Dienstag, 1. März 2016

Brief 134 vom 27./28.2.1941


Mein allerliebster Ernst!                                                                   Konstanz, 27.2.41    

 Heute erhielt ich Deine liebe Karte, auf die ich Dir ja schon kurz geantwortet habe. Ich war gerade beim Ausputzen der Brombeeren, als sie kam. Ich bin dann gleich in die Stadt gefahren. Im Fürsorge- und Jugendamt gab es keine Reichgemeindeordnung. Dann war ich in Buchhandlungen. Die wollten den Verlag wissen, wenn sie sie bestellen sollten. Da bin ich dann auf´s Rathaus gegangen. Ich bin erst zu Frl. Bucher gegangen, die hat dann Herrn Lang geholt (er ist mir ziemlich unsympathisch) und einen anderen Herrn, der schwer hört (der ist mir ziemlich doof vorgekommen). Der hat es mir dann aufgeschrieben und sagte noch, daß es da verschiedene Ausführungen gibt. Herr Lang sagte dann, daß Deine Bestätigung, daß  Du den Lehrgang angetreten hast, und  wann, noch nicht eingetroffen sei. Ich weiß nicht genau, ob die Bestätigung von dem Leiter des Kurses bestätigt sein muß. Daraufhin werden erst die 4,- pro Tag angewiesen. Ich bekomme das Geld am 15. mit ausgezahlt. So hätten sie´s bisher immer gemacht. Wie mir Frl. Bucher sagte, bekomme ich seit Januar 3 x 10 Mk. Kinderbeihilfe nachgezahlt. Ebenso  evtl. die 9 % (soviel waren es doch?). Wenn ich das alles bekäme, wären es über 90,-, die ich nachgezahlt bekäme.
Du kannst doch nun aber die 14 Tage nicht von Luft leben. Ich dachte mir, daß ich von Vater etwas borgen werde, ich kann es am 15. ja gleich zurückzahlen. Schreibe mir bitte, wie viel Du brauchst.
Bezüglich der Bestellung ist es so, daß es ca. 8 Tage dauern würde, bis ich die Reichsgemeindeordnung bekommen würde.
Lieber Ernst, ich kann Dir gut nachfühlen, wie einsam Du jetzt bist. Es ist eben doch ein großer Unterschied. Erst zwei ziemlich gute Kameraden und eine Umgebung, in die Du Dich eingewöhnt hattest und nun ohne einen Bekannten in einer fremden Stadt  und bei fremden Leuten. Hoffentlich wird es Dir nicht gar so schwer. Vielleicht kannst du uns doch öfter einmal besuchen, wenn es Dir gar so einsam ist. Vielleicht bekommst Du als Soldat auf der Bahn Ermäßigung. Du weißt ja, wie wir uns freuen würden, wenn Du öfter her kämst.
Meinen Brief hast du ja inzwischen wohl erhalten. Ich habe heute keine Stenographie geschrieben, weil ich nicht weiß, ob Du ihn hast lesen können.
Die restlich 4 Päckchen von Dir, in denen auch Dein Schlafanzug ist, sind noch nicht eingetroffen. Evtl. werde ich die anderen Sachen schon abschicken und den Schlafanzug nachsenden. Ich schicke dann auch die Unterlagen für Deinen Lehrgang mit, die ich noch hier gefunden habe. Ob alles richtig ist, weiß ich ja nicht.
Nun gehe ich schlafen. Gute Nacht, mein lieber Schatz.

Mein lieber Ernst!                                                                                             28.2.

Ich habe gestern noch etwas vergessen. Herr Schilling sagte mir, ob ich nicht einmal zur Frau Eberhardt gehen wollte wegen der Reichsgemeindeordnung. Frl. