Mein lieber Ernst! Konstanz, 21.3.41
Vor dem Sonntag will ich Dir noch einen Brief schreiben. Viel gibt es ja nicht zu
berichten, aber vielleicht freust Du Dich auch so.
Gestern Nachmittag habe ich das Päckchen
für Dich weggeschafft. 1/2 6 Uhr wollten wir doch beim Kohlenhändler sein. Wir
sind dann aber eher hingegangen und zwar schon um 1/2 5 Uhr. Wir haben dann die
Kohlen zum Vater hingefahren und als er aus dem Geschäft kam, standen die Kohlen
schon vor seiner Tür. Er hat sich darüber gefreut. Ich habe ihm dann noch mit
runter tragen geholfen. Ich habe dann die Kinder wieder heim gefahren und Vater
hat mir das Bügelbrett gleich mitgegeben. Das habe ich mir heute neu bezogen.
Jetzt sieht es wieder ganz sauber aus. Ich war gestern Abend so müde, daß ich
schon 1/4 9 Uhr schlafen gegangen bin. Ich habe mich einmal richtig ausgeschlafen
und heute Morgen hatte ich sogar einmal rote Backen.
Heute habe ich schon alles für den Sonntag
eingekauft, so daß ich morgen gar nicht fortfahren muß, so daß wir gut in den
Wald gehen können. Am Nachmittag habe ich im Garten geschafft und zwar hinter
dem Haus. Ich habe mehrere Beete fertiggemacht. Heute Abend habe ich die
Zwiebeln vom Speicher geholt, die ich nun bald stecken werde.
Heute war in allen Häusern auch ein
Schutzmann, der die Luftschutzmaßnahmen nachgeprüft hat. Natürlich hat nichts
geklappt. Wasser und Sand hat überall gefehlt. Sand haben nun die Kinder heute
Nachmittag geholt. Wasser müßten wir gelegentlich auch jeden Tag und jede Nacht
draußen stehen haben, aber ich habe gesagt, daß ich soviel Gefäße nicht habe
und die vorhandenen am Tag brauche. Da hat er sich damit zufrieden gegeben, daß
wir bei Nacht Wasser rausstellen.
Ich gehe nachher auch bald wieder schlafen,
denn ich bin auch heute müde. Ich will nur noch abwaschen und den Brief zum Briefkasten bringen. Der wird morgen
früh gleich geleert, vielleicht kommt der Brief dann noch am Sonntag bei Dir
an. Zum Schreiben an die Eltern bin ich noch nicht gekommen, vielleicht
schreibe ich gleich mal morgen früh.
Was wirst Du wohl am Sonntag tun? Verlebe
ihn jedenfalls gesund und froh. Sei Du, mein lieber, lieber Schatz, von uns
allen recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt und besonders von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst!
Konstanz, den 23.3.41
Ich schreibe Dir heute einmal mit der
Schreibmaschine. Das wirst Du mir sicher nicht übel nehmen. Nachher will ich
noch an die Eltern schreiben, aber vorher sollst Du Bericht von gestern und
heute von uns haben.
Gestern Nachmittag sind wir in den Wald
gegangen. Unterwegs fing es ein bißchen an mit regnen. Das hat uns aber
nichts gemacht. Wir sind den Weg
gegangen, wie am vorigen Sonntag. Lungenkraut hat es noch ganz wenig gegeben.
Da haben wir keins gepflückt, denn es waren meist nur zwei Blüten dran. Da
lassen wir´s lieber noch ein bißchen wachsen. Wir haben dann Zapfen in zwei
Rucksäcken und zwei Taschen gesammelt und sind wieder heim gegangen. Ich weiß
nicht, macht es das Frühjahr, aber wir waren alle ganz müd, als wir heimkamen.
Gestern Abend kam noch Vater. Die Kinder
waren noch munter. Da hat er wieder jedem 15 Pfg. gegeben, trotzdem sie am
Donnerstag 15 Pfg. bekommen hatten. Außerdem hat er für uns zusammen noch 50
Pfg. gegeben für heute in die Kaserne. Ich sagte zu Vater, daß er das doch sein
lassen sollte, da sich die Kinder ja schon aus ihrer Sparbüchse Geld genommen
haben. Da sagt Jörg auf einmal: Das ist doch gleich, Geld können wir schon noch
gebrauchen zum reiten und so. Ich kann Dir sagen, ich war baff.
Heute früh sind wir schon um 6 Uhr
aufgestanden. Um 1/2 8 Uhr marschierten die Soldaten zum großen Wecken von der
Klosterkaserne ab, da wollten unsere Beiden doch mitgehen. Sie sind dann um 7
Uhr fort und waren um 9 Uhr wieder da. Ich habe mich dann fertig gemacht und
1/2 11 sind wir zusammen in die Klosterkaserne gegangen. Erst stand ich ja
ziemlich ratlos zwischen den ganzen Gebäuden, aber dann habe ich mich schon
reingefunden. Zuerst haben wir uns die Ställe angesehen. Erst die mit den
kranken Pferden und dem Operationsraum, dann die anderen. Es hat da wirklich
feine Pferde. Dann sind wir gerade zur Quadrille zu Recht gekommen. Das war
auch fein. Hinterher ging´s zum essen. Na, das war besonders lustig. Ein schieben
und drängen. Ich hab´s ja von der lustigen Seite genommen und habe lachen
müssen, aber manche haben natürlich gebrummt und geschimpft. Erst habe ich mich
mal durchgedrängt damit ich Teller bekam. Die Kinder hatte ich solange in eine
Ecke gestellt, damit ich sie wiederfinden konnte. Dann hatte ich die Teller und
auch Essen haben wir uns geholt. Nun hatten wir aber noch keinen Platz. Mit ein
bißchen Geduld ging´s aber dann auch. Da haben wir nun gegessen. Es gab
Gemüseeintopf. Er war gut. Den Kindern hat es auch geschmeckt. Jörg war ganz
satt und Helga hat nicht einmal alles aufessen können. Ich habe dann die paar
Löffel noch mit gegessen. Wir mußten dann Platz machen und haben uns einmal die
Unterkünfte angesehen. Es war gar nicht so eng, wie ich mir´s immer vorgestellt
habe. Als wir beim anschauen waren, kamen wir an einem Zimmer vorbei.
Mein lieber Ernst!
Bevor ich nun den Brief wegschaffe, will
ich doch noch ein paar herzliche Grüße beifügen. Es hat nun schon wieder die
neue Woche begonnen. Die vergangene Nacht hat es zwar geschneit. Jetzt hellt es
sich scheinbar ein wenig auf. Ich will nachher noch in die Stadt fahren zum Einkaufen.
Auch muß ich einen Zettel aufs Rathaus bringen, den man mir zum Unterschreiben
geschickt hat wegen der Kinderbeihilfe.
Es steht nur drauf, für welche Kinder ich
Beihilfe bekomme. Bei Kindern über 14 Jahren muß man ausfüllen, ob sie eigenen
Verdienst haben usw. Das kommt ja bei uns noch nicht in Frage. Eigentlich
wissen es die ja selber, daß ich für Helga und Jörg Beihilfe bekommen muß, aber
es muß eben alles schriftlich festgehalten sein.
Du, am Samstag stand in den
Standesamtnachrichten auch die Heirat von einem, den Du kennst und so gut
leiden kannst: Der Ernzer hat geheiratet, dieser blöde Kerl.
Bei uns im Haus herrscht jetzt Treiben.
Jeder räumt nochmals seinen Speicher auf, damit es keine Beanstandung gibt. Ich
habe ja soweit alles aufgeräumt. Runterräumen kann ich nichts mehr, denn ich
wüßte gar nicht, wo ich es hinstellen sollte. Ich muß nur noch sehen, ob ich
einen Emailleeimer bekomme für Wasser auf dem Speicher. Sollte ich keinen bekommen,
können sie mir auch nichts anhaben, wenn ich kein Wasser raufstellen kann.
Meinen guten Zinkeimer opfere ich nicht, die rosten nämlich gleich, wenn eine
zeitlang Wasser drin stehen bleibt. Nun wird es aber Zeit, daß ich fort komme.
Nimm nochmals recht herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deiner immer an Dich
denkenden Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 25.März 41
Heute hatte ich ganz bestimmt damit
gerechnet, einen Brief von Dir zu erhalten, da es in den vergangenen Wochen
immer so war, aber man muß eben nicht so bestimmt mit etwas rechnen, natürlich
ist es nicht eingetroffen.
Gestern erhielt ich einen Brief von Kurt,
in dem er schreibt, daß er mein Päckchen und Briefe von mir und Vater am 17. bzw.
18. erhalten hat. Die Sachen sind 15 Tage unterwegs gewesen. Es tut mir ja
leid, daß er nichts am Geburtstag erhalten hat. Ich habe ihm nun gleich wieder
geschrieben. Morgen werde ich wahrscheinlich schon Ostergebäck backen, damit er
diesmal wenigstens rechtzeitig hinkommt.
Kurt schreibt noch, daß er am 18. auch
Post von Dir erhalten hat und am 17. von seinen Quatierleuten, die ihm
schreiben, er soll Dir sagen, daß Du am 20.3. zum Schlachtfest eingeladen bist.
Natürlich ist es nun zu spät. Er schreibt weiter, daß ich ihm doch von den
Kindern etwas schreiben soll. Auch an Nanni soll ich von dem Garten und den
Kindern erzählen. Ich habe ihm nun geantwortet und schicke Dir den Durchschlag
mit. Ist der Brief richig?
Heute bin ich gar nicht fortgekommen. Ich
habe gestopft und genäht. Da ist der Tag schnell vergangen. Die Zwiebeln habe
ich noch nicht gesteckt. Es ist noch ziemlich kalt. Herr Schwehr hatte doch
schon seine Zwiebeln gesteckt, als Du hier warst. Ich habe sie mir heute einmal
angesehen. Sie haben alle noch nicht getrieben. Es ist eben doch noch ziemlich
kalt. Ich warte noch bis Anfang April. Da ist es sicher auch noch zeitig genug.
Wir sind jetzt wieder in die Küche
übergesiedelt. Ein bißchen heizen muß ich doch noch. Da habe ich mir gedacht:
Warum muß ich in der Küche frieren. Da heize ich in der Küche ein bißchen und
da können wir uns alle darin aufhalten. Im Winter war es ja etwas anderes. Da
hatte ich in der Küche zuviel Feuerung gebraucht. Das Eigenartige ist, daß
Helga jetzt, wenn ich in der Küche bin, besser einschläft als erst. Eigentlich
sollte doch das Gegenteil eintreten, da es früher doch ganz ruhig in der Küche war.
Ich gehe in letzter Zeit meist ziemlich
zeitig schlafen. Meist nach 9 Uhr. Ich bin auch jetzt viel müde. Zu was soll
ich mich da hinsetzen. Da schlafe ich mich lieber aus.
Heute ist doch Jugoslawien in den Dreimächtepakt
eingetreten. Da werden die Engländer einen Zorn haben. Sie haben es doch mit
allen Mitteln zu verhindern versucht. Es hat ihnen aber auch diesmal nichts
genutzt. Ich gehe nun schlafen. Gute Nacht, mein liebster, bester Schatz. Wach
gesund wieder auf.
Lieber Ernst! 26. März
Heute bekam ich Deinen lieben Brief vom
Sonntag. Bei Dir ist das Wetter noch viel schlechter gewesen als bei uns. So
fest hat es bei uns nicht geregnet. Unsere Kasernen waren gut besucht. Durch
die Besichtigung der Kasernen, dem Reiten usw. ohne den Manöverball, sind 11700
Mk reingekommen. Heute steht in der Zeitung, daß Konstanz, mit dem Verkauf der
Abzeichen und der Besichtigung der Kasernen 19000 Mk. zusammengebracht hat. Das
ist mehr als im vorigen Jahr der ganze Kreis Konstanz gesammelt hat. Da siehst
Du, daß der Besuch gut war. Die Kinder danken Dir auch recht sehr für das Geld.
Sie haben nun gar keine Auslagen gehabt. Du bist eben doch immer wieder ein
ganz lieber Kerl.
Heute habe ich meine 10 Zentner Kohlen
bekommen. Da muß ich nachher gleich schichten, denn ich kann die Kellertür gar nicht
zumachen.
Ich habe Dir heute den Zahnschein besorgt
und schicke ihn mit. Hoffentlich hast Du jetzt keine Zahnschmerzen mehr. Es ist
schon gut, daß Du es jetzt machen lassen kannst.
Du schreibst wegen des Kommens zu Ostern.
Mit richtigem Fahrschein wirst Du doch fahren können, wenn Du keinen anderen
bekommst, nicht wahr? Aufs Geld kommt´s dann auch nicht darauf an. Die
Hauptsache ist doch, daß wir Dich hier haben. Komme also ganz bestimmt, hörst
Du!
Für Kurt habe ich heute ein bißchen
gebacken. Die werde ich wahrscheinlich morgen wegschicken. Dir schicke ich ja
morgen auch einen Kuchen. Da bekommst Du eine Kostprobe von dem Gebäck für Kurt
mit. Du mußt doch prüfen, ob ich mich damit auch nicht blamiere. Für uns werde
ich zu Ostern auch solche Eier backen. Das sieht doch wenigstens ein bißchen
nach Ostern aus. Schokolade Sachen wird es dieses Jahr doch nicht geben, mit
Zuckersachen ist es auch noch nicht sicher.
Nach Deinem Brief zu urteilen, bekommst Du
also doch noch Frontzulage, die Herrn
Graser ausgezahlt wird. Ich hatte schon das Geld für ihn für alle Fälle
zusammengelegt. Wenn wir die nicht brauchen, schaffe ich die auf die Sparkasse.
Das ist aber nicht so eilig. Vielleicht brauchst Du es auch zur Reise hierher
zu uns zu Ostern.
Nun will ich mich gleich an die Arbeit des
Kohleschichtens machen, damit ich nachher noch in die Stadt fahren kann. Sei
für heute wieder recht herzlich gegrüßt und viel, viel, vielmals geküßt von
Deiner Annie.
Lieber
Vater! Wir haben uns sehr über das Geld gefreut, wir danken Dir. Viele Grüße
und viele Küsse von Deiner Helga und Jörg.
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