Mein liebster Ernst! Konstanz,
den 4.9.41
Heute Morgen kam Dein liebes Päckchen mit
Deinem Bild an. Aber da habe ich mich doch riesig gefreut. Das war wirklich
eine feine Überraschung. Ich muß das Bild die ganze Zeit ansehen, so gut gefällt
es mir. Das Geschenk hast Du Dir wirklich fein ausgedacht. Eine größere Freude
hättest Du mir gar nicht machen können. Schade, daß ich Dir nicht persönlich
dafür danken kann. Damit wird es ja wahrscheinlich in nächster Zeit nichts, wie
ich wenigstens aus dem Brief an Helga, der heute Nachmittag ankam, entnehmen
kann. Du schreibst ja, daß Du jetzt schlecht dort fort kannst. Das war ja für
mich eine große Enttäuschung, denn ich habe die letzte Zeit immer in der
Hoffnung gelebt, daß Du bald Urlaub bekommen würdest. Aber auch mit dieser
Enttäuschung muß ich wieder fertig werden und eben weiter hoffen. Es fällt nur
zuerst ein bißchen schwer.
Helga hat sich über Deinen Brief sehr
gefreut und sie ist nun natürlich auf das Päckchen gespannt. Sie hat sich schon
vorgenommen, Dir recht bald wieder zu schreiben. Auch Jörg will Dir bald
schreiben und Dir zeigen, was er in der Schule schon gelernt hat. Was Jörg sich
manchmal für Gedanken macht, kannst du aus folgendem Ausspruch erkennen. Vorhin
machte er Schulaufgaben, auf einmal fing er an: „Mutterle, weißt Du, da sagen doch manchmal die Kinder, wenn ich
du wäre, würde ich das ganz anders machen. Das ist doch aber gar nicht wahr,
wenn er ich wäre, hätte er doch die gleichen Gedanken wie ich und würde
dasselbe machen. So einen Unsinn reden die Kinder nun.“
Wenn ich es selber nicht gehört hätte,
würde ich niemals glauben, daß so ein kleiner Kerl sich schon so Gedanken
macht.
Heute Nachmittag kam noch Dein lieber
Brief vom 1.9. Recht vielen Dank.
Ich war etwas voreilig, als ich schrieb,
daß der helle Pullover von Jörg nicht mehr mitmachen will. Ich habe ihn noch einmal
gründlich überholt und nun hält er diesen Winter bestimmt noch. Der Rumpfteil
ist ja überhaupt noch ganz prima, so daß
ich nächstes Jahr vielleicht nur ein paar neue Ärmel einstricken muß. Lange hat
er den Pullover ja schon, aber gute Wolle hält auch lange.
Ich halte es nicht für günstig, wenn Du
Dich dort wegen eines Mantelstoffes für mich umsiehst, dann lieber nach einem
fertigen Mantel. Ich möchte mir den Mantel nicht selber nähen, denn ich habe
schon so viel noch für die Kinder daliegen, daß es mir viel zu viel werden
würde. Und mit dem Machenlassen ist es so, daß man, wenn man schon eine
richtige Schneiderin findet, ewig warten muß, bis er fertig ist. Die Farbe ist
mir an und für sich gleich. Du hast ja auch einen guten Geschmack. Es soll
etwas sein, was man länger tragen kann, ohne daß es einem über wird. Du weißt
ja, daß die Sachen bei mir ziemlich
lange halten und wenn es dann eine Farbe ist, die schnell abbleicht, so ist es
natürlich nicht das richtige. Zu eng soll der Mantel natürlich auch nicht sein,
damit ich etwas Warmes noch drunter ziehen kann. Lieber eine Nummer größer,
denn etwas abnähen könnte ich ihn mir immer noch.
An die neue Lehrerin hat sich Helga schon
gewöhnt. Sie ist scheinbar ganz nett. Es soll noch eine ganz junge Lehrerin
sein, so ungefähr in meinem Alter. Der Schulweg ist natürlich etwas weit. Ich
habe es aber jetzt öfter so gemacht, daß ich mich mit dem Einkaufen nach ihrem Schulanfang
gerichtet habe. Da lasse ich sie hinten aufs Rad sitzen und fahre sie hin.
Heute habe ich es so gemacht, daß ich Jörg nach der Schule gefahren und
hinterher gleich Helga unterwegs mit nach hause genommen habe.
Wir haben die letzten Tage immer schönes
Wetter gehabt. Dein Wunsch nach schönem Wetter wäre also erfüllt. Nur Du bist
nicht da. Pflaumenkuchen gibt es morgen auch wieder. Es ist also alles da, was
Du gern hättest. Wenn man nur den Urlaub auch nach seinen Wünschen einrichten
könnte.
Der Bilderrahmen Deines Bildes ist auch
originell. Ich habe hier noch nie einen solchen gesehen. Ist er eigentlich aus
Leder? Er gefällt mir gut. Das Bild ist wirklich eine schöne Erinnerung an
unseren Hochzeitstag. Ich muß Dir immer wieder dafür danken. Du bist doch ein
lieber Kerl.
Sei nun für heute wieder herzlich gegrüßt
und geküßt von Deiner Annie.
Ich danke Dir auch für das gesandte
Briefpapier. Ich kann es gut gebrauchen.
Liebes
Vaterle! Weil ich noch keinen Brief schreiben kann, schreibt jetzt die Mutter.
Und dann schreibe ich drunter was ich gelernt habe. Gestern haben wir 4 Zeilen
kleine Kreise auf der Rechenseite und auf der Schreibseite haben wir „I“
aufgehabt. Heute haben wir „e“ auf, 5 Reihen.
Mein liebster Mann ! Konstanz, 5.9.41
Ich erhielt heute Nachmittag Deinen lieben
Brief vom 2.9. Du hast also auch einen Durchschlag des Briefes von meinen
Eltern bekommen. Ich hatte mich über den Brief auch gefreut. Es ist so, wie Du
schreibst, jeder hat eben eine andere Art und die Hauptsache ist ja, daß es gut
gemeint ist.
Heute kam auch ein Paket von den Eltern.
Sie schickten Zeitungen, dazu ein älteres Inlett, das aber noch sehr gut ist.
Ich hatte in Leipzig mit Mama gesprochen, daß ich kein Inlett bewilligt
bekomme, darum schickte sie es mir mit. Für Helga und Jörg haben sie noch je 3
Hemden geschickt. Für Helga und mich zum Geburtstag noch je 3,- Mk. Außerdem
waren die Bilder vom Zoo mit dabei, von denen ich Dir heute eins mitschicke.
Ich will Dir überhaupt noch vom Geburtstag
erzählen. Heute
Morgen haben wir beschert. Helga hat sich
sehr gefreut. Sie hat jetzt im Ganzen bekommen: Ein Buch, ein Spiel, eine
Tasche, einen Ball, eine Kaffeekanne (die von Alice, der Pudel) Pralinen,
Bonbons, Gebäck, Pflaumen, von den Eltern 3,-, von Vater Pralinen und 1,50 Mk.
Dein Päckchen ist leider noch nicht angekommen. Dein Bild haben wir den ganzen Tag mit auf den Geburtstagstisch
gestellt, damit Du doch wenigstens mit dabei bist.
Jetzt sind die Kinder in die Stadt
gefahren und wollen für meinen Geburtstag etwas kaufen. Ich habe nicht
mitdürfen. Vorhin kam Vater. Ich habe für ihn gleich noch Brot und Milch
mitgebracht, da brauchte er doch nicht erst noch in die Stadt. Er hat sich
jetzt noch eine Weile ausgeruht und will nun heimgehen. Soeben sind auch die Kinder
heimgekommen. Sie haben natürlich sehr geheimnisvoll getan und ich durfte ja
nicht gucken. Wir wollen nun essen. Es gibt noch einmal Pflaumenkuchen.
Ich mache nun wieder Schluß. Sei recht
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen