Sonntag, 27. März 2016

Brief 141 vom 27./28./29.3.1941


Mein liebster Ernst!                                                                            Konstanz, 27.3.41                             

Heute schicke ich Dir einen Honigkuchen. Uns hat er am vorigen Sonntag ganz gut geschmeckt. Ich hoffe, daß es Dir genau so geht.
Das Päckchen für Kurt schaffe ich heute auch noch weg. Ich lege nur ein paar kurze Zeilen bei, denn ich habe ja erst vorgestern einen Brief geschrieben. Vater will noch wegen der Sporthose nachsehen, die ich Kurt schicken muß, weil er auch in der Sonne braun brennen lassen will. Gestern hat Vater da eine Trainingshose rauf gebracht. Mit der kann Kurt natürlich nichts anfangen.
Ich habe Vater gestern ein paar Stücke von dem Gebäck zum Kosten gegeben, das  ich für Kurt gebacken habe. Er hat es mit gutem Appetit gegessen. Ich erinnere mich in diesen Fällen nur immer wieder daran, wie er früher war. Da hat er doch nichts von mir angerührt. Ich bin ja sehr froh, daß es jetzt anders ist.
Gestern habe ich die Wiener Marken 2 x besorgt. Nur die 25-Pfennig-Marke gibt es in Konstanz nicht mehr. Muß ich die anderen Marken ungestempelt in Dein Album tun. 1 x sind sie doch für Kurt bestimmt, nicht wahr? Da hättest Du die Marken sonst nur entweder gestempelt oder ungestempelt. Ist das recht? Die Leipziger Marken habe ich für Kurt auch 1 x besorgt. Da habe ich den ganzen Satz bekommen.
Gestern habe ich gleich die Kohlen bezahlt. Auf dem Heimweg habe ich für die Kinder auf die alte Kleiderkarte, die am 31. März abläuft, noch je 3 Paar lange Strümpfe gekauft. Es waren gerade noch gute, nicht zu teure Strümpfe da. Ich habe sie eine Nummer größer genommen, damit sie sie noch nächsten Winter anziehen können.  Kniestrümpfe haben die Kinder ja von Dir.
Schönes Wetter will bei uns gar nicht mehr werden. Es ist immer trübe und kühl. Eigentlich wollten wir gestern noch Mal nach Tee sehen, aber das hat bei der Witterung gar keinen Zweck. Da wächst doch nichts.
Die Honigkucheneier, von denen ich Dir auch eine Kostprobe mitschicke, habe ich heute gebacken. Ich habe Kurt auch ein paar beigelegt. Die anderen hebe ich bis Oster auf.
Vorhin habe ich eben Deinen lieben Brief vom 26. erhalten. Er hat mich wieder fest gefreut. Nun hast Du doch endlich von Tommi Post erhalten. Mich freut es eigentlich nur, daß Du Dich doch nicht in ihm getäuscht hast, denn ihr hattet Euch doch gut verstanden. In Frankreich ist er doch noch.
Kurt hat Dir nun auch wegen des Schlachtfestes geschrieben. Vielleicht ist es doch richtig, wenn Du einmal vorbeigehst, sonst sind die Leute vielleicht beleidigt. Du kannst Dich ja auf den Brief von Kurt beziehen. Ich ging ja auch nicht gern hin, aber Du kannst das noch eher wie ich. Du bist jetzt schon gewohnt, mit verschiedenen Leuten umzugehen und familiär wie Kurt wirst Du ja hoffentlich dort nicht. So viel ich aber merke, würde Kurt die Beziehung zu der Familie nicht gern ganz abbrechen. Wenn sie Kurt immer Besonderes kochen konnten, fällt es ihnen auch nicht schwer, wenn sie Dir ja etwas geben würden.
Du lieber, armer Kerl, nun hast du auch noch eine geschwollene Backe. Hast Du große Schmerzen? Ich wünsche nur, daß es recht bald besser wird, damit nicht geschnitten werden muß. Es kommt aber doch immer was, damit es einem nicht zu wohl wird. Werde nur recht bald wieder ganz gesund.
Ich bin ja gespannt, wie es nun mit eurem Kurs wird, ob es bis zuletzt zusammenhält. Es wäre ja schade, wenn jetzt wieder alles auffliegen würde. Nun hast Du doch schon zum zweiten Mal die Mühe und Arbeit gehabt. Ich hoffe ja sehr, daß Du noch den Osterurlaub bei uns verbringen kannst. Aber gefaßt müssen wir doch auf alles sein. Wie Du schon schriebst, wir lassen die Dinge auf uns zukommen. Hoffen kann man ja immerhin, das kann keiner verwehren.
Heute Abend bist Du also im Theater. Das ist ja für Dich auch eine angenehme Abwechslung. denn seit Du wieder in Deutschland bist, warst du ja nicht mehr im Theater. In Frankreich war das öfter der Fall.
Du hast recht, wenn Du schreibst, daß es mir am Sonntag auch gefallen hat. Es war einmal eine Abwechslung. Vor allen Dingen hat mir der Film und das Jagdspringen gefallen. Das Springen kann ich mir lange ansehen, das gefällt mir immer wieder. Es hätte ruhig noch länger dauern dürfen. Aber auch die anderen Sachen  waren interessant. Ich danke Dir, daß Du damit einverstanden warst, daß wir in die Kasernen gingen. Den Umschlag mit den gestempelten Briefmarken lege ich in Dein Album. Ich habe  bei den gekauften Marken auch Randstücke verlangt.
Mein lieber Schatz, ich danke Dir vielmals für Deinen schönen langen Brief, den Du mir wieder geschrieben hast. Er hat mir viel Freude gemacht. Du weißt ja, Deine Briefe können gar nicht lang genug sein.
Ich möchte aber heute schon schließen. Ich habe ziemliches Kopfweh bekommen, da kann ich meine Gedanken gar nicht richtig zusammennehmen. Sei für heute recht oft und innig gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


Mein lieber Ernst!                                                                                 Konstanz, 28.März 41

Nun geht diese Woche wieder ihrem Ende entgegen. Die letzten Tage haben im Hinblick auf Jugoslawien ja allerhand Ereignisse gebracht. Ich bin gespannt, was daraus wird. Vielleicht wissen wir morgen schon mehr. Wenn sie in den Krieg einbezogen werden, haben sie es auch sich und den Engländern zu verdanken. Der minderjährige König weiß auch nicht, was er tut, er ist aber meines Erachtens eine vorgeschobene Figur.
Was mich eigentlich vor allen Dingen interessiert ist der Umstand, ob dadurch wieder welche von Eurem Kurs abberufen worden sind und ob der Kurs weitergeht.
Gestern Abend wollte ich zeitig schlafen gehen, weil ich so Kopfweh hatte. Da ist aber Vater noch gekommen. Es ist dann auch wieder um 10 Uhr geworden.
Heute wolle ich den ganzen Tag im Garten schaffen, es ist dann aber nichts geworden, da es gegen Mittag mit regnen anfing. Immerhin konnte ich Zwiebeln stecken und Spinat, Möhren, Radieschen und Salat säen. Ich habe überall Netze darüber getan. Ich habe es in anderen Gärten gesehen, da haben sich die Vögel über die Beete gestürzt. Das möchte ich gerne vermeiden. Wie gesagt, mit der weiteren Arbeit ist es nichts geworden, wegen dem Regen. Morgen komme ich ja auch nicht dazu, denn da muß ich Lebensmittelkarten holen und habe auch sonst noch allerhand Arbeit. Aber nächste Woche werde ich wieder daran schaffen können.
Jetzt hätte ich noch eine Bitte an Dich. Du mußt es nicht übel nehmen, aber ich möchte Dich bitte um 15 g Fettmarken bitten. Ich habe nämlich 110 g von Dir hier, wenn ich noch 15 g hätte, bekäme ich 1/4 Pfund Butter, so schneiden sie nichts gern kaputt. Aber bitte nur, wenn Du sie entbehren kannst.
Unsere Kinder haben schon große Ostersorgen. Sie haben mir schon die letzten Tage gesagt, wenn sie auch wissen, daß es keinen Osterhasen gibt, und daß wir dieses Jahr die Eier selber backen, so sollen wir sie doch verstecken. Das wäre viel schöner. Vor allen Dingen freuen sie sich darauf, daß Du kommst. Hoffentlich wird es auch wahr. Wir werden es ja sehen. Helga und Jörg machen schon lauter Pläne, was sie Dir alles zeigen und erzählen wollen. Ich habe ihnen schon gesagt, sie sollen sich nicht so sehr freuen, denn jetzt weiß man wieder gar nicht, was alles noch eintreten kann.
Ich höre gerade Nachrichten, wobei auch gesagt wird, daß sie in Belgrad Kinos demoliert haben, als die deutsche Wochenschau gezeigt wurde. Die Jugoslawen sind ja noch nie unsere Freunde gewesen, ich glaube vor allen die Serben. Natürlich hetzen besonders noch die Engländer. Na, wir werden ja sehen, was noch wird. Aber man macht sich doch immer wieder Gedanken deshalb.
Ich will aber nun lieber schlafen gehen. Gute Nacht, mein lieber, lieber Ernst, mein lieber Mann.

Guten Morgen mein lieber Ernst!                                                                     29. März

Ich muß nun gleich fortfahren und will den Brief mitnehme, damit Du ihn noch zum Sonntag bekommst. Es ist heute auch wieder regnerisches Wetter. Vielleicht wird es morgen ein bißchen besser, wenn Du zu den Leuten gehen willst. Ich wünsche Dir jedenfalls einen frohen Sonntag. Hoffentlich hast du kein Zahnweh, denn das verdirbt alles. Helga ist schon in der Schule, insofern  sie keinen Gruß unter den Brief schreiben kann.
Sei Du nun vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie, Helga und Jörg.

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