Dienstag, 1. März 2016

Brief 133 vom 25./26.2.1941


Mein lieber Ernst!                                                                                           25.Febr. –             

Heute morgen kam der Briefträger wie ein Weihnachtsmann und schüttete den Sack mit Geschenken, in dem Fall Deine Päckchen, aus. Er kam tatsächlich mit einem Sack. 15 Päckchen brachte er auf einmal. Nr. 1, 2, 3, 6, 10, 11, 13, 14, 15, 16, 19, 20 und 3 ohne Nummer. Ich habe direkt zu tun gehabt, bis ich alles ausgepackt hatte. Es fehlen noch 6 Päckchen. Hemden von Dir sind angekommen, Handtücher, Unterhosen, Rasierseife usw. Der Schlafanzug ist noch nicht dabei. Wenn alles beisammen ist, schicke ich es Dir. Muß ich Dir auch die 2 Paar wollene Strümpfe mitschicken, die auch mit angekommen sind? Eine Tüte Feigen waren auch dabei, Die haben wir schon verdrückt. Sie haben gut geschmeckt. Von dem Pfeffer habe ich zwei Tütchen aufgemacht. Da ist mein Gewürzgläschen  schwer voll geworden. Mit dem Pfeffer reiche ich mindestens 5 Jahre. In so kleinen Tütchen ist eine ganze Masse drin. Ein bißchen Pfeffer war schon ins Papier gefallen. Der hat mir und Jörg beim Auspacken in der Nase gebissen. Den ungebrannten Kaffee habe ich einstweilen in zwei Kartons getan. Er verriecht ja nicht. Das gesandte Fett ist Schweinefett. Ich kann es also gut verwenden. Auch 1 kg Zucker ist angekommen, ebenso Büchsenmilch und verschiedene Konserven.
Ich möchte Dir nochmals für die gesandten Sachen danken. Sie machen mit alle Freude.
Vorher kam ein Brief von Kurt an. Er ist noch in seinem alten Quartier. In ganz kurzer Zeit fahren sie aber ab. Er schreibt sein künftiger Standort noch ein ganzen Teil weiter sein wird, wie dort, wo Du warst. Vielleicht hast Du noch Gelegenheit, Dich mit ihm zu treffen.
Er schreibt dann noch weiters: „ Wenn es Dir möglich ist, schreibe doch mal an Nanni ein Paar Zeilen, vielleicht von den Kindern oder sonst etwas, sie wird sich bestimmt darüber freuen und nötig hat sie es.“ Ich weiß nun wirklich nicht, wie ich schreiben soll. Erstens schon die Anrede. Schreibe ich Du oder Sie. Nanni ist mir eben doch ganz fremd. Gib mir mal Deine Meinung darüber bekannt.
Es ist mir ein ganz eigentümliches Gefühl, daß ich Dir nicht mehr jeden Tag schreibe. Ich muß mich erst daran gewöhnen. Du hast ja nun bald Deinen zweiten Unterrichtstag hinter Dir. Hoffentlich gefällt es Dir einigermaßen. Ich wünsche es Dir jedenfalls recht sehr.
Das ist nun mein erster Brief in Stenografie. Hoffentlich kannst Du alles lesen. Es geht soweit noch ganz gut. Nur meine einzelnen Kürzel habe ich noch manchmal nachgesehen. Wenn du es lesen kannst, wäre ich ja froh, wenn ich Dir weiter so schreiben dürfte, denn ich merke, daß das eine ganz schöne Übung sein würde.
Jetzt ist es wieder Zeit zum Schlafengehen. Vielleicht bekomme ich morgen schon Nachricht von Dir. Der Brief von Kurt ist am 24.2. 21 Uhr abgestempelt und heute habe ich ihn schon erhalten. Hoffen wir das Beste. Gute Nacht , mein lieber Mann.  

Mein lieber Ernst!                                                                                           26.2.
      
 Heute Morgen habe ich auch noch keinen Brief von Dir bekommen. Nur das Päckchen Nr. 18 mit zwei Büchern ist eingegangen. Der Briefträger fragte mich, warum die Päckchen nicht den Stempel Deiner Dienststellen tragen. Wenn sie auf das Zollamt kommen, müßte ich Zoll zahlen, wenn der Stempel fehlt. Ich habe ihm gesagt, daß meist nur Sachen  drin sind, die Du zurückgeschickt hast und daß es nicht so schlimm sei, wenn sie zum Zoll kämen. Der Briefträger tat nämlich so geheimnisvoll. Wir haben ja schließlich nichts zu verbergen.
Jörg und Helga haben Dir Bilder gemalt, die ich Dir mitschicke. Gefallen Dir die Vögel nicht? Er hat sie aus dem Buch abgemalt, also nicht durchgemalt. Er hat sie ganz gut fertiggebracht.
Die letzten Tage war es bei uns ziemlich kühl. Du bist ja nicht weit fort, so wird es wohl bei Dir ebenso sein. Heute Morgen hatte es Raureif und Nebel. Jetzt ist die Sonne durchgekommen. Da erwärmt es sich gleich ein bißchen. Jörg geht dann auch gleich wieder runter, er will doch das gute Wetter ausnutzen. Wir haben uns alle ein bißchen erkältet, Helga und ich haben den Schnupfen, Jörg den Husten.
Heute morgen habe ich meinen neuen Rock soweit genäht. Mit dem Reißverschluß hapert es noch. In der Farbe des Rocks konnte ich keinen bekommen. Wahrscheinlich werde ich einen schwarzen nehmen. Dazu ist mir auch geraten worden.
Soeben ist Dein lieber Brief vom 25.2. angekommen. Ebenso das Päckchen Nr. 17. Ich freue mich, daß ich wieder Nachricht von Dir habe.
Das war für Dich sicher eine Überraschung, als Du die Leute aus Lille auf der Bahn getroffen hast. Daß die schon nach Deutschland fahren dürfen. Ich dachte immer, das ginge noch gar nicht.
Ein Zimmer hast Du also auch gefunden. Wie kommst Du Dir als Untermieter vor? Doch sicher ein bißchen eigenartig.
Die Adresse von Kurt ist: Blankenloch bei Karlsruhe, Witzenstr.7. Es ist ja fraglich, ob Du Kurt noch antriffst. Schön wäre es ja schon, wenn Ihr Euch noch treffen könntet.
Ich habe Deinen Brief gut lesen können, wenn auch mache Sigel ganz anders sind. Hoffentlich geht es Dir mit meinem Brief genau so.
Ich schließe nun für heute, denn ich möchte den Brief noch fortbringen, damit Du ihn bald erhältst.
Lasse Dir`s nicht zu schwer werden und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


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