Mein allerliebster Ernst! Konstanz, 27.2.41
Heute erhielt ich Deine liebe Karte, auf die ich Dir ja schon kurz
geantwortet habe. Ich war gerade beim Ausputzen der Brombeeren, als sie kam.
Ich bin dann gleich in die Stadt gefahren. Im Fürsorge- und Jugendamt gab es
keine Reichgemeindeordnung. Dann war ich in Buchhandlungen. Die wollten den
Verlag wissen, wenn sie sie bestellen sollten. Da bin ich dann auf´s Rathaus
gegangen. Ich bin erst zu Frl. Bucher gegangen, die hat dann Herrn Lang geholt
(er ist mir ziemlich unsympathisch) und einen anderen Herrn, der schwer hört
(der ist mir ziemlich doof vorgekommen). Der hat es mir dann aufgeschrieben und
sagte noch, daß es da verschiedene Ausführungen gibt. Herr Lang sagte dann, daß
Deine Bestätigung, daß Du den Lehrgang
angetreten hast, und wann, noch nicht
eingetroffen sei. Ich weiß nicht genau, ob die Bestätigung von dem Leiter des
Kurses bestätigt sein muß. Daraufhin werden erst die 4,- pro Tag angewiesen.
Ich bekomme das Geld am 15. mit ausgezahlt. So hätten sie´s bisher immer
gemacht. Wie mir Frl. Bucher sagte, bekomme ich seit Januar 3 x 10 Mk. Kinderbeihilfe
nachgezahlt. Ebenso evtl. die 9 %
(soviel waren es doch?). Wenn ich das alles bekäme, wären es über 90,-, die ich
nachgezahlt bekäme.
Du kannst doch nun aber die 14 Tage nicht
von Luft leben. Ich dachte mir, daß ich von Vater etwas borgen werde, ich kann
es am 15. ja gleich zurückzahlen. Schreibe mir bitte, wie viel Du brauchst.
Bezüglich der Bestellung ist es so, daß es
ca. 8 Tage dauern würde, bis ich die Reichsgemeindeordnung bekommen würde.
Lieber Ernst, ich kann Dir gut nachfühlen,
wie einsam Du jetzt bist. Es ist eben doch ein großer Unterschied. Erst zwei
ziemlich gute Kameraden und eine Umgebung, in die Du Dich eingewöhnt hattest
und nun ohne einen Bekannten in einer fremden Stadt und bei fremden Leuten. Hoffentlich wird es Dir nicht gar so
schwer. Vielleicht kannst du uns doch öfter einmal besuchen, wenn es Dir gar so
einsam ist. Vielleicht bekommst Du als Soldat auf der Bahn Ermäßigung. Du weißt
ja, wie wir uns freuen würden, wenn Du öfter her kämst.
Meinen Brief hast du ja inzwischen wohl
erhalten. Ich habe heute keine Stenographie geschrieben, weil ich nicht weiß,
ob Du ihn hast lesen können.
Die restlich 4 Päckchen von Dir, in denen
auch Dein Schlafanzug ist, sind noch nicht eingetroffen. Evtl. werde ich die
anderen Sachen schon abschicken und den Schlafanzug nachsenden. Ich schicke
dann auch die Unterlagen für Deinen Lehrgang mit, die ich noch hier gefunden
habe. Ob alles richtig ist, weiß ich ja nicht.
Nun gehe ich schlafen. Gute Nacht, mein
lieber Schatz.
Mein lieber Ernst! 28.2.
Ich habe gestern noch etwas vergessen.
Herr Schilling sagte mir, ob ich nicht einmal zur Frau Eberhardt gehen wollte
wegen der Reichsgemeindeordnung. Frl. Weber hat gesagt, soviel sie weiß, hat
Herr Eberhardt eine. Ich habe es noch nicht getan, da ich nicht weiß, ob dies
überhaupt recht ist, ob sie Frau Eberhardt überhaupt da hat und ob sie sie mir
geben würde.
Ich nehme den Brief gleich heute früh mit,
da bekommst Du ihn auch eher. Ich muß nämlich sowieso in die Stadt, um für
Vater die Lichtrechnung zu bezahlen.
Für meinen neuen Rock habe ich nun doch
noch einen Reißverschluß in passender Farbe bekommen. Ich habe ihn schon eingearbeitet.
Es sieht sehr gut aus. Du hast also wieder eine gute Idee gehabt.
Gestern war ich auf dem Speicher und habe
die Kiste von Kurt aufgeschraubt. Ich habe seine Bücher reingelegt. Ein paar
andere habe ich mir mit runter genommen zum lesen. Kurt hat es mir ja erlaubt.
Ich habe nun gesehen, daß sein Briefmarkenalbum mit in der Kiste liegt. Ich
werde also seine Briefmarken, die er mir geschickt hat, dazu legen. .
Nun will ich mich zum fortgehen fertig
machen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Jörg! Helga konnte keinen Gruß mitschreiben, da
sie in der Schule ist. Von Vater, Herrn Schilling und Herrn Rick soll ich Dich
grüßen.
Mein lieber Ernst! Konstanz,
28.2.41
Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom
27.2. Es wundert mich, daß Du da noch keinen Brief von mit hattest. Vielleicht
hast Du ihn vorgefunden, als Du vom Unterricht kamst. Inzwischen wirst Du ja
aber Bescheid von mir haben.
Ich freue mich, daß ich nun weiß, wo Du
ißt und wann Du aufstehst usw. Da kann ich doch mit meinen Gedanken immer bei
Dir sein.
Ich denke mir, daß Du wohl mit den
Fleischmarken ziemlich knapp sein wirst, denn Du bekommst doch auch nur ein
Pfund wöchentlich. Da bleibt sicher für das Abendbrot nicht mehr viel. Du weißt
ja, daß ich meist Marken übrig habe. Ich habe Dir deshalb heute ein wenig Wurst
mitgeschickt. Du wirst sie doch brauchen können. Ebenso schicke ich ein bißchen
Butter mit. Zum Sonntag ist der Kuchen bestimmt. Ich weiß ja nicht, wie er ankommt.
Wenn er die Reise nicht gut übersteht, mußt Du eben mit Brocken vorlieb nehmen.
Ein kleines Eimerchen Marmelade schicke ich Dir auch. Es ist in einem
Extrapäckchen, da es sonst den Kuchen zerdrückt hätte. Solltest Du einmal zum
Abend Appetit auf etwas haben, so schreibe mir. Auch wenn Du sonst einen Wunsch
hast, mußt Du mir nur schreiben.
Kurt ist ja nun schon in Frankreich. Heute
erhielt ich beiliegenden Brief. Was sagst Du dazu? Das ist sicher die Frau, die
das geschrieben hat. Schicke den Brief bitte wieder mit zurück. Ich möchte ihn
Vater noch zeigen.
Nun will ich schließen. Ich habe ja heute
Vormittag schon einen Brief an Dich ab gesandt. Ebenso habe ich heute früh ein
Paket mit Wäsche und den Unterrichtssachen weggeschickt. Hoffentlich kommt
alles gut an.
Sei nun herzlich gegrüßt und geküßt von
Deiner Annie.
Viele
Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg!
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