Mittwoch, 7. September 2016

Brief 216 vom 7./8.9.1941


Mein lieber Ernst!                                                             Konstanz, den 7.9.41       

So, die 30 hätte ich nun erreicht. Der Tag ist heute ruhig, aber nicht ganz unfestlich verlaufen. Heute Morgen haben mir die Kinder beschert. Ich war wirklich überrascht, sie hatten in der Stube einen schönen Geburtstagstisch aufgebaut. Da lag ein Buch „Herrin und Knecht“, eine Stange Honigkuchen, 4 Beutel Sommerbonbons, 1 kleine Vase und eine Geburtstagskarte. Ich habe mich sehr gefreut. Dein Bild habe ich wieder mit auf den Tisch gestellt.
Gegen 8 kam dann die Post und brachte mir Deinen lieben Brief vom 4.9. und eine Karte von Erna. Später kam dann noch Vater und brachte mir Geld und 1/4 Pralinen. Er blieb dann noch eine Weile da und hat sich mit mir unterhalten. Er hat sogar ein Stück Kuchen angenommen. Nach dem Mittagessen sind wir dann in die Stadt gegangen und wollten um 2 in den Film „Stukas“. Es war aber alles ausverkauft. So habe ich dann Karten für die Vorstellung um 4,20 Uhr genommen. Nun wollten wir in der Zwischenzeit auf diese Messe gehen, aber leider kam ein Gewitter und es fing an mit regnen, was nur vom Himmel wollte. Wir haben uns dann bis 3 Uhr untergestellt und sind dann, nachdem es soweit aufhörte, noch einmal durch die Messe gegangen. Die Kinder sind 5 Mal mit dem Karussell gefahren und hinterher haben wir noch ein Eis gegessen. Dann sind wir wieder zum Kino gegangen. Du, ich muß sagen, der Fiklm „Stukas“ war herrlich. Er hat mir noch besser gefallen wie der Film „Über alle Welt“. Wenn er dort kommt, mußt Du ihn Dir unbedingt ansehen. Hätte ich nicht gleich um 2 Uhr Karten genommen, so hätten wir um 4 auch wieder umkehren können, denn es war alles ausverkauft, sogar die teuersten Plätze.
Als wir um 3/4 7 aus dem Kino kamen, sind wir dann gleich nach hause gegangen. Wir haben nun vorhin  Abendbrot gegessen und nun sind die Kinder gerade dabei, sich zu waschen, damit sie dann ins Bett kommen. Ich möchte heute auch nicht so lange machen, denn auch ich bin sehr müde.
Nun zu Deinem lieben Brief. Du kündigst damit Deine Päckchen an, die Du zu den Geburtstagen geschickt hast. Leider sind sie bis jetzt nicht angekommen, aber wir nehmen sie auch hinterher noch sehr gern an. Ich danke Dir, daß Du wieder so lieb warst und so an uns gedacht hast. Ich denke schon, daß mir die Bluse gefallen wird, denn ich wüßte nicht, daß Du schon einmal schlechten Geschmack entwickelt hast. Daß Du Schokolade beigefügt hast, nehme ich Dir absolut nicht übel. Wenn es keine Milchschokolade ist, wird sie Helga ja nicht essen, aber ich werde ihr dafür von meinen Geburtstagsbonbons welche geben, damit sie eine Entschädigung hat. Auch für das Käsepäckchen danke ich Dir. Die ersten Käse haben wir noch gut brauchen können. Sie waren noch nicht gar so weich. Wir haben sie auch gleich gegessen.
Wie ich Dir schon schrieb, gibt sich Jörg jetzt in der Schule Mühe. Die verschiedenen Schulzeiten sind ja nicht gerade bequem für mich wegen dem Mittagsessen, aber wenn wir weiter nichts zu klagen haben, da wollen wir zufrieden sein. Das ist nicht weiter gefährlich.
Im Garten war bis jetzt ziemlich zu tun, aber bis zur Ernte von Kraut usw. und dem umgaben, habe ich jetzt das meiste getan, Man muß nur immer wieder nach dem Unkraut sehen, damit es einem nicht über den Kopf wächst. Vorgestern hatte ich von Frau Leimenstoll Erdbeersetzlinge bekommen. Ich habe einen Teil gesetzt und einen Teil habe ich zusammen eingesetzt, bis ich für sie Platz habe. Da müssen erst noch die Kohlrabi raus und dann will ich umgraben und gleich Mist untergraben, damit die Setzlinge eine gute Grundlage haben. Gestern und vorgestern  mußte ich die Setzlinge ja angießen, heute hat es mir noch viel besser der Regen abgenommen. Helga hat sich wieder vorgenommen, Dir einen Brief zu schreiben. Sie konnte gar nicht begreifen, daß ihr Brief an Dich kurz gewesen sein soll. Sie hat gemeint, er wäre doch schön lang gewesen. Also, Du kannst bald wieder mit einem Brief rechnen. Jörg will Dir auch wieder einmal schreiben, aber ich möchte ihn nicht dazu drängen, er soll es mir sagen, wenn er selber Lust hat. Etwas Gezwungenes mag ich nicht und Du sicher auch nicht. Er ist ja bei dem ersten Brief auch von selber gekommen und das ist dann auch viel natürlicher.
Wir haben hier auch schon mehrmals Nebel gehabt. Vorgestern und gestern auch wieder. Über dem Rhein steht es noch bis Mittag.
In den nächsten Tagen muß ich auch wieder an die Eltern, an Siegfried und Alice schreiben. Bei Erna weiß ich die neue Adresse nicht, da sie ja von der Gräfin weg ist. Sie wollte ja zu ihren Eltern, aber die Karte von gestern war noch aus Leipzig. Ich bestelle einstweilen Grüße an sie durch die Eltern.
Nun laß mich für heute wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner immer und heute noch ganz besonders an Dich denkende Annie.

