Montag, 27. Februar 2017

Brief 286 vom 22./23./24.2.1942


Mein lieber, lieber Mann!       Konstanz, 22.2.42                                                                                                                             023

Auch heute, am Sonntag, erhielt ich keinen Gruß von Dir. Es ist nun schon der vierte Tag und ich mache mir Sorge, ob Du wohl krank bist. Denn als Du vor kurzem krank warst, hattest Du ja auch mehrere Tage nicht schreiben können. Meine Gedanken gehen immer zu Dir und es ist schlimm, daß ich nicht bis zu Dir sehen kann und weiß, wie es Dir geht. Bis morgen ist es doch noch sehr lang und es ist ja auch noch nicht gewiß, ob mich da ein Brief von Dir erreicht. Man muß immer warten.
Heute Nacht hatten wir nach langer Zeit wieder einmal Luftalarm. Aber nur 20 Minuten von 1 Uhr an. Halb zwei haben wir wieder in den Betten gelegen. Man merkte aber, daß es seit langem wieder zum ersten Mal war, denn die Kinder waren ganz verdutzt. Helga sagte, als ich sie weckte: „Ist das richtig Alarm, ich denke, es ist nur Übung.“ Jörg war gar nicht richtig munter und wußte gar nicht, was er anziehen sollte. Da man keine Flieger hörte, sind alle in der Wohnung geblieben. Nur Herr Leimenstoll stand vor der Haustür und hat für uns alle gehorcht.
Ich sitze in der Küche und nähe und lese ein bißchen. Da ich nicht weiß, wie es Dir geht, habe ich zu gar nichts rechte Lust. Die Kinder sind vorm Haus und bauen sich wieder eine Schneeburg. Dabei haben sie Bewegung und Freude.
Es ist nun inzwischen Abend geworden. Zum lesen hatte ich bei Tag doch nicht die rechte Ruhe, so habe ich lieber gearbeitet, das beschäftigt und lenkt mehr ab. Für Helga habe ich einen Unterrock genäht und für Jörg ein Strumpfhalterleibchen. Gegen Abends  habe ich noch gebügelt und vorhin Verschiedenes ausgebessert. So ist glücklicherweise auch dieser Tag vorbeigegangen. Ich gehe nun bald schlafen.

23.2  Mein liebster Ernst!

Gerade  bin ich aufgestanden, aber ich muß Dir doch schnell erst schreiben, daß ich heute Nacht wunderschön von Dir geträumt habe. Es war so schön und ich wünschte, es würde alles bald einmal Wirklichkeit. Als ich nach dem Traum heute in der Nacht erwachte, habe ich so fest an Dich gedacht, daß Du es fast gespürt haben mußt. Jedenfalls möchte ich Dich heute Morgen gleich mit einem Kuß begrüßen, einem ganz herzlichen. Er fliegt Dir aus diesem Brief entgegen, wenn Du dies liest.
Es ist jetzt 1/4 11 Uhr und ich habe gerade Deinen lieben Brief vom 18.2. bekommen. Ach, wie freue ich mich, daß Du doch gesund bist. Ich hatte mir schon solche Sorge gemacht.
Mit dem Urlaub will und will es diesmal nicht klappen. Das ist wie verhext. Jetzt warten wir eben wieder mal eine Woche und wollen sehen, was dann dazwischen kommt. Wenn es doch nur einmal klappen wollte. Wir sind doch jetzt lange genug auf die Folter  gespannt worden, denn eigentlich warten wir doch seit Anfang des Jahres. Na, wir wollen die Hoffnung nicht verlieren.
Von Siegfried erhielt ich heute einen Brief und von Papa einige Zeitungen und Romane. Von Alice erhielt ich gestern einen Brief. Ich muß also in den nächsten Tagen Verschiedenes beantworten. Eigentlich wollte ich gestern schon an Papa und Elsa und Alice schreiben, aber ich hatte nicht die Ruhe dazu. Nun kann ich ja Papa auch gleich das Päckchen bestätigen.
Schule haben die Kinder auch diese Woche noch nicht. Sie habe ja viel freie Zeit. Aber solange sie im Schnee spielen können und nicht in der Stube sitzen müssen, geht es ja.
Da hat mir Papa einen kleinen Zeitungsausschnitt mitgeschickt. Der hat mich gefreut. Ich schicke ihn Dir deshalb einmal mit. Vielleicht kannst Du ihn wieder mitbringen.
Ich gehe heute Nachmittag mit den Kindern in den Film „Jakko“. Es ist eine Jungensgeschichte und vor allem ist da Jugend zugelassen, so daß ich unsere zwei Lauser mitnehmen kann.
Nun schließe ich wieder, mein lieber, lieber Ernst. Ich freue mich so, daß ich wieder einen Brief von Dir bekommen habe und daß Du gesund bist.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!       Konstanz, 23.2.42

Ich muß heute Abend nochmals an Dich schreiben, wenn es auch nur ein paar kurze Zeilen sind. Ich bin noch voll Freude über Deinen Brief, den ich heute erhielt. Du hast mir nun evtl. Deinen Urlaub am 1.3. in Aussicht gestellt. Ich weiß ja, daß wohl wieder etwas dazwischen kommen kann, aber ich freue mich doch darauf und habe so wieder ein Ziel. Ich meinte ja erst und habe es auch geschrieben, daß es wohl besser sein, wenn Du gar nichts vom Urlaub mehr schreibst und plötzlich einmal kommst. Aber es ist nicht besser, jedenfalls in diesem Falle nicht, wo wir doch immer mit Urlaub rechnen. Es war in letzter Zeit ein tägliches hoffnungsloses Warten. Das zermürbte ganz. Solltest Du nächsten Sonntag auch nicht kommen können, so ist es wieder eine Enttäuschung, aber ich habe mich wenigstens die Tage vorher freuen können. Und ich wollte mich freuen, ich will nicht mehr täglich bangen und warten und am Abend doch enttäuscht sein. Nein, die nächsten Tage will ich mich freuen, als sei alles ganz bestimmt. Und darum bin ich Dir auch dankbar, daß Du mir wieder ein Datum geschrieben hast, an das ich mich halten kann.
Und schreiben muß ich Dir heute auch noch, daß ich Dich ganz fest lieb habe. Lach mich bitte deshalb nicht aus. Wenn Du so lange nicht heim kommst, muß ich es Dir doch einmal schreiben, Du lieber Lieber


Lieber Ernst!        24.2.

Heute Morgen erhielt ich das Salzpäckchen. Ich habe mich sehr gefreut, daß Du meinen Wunsch gleich erfüllt hast. Wenn ich es auch nun nicht gleich brauche, so will ich mir doch immer ein wenig aufheben. Wie ich jetzt durch Vater hörte, war der Mangel nicht nur bei Webers, sondern auch noch in anderen Geschäften aufgetreten.
Nun möchte ich Dir noch von gestern Nachmittag erzählen. Der Film „Jakko“ war wirklich schön. Ich erzähle Dir davon, wenn Du wirklich auf Urlaub kommst. Auf dem Heimweg sahen wir, daß ein weiteres Stück des See`s zugefroren war, so daß man vom ersten Bootssteg auf die große Sandbank gelangen konnte. Natürlich wollten die Kinder gern hin. Ich bin dann auch mit ihnen hingegangen. Die Kinder kamen gut rüber, aber bei mir knackte und sprang das Eis, so daß es mir schon ein bißchen komisch zu Mute wurde und ich froh war, als ich auf der Sandbank war. Wir sind dann überall herum gestiefelt. Am Rand lagen im flachen Wasser  lauter volle und leere Muscheln. Die Kinder waren ganz erstaunt, daß es im Bodensee so große Muscheln gibt und haben sich je eine große, leere mitgenommen. Froh war ich nachher aber doch, als ich über das dünne Eis wieder am Ufer war. Ich habe dann aber ein ganz großes Lob von den Kindern bekomme. Ich sei tapfer, daß ich mitgegangen sein, die anderen Mütter hätten Angst und gingen nicht mit. Ist das Lob nichts wert? Wir sind dann heimgegangen, haben gegessen und sind später ins Bett gegangen. Damit war also auch dieser Tag vorbei.
Von heute ist nicht viel zu berichten. Ich tue meine tägliche Arbeit und will am Nachmittag noch ein bißchen nähen.
Da Jörg innerhalb einer Reihenuntersuchung von der Ersatzkasse aus mit daran kommen soll, muß ich morgen oder übermorgen wegen der „schriftlichen Vorarbeit“ auf die Kasse kommen. Ich habe heute ein Rundschreiben bekommen.
Gestern hatte es mit Tauen angefangen und es war ein scheußliches Laufen. Vielleicht triffst Du bald keinen Schnee mehr an, wenn nicht inzwischen wieder neuer gefallen ist. Heute ist auch die Sonne wieder hervor gekommen und wird wohl den Schnee weiter vermindern.
Nun laß mich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.


Sonntag, 19. Februar 2017

Brief 285 vom 18./19./21.02.1942


Mein liebster Ernst!                                                                     Konstanz, 18.2.42           
                      
Es ist wieder Abend geworden, die Kinder sind gerade ins Bett gegangen und ich will nun an Dich schreiben. Den Tag über habe ich genäht. Die Kinder haben heute Mittag gleich zusammen abgewaschen und abgetrocknet, damit ich weiterschaffen konnte. Beim Abtrocknen hilft mir Helga überhaupt öfter und ab und zu wäscht sie auch noch ab. Aus älteren Sachen habe ich Helga 2 Unterröcke genäht und außerdem aus verschiedenen Resten einige Wischtücher gemacht, damit ich die guten noch nicht gleich verbrauchen muß. Für morgen habe ich wieder verschiedenes zum Abändern da.
Heute bekam ich Deinen lieben Brief vom 13.2. Ich danke Dir dafür.
Das Geld wirst du ja inzwischen sicher bekommen haben.
Heute Mittag kam Vater kurz herauf. Ich sollte für ihn Zigarren besorgen. Man muß nämlich mindestens alle 2 Tage gehen, sonst verfallen die 2 letzten Abschnitte der Raucherkarte. Nun kann Vater abends ja schlecht gehen, wenn er erst 3/4 7 aus dem Geschäft kommt. Nun ist aber heute eine Bestimmung herausgekommen, wonach jeder persönlich kommen muß, oder Vater muß sich vom Geschäft, wo er arbeitet, eine Bescheinigung geben lassen, daß er wegen zu langer Arbeitszeit nicht selber gehen kann. Dann bekomme ich die Sachen für ihn. Diese Bescheinigung will er sich nun heute geben lassen. Das ist doch umständlich, nicht wahr?
An Kurt werde ich in den nächsten Tagen auch schreiben und ihm zum Geburtstag gratulieren. Die Post nach Rußland geht ja lange.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Du noch Zucker bekommen könntest. Daß es jetzt sehr schwierig ist, noch irgendetwas zu bekommen, das glaub ich. Der Krieg dauert eben doch schon ziemlich lange.
Heute haben wir wieder mal unsere „Musik“ vom Speicher geholt. Den ganzen Tag haben die Kinder schon die Platten laufen lassen.
Laß mich nun wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein lieber Ernst!                                                                    Konstanz, 19.2.42

Heute Abend bin ich ziemlich müd. Wir haben heute die Kohlen geholt. Da noch lange keine Aussicht bestand, daß sie uns gebracht würden, dachte ich mir, am besten ist es, wenn wir sie selber holen, solange noch richtig Schnee liegt. So konnten wir gleich die Schlitten nehmen. Aber froh sind wir doch, daß wir`s hinter uns haben. Wir haben 4 Mal je 2 Ztr. geholt.
Ich erinnere mich gerade daran, daß Papa in einem Brief bei Dir anfragte, wie Dir der silberne Drehbleistift gefallen hat. Du hast ihn ja noch gar nicht bekommen. Alle Kleinigkeiten, die wir Dir nachträglich zu Weihnachten schenken wollten, harrten noch auf Dein Kommen. Auch die Stolle von uns und ein Stück aus Leipzig ist noch da. Nur der Weihnachtsbaum fehlt. Aber den braucht man ja jetzt nicht mehr, wo es bald Frühling werden soll, nicht wahr?
Heute haben wir auch unsere letzten eingelagerten Äpfel herauf geholt. Sie haben doch aber immerhin ziemlich lange gereicht.
Als übrigens Vater gestern Mittag hier war, habe ich ihm etwas von Deiner Butter abgegeben. Außerdem habe ich ihm noch 3 kleine Zigarren von Dir geschenkt, die ich noch da hatte. Er hat sich über Beides sehr gefreut. Tabakwaren sind ja überhaupt sehr begehrt.
Nimm es bitte nicht übel, wenn ich jetzt schon mit schreiben aufhöre, aber ich möchte gern ins Bett gehen und mich richtig ausschlafen.
20.2.42   
Mit dem Ausschlafen ist es doch nichts geworden. Mir hat der Rücken weh getan, daß ich dauernd aufgewacht bin und mich immer auf eine andere Seite legen mußte. Ich bin eben so Schwerarbeit nicht gewöhnt. Wenigstens jetzt im Winter nicht. Später beim Umgraben wird mir ja manchmal wieder der Rücken weh tun. Heute bei Tag geht es schon wieder ganz gut. Viel habe ich heute noch nicht getan, nur ein wenig genäht und Blödsinn mit den Kindern gemacht. Da sind sie natürlich dabei und wollen gar nicht mehr aufhören.
Jetzt haben wir gerade Mittagbrot gegessen und nachher wollen wir noch in der Stadt einkaufen. Ich besorge alles schon gern am Freitag, da brauche ich am Samstag, wenn die Meisten laufen, nicht rumzurennen.
Einen Brief von Dir habe ich auch heute nicht bekommen. Vielleicht bekomme ich am dritten Tag, also morgen, wieder einen. Es war ja jetzt schon öfter so.
Jörg geht jetzt schon ans lesen von richtigen Büchern. Jetzt hat er sich das Buch „Die lustigen Drei von der Herzogsbastei“ vorgenommen. Es macht ihm großen Spaß, schon alles richtig lesen zu können.
Helga bügelt mit ihrem kleinen Bügeleisen mal ihre ganze Puppenwäsche durch. Manche hat es ja ziemlich nötig, denn Helga legt sie ja nicht immer gerade sorgfältig zusammen. Das kleine Bügeleisen und Bügelbrett habe ich ja auch als Kind schon gehabt. Nun habe ich`s schon weitervererbt.
Nun laß mich schließen. Ich will noch abwaschen, damit wir dann bald fortkommen.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                        Konstanz, 21.2.42

Auch dieser Tag geht vorbei, ohne daß ich einen Brief von dir erhalten habe. Zeitungen mit Briefumschlägen habe ich heute bekommen, aber es war kein Brief dabei und außerdem sind sie, wenn ich den Stempel richtig entziffert habe, seit dem 11. unterwegs. Ich habe nun seit dem 13. keine Nachricht mehr von Dir und hoffe nur, daß Du noch ganz gesund bist.
Gestern Nachmittag waren wir in der Stadt. Auf dem Heimweg bat mich vor allen Dingen Jörg, ob wir nicht mal an der Seestraße unten am Wasser lang laufen können. Auch auf die Sandbänke wären sie gern mal gegangen. Ich habe ihnen dann diesen Wunsch erfüllt. Wir sind bald bis ans Ende der Seestraße gegangen, um über ein zugefrorenes Stück auf die Sandbank zu kommen. Auf eine andere wären wir auch noch gern gelaufen, aber man mußte da über Steine klettern, da der See dort nicht zugefroren war und das ging mit den Kindern nun doch nicht. Aber die Freude war auch so schon groß genug. Jörg sagte, so schön hätte es ihm noch nie gefallen, wenn er mit in die Stadt gegangen ist.
Du hattest doch mal geschrieben, daß alle Päckchen an Nanni weggekommen waren. Daran mußte ich heute denken, als ich in der Zeitung las, daß eine 48 jährige Frau aus Kassel, die bei der Post beschäftigt war, zum Tode verurteilt worden ist, da sie neben einigen anderen Sachen auch 70 bis 80 Feldpostpäckchen gestohlen oder ausgeräubert hat. Und das in der kurzen Zeit von nach Weihnachten bis Ende Januar. Trotzdem es so hohe Strafen gibt, finden sich immer wieder Menschen, die das Stehlen nicht sein lassen könne.
Gerade ist Jörg hereingekommen. Er hat sich mit Helga zusammen eine Burg vorm Haus gebaut, aber jetzt ist er so naß und friert so, da er doch lieber herein kommt. Helga schafft nachher noch den Brief an Dich fort, während ich noch Kuchen backen will. Dabei will mir Jörg fest helfen, wie er sagt.
Nun will ich wieder schließen. Hoffentlich bekomme ich morgen wieder einen Brief von Dir. Ich würde mich sehr freuen.
Ich schicke Dir heute wieder viele herzlich Grüße und Küsse und hoffe, daß Du ganz gesund bist. Deine Anni.

Donnerstag, 16. Februar 2017

Brief 284 vom 16./17.2.1942


Mein lieber Ernst!                                                                      Konstanz, 16.2.42                                               

Es ist nun bereits Mitte Februar geworden. Als Du zum ersten Mal in diesem Jahr um Urlaub nachgesucht hast, wollten sie Dich Mitte Februar gehen lassen. Das war Dir zu spät und Du hattest es dann soweit gebracht, daß Du hättest Mitte Januar gehen dürfen. Leider kam die Sperre dazwischen und nun bist Du auch Mitte Februar noch nicht da. So werden manchmal die Wünsche durchkreuzt. Ich bin ja gespannt, ob wir Dich wenigstens noch in diesem Monat bei uns sehen werden. Manchmal meint man, daß man es gar nicht mehr erwarten kann.
Heute Morgen haben die Kinder den vorhergehenden Brief an Dich weggeschafft. Gestern Abend war es zum auf die Post gehen zu spät. In die Schule müssen sie noch nicht. Diese Woche wird also wohl noch frei sein.
Nachher gehe ich mit den Kindern noch in die Stadt zum einkaufen. Zum Rad fahren ist es immer noch nichts. Manche versuchen´s ja doch, aber man sieht auch oft welche hinfallen. Das möchte ich nicht gern.
Heute sagte mir Helga: „Morgen ist ja Fastnacht!“ Ich war ganz erstaunt. Daran denkt man eigentlich gar nicht mehr. Was war da früher für ein Trubel. Kaum waren die Kinder munter, da wollten sie auch schon als Rotkäppchen und Holländer angezogen werden und in die Stadt wollten sie auch. Wie stolz sind sie da durch die Straßen gelaufen. Und am Sonntag hat man sich dann den Umzug angesehen. Ich war ja von Fastnacht nie sehr begeistert, aber ich habe immer an den „Tauchscher“ denken müssen. Da bin ich auch als Rotkäppchen oder Junge herumgelaufen und war genau so begeistert wie unsere Kinder vor einigen Jahren. Helga kaspert ja auch heute noch in ihrem langen Rock, den sie gestern als „Braut“ an hatte, herum und kann sich nicht davon trennen. Sie spielt also auch ein bißchen Fastnacht für sich.
Jörg hat heute etwas anderes vor, er näht. Erst hat er sich Stoffblumen aufgenäht und jetzt hat er es schon bis zu einer Schürze für Helga`s kleine Puppe gebracht. Er ist doch tüchtig, nicht wahr?
Nun laß mich für heute wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein lieber, lieber Ernst!                                                                       17.2.42

Einen Brief habe ich ja auch heute nicht von Dir bekommen. Dafür erhielt ich aber das Päckchen mit der Butter. Ich habe es mir am Vormittag von der Post geholt. Die Butter ist noch gut, nur das Äußere hatte ein bißchen einen Geschmack. Aber ich habe einen ziemlich dicken Rand abgeschnitten und ausgelassen. Alles hätten wir ja sowieso nicht gleich essen können. Ich danke Dir vielmals für die Butter. Du hast mir viel Freude damit gemacht. Etwas mehr Butter zu haben, schadet ja nicht. Wenn Du hier wärst, würde ich Dich einmal fest abküssen dafür, aber nun kann ich Dir nur so dafür danken.
Ich hatte Dir ja wegen Salz  geschrieben. Wenn Du noch keins gekauft hast, brauchst Du es nicht mehr tun. Webers haben, glaub ich, ihren Kunden ganz unnötigerweise Angst gemacht. Seit gestern haben sie wieder Salz.
Du bist beim vorigen Urlaub  von Friedrichshafen aus mit dem Schiff gefahren. Ich habe mir heute mal den Fahrplan angesehen, da mußte ich feststellen, daß der Schiffsverkehr wegen Eisbildung eingestellt worden ist. Ich wollte es Dir nur mitteilen, wenn Du bei Deinem evtl. Urlaub wieder mit dem Schiff fahren wolltest.
Von Elsa erhielt ich heute einen Brief. Sie schreibt, daß Gerhard noch nicht wieder ganz gesund ist. Er hat eine Art Venenentzündung und außerdem hat er sich die Zehen angefroren.
Heute habe ich mir mal wieder die Nähmaschine in die Küche geholt. Ich hatte das Nähen immer hinausgeschoben, da ich meinte, Du kämst in Urlaub. Da das ja aber noch nicht sicher ist, will ich lieber damit anfangen.
Bei uns hat es in den letzten Nächten immer ein wenig geschneit. Aber es war wenigstens nicht so kalt dabei. Da ist man schon wegen der Heizung froh. Solange die Kinder jetzt keine Schule haben, stehen wir wieder erst mit dem Hellwerden auf. Da brauchen wir kein Licht, müssen erst später Feuer machen und sparen das 2. Frühstück. Das ist doch was wert, nicht wahr? Oder sind wir da Faulpelze?
Heute hat mich der Ernst Hagenauer angehalten. Er erzählte mir natürlich wieder vom Mayer. Dessen Frau ist in der Wessenbergstraße voller Wut auf ihn zugegangen und hat ihn angespuckt. Das hatte natürlich wieder eine Eingabe zur Folge. Der Hagenauer sagte, wenn Du mal auf Urlaub kämst, solltest Du doch auf das Wirtschaftsamt zu ihm kommen. Er hätte Dir manches zu erzählen.
Es ist zwar erst 9 Uhr durch, aber ich will doch schlafen gehen. Ich sitze gar nicht mehr gern allein da. Ich kann machen, was ich will, immer horche ich, ob Du nicht kommst. Geht es dem Morgen zu, da ist es schon öfter vorgekommen, daß ich es ganz deutlich habe klingen hören. Ich fahre dann im Bett hoch und horche, ob sich das Klingeln wiederholt, was natürlich nicht der Fall war. So geht das nun schon die ganze Zeit, seit ich hoffe, daß Du auf Urlaub kommst. Es wird direkt eine Erlösung sein, wenn Du wirklich eintriffst. Wir warten ja alle schon sehnsüchtig darauf, Dich wieder einmal hier zu haben, Du lieber Ernst.
Nun gute Nacht, lieber Mann, bleib uns gesund und komm recht bald auf Urlaub. Nimm viele Grüße und Küsse von Deiner Anni.

Brief 283 vom 13./14./15.2.1942


Mein lieber, lieber Ernst!                                                                   13.2.42           
                                   
Ich habe Dir gestern gar nicht geschrieben. Ich hatte Deinen Brief vom 7. bekommen und war doch sehr erschrocken. Ich war zum schreiben viel zu aufgeregt. Weißt Du, ich lebe schon die ganzen Tage in einer Spannung, da ich immer meinte, vielleicht kommst Du doch einmal unverhofft. Als ich nun gestern den Brief erhielt, da konnte ich überhaupt keinen klagen Gedanken mehr fassen. Ich habe mit Ungeduld auf Deinen nächsten Brief gewartet, der nun  heute eintraf und der mich sehr erleichtert hat. Du bist also wieder gesund. Wie froh bin ich darüber. Es muß doch für Dich eigentümlich gewesen sein, als Dir Deine Kameraden nur so mit Abstand begegneten. Das ist ja nun wieder vorbei und ich hoffe nur, daß Du auch weiterhin gesund bleibst.
Ein paar Tage wirst Du ja vergeblich auf einen Brief von mir gewartet haben. Aber da ich ja bestimmt mit Deinem Kommen rechnete, habe ich einige Tage nicht geschrieben.
Wenn Nanni Dir schreibt, Du sollst wegen des verlorenen Päckchens von dort aus was unternehmen, so ist das schon richtig. Ich hatte mich früher, als ein Päckchen so lange unterwegs war, auch bei der Post erkundigt, was ich tun müßte, wenn es verloren gegangen sei. Da sagte man mir, ich könnte gar nichts tun, das müßte der Absender veranlassen.
Siegfried hat mir von seiner Adressenänderung noch nichts geschrieben. Ich habe vor ein paar Tagen einen Brief noch an seine alte Adresse geschrieben.
Ich muß Dir ja direkt zum Rottenführer gratulieren. Die haben sich ja schwer angestrengt und abgesetzt haben sie sich, nicht zum sagen.
Ich würde mich ja sehr freuen, wenn die Sperre tatsächlich in den nächsten Tagen aufgehoben würde und Du bald heimkommen könntest. Aber damit rechnen tue ich mal vorläufig nicht. Es kann ja noch so viel dazwischen kommen.
Mit 11 Grad hast du es ja tatsächlich nicht sehr warm dort. Da verfriert man ja halb. So um die 20 Grad sollte es doch mindestens sein. Da ist es gerade gemütlich.
Ich will heute mit den Kindern in den Märchenfilm „Der Froschkönig“ gehen. Gestern hatte ich ja noch keine Lust dazu, aber nachdem es mir heute etwas leichter ums Herz geworden ist, will ich auch den Kindern gern den Gefallen tun.
Denk Dir, die Kinder haben doch solch schöne Schieferkästen. Die gefallen ihnen aber nicht mehr und sie haben gebettelt, bis ich ihnen unsere alten Schieferkästen die ich wieder aufgefrischt habe, gegeben habe. Jetzt sind sie zufrieden. Bei Deinem Kasten waren doch auf dem Deckel verschiedene Holzstücke raus. Da habe ich neue eingefügt. Es sieht gar nicht schlecht aus.
Ich danke Dir nun auch noch für das Schreibpapier und die Zeitungen, die Du mir geschickt hast. Mit Schreibpapier komme ich wenigstens nicht in Verlegenheit, was sonst leicht passieren könnte, wenn ich es kaufen müßte. Denn mein Verbrauch ist ja ziemlich groß.
Laß mich nun wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Ich freue mich sehr, daß Du wieder gesund bist.

