Mein liebster Ernst! Konstanz, 6.9.41
Ich komme heute wieder erst am Abend zum
schreiben, aber der Tag war wirklich mit Arbeit ausgefüllt. Am Morgen hatte ich
sauber zu machen und einzukaufen, dann Essen zu kochen, später haben wir
gebadet, hinterher haben ich die Wäsche dieser Woche gleich noch gekocht und
gewaschen. Dann habe ich noch einen Pflaumenkuchen für morgen gebacken,
hinterher haben wir Abendbrot gegessen. Dann haben die Kinder den
Geburtstagstisch für mich hergerichtet und ich durfte dabei einmal nicht ins Zimmer
sehen, das andere Mal durfte ich nicht zum Fenster herausgucken. Die Kinder
sind wegen dem Geburtstag schon ganz närrisch und fragen jede Minute, ob ich
mich ganz fest auf den Geburtstagstag freue.
Ich erhielt heute auch Deinen lieben
Geburtstagsbrief. Ich habe mich sehr darüber gefreut und doch hat er mir eine
Enttäuschung bereitet. Du hattest ja schon in Helga`s Brief geschrieben, daß Du
zu ihrem Geburtstag nicht da sein könntest, von meinem Geburtstag hattest Du
aber nichts geschrieben und da hat sich mein törichtes Herz, wenn auch der
Verstand dagegen sprach, eingebildet, Du könntest vielleicht doch noch
überraschend zum Geburtstag eintreffen. Als ich nun den Brief heute in Händen
hielt, wußte ich, daß diese Hoffnung zunichte geworden ist. Das törichte Herz
hat seine Dummheit auch gebüßt, denn es hat den ganzen Tag sehr weh getan. Man
sollte es bei solchen Sachen herausholen und weglegen können, da wäre es
leichter.
Ich möchte Dir aber für Deinen Brief
herzlich danken. Es ist doch ein lieber Geburtstaggruß von Dir. Ich danke Dir
auch für Deine guten Wünsche. Wir wollen hoffen, daß alle in Erfüllung gehen.
Mein Wunsch zum Geburtstag ist, daß wir uns gesund wieder sehen und alle
zusammen noch lange miteinander leben können. Auch ich hoffe, daß wir uns später, nach dem Krieg, genau noch so
verstehen wie bisher.
Über das Bild von Dir habe ich mich sehr
gefreut, und bin daher auch absolut nicht böse, daß Du es mir schon zu unserem
Hochzeitstag geschenkt hast. So kann ich es morgen mit auf den Geburtstagstisch
stellen.
Von Alice und Paul habe ich eine
Glückwunschkarte und einen Brief von Siegfried, eine Karte aus Krakau. Siegfried hat eine 12 Pfg.-Marke vom Generalgouvernement
drauf geklebt, die Dich doch sicher freuen wird. Von meinem Vater sollte ich
Dir auch noch schreiben, daß er mir gestern für Dich die Marke vom braunen Band
von Deutschland mitgeschickt hat. An Siegfried soll ich Deine Feldpostnummer
schreiben, er weiß sie nicht mehr.
Als wir in Leipzig waren, hatte Papa Jörg
versprochen, ihm einen Soldaten-Ausschneidebogen zu kaufen. Er bekam aber
damals keinen. Nun kam heute eine Rolle für Jörg mit einem Flugzeugbogen, 1
Bogen „Die Fahnen und Standarten“, ein Bogen Nebeltruppe, ein Bogen Luftabwehrtruppe,
1 Bogen stürmende Infanterie (mit Gasmaske). Da hat Jörg nun genug auszuschneiden
und zu kleben. Jetzt habe ich ihm auch einen größeren Karton in der Mitte
entzwei geschnitten, daß also die Vorderseite fehlt, dann habe ich die Wände
innen und außen mit Bäumen bemalt, für den Boden habe ich ihm Bretter zurecht
geschnitten. Nun hat Jörg sich Erde,
Moose und Steine besorgt und hat sich einen prima Unterstand gebaut, in dem nun
seine Soldaten stehen, aber natürlich nicht die aus Pappe ausgeschnittenen, und
liegen. Die Bretter haben wir drunter gemacht, weil doch das Moos jeden Tag
gegossen werden muß, da würde der Karton durchweichen. Leimenstolls Junge hatte
so etwas Ähnliches gebaut. Das hat Jörg angeregt. Er fragte mich erst, ob er so
etwas mit rauf bringen dürfte, weil es doch Dreck macht. Der Hermann von Bolzens
dürfte es nicht. Er ist mir direkt um den Hals gefallen, als ich es ihm
erlaubte und ihm auch den Karton und die Bretter herrichtet. Ich war aber gern
damit einverstanden, der Dreck geht wegzuputzen, aber diesen Unterstand kann er
immer wieder nach seinem Wunsch umbauen und ich muß sagen, er hat so geschickt
gebaut, daß es direkt natürlich wirkt. Zwischen dem Moos sind größere Steine
verteilt, dann gibt es kleinere und größere Vertiefungen, an der Seite läuft
ein Weg, also wirklich fein. Ich finde das viel schöner als so einen gekauften,
hölzernen Unterstand. Der bleibt sich doch immer gleich und man kann nicht viel
damit anfangen.
In der Schule gefällt es Jörg ganz gut. Er
macht auch seine Aufgaben bis jetzt sehr ordentlich. Leider träumt er dabei
genau so, wie früh beim an und abends beim Ausziehen. Man muß ihn immer wieder
stupfen und ab und zu anranzen. So kommt es, daß er für 4 - 5 Zeilen bis zu 3
Stunden braucht, während er, wenn er hintereinander schreibt, recht schnell mit
einer Zeile fertig ist. Na, vorläufig bin ich erst einmal froh, daß er es
ordentlich macht.
Morgen oder übermorgen will ich mit den
Kindern in den Film „Stukas“ gehen. Messe ist ja nächste Woche auch. Da freuen
sie sich natürlich auch schon drauf.
Es ist schon wieder 1/4 11 geworden. Da
will ich schnell den Brief noch wegbringen.
Sei für heute wieder recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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