zu sein. Es ist mir so wohler. Wenn Du natürlich da wärst, wär es am schönsten. Wir wollen hoffen, daß diese Zeit auch wieder einmal kommt.
Nun schließe ich für heute und sende Dir recht viel innige Grüße und Küsse .Deine Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Mein liebster Ernst!                                                                          Konstanz, 10.Febr.41

Heute bekam ich Deine beiden lieben Briefe vom 30.1. und 4.2. Ich danke Dir sehr dafür.
Wegen dem Pfarrer brauchst Du Dir keine Gedanken zu machen. Er war noch nicht da. Ich glaube, er denkt, man läßt sich einschüchtern, wenn er sagt, er will kommen. Und wenn er käme, würde ich schon mit ihm fertig.
Na, da habe ich ja was schönes angerichtet mit meinem Lob für Dich. Jetzt willst Du mir evtl. eitel und selbstgefällig werden, wie Du schreibst. Du, das gibt´s aber nicht! Zuerst will ich Dir sagen, daß Du natürlich auch Fehler hast, mir fallen sie nur nicht gerade ein. Ich verspreche Dir aber feierlich, daß ich mir Mühe geben werde, sie alle ausfindig zu machen. Ich schreibe dann eine lange Liste auf und wenn Du auf Urlaub kommst, lese ich sie Dir zuerst vor. Da bist Du dann für die ganze Urlaubszeit geknickt. So wird es am besten sein, nicht wahr?
Nun zu dem Brief von den Eltern. Es ist so, wie Du schreibst, wir haben uns sehr auseinander gelebt. Ich habe Dir ja in letzter Zeit öfter darüber geschrieben. Auch wie Papa schreibt, daß Du Dich später mal für Siegfried einsetzen sollst. Das ist typisch. Uns hat früher niemand geholfen. Ich weiß nicht, ob Du Dich noch daran erinnerst, wie wir ganz früher, als Du keine Arbeit finden konntest, einmal angefragt hatten, ob er nicht mal sehen könnte, ob er was für Dich findet, daß wir evtl. wieder nach Leipzig kämen. Die Antwort war doch derart, daß wir uns gesagt hatten, und wenn wir verhungern, aber bitten tun wir nicht mehr. Und wir haben uns ja durchgebissen. Wenn Siegfried was will, kann er ja mit uns selber reden. Aber das ist nur immer die Sorge um seinen Sohn. Übrigens hat ja Siegfried gesagt, als er hier war, unter 250.- bis 280,-Mk nimmt er gar keine Stellung an. Mal sehen, was draus wird. Du mußt nun nicht denken, daß ich mich jetzt noch ärgere, das haben wir ja früher genug tun müssen.
Gestern war ein richtiger Frühlingstag. Ich habe den ganzen Tag in der Küche das Fenster offen lassen können. Heute war es den ganzen Vormittag recht neblig. Jetzt will die Sonne wider durchkommen, aber ich glaube nicht, daß es ihr lange gelingen wird. Helga ist jetzt gerade aus der Schule gekommen. Sie sagt, daß es jetzt ziemlich warm sei. Es geht also doch langsam dem Frühling entgegen, wenn es auch noch manche Rückschläge geben wird. Im nächsten Monat fängt ja auch die Gartenarbeit wieder an.
Mein lieber Ernst, ich denke immer an Dich und grüße und küsse Dich recht herzlich Deine Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Brief 127 vom 7./8.2.1941


Mein liebster Ernst!                                                                         Konstanz, 7.Februar 1941              

Heute komme ich spät zum schreiben, es ist bereits 4 Uhr. Das liegt daran, daß ich in der Küche mal wieder gründlich aufgeräumt habe. Ich hatte heute ein bißchen Feuer draußen, da habe ich die Gelegenheit wahrgenommen. Sonst, wenn es so kalt draußen ist, bleibt doch mal dies und jenes liegen, da man froh ist, wieder in die warme Stube zu kommen. Nun ist mal wieder alles in Ordnung.
Bei uns hat es wieder geschneit. Bereits gestern Nachtmittag, als wir heim gingen, fing es an. Heute früh lag er noch da, aber jetzt ist bereits wieder alles Matsch.
Vater kam gestern Abend. Trotz des Ärgers, den er immer hat, brachte er mir wieder drei Schildbrötchen. Ich habe ihm schon  ein paar Mal gesagt, er soll es lassen, aber er tut es nicht.
Nun ist meine ganze Wäsche trocken. Da bin ich froh. Im Winter ist waschen einfach kein reines Vergnügen.
Als ich mit Siegfried im Kino war, habe ich auch einen Kulturfilm gesehen. „Tragödien im Tierreich.“ Da war auch von Schlupfwespen die Rede. Da habe ich gesehen, daß Du wieder mal recht hattest. Du hast doch immer gesagt, wenn an Raupen an der Wand oder im Garten so gelbe Dinger sind, die wie Eier aussehen, sollen wir das nicht zerdrücken, das sei von Schlupfwespen. Es ist auch so, das sind die verpuppten Maden der Wespe. Diese legt mit dem Legestachel ein Ei in die Raupe, daraus kommen dann an die Hundert Maden. Die fressen die Raupe aus und verpuppen sich dann. Daraus kommen dann wieder Schlupfwespen. Im Film haben sie auch gesagt, daß diese gelben Puppen meist fälschlich als Raupeneier bezeichnet werden. Man soll sie ja nicht vernichten, da sie für uns große Helfer seien. Es waren dann auch noch Schlupfwespen zu sehen. Eine Art hat einen ganz langen Bohrer, mit dem sie durch ganz dicke Rinde am Baum bohrt, bis sie auf die Maden des Holzkäfers trifft. Wie sie auch in dem Film sagten, ist es ein Wunder, wie die Wespe immer weiß bzw. merkt, wo so eine Made sitzt. Sie läuft erst an dem ganzen Stamm entlang und pocht mit den Fühlern. Es gab dann noch zwei verschiedene Arten, die sich ihre Wohnungen im Sand graben. Sie holen sich da Spinnen, die manchmal größer sind wie sie selber. Die betäuben sie mit ihrem Giftstachel, dadurch kann sich das Opfer nicht mehr bewegen. Bis zu 70 Tage hält diese Lähmung an. Bis dahin sind diese Tiere natürlich schon von den Maden wieder aufgefressen worden. Die zweite Art der Wespen, die im Sande wohnt, heißt Bienentöter. Die holt sich Honigbienen, tut sich erst einmal an dem Honig gütlich, den die Biene gesucht hat, nachdem sie sie vorher auch gelähmt hat. Die Wespe versteht es ausgezeichnet, dem Giftstachel der Biene auszuweichen. Dann schleppt sie die Biene in ihre Behausung und später wird sie von den Maden gefressen. Die letzte Art finde ich ja nun nicht nützlich.
Vielleicht weißt Du das alles schon selber, was ich Dir geschrieben habe. Dann nimm er mir nicht übel, daß ich Dir so eine lange Geschichte erzählt habe. Wenn Du es noch nicht gewußt hast, wird es Dich aber sicher interessieren. Oder lachst du mich aus? Nun Schluß mit meinem Vortrag.
Einen Brief habe ich heute nicht bekommen. Das war ja schließlich auch nicht zu erwarten, nachdem ich gestern fünf Stück erhalten habe. Der  Brief vom 19.1. übrigens, den ich gestern erhielt, war ganze 18 Tage unterwegs. Das langt doch?
Nun muß ich aber fortfahren. Sonst wird es zu spät zum Abendbrot.
Sei Du, mein lieber Schatz, recht herzlich gegrüßt und eküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und tausend Küsse von Deiner Helga und Jörg.

                                                                                                          Konstanz, 8.Februar 41

1. Komm und lach und laß es regnen     
3. Schlechtes Wetter, das ist mieslich  
komm und lach und laß es schneien,      
auf die Dauer und verstimmt  
komm und lach und laß es regnen       
doch verdrießlich wird es schließlich  
alles Ding währt seine Zeit.            
wenn man es verdrießlich nimmt.

2. s`wär zwar schöner, schien die Sonne   
4. Darum  lach und laß es wettern, 
s`wär zwar schöner, hätte man
darum lach und laß es schnein  
dies und jenes, wie so vieles             
Sag` , je toller desto besser   was man möchte und nicht kann.         
desto eher wird es fein-                                                    
Ch. Flaischlen 

Mein liebster Ernst! Nachdem ich Dir gestern einen ganzen Vortag über Schlupfwespen gehalten habe, ist es heute sogar ein ganzes Lied, das ich Dir aufgeschrieben habe. Gefällt es Dir? Wir haben es so schön gefunden, daß wir es gelernt haben. Ich habe es mit der Mandoline vorgespielt, und dann haben wir`s gesungen. Die Noten habe ich Dir nicht aufgeschrieben, da Du dafür wohl kaum Verwendung haben dürftest. Du wirst vielleicht denken, daß ich wohl sehr viel Zeit habe und lieber stricken sollte. Aber weißt Du, mir fehlt doch jetzt so die Unterhaltung mit Dir. Irgendetwas brauche ich aber und so habe ich mich ein bißchen auf die Musik gestürzt. Meine andere Arbeit kommt nicht zu kurz dabei. Ich glaube auch, daß Du gegen meine musikalische Betätigung nichts hast. Die Kinder lernen ja dabei auch verschiedene Lieder. Und sie sind fest bei der Sache, das kannst Du glauben.
Gestern Abend haben wir gebadet und hinterher bin ich bald schlafen gegangen. Eigentlich hatten wir heute baden wollen, aber Vater sagte, daß er rauf kommen wollte. Da paßt es dann nicht so gut. Es ist ja nun zwar fraglich, ob er kommt, denn es regnet heute sehr fest. Vom Schnee ist keine Spur mehr zu sehen.
Heute habe ich auch einen sehr schönen und lieben Brief von Dir bekommen vom 31.1.
Ich freue mich sehr, daß Dein Arm wieder soweit geheilt ist. Ich dachte schon, Du würdest damit solche Schwierigkeit en bekommen, wie mit dem Fuß. Das würde mir so leid tun.
Du hast also auch die Rätselsendung gehört. Gelöst habe ich das Rätsel wirklich allein, denn Siegfried hat selber gesagt, daß er nur Tanzmusik kenne. Darin bin ich ja nicht bewandert. Aber ich finde das auch nicht so wichtig.
Bist Du Deinen Katarrh wieder los? Hoffentlich war es nicht so sehr schlimm. Ich wünsche Dir jedenfalls gute Besserung.
Gestern habe ich einen Brief an mich abgeschickt mit der Marke Hitler-Mussolini. Sie ist sauber gestempelt heute früh wieder angekommen.
Nun will ich schließen. Mein liebster Schatz, sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Brief 126 vom 4./5./6.2.1941


Mein lieber Ernst!                                                                                        4.Februar                        

Zuerst, einen Brief habe ich wieder nicht bekommen.
Nun ist meine Wäsche wieder vorbei. Das meiste habe ich aufgehängt, nur die großen Bettbezüge noch nicht, damit sie mir nicht in der Nacht gestohlen werden.
Vergangene Nacht hat nun Helga wieder in ihrem Bett geschlafen. Das habe ich gemerkt. Die vergangenen Tage hatte sie mir immer so schön das Bett gewärmt. Helga war immer ganz stolz, daß ich dadurch stets gleich warme Füße bekam.
Es ist heute wieder ziemlich kalt geworden. Es möchte immer schneien, so ganz, ganz winzige Flocken kommen ab und zu. Aber es ist zu kalt dazu. Vielleicht schneit es wieder über Nacht.
Es ist heute schon 1/2 6 Uhr. Helga wird bald wieder aus der Schule kommen. Ich will dann schnell noch den Brief fort bringen.
Ich habe Dir noch gar nicht geschrieben, daß wir jetzt Vollkornbrot essen. Siegfried hatte doch zwei Stück mitgebracht. Das hat uns so gut gemundet, daß uns unser übliches Brot gar nicht mehr schmecken wollte. So habe ich mich entschlossen, auch weiterhin Vollkornbrot zu kaufen.
Du hast mir noch gar nicht geschrieben, wie viel ich Dir Geld schicken soll und ob ich die NS.-Frauen-Warte bestellen kann. Es kann ja sein, daß es in den Briefen steht, die ich noch nicht bekommen habe. Es fehlen zwischen denen, die ich schon bekommen habe, die Briefe vom 18., 19., 20., 25., 26., den vom 27. habe ich zuletzt erhalten.
Nun will aber schließen. Sonst wird es zu spät.
Sei für heute recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst! !                                                                 Konstanz, 5.Februar 1941

Jetzt habe ich nun schon wieder seit Samstag keinen Brief erhalten und ich warte doch so darauf. Das ist doch eine große Bummelei von der Post, nicht wahr? Ich glaube kaum, daß heute Nachmittag noch einer kommt. Heute Nacht und am Vormittag hat es ein bißchen geschneit, ca. 5 cm hoch liegt Schnee. Unsere zwei Schlawanzers wollen versuchen, ob sie nicht Schlitten fahren können. Sie sind gerade beim anziehen.
Am Vormittag haben wir den Christbaum weggetan. Er stand bis jetzt immer auf Deinem Nachtischchen. Wir haben ihn so lange aufgehoben, damit wir ein Andenken an das mit Dir verlebte Weihnachtsfest hatten.
Ich habe seit längerer Zeit unseren Sessel nicht mehr am Tisch stehen, sondern beim Nähtisch. Auf dem Nähtisch steht das Radio und darauf die Tischlampe. Wenn ich nun stricke oder stopfe oder lese, setzte ich mich am liebsten auf den Sessel. Da habe ich gleich das Radio bei mir und auch den warmen Ofen. Da ist es am gemütlichsten und ich sitze abends auch  nicht so allein am großen Tisch.
Sieh doch mal zu, ob Du Dir nicht noch ein paar warme Filzschuhe dort besorgen kannst. Siegfried hat Deine angehabt, als er hier war und sie sind dadurch nicht besser geworden.
Nun hätte ich noch eine Frage an Dich. Kannst Du eigentlich noch ein paar Tafeln Schokolade besorgen. Ich hätte nämlich sehr Appetit darauf, möchte aber doch nicht alle aufessen. Wenn Du keine mehr bekommen kannst, hebe ich sie lieber noch auf. Denkst Du nicht, ich bin sehr verfressen?
Ich habe heute wieder mal überall gründlich aufgeräumt, Schränke, Schubladen usw. Nun wärme ich mich in der Stube erst mal gründlich auf, bevor ich einkaufen und den Brief fortschaffen gehe. Hier in der Stube ist es mollig warm.
Nun will ich mich fertig machen. Die Kinder wollen mitgehen, wie sie mir eben sagte. Es ist gerade 1/2 4 Uhr.
Lieber Ernst! Ich hoffe ganz fest, daß ich recht bald wieder einen Brief von Dir bekomme und grüße und küsse Dich recht herzlich Deine Annie.

Ernst, mein lieber Ernst!                                                                        Konstanz, 6.2.41

