Mittwoch, 9. März 2016

Brief 137 vom 7.3.1941


Mein lieber Ernst!                                                                    Konstanz, 7.3.41                    

Zum Sonntag möchte ich Dir noch diesen Brief schicken, ob er Dich noch rechtzeitig erreicht, weiß ich ja nicht, aber ich hoffe es. Ich werde ihn jedenfalls gleich morgen früh wegschaffen.
Nun möchte ich Dir Verschiedenes erzählen. Ich war heute beim Kohlenhändler. In der Zeitung hatte gestanden, daß jeder, der noch Kohlen zu bekommen hat, sich bis zum 20. März melden muß. Wenn bis dahin kein Antrag gestellt wird, sind die Kohlen für dieses Jahr verfallen. Nun habe ich doch erst 15 Ztr. bekommen und 23 stehen mir zu. Ich bin nun hingegangen und bekommen nächste Woche 10 Ztr. Am 15.3. zahle ich sie. Herr Dickreiter sagte mir, daß es am besten sei, wenn ich  am 1. April bzw. im April gleich die Kohlen für den nächsten Winter bestelle. Jetzt haben sie noch Vorrat. Ich könnte es ja nach und nach bezahlen. Ich werde es auch so machen, denn wir haben es ja immer so gehalten, daß wir im Sommer die Kohlen bestellt haben. Ich habe nun gedacht, ich werde 15 Ztr. Brikett und 8 Ztr. Kohlen bestellen. Meinst Du, das ist recht? Auf zweimal werde ich es sicher bezahlen können.
Heute war ich auch auf der Bezugscheinstelle. Das Inlett eines Kissens ist kaputt gegangen, ein weiteres wird sicher nicht mehr lange halten. Da habe ich Antrag auf Inlettstoff für zwei Kissen gestellt. Aber was man da alles für Fragen beantworten muß. Das ist schrecklich. Wie viel Personen sind sie, wie viele Betten haben sie, wie viele Kissen haben sie? Meines Erachtens ist das doch gar nicht nötig. Ich will ja kein ganzes Kissen sondern nur Stoff, denn ich kann die Federn nicht rum fliegen lassen. Na, mal sehen, ob ich den Stoff bekomme.
Am Nachmittag habe wir noch mal Papier und Lumpen fortgeschafft. Jetzt habe ich endlich mal alles los. Der ganze Korb im Vorraum ist leer. Wir sind dann beim Tengelmann vorbeigegangen und haben dort 1/4 Pralinen gekauft. Die haben wir diesmal allein gegessen, Du hast nun gar nichts davon. Wenn wir aber wieder etwas bekommen, schicken wir Dir`s.
Hast Du die Bescheinigung von Deinem Kursleiter noch nicht bekommen? Jetzt kommt doch bald die Gehaltsabrechnung, da müßte sie doch da sein, sonst bekommen wir evtl. auch am 15. noch kein Geld für Dich. Du mußt mir nicht böse sein, wenn ich das schreibe. Ich weiß ja, daß Du nichts dafür kannst, Du bist vielleicht genau so ungeduldig.
Von den Eltern habe ich heute einen Brief bekommen. Sie fragen nochmals wegen Siegfried an. Ich werde ihnen also diesmal schreiben, was Siegfried mir gesagt hat bezüglich Erna. Ganz wohl ist mir ja bei der Sache nicht. Ich wäre froh, wenn ich von allem nichts wüßte. Aber es geht ja nicht mehr zu ändern.
Nun noch etwas. Es gibt doch neue Briefmarken von Leipzig. Ich glaube, der Augustusplatz usw.
Ich muß Dir nun leider sagen, daß ich die nächste Woche einfach kein Geld habe, Dir diese Marken zu besorgen. Könntest Du sie Dir evtl. selber kaufen? Ich hätte sonst etwas von der Sparkasse abgehoben, da wir aber diesen Monat schon ziemlich viel geholt haben, möchte ich das nicht gern tun. Wenn Du es natürlich gern willst, hole ich doch noch etwas. Du schreibst mir mal, wie Du darüber denkst, nicht wahr?
An Nanni will ich dann noch schreiben, d.h. ich schreibe erst einmal einen Entwurf, den ich Dir zur Begutachtung mitschicke. Wenn er richtig ist, schreibe ich ihn dann noch einmal sauber ab. Als ich gestern auf der Straße ging, rief mir auf einmal jemand „Annie“ zu. Ich schaue mich um, da ist es Paula. Sie fragte mich, ob ich die Adresse von Kurt wüßte, bzw. die Feldpostnummer. Ich habe sie ihr dann gesagt. Ich sagte ihr auch, daß Kurt fortgekommen ist. Das wußte sie schon. Kurt hat ihr geschrieben, sie solle nichts schicken. Ich werde da gar nicht schlau draus. Wenn Kurt ihr geschrieben hat, muß doch eine Feldpostnummer auf dem Brief stehen. Weiß Paula nicht, wo sie den Brief hingelegt hat oder hat sie ihn gleich verbrannt. Mir kann es ja gleich sein.
Jörg war diese Woche ganz fleißig. Er hat mir jeden Tag die Treppe gekehrt und ich muß sagen, sehr sauber. Beim Waschhaus-Saubermachen hat er mir heute auch mitgeholfen. Ich habe ja öfter abends wegen dem Ausziehen schimpfen müssen, nie wurde er fertig. Heute haben sie sich nun in der Küche ganz leise ausgezogen, gewaschen, Zähne geputzt und sind dann hereingekommen. Ich habe mich natürlich fest gefreut. Da es noch ziemlich zeitig war, haben sie sich im Bett noch ein bißchen unterhalten können. Da waren sie ganz glücklich. So ist der heutige  Abend fröhlich verlaufen.
Vor einiger Zeit sagte Vater einmal, daß er keine Zwiebeln mehr habe. Ich sage ihm er könne von mir welche haben. Er wollte absolut nicht. Er bekäme schon welche. Gestern fing er wieder davon an, daß er gar keine Zwiebeln bekommen könne. Ich fragte ihn, ob er immer noch keine von uns haben wolle. Wir hätten doch genug. Da sagte er gleich, daß er sie gern nehme, wenn ich sie entbehren könnte. Er hätte jetzt schon verschiedenes nicht kochen können, weil ihm die Zwiebeln fehlen. Es hat mich einesteils gefreut, daß er sich doch wieder an mich gewendet hat. Überwindung kostet es ihn ja immer, wenn er um etwas fragen muß.
Heute ist ein richtiger strahlender Frühlingstag. Die Kinder sind wieder in Kniestrümpfen losgezogen und ich habe heute zum ersten Mal die neue Strickjacke von Dir angehabt. Wenn es wärmer wird, werde ich sie öfter anziehen können. Als wir in der Stadt waren, haben wir die Berge herrlich gesehen. Ich hätte mir gewünscht, daß Du es sehen könntest. Es war einfach wunderbar. Ganz nahe schienen sie zu sein und so klar. Alles ist noch mit Schnee bedeckt. Ich könnte da stundenlang stehen. Der See und die Berge sind doch etwas Heiteres.
Ich schicke Dir hier nun einen Zeitungsausschnitt mit. Von diesen sind in dem Möbelgeschäft an der Passage 30 Schiffsmodelle ausgestellt. Wir haben sie uns heute angesehen. Die sind aber wirklich wundervoll gearbeitet. Man kann sich gar nicht satt sehen. Jede Einzelheit ist da ausgeführt. Vom kleinsten Kanonenrohr, Ruder, Lampen usw. ist alle fein ausgearbeitet. Das hätte Dich sich auch interessiert.
Nun will ich aber wirklich noch an Nanni schreiben. Sonst wird es zu spät. Das Laufen hat mich heute müde gemacht.
Ich wünsche Dir einen recht guten Sonntag und daß Du wieder ganz gesund bist. Sei Du, mein lieber, lieber Schatz, recht oft, fest und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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