Mein liebster Ernst!                                                            Konstanz, 14.2.42

Da die Kinder jetzt gerade in die Stadt gehen, um sich ein Abzeichen zu kaufen und gleichzeitig für mich etwas einzukaufen, gebe ich ihnen diesen kurzen Gruß an dich mit. Zum Brief schreiben bin ich heute beim besten Willen nicht gekommen. Am Morgen kamen die 2 Pakete von Papa mit verschiedner Wäsche, die ich teilweise auch nur versorgen mußte. Vieles kann ich so verwenden, einen Teil muß ich für Helga umarbeiten.
Von Dir kam heute Dein lieber Brief vom 9.2., für den ich Dir herzlich danke und den ich Dir morgen mit beantworten werde.
Vorhin habe ich gerade gebacken und die Treppe geputzt. Nun liegt mir noch ziemlich viel Arbeit da, so daß ich Dich bitte, mit diesen kurzen Zeilen vorlieb zu nehmen.
Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                          Konstanz, 15.2.42

Heute möchte ich Dir Deinen lieben Brief vom 9., den ich gestern erhielt, und den vom 11., der heute ankam, beantworten.
Die Vorfreude auf den Urlaub ist mir ja sonst immer recht lieb, aber nachdem es jetzt schon öfter nichts geworden ist, ist es vielleicht am besten so, wie Du schreibst, daß Du ohne Ankündigung einfach hier ankommst.
Die Marke vom Bauverein hat mein Vater nur erhalten und eingereicht. Es ist komisch, aber ich hatte von Anfang an immer die Meinung, daß ich sie finden würde. Darum habe ich auch jedes einzelne Wäschestück genau untersucht.
Ja, die Zähne haben wir wieder in Ordnung bringen lassen. Aber an dem plombierten Zahn habe ich doch ab und zu noch Schmerzen, vor allen Dingen, wenn ich mal Kopfweh habe. Kaltes oder warmes Wasser kann ich aber an den Zahn bringen, das macht gar nichts. Kaputt kann also nichts mehr sein, das hätte der Zahnarzt ja auch gesehen. Ich weiß nicht, von was es kommt.
Mit dem neuen Rodelschlitten sind die Kinder, besonders Jörg, schon öfter gefahren. Er hat ihn sich ja gleich angeeignet.
Auf den Brief vom 7. hast Du ja nicht so lange warten müssen, wie ich erst meinte. Das freut mich.
Ich weiß genau, daß Du mir den Urlaub nicht gern abgeschrieben hast. Da brauchst Du Dir keine Gedanken zu machen. Du kannst ja schließlich auch nichts dafür und Dir wär´s sicher auch lieber gewesen, Du hättest fahren können.
Ja, ich glaube schon daß es für Kurt nicht leicht ist, jetzt nach dem Osten zu kommen. Kurt schrieb doch vorher, daß er wohl eine Schreibpause eintreten lassen wird. Hoffentlich dehnt er sie nicht zu lange aus, denn Vater wartet ja jeden Tag auf ein Lebenszeichen von ihm. Er macht sich eben auch Sorge.
Wir sind heute zu hause geblieben. Ich habe noch verschiedenes zu stopfen und auszubessern. Die Kinder haben sich auch die Zeit vertrieben. Sie haben Hochzeit gespielt. Helga mit einem langen Leinenrock von Mama  und ein Stück Gardine als Schleier, war eine nette Braut. Das Bärle hat (Stoff)Blumen streuen müssen. Zur Hochzeitsfeier gab es heute Nachmittag Kuchen und Kaffee.
Am Vormittag haben Beide etwas Schulaufgaben gemacht, damit sie morgen auf alle Fälle alles fertig haben, wenn ja die Schule anfangen sollte. Ich glaube es zwar nicht.
Helga und Jörg sind doch gestern Nachmittag noch in die Stadt gegangen. 1/2 8 Uhr waren sie endlich wieder da. Sie sind so lange umher gelaufen, bis sie endlich noch ein Abzeichen bekommen haben. Auf der Marktstätte hat der S.A.-Musikzug gespielt. Da haben sie auch noch ein Weilchen zugehört. Es ist jetzt tatsächlich bald so, daß man nach den Abzeichen laufen muß.
Nun laß mich wieder schließen. Ich hoffe doch, daß Du bald einmal auf Urlaub kommen kannst. Die Hoffnung gebe ich jedenfalls noch nicht auf.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Donnerstag, 9. Februar 2017

Brief 282 vom 9./10./11.2.1942


Mein liebster Ernst!                                                                Konstanz, 9.2.42                                        

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 3.2. Es geht Dir also wie mir. Ich weiß auch gar nicht, was ich schreiben soll. Man muß erst die Enttäuschung überwinden, daß es nun mit dem Urlaub wieder nichts ist.
Du schreibst nun heute, daß ich Dir den üblichen Betrag zusenden soll. Das tue ich gleich am Nachmittag. Meine Anfrage im gestrigen Brief hat sich ja dadurch erledigt. Auch die Briefmarken besorge ich am Nachmittag.
Helga ist jetzt gerade unterwegs, um den gestrigen Brief an Dich fortzubringen. Vielleicht erhältst Du beide am gleichen Tag, den gestrigen und den heutigen.
Jörg sitzt bei seinen Schulaufgaben. Die Lehrerin hat gesagt, die Kinder sollen zuhause weiter lernen. Die Mutter soll ihnen die Buchstaben, die sie noch nicht gelernt haben, das U, P, Q und das Y selber lernen und ihnen Aufgaben geben. Sonst kommen sie mit den Aufgaben nicht durch im Schuljahr. Mit der Helga muß ich die verschiedenen Rechenaufgaben durchgehen.
Bei uns weht heute ein ziemlich kalter Wind. Das ist ziemlich unfreundlich. Sonst macht einem etwas Kälte ja nichts aus, aber der Wind zieht so durch.
Es hat uns schon ziemlich weh getan, daß Du uns wegen des Urlaubs abschreiben mußtest. Aber er nützt ja alles nichts. Abwarten ist das einzige, was man tun kann. Dir tut es ja nicht weniger weh, das lese ich ja auch aus Deinen Briefen. Vielleicht dauert es doch nicht mehr gar so lange, bis Du kommen kannst. Darauf hoffen wir ganz fest.
Ich habe noch eine Bitte an dich. Wenn Du ja auf Urlaub kommen kannst, so bringe doch bitte, wenn es Dir möglich ist, 1 oder 2 Pfund Salz mit. Wegen der Schneefälle konnte nicht gearbeitet werden, wurde mir gesagt. Bei Webers gibt es schon keins mehr und in nächster Zeit ist auch nicht damit zu rechnen. Ich will sehen, ob ich bei Tengelmann noch welches bekomme. Aber vielleicht ist es dir möglich, etwas mitzubringen.
Nun laß mich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                      Konstanz, 10.2.42

 Nach längerer Zeit scheint heute zum ersten Mal wieder die Sonne. Bisher war der Himmel immer verhängt. Da sieht die Welt gleich freundlicher aus. Trotzdem es vielleicht Unsinn ist, warte ich doch immer, ob Du nicht doch vielleicht plötzlich hier ankommst. Aber es vergeht ein Tag nach dem anderen, ohne daß sich diese Hoffnung erfüllt.
Gestern Nachmittag habe ich wieder das Geld an Dich abgeschickt.
Papa hatte doch gefragt, ob die Kinder nicht auch einmal an ihn schreiben würden. Heute haben sich nun Beide hingesetzt und haben einen schönen Brief geschrieben. Helga hat vom Schusseln und Schlittenfahren erzählt, und daß sie sich immer auf die Zeitungen freuen. Jörg hat geschrieben, daß er schon lesen kann und daß er ihm was vorlesen will, wenn er uns mal besucht. Außerdem hat er ihm von seinen Kanonen erzählt. Ich glaube, Papa wird sich schon freuen.
Bei Tengelmann habe ich gestern doch noch 2 Pfund Salz bekommen. Wenn es Dir aber nichts ausmacht, kannst Du ruhig noch 2 Pfund mitbringen. Mehr aber nicht, denn der augenblickliche Mangel wird sicher bald wieder behoben sein.
Die restlichen 5 Briefmarken schicke ich Dir heute noch mit. Solltest Du wieder welche brauchen, so schreibst Du mir.
Laß mich nun schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst !                                                  Konstanz, den 11.2.42

  Ein Brief ist auch heute nicht von Dir gekommen. Ich hoffe aber bestimmt, daß wenigstens morgen wieder eine kommt.
Ganz unverhofft kam heute Morgen der Schlitten von Alice und Paul an. Wir hatten noch gar nicht damit gerechnet. Natürlich war die Freude besonders bei den Kindern groß. Dem Schlitten war auch noch ein Paket mit mehreren älteren Märchenbüchern beigefügt. über diese Bücher hat sich Helga zuerst hergemacht.
Von Papa kam heute auch ein Brief, den ich gleich beantwortet habe. Ich schicke Dir den Brief mit, denn da Papa meinte, Du seiest hier bei uns, hat er Dir keinen Durchschlag geschickt. Auch einen Brief an Dich, den Papa an die verkehrte Adresse geschickt hatte, schicke ich Dir mit.
Was sagst Du dazu, daß Siegfried immer noch an die Magda schreibt? Das sollte er doch sein lassen. Er kann sich doch denken, daß Erna da nicht damit einverstanden ist. Aber mir geht das ja nichts an. Das müssen sie miteinander ausmachen.
Ich überlege mir jeden Tag, was Du wohl jetzt machst. Ob Du schon Aussicht hast, bald heim zu kommen, oder ob wieder jemand krank geworden ist. Hoffentlich bist Du wenigstens gesund und munter. Das ist mir das Wichtigste. Warten tue ich ja trotzdem immer, ob Du nicht plötzlich einmal hier ankommst. Das wäre ja so schön.
In den nächsten Tagen werden Raucherkarten ausgegeben. Ich will sehen, daß ich mir vielleicht eine ausstellen lasse, damit ich ab und zu für Vater ein paar Zigarren mit besorgen kann. Ich habe deshalb mir ihm gesprochen und er wäre einverstanden. Mal sehen, ob´s geht.
Vorgestern war ich auch mit beim Kohlenmann. Ich habe noch meine restlichen 8 Ztr. Brikett bestellt. Wenn sie innerhalb 2 Wochen nicht gebracht worden sind, müßte ich sie mir selber holen, weil sie sich danach richten müssen, wie sie Benzin haben. Lieber wäre mir das Bringen ja schon.
Nun hätte ich eigentlich nichts weiter zu berichten. Laß mich deshalb für heute schließen.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni und bleibe ganz gesund.

Montag, 6. Februar 2017

Brief 281 vom 2./3.2.1942


Mein liebster Ernst!                                                                              2.2.42                                                                  

Heute war ein ziemlich ereignisreicher Tag, der teils schönes, teils weniger schönes brachte.
Mit dem schöneren will ich anfangen. Da kamen Deine lieben Briefe vom 22. und 28.1. Der erstere hat sich ja ziemlich verspätet. Aus dem Brief vom 28. konnte ich lesen, daß Du nun wahrscheinlich doch bald auf Urlaub kommen kannst. Das war mir das Wichtigste und liebste. Hoffen wir, daß Du wirklich kommen kannst. Wir würden uns ja so sehr freuen. Zur Vorsicht schreibe ich aber doch noch bis zum Mittwoch, damit Du, wenn doch noch was dazwischen kommt, nicht so lange ohne Post bist.
Das Päckchen Nr. 11 ist ja nun eher angekommen als der Brief, in dem Du es ankündigst.
Es ist jetzt hier auch so, daß ich meist ein paar Briefe zusammen bekomme. Vielleicht wird die Post von einigen Tagen immer zusammen versandt.
Der Brief an Jörg kam heute auch an. Das war eine Freude. Er hat ihn mir gleich vorgelesen. Es sieht so lieb aus, wenn er beim lesen die Zeilen mit dem kleinen Zeigefinger verfolgt. Aber Jörg hat alles fließend lesen können.
Die 26,- von Siegfried kamen heute auch an. Er hat eigentlich 30,- geschickt. Die 4,- sollen für die Kinder sein.
Das Paket von Papa kam auch an. Wir haben es uns heute Nachmittag von der Post geholt. Ausgetragen werden sie jetzt nicht, weil die Briefträger nicht mit dem Rad fahren können bei dem Schnee. Die Briefkästen werden auch nicht mehr regelmäßig geleert, so daß ich den Brief an Dich am Morgen immer Helga mitgebe, die ihn auf die Petershauser Post bringt.
Die große Wäsche habe ich auch soweit fertig. Es hängt alles auf dem Speicher. Helga hat mir beim Auswringen fest geholfen.
Nun kommt das weniger Schöne. Es waren heute mehrere fremde Kinder hinterm Haus und haben eine Schneehöhle gebaut. Ein Junge hat nun zur Margret gesagt, sie soll Jörg eine Schaufel Schnee anwerfen. Die macht es auch, aber so dumm, daß sie Jörg mit der scharfen Kante gerade auf die linke Augenbraue schlägt. Es hat ziemlich geblutet und ist ganz dick. Kaum war das vorbei, sagt mir Helga, daß die Jungen in unserem Garten in dem schrägen Stück stehen und mit der Schaufel den Schnee wegschaufeln. Nun habe ich aber doch Erdbeeren frisch gesetzt. Die hauen sie mir doch mit den scharfen Schaufeln weg. Da bin ich runter und habe es verboten. Da haben sie bei den Blumen von Frau Nußbaumer weggeschaufelt. Da ist sie runter gegangen und hat die fremden Jungen rausgejagt. Da ist der Erich doch frech geworden. Am liebsten hätte man ihm eine gelangt. Auf einmal hat Frau Büsing mit keifen angefangen. „Geht nicht mehr zu den verrückten Menschern in den Garten, die haben ja keinen Verstand usw.usw.“ Dann sagt sie zu mir: „Frau Schwehr hat mir schon gesagt, daß sie bei Herrn Ganahl waren, sie scheinheiliges Luder, sie sind ein ganz scheinheiliges Mensch usw.“
Die ganze Litanei habe ich gar nicht gehört, nur daß sie noch gesagt hat: „Sie erreichen gar nichts.“
Ich habe mich gar nicht mehr drum gekümmert. Weil ich mich nicht mit ihr rumgeschlagen habe, sondern zu Herrn Ganahl gegangen bin, bin ich also scheinheilig. Na, lassen wir sie. Wenn es wieder schlimm wird, beschwere ich mich eben wieder. Ich weiß nicht, hat es gemacht, daß Du Deinen Urlaub angekündigt hast, aber ich habe mich gar nicht viel aufgeregt. Das ist mir schon bald zu dumm.
Das wäre also das Schlechte gewesen. Das ist nun auch vorbei.
An Papa werde ich in den nächsten Tagen auch wieder schreiben. Mich freut ja, daß er endlich mit der Frau Junghanns Schluß gemacht hat. Hätte das doch meine Mutter noch erleben können. Sie wär sicher sehr froh gewesen.
Nun laß mich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Heute traf ich die Mutter von Fritz Bautz. Sie sagte mir, daß Fritz jetzt auch eingezogen worden ist. Zur Ausbildung ist er in Heilbronn.
Die Gisela und die Ingrid liegen schon seit dem Neujahr im Krankenhaus mit Scharlach. Sie sind beide auf dem Weg der Besserung.

Mein liebster Ernst!                                                              Konstanz, den 3.2.42

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 29.1. Ich hoffe auch ganz fest mit Dir, daß Du bestimmt auf Urlaub kommen kannst. Aber richtig freuen will ich mich doch erst, wenn Du hier vor mir stehst.
Ich habe heute mehrere Briefe beantwortet. Von Papa hatte ich ja 3 Stück erhalten. Er schrieb mir auch, daß Siegfried ernstlich krank gewesen ist und daß er schwere Sorgen um ihn gehabt hat. Gott sei dank war er nach dem letzten Brief wieder auf dem Weg der Besserung. Die letzten WHW Abzeichen hat uns Papa auch wieder geschickt. Wir haben uns recht darüber gefreut. In dem Zeitungspaket hat mir Papa außer einigen Taschentüchern auch ein Nachthemd von Mama mitgeschickt. Das ist noch aus Stromeyerstoff hergestellt. So hellgrün mit kleinen Blumen. Das hat sich Mama mal bei ihrem Hiersein von der Frau Rist machen lassen, wenn ich mich recht erinnere. Es ist aber noch ganz neu, denn sogar die Stoffreste lagen noch bei. In diesem Hemd steckte nun die Kontrollmarke von der Sparkasse des Bauvereins. Ich glaube, daß es die ist, nach der wir in Leipzig so eifrig gesucht haben. Ich habe sie Papa heute wieder mitgeschickt. Hoffentlich kommt sie richtig an.
Wie Papa schrieb, bekommen wir jetzt sicher den Schlitten von Alice. Da hat dann endlich mal der Zank um den Rodelschlitten ein Ende. Eine Weile wird es zwar noch dauern, bis derselbe hier eintrudelt.
Gestern habe ich den Dentisten Beck angerufen, wann es ihm am günstigsten ist, wenn wir Drei zum nachsehen der Zähne kommen. Er meinte, am besten am Freitag um 4 Uhr. Da werden wir also hingehen.
Sonst ist heute nicht viel Neues zu berichten. Sei deshalb heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mittwoch, 1. Februar 2017

Brief 280 vom 1.2.1942


Mein liebster Ernst!                                                            Konstanz, den 1.2.42                                         

Dafür, daß Du mir 2 Tage nicht geschrieben hattest, hast Du mich mit Deinen langen Briefen vom 25.1 entschädigt. Da hast Du Dir aber viel Mühe gegeben. Dazu bekam ich heute auch noch den Brief vom 26.1. mit den Zeitungen und Briefumschlägen und den Brief vom 27. 1. Sonntagsgrüße waren es also viele.
Nun will ich aber erst mal von gestern anfangen. Da habe ich Dir nämlich nicht schreiben können. Vorgestern Abend habe ich mir die Abzeichen besorgt, die ich gestern verkaufen sollte. Ich bin am Abend noch ein bißchen mit den Kindern herumgegangen und habe auch ca. 10 Stück verkauft. Dann war es uns aber zu kalt und auch zu spät und wir sind heim gegangen. Eigentlich wollte ich nun erst gestern Nachmittag verkaufen. Aber dann habe ich mir überlegt, daß da ja ziemlich viele verkaufen werden. Als nun die Kinder gegen 10 Uhr zur Schule gingen, bin ich gleich mit fortgegangen. Ich wollte auch gleich den Gehalt mit holen. Auf dem Wege zur Stadt konnte ich auch schon einige Abzeichen verkaufen. Dann habe ich mich vor der Sparkasse aufgestellt und hatte innerhalb einer halben Stunde alle Abzeichen los. Ich habe dann mein Geld abgehoben und bin dann zur Post gegangen. Da habe ich mich zur Pfennigsammlung aufgestellt. Es ist auch mancher Pfennig in meine Büchse gekommen. Als die Post um 12 Uhr zugemacht wurde, habe ich die Kinder von der Schule abgeholt. Wir sind nach hause gegangen und habe etwas gegessen. 1/2 3 Uhr sind wir wieder in die Stadt gegangen. Da war die Situation aber schon anders als am Vormittag. Viele, viele Sammler bevölkerten die Straße. Da war nicht mehr viel zu holen. Die Kinder habe ja ihre Freude noch gehabt, denn sie konnten gegen eine Spende auf einem Pferdeschlitten etwas durch die Stadt fahren. Das war für sie schon ein Vergnügen. Dann kamen verschiedene Kinder, die die verschiedenen, gestern verkauften Figuren darstellten. Sie sagten ihre Sprüche auf und sammelten natürlich auch.
Die ganze vorhergehende Nacht hatte es schon geschneit, gestern Nachmittag fing es auf einmal wieder an. Und wie sehr. Kein Mensch hatte mehr Lust, seine Tasche und seinen Geldbeutel aufzumachen, denn sogleich war alles voll Schnee. Da haben wir es auch aufgegeben und sind heim gegangen. Wir haben Abendbrot gegessen und hinterher habe ich noch Kuchen gebacken. Als ich noch beim backen war, kam Vater. Als die Kinder im Bett waren, haben wir gelesen, Vater die Tageszeitung und ich die von Dir. Aber während des Lesens bin ich schon eingeschlafen. Vater ist dann auch bald heimgegangen und ich bin ins Bett gegangen.
Heute ist mir der Tag  wieder viel zu kurz. Am Morgen habe ich die Betten abgezogen und die Wäsche eingeweicht, da ich ja morgen wasche. Nachher habe ich zu Mittag gekocht, nun bin ich beim schreiben, nachher muß ich meine WHW-Büchse abliefern und hinterher gehe ich noch zu Vater und hole seine Wäsche. Wir haben es gestern so ausgemacht. Ich bin sowieso unterwegs und Vater braucht sich nicht erst anziehen. Für ihn ist es ja auch kein Spaß, jetzt fortzugehen. Seit gestern Nachmittag bis heute Vormittag hat es geschneit. Da kannst du Dir denken, wie hoch der Schnee wieder liegt. Ganze Berge türmen sich vor dem Haus. Man kommt auf der Straße schlecht vorwärts.
Nun will ich aber auch Deine lieben Briefe beantworten. Zuerst möchte ich noch sagen, daß gestern noch Dein Päckchen Nr. 11 angekommen ist. Alles war noch gut, auch nichts erfroren. Von der Spezialität haben wir gestern zusammen eins probiert und es hat uns geschmeckt. Da hatten wir noch 3 Stück. Die hat es heute als Kompott gegeben. Wir möchten Dir recht sehr darüber danken. Du hast uns eine Freude damit gemacht.
Kalt ist es jetzt nicht mehr viel bei uns, nur, daß eben viel Schnee fällt. Wechselndes Wetter war ja in der letzten Zeit bei uns auch. Ich habe Dir ja davon geschrieben. Der Westwind der uns den Regen brachte, kam ja von Euch her.
Es ist aber wirklich bei Euch so, daß immer etwas im Haus kaputt ist. Sind denn nur die Franzosen so liederliche Arbeiter. Wenn sie so schaffen, wie Du manchmal schreibst, dann glaube ich schon, daß sie mit unserem Arbeitstempo nicht einverstanden sind. Das wär nichts für mich.
Der Spaziergang in den Wald und das Rodeln hat mir schon Freude gemacht. Leider ging es am vergangenen Sonntag wegen des Tauwetters und diesen Sonntag wegen dem WHW nicht. Aber vielleicht klappt es doch wieder mal.
Die angekündigten Päckchen sind ja alle angekommen, bis auf die 2, von denen ich Dir schon schrieb. Aber ich glaube, die können wir als verloren ansehen. Es kommt eben immer wieder mal vor, daß auf der Post was gestohlen wird. Bei der Nanni dort ist es ja aber ganz schlimm. Da traut man sich wirklich nichts mehr zu schicken. Als die eine Cognacflasche aus Deinem Päckchen entfernt worden war, war die äußere Packung scheinbar ganz unverletzt. Man liest ja immer wieder mal in der Zeitung, daß welche zu schweren Zuchthausstrafen verurteilt wurden, weil sie sich Feldpostpäckchen angeeignet haben, aber manche können es eben doch nicht lassen und meinen, man wird sie schon nicht erwischen.
Das Vergnügen des Schneeschippens habe ich jetzt schon öfter gehabt und ich muß sagen, ich mache es sehr gern. Aber immer tue ich es doch nicht, sonst meint man, ich bin nur dazu da. Frau Leimenstoll und Frau Nußbaumer haben ja auch schon mitgeholfen, nur Frau Büsing hatte sich noch nicht geregt. Nun hatten wir aber gestern gesagt, daß wir uns heute alle nicht um den Schnee kümmern wollen und so hat es heute Frau Büsing machen müssen. An das Schneeschippen in der Juliusstraße kann ich mich schon noch erinnern. Wie lange das doch schon alles her ist.
Oft habe ich in letzter Zeit den Schuster nicht gebraucht, da ich ja noch Leder von Dir da habe. Mit dem nähen ist es nicht so schlimm. Ich kann da nur die festen Schuhe nähen. Dazu habe ich es mir auch eigentlich nicht nur gekauft, sondern vor allen Dingen für die Schulranzen, Taschen usw. Du mußt keine Angst haben, daß ich meine Schustertätigkeit unbedingt nach dem Krieg fortsetzen will. So ein großes Vergnügen ist das ja nicht und es strengt ziemlich an, denn ich bin ja schließlich kein Mann. Aber in der jetzigen Zeit bin ich doch froh, daß ich mir ein bißchen helfen kann, sonst müßte ich ja oft zum Schuster laufen, denn Jörg hat alle Minuten was kaputt. Für Helga habe ich nicht halb so viel mit den Schuhen zu tun. Ich weiß manchmal wirklich nicht, wie er die Schuhe kaputt kriegt. Helgas feste Schuhe hat er nun erst kurze Zeit, aber schon ist an der Spitze das Oberleder ganz zerkratzt. Naß sind die Schuhe auch jeden Tag, und wenn ich nicht so hinterher wäre und die Schuhe immer pflegte, da hätte er bald nichts mehr zum anziehen. Bei den anderen hohen Schuhen hat er es ja auch schon so weit, daß die Sohlen an der Spitze bald bis ans Oberleder hin abgeschabt sind. Dabei ist das Oberleder an der Spitze auch bald durch. Mir sind wegen den Schuhen schon manchmal die Tränen vor Verzweiflung gekommen. Ja, wenn Friede wär und man brauchte nur in den Laden zu gehen und Schuhe kaufen. Aber er darf doch nur ein Paar gute haben, wenn er ein Paar neue haben will. Nun hat er aber doch noch 2 Paar halbe Schuhe, da bekäme er gar keine. Was will er aber mit halben Schuhen, bei dem Wetter jetzt. Die hohen Schuhe müssen einfach über den ganzen Winter halten.
Ich bin ja auch froh, daß Jörg kein Feigling ist und überall mitmacht. Aber es hat eben alles seine 2 Seiten. Da schreiben sie immer in der Zeitung, die Eltern müßten ihre Kinder immer wieder ermahnen, mit den Schuhen vorsichtiger umzugehen. Das ist alles leicht gesagt. Aber Du schreibst ja selber, bei Euch hat man auch wegen den Schuhen geklagt und ihr habt es nicht verstanden. Da kann man es ja bei unseren Kindern auch nicht verlangen.
Auf das Zeugnis von Jörg bin ich auch gespannt, aber auch auf das von Helga. Vor allen Dingen beim Schreiben. Jörg kam jetzt mal heim und sagte, er hätte gesehen, wie die Lehrerin bei ihm im Rechnen eine 2 hingeschrieben hätte. Das wäre ja gut. Na, wie werden ja sehen.
Das Paket von Papa ist noch nicht da. In diesem liegt ja der Brief von Papa. Sobald es ankommt, werden wir es uns von der Post holen.
Nanni hat also doch wieder was von sich hören lassen. Soll ich Dir ein paar von den neuen Bildern der Kinder schicken, damit Du sie ihr senden kannst? Sie sagte doch mal, dass sie sich immer drüber freuen würde.
Das ist recht, daß Du auch einmal ein paar Mandarinen selber gegessen hast. Es ist ja wirklich nicht sicher, daß sie jetzt jedes Mal so gut ankommen wie die letzten. Es ist darum vielleicht schon besser, Du läßt es erst einmal sein. Es wird ja nicht immer so kalt bleiben.
Von Kurt erhielt ich heute auch einen Brief. Er schickte seine Geburtsurkunde, die er aus Versehen mitgenommen hatte, zurück. Er teilte mir dann mit, daß er noch ein Päckchen mit verschiedenen Kleinigkeiten abgeschickt hat und daß er auch sein restliches Geld noch senden will. Es würde auf alle Fälle so am besten sein. Vielleicht kommt er jetzt doch nach Rußland? Krank ist Kurt auch wieder einige Tage gewesen, aber jetzt ist er wieder soweit hergestellt, daß er schon wieder Wache gehabt hat.
So, nun will ich wieder schließen. Ich muß mich gleich zum Abliefern der WHW Büchse machen. Es wird doch eine ganze Weile dauern, bis abgerechnet ist.
Sei nun wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Brief 279 vom 29./30.1.1942


Mein liebster Ernst!                                                                Konstanz, 29.1.42                         

Einen Brief von Dir habe ich heute nicht bekommen. Da am Nachmittag kein Briefträger kommt, kann ich also auch da mit keinem rechnen. Aber gestern habe ich ja einen ganz langen Brief bekommen, damit kann ich wohl auch noch heute zufrieden sein. - Am Nachmittag gehe ich nun in den Film äMenschen im Sturmä Er spielt kurz vor dem Krieg in Jugoslavien. - Von Tante Agnes habe ich heute einen Brief bekommen. Bei ihnen sind 28 Grad Kälte. Man merkt, daß es nach Polen, dem Osten zugeht. Hubertus und Leop lassen mich grüßen. Leo ist in Polen, Hans hat auch der Gefangenschaft geschrieben, daß es ihm sehr einsam ist und daß das ewige WArten furchtbar sei. Nur wenn ein Brief kommt, freut er sich. - Bei uns hat die Kälte ziemlich nachgelassen. Sie liegt gerade bei der OGrenze. Dabei fällt jeden Morgen Neuschnee. Als ich gestern den Brief an Dich in den Kasten stecken wollte, dah ich, daß am Nachmittag garnicht mehr geleert wurde, sondern erst heute morgen. Da habe ich ihn lieber auf die Petershauser Post geschafft. Jörg wollte nicht mit, da ist Helga allein mitgegangen. Ich habe sie gefahren und absichtlich ein paar Mal mit dem Schlitten in Schneehaufen umgeschmissen. Das hat ihr viel Spaß gemacht. Beim Bettelgäßle habe ich sie ein paar Mal im Schnee gewälzt. Sie hat dann garnicht mehr aufhören wollen. Als es Helga dann unserem Jörg erzählte, wollte er die Gelegenheit natürlich nicht vorübergehen lassen und hat sich auch nach Herzenslust im Schnee gekugelt. -Als ich gestern Abend die Schuhe nachsah, mußte ich feststellen, daß die Schuhe inwendig wieder naß waren. Ich fragte ihn, wieso das komme, nun hätte er doch dicke Sohlen drauf. Da sagte er: ä Draußen bei dem See hängen eben immer die Spitzen im Wasserä. Er hat den Schlitten ins WAsser geschoben und hat sich drauf gekniet. Dabei sind dann immer die Spitzen der Schuhe im Wasser gehängt. Was unser Bursche doch nicht alles mit den Schuhe anstellt. Da kommt man mit reparieren bald nicht mehr nach. Also, ein Muttersöhnchen wird Jörg nie, sondern ein richtiger Lausebengel. Manchmal muß man lachen, manchmal ärgert man sich. Wenn ich nicht das Leder zum Besohlen von Dir hätte, wöär Jörg schon manchmal aufgesessen. - Nun ist es Zeit, daß wir fortgehen. Sei deshalb wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                                Konstanz, 30.1.42

Auch heute habe ich keinen Brief von Dir erhalten. Ich hoffe aber, daß morgen wieder einer ankommt. - Gestern  war ich nun in dem Film äMenschen im Sturmä. Er hat mir sehr gut gefallen. Er handelt von der Verfolgung der Deutschen kurz vorm Krieg in Jugoslawien. Vorher lief ein Film äElsaßä, der wirklich sehr interessant war. Manchmal meinte man in Meersburg oder in Konstanz zu sein. Genau solche Häuser mit braunem Gebälk und solchen Holz-Laubengängen, wie wir sie von Meersburg her kennen. Dann war ein Tugm da, der sah auch wie der Schnetztorturm. Man merkt doch, daß es deutsches Land ist. Erst  sah man das Land an und für sich , dann sah man, wie alles verwildert war, als die Bevölkerung nach Frankreich evakuiert wurde. Dann wurde gezeigt, wie die deutschen Geschäfte alle französiche Ladenschilder hatten. Später kamen Bilder, wie die Felder in Gemeinschaftsarbeit wieder bestellt wurden. - Leider saß neben mir eine Nachrichtenhelferin mit ihrer Mutter, die furchtbar wichtig getan hat. Als Männer mit Baskenmützen gezeigt wurden, mußte sie natürlich bemerkten, daß das echt französisch sei und die franz. Ladenschilder mußte sie natürlich laut ins Deutsche übersetzen. _ šbrigens die Kutterer (so hieß sie doch ehe sie geheiratet hat, der VAter war doch bei Euch im Sturm) ist auch Nachrichtenhelferin. - Als ich gestern beim DHV Zahnscheine geholt habe, sagte mir das Fräulein, daß der Uhink seit dem 22.1. auch eingezogen worden ist. - Von der Krankenkasse hat auch jeder eine 64 Seiten starke Broschüre äDie Mutter und ihr krankes Kindä bekommen. Das hat mich gefreut. Da stehen alle Krankheiten drin und die ersten Maßnahmen dagegen. Das kann man gut brauchen. - Habe ich Dir eigentlich schon mal geschrieben, daß in der Petershauser Knabenschule eine Zweigstelle der Sparkasse eingerichtet worden ist? Ich glaube aber, zum Gehalt holen muß ich doch in die Stadt Die Zweigstellen wird wohl nur für den Sparverkehr da sein. - Du, den Christbaum habe ich vorgestern wegtun müssen. Der hat so genadelt, daß es überhaupt kein Baum mehr war, sondern nur ein braunes Gerippe. Ich hätte ihn so gern bis zu Deinem Urlaub aufgehoben, aber es  ging nicht mehr. Nun laß mich schließen und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Brief 278 vom 26./27./28.1.1942


Mein liebster Ernst!                                                                   Konstanz, 26.1.42                                        

Es wird heute nur ein kurzer Brief, den ich Dir schreiben kann, aber ganz ohne einen Gruß sollst Du auch heute nicht bleiben. Ich schreibe nämlich kurz bzw. bevor wir in die Stadt gehen.
Als wir am Morgen aufwachten, hatte es mit regnen aufgehört, die Pfützen waren etwas gefroren und ab und zu gab es regelrechte Schneestürme. So auch jetzt wieder.
Den Vormittag habe ich mit schustern verbracht. Ich habe Jörg`s feste hohe Schuhe, die bis vor kurzem Helga gehörten, besohlt. Die Sohlen hatten zwar noch kein Loch, aber das wäre in den nächsten Tagen gekommen. Sie waren aber so dünn geworden, daß sie sich ganz durchdrücken ließen und auch gegen Nässe überhaupt keinen Schutz mehr boten. Und das ist jetzt ja schließlich die Hauptsache. Jetzt halten sie wieder was ab. Ich pflege ja auch alle Schuhsohlen regelmäßig mit einem Mittel, der sie wasserdicht macht und außerdem die Sohlen schont.
Helga hat doch ein Paar Lackschuhe von Mama. Da waren die Gummiabsätze etwas schief getreten. Ich will nun nicht, daß sich Helga die Füße damit verdirbt, darum habe ich nun Lederabsätze drauf gemacht und ebenso wie an die Spitze, Eisen drauf getan. Die treten sich dann nicht gleich ab. Natürlich sind es nur die kleinen dünnen Eisen, die nicht auffallen.
Am Vormittag brachte der Briefträger nun doch die Päckchen selber. Es war eins von Dir und 2 von Kurt. Dein Päckchen Nr. 9 mit den Tabakwaren hat mich gefreut. Da kann ich heute gleich das Paket an Papa wegschicken. Den Tabak, die Pfeife und einige Zigarren habe ich ihm eingepackt. Die anderen Zigarren und noch etwas Tabak (ich habe noch ein kleines Päckchen da) gebe ich Vater. Das ist doch richtig geteilt, nicht wahr? Für die Bonbons, den Fisch und die Fruchtstangen möchte ich Dir auch danken.
In den Päckchen von Kurt war der Behälter des Feldstechers, diesmal aber mit Bonbons, bzw. Weinsäure-Zucker, gefüllt. Dann waren noch einige Bücher usw. zum Aufheben drin, dazu noch eine Dose Schuhcreme, die ich sicher Vater geben werde.
Nachmittag wollen wir nun also in die Stadt gehen. Ich möchte bei dem Wetter nicht gern mit dem Rad fahren. Ich möchte mich nun fertig machen und schließe deshalb.
Bleib recht gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                         Konstanz, 27.1.42

Heute Morgen kam Dein liebes Päckchen Nr. 10 mit der Butter und den Mandarinen an. Es war alles gut, auch alle Mandarinen. Ich möchte nur wissen, wo die 2 anderen Päckchen, die noch fehlen, geblieben sind. Vielleicht liegen sie unter einem großen Haufen und kommen erst später mal zum Vorschein. Über das Päckchen habe ich mich sehr gefreut und danke Dir sehr.
Bei uns ist es wieder kalt geworden, heute waren es 11 Grad Kälte. Die große Pfütze vorm Haus ist so gefroren, daß die Kinder drauf herumlaufen können.
Ich gehe heute mit den Kindern mal ins Kino. Ein Film mit Rühmann wird gespielt „Quax, der Bruchpilot“. Ich bin ja gespannt, ob es rechter Kohl ist. Evtl. gehe ich diese Woche auch noch mal in den Film „Menschen im Sturm“. Da dürfen die Kinder ja nicht mit. Gell, ich bin unternehmungslustig?
Ich muß nun schon schließen, denn wir müssen bereits um 2 Uhr fort.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                           Konstanz, 28.1.42

Dein lieber Brief vom 21. kam mit den Zeitungen heute an. Das ist ein langer Brief und ich freue mich riesig.
Bei Euch ist es also auch kalt und nicht mal richtige Heizung habt Ihr. Das ist ja wirklich allerhand. Wenn Du abends heim kommst, mußt Du ja ganz durchfroren sein.
Wie heißt die Mischung zwischen Apfelsine und Zitrone? Schreib`s mir doch noch Mal mit richtigen Buchstaben auf. Ich bin gespannt, wie es schmeckt. Den Kindern habe ich noch nichts davon gesagt. Aber du bist ein ganz lieber Kerl, alle Sachen, die wir hier sonst nicht so haben, willst Du uns probieren lassen.
Die Ernährung hier ist wohl ziemlich einseitig, aber wir haben uns dran gewöhnt und sind es zufrieden. Große Ansprüche stellen wir ja nicht und gehungert haben wir ja noch nicht. Bei manchen Sachen haben ja Deine Sendungen viel geholfen. Z.B. vor allen Dingen beim Zucker. Ich hätte manches nicht backen können, auch manchen Pudding hätte ich nicht machen können. Aber damit komme ich auch wieder auf Deine Puddingsendung. Auch das Öl hat mir schon manchen guten Dienst getan. Ich habe immer noch 1/4 Flasche da. Genau so ist es mit der Butter, die ich gestern bekommen habe. Die essen wir nun diese Woche und unsere Wochenration habe ich eingeschmolzen. Da habe ich immer einen kleinen Vorrat da. Von den Fischkonserven habe ich auch noch was da. Eine Dose haben wir jetzt wieder mal verbraucht. Sie war noch tadellos. Es gäb ja noch manches, was zu erwähnen wäre, aber Du weißt ja, was Du uns alles geschickt hast und ich weiß es auch und bin Dir sehr dankbar dafür.
Ich verliere nicht die Geduld, weil Du jetzt nicht gleich heimkommen kannst. Der Krieg lehrt einem ja manches und so habe ich auch das Warten gelernt. Wir haben ja den Urlaub immer noch vor uns und einmal wird es ja werden. Ich lege die Urlaubsgedanken erst mal ein bißchen zur Seite. Solltest Du dann doch bald kommen können, soll es mich doppelt freuen. Ich weiß ja, daß Du alles tust, um wieder einmal heimzukommen. - Ja, übermütig sind unsere Beiden manchmal. Ich bin ja froh, daß sie sich jetzt draußen im Schnee austoben können. Da bekomme ich wenigstens nicht zu viel zu spüren. - Manchmal muß man ja über so einen Lauser wieder lachen. Als Kurt verschiedene Beutel Bonbons geschickt hatte, bekam jeder einen. Ein paar lagen noch da. Auf einmal fängt Helga an: ä Du Mutterle, ich muß mich mal mit Dir richtig aussprechen. Kriege ich noch einen Beutel Bonbons oder nicht? ä Gestern sprachen wir von Amerika, auf einmal sagt sie:ä, Ja, die sind ganz verrückt, die malen sich sogar Bilder auf`s Knie, so was trägt man bei uns in den größten Hundstagen nicht.ä - Der Stoff für das Kleid für Helga kam mir etwas teuer vor, aber natürlich behalten wir ihn. Es kann ja sein, daß es hier bald genau so teuer wird, denn es gibt natürlich auch teuerere Kleider- Es ist nie zum Schaden, wenn man was da hat, ich war schon manchmal froh. Und daß wir das Geld dazu nicht mehr aufbringen würden, davon kann ja,wie Du schon schriebst, keine Rede sein. - Wenn Du noch 25 Schachteln Munitionen gekauft hast, so reicht das schon noch eine Weile. - Das Gemüse bekommen wir ja nicht auf Karten. Man muß eben zusehen, daß man was bekommt. Es ist aber angeregt worden, daß für Sachen, die seltener sind, Karten ausgegeben werden. Es stand jetzt gerade wieder ein Fall in der Zeitung, daß man einer äFrau Doktorä Orangen direkt angeboten hat, während man eine andere Frau, die auch welche wollte, angefahren hat, ob sie nicht schon bekommen hätte. Es ist ja nicht überall so, aber es gibt immer wieder Außenseiter. - Papa hat mir heute eine Karte geschrieben, daß er am Montag ein Paket mit Zeitungen und Taschentüchern von Mama an mich abgeschickt hat. Vo letzteren soll ich in meinem Brief nichts erwähnen. - Am Samstag/Sonntag muß ich vom Luftschutz aus Abzeichen verkaufen. Ich bin ja nicht so begeistert, aber Helga, die auch mitgehen will, und Jörg, freuen sich schon sehr. Es hat schon Krach zwischen ihnen gegeben,. wer was tragen darf. Am liebsten gingen sie allein los. - Wie Helga`s Lehrerin heute gesagt hat, kommen die Mädels, die dieses Jaht 10 Jahre werden, im Mai zu den Jungmädels. Da ist also unsere auch dabei. - Gestern waren wir doch in dem Film äQuax der Bruchpilotä. Ach Ernst, haben wir gelacht, das war lustig. Ich habe leider vom Lachen so Kopfschmerzen bekommen, daß ich ganz zeitig schlafen gegangen bin. Aber schön war`s doch. - Heute will ich Dir auch die verschiedenen Briefdurchschläge beilegen, die ich immer vergessen hatte. - Und nun für heute wieder Schluß. Bleib uns gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.