Denke Dir, heute habe ich fünf Briefe von Dir bekommen, fünf Briefe. Ich habe gedacht, ich sehe nicht recht. Das ist doch noch nie vorgekommen. Die Briefe sind vom 19., 20., 25., 28., und 29.1. Der Brief vom 25. ist durch die Zensur gegangen.
In Deinen Schreiben sind nun auch alle Fragen beantwortet, die ich an Dich gerichtet hatte. Die 35,- Mk gebe ich noch heute an Dich auf. Wenn Du noch etwas brauchst, mußt Du mir schreiben.
Es ist so lieb von Dir, daß Du Dir Bilder von uns in einen Rahmen getan hast. Da hast Du uns doch immer bei Dir.
Helga freut sich schon sehr auf die Puppe. Sie hat ja nun eine große Familie. Von der Federhaltertasche habe ich ihr noch nichts gesagt. Ich sehe erst einmal, ob sie für sie geeignet ist. An die Schule hat sie sich schon wieder gewöhnt. Die Lehrerin von Helga ist krank. Sie hat schwere Grippe. Da gibt ein elsäßischer Lehrer Unterricht.
Zum Schlachtfest seid Ihr also eingeladen gewesen. Das ist ja jetzt ein seltenes Fest. Habt Ihr richtig gefuttert? Du wirst mir sicher in dem Brief vom 26., der noch nicht eingetroffen ist, davon berichten.
Lieber Ernst! Ich bin Dir nicht böse, wenn Du schreibst, ich soll uns nichts absparen, um Dir etwas Gebackenes zu schicken. Aber, bitte nimm es ohne diese Gedanken an. Uns geht ja nichts ab. Siehst Du, ich möchte Dir recht gern viel zuliebe tun und kann es doch jetzt gar nicht. Ein ganz, ganz kleiner Ersatz dafür ist nur, daß ich Dir ab und zu einmal etwas Gebackenes schicke. Und diese kleine Freude willst Du mir doch sicher lassen, nicht wahr, Du lieber Kerl. Ich habe Dir, während Siegfried da war, schon einmal deswegen geschrieben und ich glaube, ein bißchen grob. War es nicht so? Sei mir bitte deshalb nicht böse. Weißt Du, ich war während Siegfrieds Hiersein manchmal ein bißchen nervös, wegen seines Geredes.
Und da komme ich auch gleich auf Deinen Brief vom 29. zu sprechen. Es ist wahr, Siegfried hatte mir ziemlich den Kopf und das Herz schwer gemacht. Aber, ich bin wieder so ziemlich drüber weg.
Ich habe ja schließlich Dich und ich weiß auch, was ich an Dir habe. Du und Siegfried seid ja gar nicht zu vergleichen. Siegfried entschuldigt all sein Tun damit, daß er eben so sei. Er gibt sich auch gar keine Mühe, etwas an sich zu ändern. Seine Gedanken kreisen nur ausschließlich um das Sinnliche. Er wollte in dem Sinne auch einmal etwas unter einen Brief an Dich schreiben, von Dir und mir. Da bin ich aber grob geworden. Ich habe ihm gesagt, daß ich das nicht dulde und daß unsere Gedanken aneinander auch nicht von seiner Art sind. Er hat dann nur einen kurzen Gruß geschrieben und sagte, daß er das nicht begreife, wir seien doch auch noch jung. Ich antwortete ihm  daß das mit jung nichts zu tun habe. Wie gesagt, ich bin so ziemlich wieder drüber weg. Ich lasse mich nicht unterkriegen, Du sollst doch stolz auf mich sein können. Ich bitte Dich aber, schreibe Siegfried von dem allen nichts. Wir wollen uns nicht extra noch verzanken und es wird sicher auf eine ganze Zeit vergehen, bis er mal wieder kommt.
Nanni geht es also scheinbar ziemlich schlecht. Es ist aber ein Risiko, Öl bis nach Lubmin zu schicken, vor allen Dingen, weil die Päckchen doch nur zwei Pfund wiegen dürfen. Es ginge höchstens, daß Du es mal mitbringst, wenn Du auf Urlaub kommst. Von hier aus könnte man es ja dann gut verpackt nach Lubmin schicken. Ist das Öl, das Du mir mitgebracht hast, auch Olivenöl? Soll ich davon vielleicht eine Flasche schicken? Aber das wird ihr wohl nicht genügen. Wie meinst Du? Man würde doch Nanni gern helfen. Sie hat ja früher auch mit für Euch gesorgt.
Es freut mich, daß Ihr dort immer noch gut versorgt werdet. Wir leiden ja hier auch keine Not. Weil ich vorhin gerade von dem Öl gesprochen habe. Das hat mir jetzt schon oft geholfen. Ich habe dadurch schon öfter Puffer, Eierkuchen usw. backen können. Da brauche ich die Pfanne nur mit einem in Öl getauchten Pinsel auszustreichen. Das langt vollkommen. Auch Kuchen mit Öl und Quark habe ich schon öfter gebacken. Dabei habe ich doch noch nicht mehr als ca. 1/2 Flasche verbraucht.
Bei uns ist das Wetter immer noch gleich kalt. Die Fenster sind wieder ganz gefroren. Mit meiner Wäsche habe ich so ziemlich Glück gehabt. Da es windig war, ist fast alles trocken geworden. Bei der Kälte ist man froh, wenn man die Wäsche weg hat, denn man bekommt ganz eisige Hände. Ein bißchen habe ich mir auch den Husten geholt. Es ist aber nicht schlimm. Zur Vorsicht bringe ich heute gleich noch Tussamag mit. Bei dem Wetter muß man schon so etwas im Haus haben.
Gestern Abend habe ich mir`s wieder auf dem Sessel am Ofen gemütlich gemacht. Als ich ins Bett ging, hatte ich dann ganz warme Füße und habe dadurch gut schlafen können.
Es war recht, daß Du an Papa zum Geburtstag geschrieben hast. Du weißt ja, er ist sonst gleich beleidigt. Wie er in dem Brief an mich schrieb, hat er sich ja auch darüber gefreut. Wir sind ja nicht gleich so beleidigt, wenn mal jemand nicht schreibt.
Da es auf der Straße sehr glatt ist, laufe ich heute mit den Kindern in die Stadt.
Ich mache mich nun fertig. Ich danke Dir nochmals für Deine lieben Briefe, vor allen Dingen auch für den vom 29.1. mit dem Du mir wieder das Herz froh und leicht gemacht hast. Ich danke Dir sehr dafür, daß Du mir so gut zugesprochen hast. Es ist mir jetzt viel leichter. Du bist doch mein lieber, lieber Mann.
Sei nun für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner immer an Dich denkenden Annie.
Sind von den englischen Fliegern, von denen 17 abgeschossen wurden, auch welche bis zu Euch gekommen? 
Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und  Jörg.

Brief 125 vom 3.2.1941


Mein liebster Ernst!                                                                            Konstanz, 3.2.41                             

Es wird heute wieder nur ein kurzer Brief, den ich Dir schreiben kann und zwar schreibe ich auf der Post. Wir haben Siegfried soeben zur Bahn gebracht. Eigentlich wollte ich am Vormittag schreiben, aber ich bin nicht dazu gekommen. Du weißt ja wie es ist, wenn jemand fort reist.
Wir wollen jetzt noch einkaufen gehen. Außerdem wollen wir noch die Möwen füttern gehen. Als Siegfried und Jörg mal fort waren und sie die Möwen gefüttert haben, war ja Helga nicht dabei und sie möchte es doch auch gern mal tun.
Heute Abend schreibe ich noch einen Brief an Dich und der wird ganz bestimmt länger. Du solltest nur nicht ohne Nachricht bleiben, darum schreibe ich diese wenigen Zeilen.
ei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. 

Mein lieber, guter Ernst!                                                         Konstanz, 3.2.41, abends

Wie ich Dir heute schon kurz mitteilte, haben wir am Nachmittag Siegfried zur Bahn gebracht. Eigentlich wollte er schon gestern fahren, aber es gefiel ihm so gut und er fragte mich, ob ich etwas dagegen hätte, wenn er heute erst fährt. Ich hatte natürlich nichts dagegen. So ist er erst heute gefahren.
Ich muß sagen, die Tage sind noch ganz friedlich verlaufen. Die ersten Tage hat er mir viel von seinen Abenteuern erzählt. Das war mir ja sehr zuwider und ich habe Dir davon ja auch geschrieben. Ich habe ihm auch gesagt, daß ich diese Sachen ekelhaft finde. Aber er ist da nicht so feinfühlig, er ist wie Papa, wie er überhaupt viel von ihm hat. Mit der Zeit hat sich aber Siegfried in den Geist unseres Hauses eingelebt. Ich stachele ja sowieso niemand zu solchen Gesprächen an, sonder bin froh, wenn ich nichts hören muß. So hat er immer weniger davon erzählt. Höchstens wenn wieder mal ein Brief kam, wie:
„Lieber Siegfried! Ihr kommt also nun von P. weg. Wir werden uns wohl nicht wiedersehen später. Ich habe aber noch den einen Wunsch, daß Du noch mal herkommst, damit wir uns noch einmal recht lieb haben“, usw.
Das war Wasser auf seine Mühle. Übrigens steht das Mädchen, die das geschrieben hat, kurz vor der Heirat. Ihr Bräutigam ist bei den Soldaten und sie hat ein Kind. Siegfried hat schon ein paar Mal mit ihr im Hotel übernachtet, wie er mir sagte. Eine andere schrieb, daß sie sich vorstellt, wie er mit unseren Kindern spielt und wie es sein wird, wenn erst die eigenen Vati rufen und sie seine Frau ist. Die würde er gleich heiraten, sagte Siegfried. Wie ich Dir schon schrieb, wird es wahrscheinlich zum Bruch zwischen Erna und Siegfried kommen. Die genauen Gründe von Siegfrieds Seite erzähle ich Dir lieber mal. Jedenfalls hat Erna und auch die Eltern keine Ahnung davon. Deshalb will Siegfried auch nicht heim fahren.
Heute kam nun ein Brief von den Eltern.  Den Durchschlag hast Du sicher erhalten. Sie schreiben, daß sich Erna beim Telegraphenamt bewerben will und daß sie bei ihnen wohnen könnte. Das hat Siegfried den Rest gegeben. Er sagte: „Ich werde verrückt. Ich will gleich an die Eltern schreiben, daß sie das ja nicht machen sollen. Ich schreibe, die Wohnung sei dazu zu klein und ich will auch einmal mit ihnen allein sein. Wenn sie Erna bei sich aufnehmen, ziehe ich aus. Hoffentlich muß ich noch eine Weile beim Militär bleiben, evtl. verpflichte ich mich auf 12 Jahre, da kann ich nicht gleich heiraten. Na das gibt noch ein Theater, um Himmelswillen. Ich fahre gar nicht erst nach hause, sondern trete gleich meinen Dienst wieder an.“
Nach diesem kleinen Auszug kannst du Dir ungefähr seine Stimmung vorstellen. Das Bild ist natürlich sehr unvollständig, weil ich Dir die eigentlichen Gründe und Nebenumstände nicht schreiben, sondern nur erzählen kann. Also, jedenfalls sind die Tage ganz friedlich verlaufen. Siegfried ist meist zwischen 10 und 11 Uhr aufgestanden, hat sich dann aufs Sofa gesetzt und hat Frühstück gegessen. Nachher hat er sich aufs Sofa gelegt und hat gelesen, 1 - 2 Bücher pro Tag und geraucht. Zwei Mal hat er sogar gleich auf dem Sofa geschlafen, ohne sich auszuziehen, nur mit der Steppdecke zugedeckt, die ganze Nacht.
„Das Sofa ist noch mein Tod,“ hat er gesagt „das nehme ich mit, wenn ich fortfahre. In  d e n  Ferien habe ich mich so richtig ausruhen können.“ Ein paar Mal haben wir „Mensch ärgere Dich nicht“ gespielt. An den letzten Abenden haben wir Kreuzworträtsel gelöst.
Nun bin ich wieder den ersten Abend allein. Ich habe mich aber schon wieder daran gewöhnt. Tränen hat`s keine gegeben.
Wenn Du nur erst wieder mal Urlaub hast. Du bist auch schon wieder über einen Monat von uns fort. Es ist ein so schönes Leben, wenn Du hier bist. Siegfried ist so wie Papa. Er macht Unsinn und es herrscht Betrieb, aber diese Fröhlichkeit, die  ich so an Dir liebe und die ich brauche, die fehlt vollkommen. Ich merke immer wieder, wie wir zwei doch zusammen gehören. Behalte uns auch weiterhin lieb, mein lieber Ernst.
Einen Brief habe ich heute von Dir nicht erhalten.
Morgen habe ich Wäsche. Ich habe sie diesmal um ein paar Tage verschieben müssen, da ich doch die Bettwäsche erst nach Siegfrieds Abreise abziehen konnte. Hoffentlich ist halbwegs günstiges Wetter. Die Kälte war die letzten Tage zum Aushalten. Sie lag so zwischen 1 - 5 Grad. Bei den Eltern war ja bis zu 18 Grad Kälte.
Wie mir Siegfried sagte, ist Papa übrigens Verwalter von dem Haus, wo sie wohnen und von vier weiteren Nachbarhäusern. Er zieht da die Miete ein usw. Aber sonst selber arbeiten im Haus, wie in der Juliusstraße, muß er nicht. Die Eltern bekommen dafür vierteljährig 24 M Mieterermäßigung.
Nun will ich bald schlafen gehen. Schlaf auch Du gut, mein lieber Schatz und wach gesund wieder auf.

Montag, 1. Februar 2016

Brief 124 vom 1./2.2.1941


Mein liebster Ernst!                                                                           Konstanz, 1.2.41                

Du liebe Zeit, es schneit, es schneit!
Das wollte ich heute früh über den Brief schreiben und habe es ja nun auch getan, aber seine Berechtigung hat es eigentlich nicht mehr. In der Nacht hat es geschneit. Über 10 cm Schnee lag überall und alles sah wieder wunderschön aus. Aber nun regnet es schon wieder und der Kampf mit Matsch und Schlamm wird bald von neuem beginnen. Man war gerade so froh, daß es wieder richtig trocken war.
Ich bin heute so froh und weißt Du warum? Ich habe von Dir geträumt. Du bist auf Urlaub gekommen. Ich habe wieder mit Dir geredet und habe Dich richtig gesehen. Einen schöneren Traum kann es für mich doch gar nicht geben. Darum bin ich auch jetzt noch richtig froh.
Ich war nun gestern im Kino. Das Programm schicke ich Dir wieder mit. Es ist ein wunderbarer Film. Nun sagt mir Siegfried, ich soll mir unbedingt noch „Bismarck“ ansehen. Er bezahlte es. Er wäre sonst mitgegangen, aber er hat es auch schon gesehen. Ich wollte erst absolut nicht, aber er wurde ganz wütend, sich solle doch nicht so dumm sein, ich hätte doch nicht gleich wieder die Gelegenheit dazu. Er könnte doch gut noch mal bei den Kindern bleiben. Ich gehe nun heute Nachmittag noch mal fort. Aber dann bringen mich keine 10 Pferde mehr ins Kino. Ich bin das viele fortgehen nicht gewöhnt. Mir brennen ganz die Augen vom vielen sehen. Ich gehe ja dann auch nicht mehr fort, bis du mal wieder auf Urlaub kommst. Darauf freue ich mich ja schon heute ganz fest.
Es ist jetzt 1/4 12 Uhr. Ich weiß nicht, ob der Briefträger schon vorbei ist
Gerade kam er und brachte 2 Briefe, vom 21. und 27. Da bist Du scheinbar ganz besonders fröhlich gewesen, denn Du hast mich ziemlich gefrozzelt. Das paßt gerade heute zu meiner Stimmung. Ich habe fest lachen müssen.
Wenn es Tatsache ist, daß ein Teil der Gehaltsabzüge wegfällt, so wäre ich auch nicht böse. Verschwenden tue ich ja trotzdem nichts, das weißt Du ja.
Na, nun von wegen, Du seist schwer zu behandeln. Ich protestiere und zwar ganz energisch, verstehst Du. Du bist mir der allerliebste Mensch.
Und wegen Kaden. Da habe ich am meisten gelacht. Ach Ernst, lieber Ernst, wie froh bin ich, daß ich Deine Frau bin und mit Kaden nichts zu tun hatte und habe. Ich gäbe Dich für alles in der Welt nicht her, Du lieber, lieber Kerl.
Ich bin gespannt, wie sich das  Kohlenproblem bei Euch löst. Daß Arbeiter streiken, käme ja hier bei uns nicht vor. Die müssen doch auch bedenken, daß dann ihre eigenen Volksgenossen frieren müssen. Aber ich glaube, solche Erwägungen gibt es bei denen nicht, es sind eben Franzosen und sie haben nicht so einen Führer, wie wir ihn haben. Und sie haben auch kein Vorbild in ihren Staatsmännern. Es ist eben alles anders als bei uns.
Vorhin ist auch Helga aus der Schule gekommen. Sie ist gleich noch (ein bißchen) rausgelaufen, damit sie noch ein bißchen Schlitten fahren kann, solange der Schnee noch liegt. Es hat wieder ein bißchen mit regnen aufgehört.
Gerade habe ich den letzten Absatz noch mal gelesen. Drei Mal habe ich glücklicherweise „ein bisschen“ geschrieben. In der Schule gäbe das ja eine schlechte Zensur, aber ich hoffe, Du wirst nicht so kritisch sein. Drück halt mal ein Auge zu, nicht wahr?
Lieber Ernst! Du hast mir mit Deinen Briefen wieder eine große Freude gemacht und ich möchte Dir noch recht herzlich danken.
Sei für heute recht oft gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.    

Besten Gruß Dein Schwager Siegfried.


Mein lieber, lieber Ernst!                                                                     Konstanz, 2.2.41

Heute habe ich keinen Brief von Dir bekommen dafür aber ja gestern zwei. Der halbe Sonntag ist schon wieder vergangen. Es hatte in der Nacht wieder etwas geschneit, aber die Sonne hat schon alles wieder weggetaut. Der Himmel sieht aber teilweise noch so aus, als ob ziemlich viel Schnee oben hängen würde.
Ich höre mir nachher das Wunschkonzert an. Eigentlich hätten wir Siegfried zur Bahn gebracht, er bleibt aber bis morgen hier. Das Wunschkonzert haben sie ja „mit großen Überraschungen“ angekündigt. Mal sehen, ob es wirklich so schön wird.
Ich war doch gestern in dem Film „Bismarck“, das war wirklich ein Spitzenfilm. Den solltest Du Dir auch unbedingt ansehen. Das Programm schicke ich Dir auch wieder mit.
Am Abend haben Siegfried und ich Kreuzworträtsel gelöst. Das ist so ein Sport von Siegfried. Da war es auch manchmal gut, daß wir den kleinen Brockhaus da hatten. Vater war auch bis um 12 Uhr da. Heute gegen Abend kommt er auch noch mal rauf und bringt mir die Wäsche zum waschen.
Am Vormittag hat Siegfried mit den Kindern „Mensch ärgere Dich nicht“ gespielt. Da hat Jörg wieder 30 Pfennig und Helga 10 Pfennig gewonnen. Am Nachmittag, wenn die Kinder den Brief weggeschafft haben, natürlich mit dem Omnibus, wollen wir alle zusammen noch mal spielen. Das ist ein Spiel, das sie schon verstehen und das ihnen Freude macht.
Ich weiß heute gar nicht viel zu schreiben. Nimm es mir bitte nicht übel. Morgen folgt sicher wieder ein längerer Brief.
Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Ich fahre nun doch erst morgen und kann noch einen Sonntag hier bleiben. Indem ich Dir alles Gute wünsche, verbleibe ich Dein Schwager Siegfried.