Lieber Ernst!                                                                             Konstanz, den 8.9.41

Heute habe ich meine ganzen Briefschulden erledigt. Ich bin schon ganz ausgepumpt von lauter schreiben. So ist das aber wenigstens wieder erledigt. Man weiß immer gar nicht, was man alles schreiben soll. Den Ahnenpaß von den Eltern habe ich nun auch zurückgeschickt. Wir brauchen ihn ja nicht mehr.
Von heute ist eigentlich gar nicht viel zu erzählen. Ich habe meine tägliche Arbeit erledigt und habe mich dann ans schreiben gesetzt. Einen Brief habe ich von Dir heute nicht bekommen.
Morgen muß ich mit Jörg zum Zahnarzt. Ihm ist heute eine Plombe rausgefallen. Ich fahre nachher gerade  beim Zahnarzt vorbei und frage, ob wir auch kommen können, damit wir nicht umsonst in die Stadt laufen.
Wir haben ja jetzt immer noch jeden Tag Falläpfel, aber ich brauche sie nicht mehr alle zu Apfelmus verarbeiten, denn man kann schon einen Teil davon essen, da sie soweit reif sind. Da sind natürlich die Kinder hinterher. Aber auch auf die Tomaten, von denen wir jetzt ziemlich viel haben, stürzen sie sich. Die essen sie auch ohne Brot.
Ich schrieb Dir ja schon, daß Vater  bei Rieter hätte anfangen können. Er will aber nicht. Nun hat inzwischen das Arbeitsamt schon an Stromeyer geschrieben, ob sie mit Lösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden sind. Vater hat zu ihnen gesagt, daß das doch nicht nötig gewesen wäre, wenn noch gar nicht feststeht, ob er wo anders arbeiten kann. Sie haben ihm aber gesagt, sie hätten schon Arbeit für ihn. Jetzt ist er ja gespannt, wo. Vater will sofort rauf kommen, wenn er Bescheid hat und ich schreibe Dir dann gleich.
Das Wetter hat sich heute ein bißchen aufgeheitert, aber es steht schon wieder ein Gewitter am Himmel. Ich will nachher noch in die Stadt fahren zum einkaufen. Die Geschäfte mach ja jetzt erst um 4 Uhr auf. Da ist immer schon der halbe Nachmittag vorbei.
Wir haben heute nochmals Bohnen zum Mittagessen gehabt. Ich glaube, es waren die letzten, denn die waren alle schon gelb. Weiße Bohnen haben wir dann im Winter eine ganze Menge, d. h. wenn sie nicht fleckig werden.
Sei mir bitte nicht böse, wenn ich jetzt nicht mehr schreibe, aber mir tut heute schon alles weh. Ich muß erst wieder ein bißchen Bewegung haben. Der nächste Brief wird sicher wieder länger.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt  von Deiner Annie.

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