Mein lieber, lieber Ernst! Konstanz, 5.3.41 abends
Als wir heute aus der Stadt kamen, war Dein
lieber Brief vom 4.3. da. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Hab recht vielen
Dank dafür.
Nun sind die Päckchen angekommen, wenn
auch etwas verspätet. Denn der Kuchen sollte doch zum Sonntag sein. Diesmal
richte ich mich danach und schicke deshalb schon morgen den Sonntagskuchen ab.
Ich bin ja so froh, daß Du jetzt einmal in der Nähe bist, daß ich Dir
wenigstens zum Sonntag einen Kuchen schicken kann. Ich habe Dich ja so lieb und
möchte Dir deshalb doch auch etwas zuliebe tun. Wenn Du ein paar Marken übrig
behältst, so schadet das ja nichts. Denn wenn Du die regulären Marken bekommst,
wirst Du nicht viel übrig haben. Da hast Du dann immer noch ein bißchen
Reserve. Wenn ich Dir etwas schicke, brauchst Du Dir wegen uns keine Gedanken
zu machen. Wir haben bestimmt genug für uns. Wenn man drei Marken hat, ist es
doch anders als mit einer, da kann man eher einmal ausgleichen und außerdem
können wir uns immer mal mit Kartoffeln aushelfen. So mache ich mal Kartoffelpuffer
und Kartoffelbrei oder Grieß usw. Wir kommen bestimmt mit unseren Sachen aus.
Bei den Fleischmarken war es ja schon immer so, daß ich welche übrig hatte, das
kommt eben Dir jetzt zugute. Das Fett und das Öl von Dir hilft mir ja auch
viel. Da bin ich auch nicht so knapp dran. Ich freue mich jedenfalls, daß ich
Dir auch einmal etwas schicken kann, Du lieber Kerl.
Es freut mich, daß es Dir gesundheitlich
wieder besser geht, aber schone Dich nur noch, denn ich weiß es ja von mir, mit
der Niere ist immer gleich wieder etwas los.
Bei uns ist jetzt auch nicht gerade
schönes Wetter. Als wir heute in der Stadt waren, sind wir in einen richtigen
Schneesturm gekommen. Es hat zwar gleich wieder getaut, aber naß war ich doch.
Ich hatte mit Jörg alte Zeitungen fortgeschafft. Jörg habe ich bei dem Wetter
in den Wagen gesteckt und mit einem Sack zugedeckt. Da hat er es trocken
gehabt, Helga war zuhause geblieben, da Ingrid sie besucht hat. Bei dem Wetter
waren sie einstweilen im Vorraum. Ich frage Ingrid, ob sie nicht in die Spielschar
ginge. Da sagte sie, sie dürfe nicht mehr. Die Frau S. habe gesagt, „es sollte
keiner mehr in die Kirche gehen, denn da müßte sie sich vor dem Führer schämen.
Was wohl der Führer dazu sagen würde.“ Ich glaube, der Führer würde ihr ein
Paar auf Maul geben. Die Margret darf auch nicht mehr in die Spielschar. Ich
gebe ja nichts auf´s Kirchegehen, aber ich
finde, die Frau hat kein Recht so etwas zu sagen.
Heute habe ich auch noch ziemlich
schwierige Fragen beantworten müssen. Helga fragte mich, ob es einen Nikolaus,
einen Weihnachtsmann, ein Christkind und einen Osterhasen gibt. Kinder in der Klasse hatten sich darüber
unterhalten und sie ausgelacht, weil sie an den Nikolaus glaubte. Belügen will
ich die Kinder ja nicht und so habe ich es ihnen eben erklärt. Helga war
ziemlich enttäuscht, Jörg weniger. Er sagte, das ist nicht so schlimm, das habe
ich bis morgen früh wieder vergessen, Helga fragte, wer macht denn dann den
Nikolaus. Ich sagte, irgendwelche Leute. Da fing sie an zu weinen. Ich fragte,
warum sie weine. Ich schäme mich, daß ich vor Leuten gebetet habe und gesungen.
Ich fragte, würdest Du Dich auch vor Vaterle schämen. Nein, sagte sie. Da sagte ich, siehst Du, unser Nikolaus
war Vaterle. Da hat sie gleich wieder gestrahlt und hat gesagt, daß sie sich
darüber sehr freut. Ich kann Dir sagen, ganz wohl war mir bei den ganzen
Erklärungen nicht. Ich wäre froh gewesen, wenn Du mir einen Teil hättest
abnehmen können. Es ist schade, daß der Kinderglaube so schnell zu Ende geht,
aber es hat ja keinen Zweck, ihnen etwas vorzumachen. Ich möchte es auch nicht,
sonst können sie mir ja nicht mehr glauben, wenn ich sie belügen würde.
Ab morgen muß Helga wieder um 8 und nicht
mehr 3/4 9 Uhr in die Schule. Da müssen wir wieder etwas zeitiger aufstehen.
Aber das ist ja nicht mehr so schlimm, es wird ja ziemlich bald hell. Man muß
sich langsam für das Frühjahr einrichten.
Ich habe heute Fräulein Bucher angerufen und
ihr gesagt, daß Du die Bestätigung von dem Kursleiter noch nicht erhalten hast,
die Du nachsenden mußt. Sie sagte, daß sie diese Bestätigung dringend brauchen.
Darauf habe ich gesagt, daß Du ja auch nichts dafür kannst und selbst froh
wärst, wenn Du sie hättest. Du hast ja schließlich selbst ein Interesse daran,
daß Dir die 4,- ausgezahlt werden.
Mein lieber Ernst! 6.3.
Heute Morgen habe ich nun Deinen
Sonntagskuchen gebacken. Hoffentlich schmeckt er Dir wieder.
Sei doch so gut und schicke mir bei Gelegenheit,
vielleicht wenn Du Wäsche schickst, den Karton wieder mit, in dem ich Dir
vergangene Woche den runden Kuchen geschickt habe. Der paßt so gut und ich könnte ihn noch einmal verwenden,
ebenso vielleicht die Marmeladeeimerchen. Also bei Gelegenheit, es eilt nicht
so.
Heute morgen war es sehr kalt. Alles war
gefroren. Nun will scheinbar doch noch die Sonne herauskommen. Es war erst sehr
neblig. Jörg ist ja sehr froh, wenn er runter kann.
Diesmal bekomme ich keine Schwierigkeiten
mit den Brombeerstacheln. Meine Hände verheilen schon wieder gut. Ich bin ja
froh darüber. Nur aussehen tun sie noch nicht schön mit den vielen roten Stichen,
aber das gibt sich bald.
Wie ist es jetzt eigentlich bei Deinem
Kurs? Hast Du Dich schon ein bißchen eingewöhnt, fällt es Dir sehr schwer? Beim
vorigen Mal war es ja auch so, daß die ersten Wochen die schwersten waren.
Was sind das für Leute, bei denen Du
wohnst? Sind es jüngere oder ältere Leute? Nicht wahr, ich habe heute ziemlich
viele Fragen an Dich. Aber Du brauchst sie ja nicht alle auf einmal
beantworten. Nimm dir dazu nur Zeit. So ungeduldig bin ich nicht.
Gestern habe ich wieder vergessen, den
Durchschlag des Briefes an Kurt mitzuschicken. Ich hole das nun heute nach.
Ich habe Deine Wildlederhandschuhe genäht
und gewaschen. Jetzt habe ich aber gesehen, daß das Leder auch am Daumen reißt.
Ich werde es fein stopfen, aber ich glaube, so lange halten die Handschuhe
nicht mehr. Du hast ja aber noch ein Paar.
Sei Du, mein lieber Schatz, nun recht
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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