Dienstag, 22. März 2016

Brief 140 vom 21./23./25./26.3.1941


Mein lieber Ernst!                                                                   Konstanz, 21.3.41                

Vor dem Sonntag  will ich Dir noch einen Brief schreiben. Viel gibt es ja nicht zu berichten, aber vielleicht freust Du Dich auch so.
Gestern Nachmittag habe ich das Päckchen für Dich weggeschafft. 1/2 6 Uhr wollten wir doch beim Kohlenhändler sein. Wir sind dann aber eher hingegangen und zwar schon um 1/2 5 Uhr. Wir haben dann die Kohlen zum Vater hingefahren und als er aus dem Geschäft kam, standen die Kohlen schon vor seiner Tür. Er hat sich darüber gefreut. Ich habe ihm dann noch mit runter tragen geholfen. Ich habe dann die Kinder wieder heim gefahren und Vater hat mir das Bügelbrett gleich mitgegeben. Das habe ich mir heute neu bezogen. Jetzt sieht es wieder ganz sauber aus. Ich war gestern Abend so müde, daß ich schon 1/4 9 Uhr schlafen gegangen bin. Ich habe mich einmal richtig ausgeschlafen und heute Morgen hatte ich sogar einmal rote Backen.
Heute habe ich schon alles für den Sonntag eingekauft, so daß ich morgen gar nicht fortfahren muß, so daß wir gut in den Wald gehen können. Am Nachmittag habe ich im Garten geschafft und zwar hinter dem Haus. Ich habe mehrere Beete fertiggemacht. Heute Abend habe ich die Zwiebeln vom Speicher geholt, die ich nun bald stecken werde.
Heute war in allen Häusern auch ein Schutzmann, der die Luftschutzmaßnahmen nachgeprüft hat. Natürlich hat nichts geklappt. Wasser und Sand hat überall gefehlt. Sand haben nun die Kinder heute Nachmittag geholt. Wasser müßten wir gelegentlich auch jeden Tag und jede Nacht draußen stehen haben, aber ich habe gesagt, daß ich soviel Gefäße nicht habe und die vorhandenen am Tag brauche. Da hat er sich damit zufrieden gegeben, daß wir bei Nacht Wasser rausstellen.
Ich gehe nachher auch bald wieder schlafen, denn ich bin auch heute müde. Ich will nur noch abwaschen und den Brief  zum Briefkasten bringen. Der wird morgen früh gleich geleert, vielleicht kommt der Brief dann noch am Sonntag bei Dir an. Zum Schreiben an die Eltern bin ich noch nicht gekommen, vielleicht schreibe ich gleich mal morgen früh.
Was wirst Du wohl am Sonntag tun? Verlebe ihn jedenfalls gesund und froh. Sei Du, mein lieber, lieber Schatz, von uns allen recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt und besonders von Deiner Annie.


 Mein lieber Ernst!                                                           Konstanz, den 23.3.41

Ich schreibe Dir heute einmal mit der Schreibmaschine. Das wirst Du mir sicher nicht übel nehmen. Nachher will ich noch an die Eltern schreiben, aber vorher sollst Du Bericht von gestern und heute von uns haben.
Gestern Nachmittag sind wir in den Wald gegangen. Unterwegs fing es ein bißchen an mit regnen. Das hat uns aber nichts  gemacht. Wir sind den Weg gegangen, wie am vorigen Sonntag. Lungenkraut hat es noch ganz wenig gegeben. Da haben wir keins gepflückt, denn es waren meist nur zwei Blüten dran. Da lassen wir´s lieber noch ein bißchen wachsen. Wir haben dann Zapfen in zwei Rucksäcken und zwei Taschen gesammelt und sind wieder heim gegangen. Ich weiß nicht, macht es das Frühjahr, aber wir waren alle ganz müd, als wir heimkamen.
Gestern Abend kam noch Vater. Die Kinder waren noch munter. Da hat er wieder jedem 15 Pfg. gegeben, trotzdem sie am Donnerstag 15 Pfg. bekommen hatten. Außerdem hat er für uns zusammen noch 50 Pfg. gegeben für heute in die Kaserne. Ich sagte zu Vater, daß er das doch sein lassen sollte, da sich die Kinder ja schon aus ihrer Sparbüchse Geld genommen haben. Da sagt Jörg auf einmal: Das ist doch gleich, Geld können wir schon noch gebrauchen zum reiten und so. Ich kann Dir sagen, ich war baff.
Heute früh sind wir schon um 6 Uhr aufgestanden. Um 1/2 8 Uhr marschierten die Soldaten zum großen Wecken von der Klosterkaserne ab, da wollten unsere Beiden doch mitgehen. Sie sind dann um 7 Uhr fort und waren um 9 Uhr wieder da. Ich habe mich dann fertig gemacht und 1/2 11 sind wir zusammen in die Klosterkaserne gegangen. Erst stand ich ja ziemlich ratlos zwischen den ganzen Gebäuden, aber dann habe ich mich schon reingefunden. Zuerst haben wir uns die Ställe angesehen. Erst die mit den kranken Pferden und dem Operationsraum, dann die anderen. Es hat da wirklich feine Pferde. Dann sind wir gerade zur Quadrille zu Recht gekommen. Das war auch fein. Hinterher ging´s zum essen. Na, das war besonders lustig. Ein schieben und drängen. Ich hab´s ja von der lustigen Seite genommen und habe lachen müssen, aber manche haben natürlich gebrummt und geschimpft. Erst habe ich mich mal durchgedrängt damit ich Teller bekam. Die Kinder hatte ich solange in eine Ecke gestellt, damit ich sie wiederfinden konnte. Dann hatte ich die Teller und auch Essen haben wir uns geholt. Nun hatten wir aber noch keinen Platz. Mit ein bißchen Geduld ging´s aber dann auch. Da haben wir nun gegessen. Es gab Gemüseeintopf. Er war gut. Den Kindern hat es auch geschmeckt. Jörg war ganz satt und Helga hat nicht einmal alles aufessen können. Ich habe dann die paar Löffel noch mit gegessen. Wir mußten dann Platz machen und haben uns einmal die Unterkünfte angesehen. Es war gar nicht so eng, wie ich mir´s immer vorgestellt habe. Als wir beim anschauen waren, kamen wir an einem Zimmer vorbei. 
Mein lieber Ernst!
Bevor ich nun den Brief wegschaffe, will ich doch noch ein paar herzliche Grüße beifügen. Es hat nun schon wieder die neue Woche begonnen. Die vergangene Nacht hat es zwar geschneit. Jetzt hellt es sich scheinbar ein wenig auf. Ich will nachher noch in die Stadt fahren zum Einkaufen. Auch muß ich einen Zettel aufs Rathaus bringen, den man mir zum Unterschreiben geschickt hat wegen der Kinderbeihilfe.
Es steht nur drauf, für welche Kinder ich Beihilfe bekomme. Bei Kindern über 14 Jahren muß man ausfüllen, ob sie eigenen Verdienst haben usw. Das kommt ja bei uns noch nicht in Frage. Eigentlich wissen es die ja selber, daß ich für Helga und Jörg Beihilfe bekommen muß, aber es muß eben alles schriftlich festgehalten sein.
Du, am Samstag stand in den Standesamtnachrichten auch die Heirat von einem, den Du kennst und so gut leiden kannst: Der Ernzer hat geheiratet, dieser blöde Kerl.
Bei uns im Haus herrscht jetzt Treiben. Jeder räumt nochmals seinen Speicher auf, damit es keine Beanstandung gibt. Ich habe ja soweit alles aufgeräumt. Runterräumen kann ich nichts mehr, denn ich wüßte gar nicht, wo ich es hinstellen sollte. Ich muß nur noch sehen, ob ich einen Emailleeimer bekomme für Wasser auf dem Speicher. Sollte ich keinen bekommen, können sie mir auch nichts anhaben, wenn ich kein Wasser raufstellen kann. Meinen guten Zinkeimer opfere ich nicht, die rosten nämlich gleich, wenn eine zeitlang Wasser drin stehen bleibt. Nun wird es aber Zeit, daß ich fort komme. Nimm nochmals recht herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deiner immer an Dich denkenden Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                            Konstanz, 25.März 41

Heute hatte ich ganz bestimmt damit gerechnet, einen Brief von Dir zu erhalten, da es in den vergangenen Wochen immer so war, aber man muß eben nicht so bestimmt mit etwas rechnen, natürlich ist es nicht eingetroffen.
Gestern erhielt ich einen Brief von Kurt, in dem er schreibt, daß er mein Päckchen und Briefe von mir und Vater am 17. bzw. 18. erhalten hat. Die Sachen sind 15 Tage unterwegs gewesen. Es tut mir ja leid, daß er nichts am Geburtstag erhalten hat. Ich habe ihm nun gleich wieder geschrieben. Morgen werde ich wahrscheinlich schon Ostergebäck backen, damit er diesmal wenigstens rechtzeitig hinkommt.
Kurt schreibt noch, daß er am 18. auch Post von Dir erhalten hat und am 17. von seinen Quatierleuten, die ihm schreiben, er soll Dir sagen, daß Du am 20.3. zum Schlachtfest eingeladen bist. Natürlich ist es nun zu spät. Er schreibt weiter, daß ich ihm doch von den Kindern etwas schreiben soll. Auch an Nanni soll ich von dem Garten und den Kindern erzählen. Ich habe ihm nun geantwortet und schicke Dir den Durchschlag mit. Ist der Brief richig?
Heute bin ich gar nicht fortgekommen. Ich habe gestopft und genäht. Da ist der Tag schnell vergangen. Die Zwiebeln habe ich noch nicht gesteckt. Es ist noch ziemlich kalt. Herr Schwehr hatte doch schon seine Zwiebeln gesteckt, als Du hier warst. Ich habe sie mir heute einmal angesehen. Sie haben alle noch nicht getrieben. Es ist eben doch noch ziemlich kalt. Ich warte noch bis Anfang April. Da ist es sicher auch noch zeitig genug.
Wir sind jetzt wieder in die Küche übergesiedelt. Ein bißchen heizen muß ich doch noch. Da habe ich mir gedacht: Warum muß ich in der Küche frieren. Da heize ich in der Küche ein bißchen und da können wir uns alle darin aufhalten. Im Winter war es ja etwas anderes. Da hatte ich in der Küche zuviel Feuerung gebraucht. Das Eigenartige ist, daß Helga jetzt, wenn ich in der Küche bin, besser einschläft als erst. Eigentlich sollte doch das Gegenteil eintreten, da es früher doch ganz ruhig  in der Küche war.
Ich gehe in letzter Zeit meist ziemlich zeitig schlafen. Meist nach 9 Uhr. Ich bin auch jetzt viel müde. Zu was soll ich mich da hinsetzen. Da schlafe ich mich lieber aus.
Heute ist doch Jugoslawien in den Dreimächtepakt eingetreten. Da werden die Engländer einen Zorn haben. Sie haben es doch mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Es hat ihnen aber auch diesmal nichts genutzt. Ich gehe nun schlafen. Gute Nacht, mein liebster, bester Schatz. Wach gesund wieder auf.

Lieber Ernst!                                                                                                      26. März

Heute bekam ich Deinen lieben Brief vom Sonntag. Bei Dir ist das Wetter noch viel schlechter gewesen als bei uns. So fest hat es bei uns nicht geregnet. Unsere Kasernen waren gut besucht. Durch die Besichtigung der Kasernen, dem Reiten usw. ohne den Manöverball, sind 11700 Mk reingekommen. Heute steht in der Zeitung, daß Konstanz, mit dem Verkauf der Abzeichen und der Besichtigung der Kasernen 19000 Mk. zusammengebracht hat. Das ist mehr als im vorigen Jahr der ganze Kreis Konstanz gesammelt hat. Da siehst Du, daß der Besuch gut war. Die Kinder danken Dir auch recht sehr für das Geld. Sie haben nun gar keine Auslagen gehabt. Du bist eben doch immer wieder ein ganz lieber Kerl.
Heute habe ich meine 10 Zentner Kohlen bekommen. Da muß ich nachher gleich schichten, denn ich kann die Kellertür gar nicht zumachen.
Ich habe Dir heute den Zahnschein besorgt und schicke ihn mit. Hoffentlich hast Du jetzt keine Zahnschmerzen mehr. Es ist schon gut, daß Du es jetzt machen lassen kannst.
Du schreibst wegen des Kommens zu Ostern. Mit richtigem Fahrschein wirst Du doch fahren können, wenn Du keinen anderen bekommst, nicht wahr? Aufs Geld kommt´s dann auch nicht darauf an. Die Hauptsache ist doch, daß wir Dich hier haben. Komme also ganz bestimmt, hörst Du!
Für Kurt habe ich heute ein bißchen gebacken. Die werde ich wahrscheinlich morgen wegschicken. Dir schicke ich ja morgen auch einen Kuchen. Da bekommst Du eine Kostprobe von dem Gebäck für Kurt mit. Du mußt doch prüfen, ob ich mich damit auch nicht blamiere. Für uns werde ich zu Ostern auch solche Eier backen. Das sieht doch wenigstens ein bißchen nach Ostern aus. Schokolade Sachen wird es dieses Jahr doch nicht geben, mit Zuckersachen ist es auch noch nicht sicher.
Nach Deinem Brief zu urteilen, bekommst Du also doch noch  Frontzulage, die Herrn Graser ausgezahlt wird. Ich hatte schon das Geld für ihn für alle Fälle zusammengelegt. Wenn wir die nicht brauchen, schaffe ich die auf die Sparkasse. Das ist aber nicht so eilig. Vielleicht brauchst Du es auch zur Reise hierher zu uns zu Ostern.
Nun will ich mich gleich an die Arbeit des Kohleschichtens machen, damit ich nachher noch in die Stadt fahren kann. Sei für heute wieder recht herzlich gegrüßt und viel, viel, vielmals geküßt von Deiner Annie.

Lieber Vater! Wir haben uns sehr über das Geld gefreut, wir danken Dir. Viele Grüße und viele Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen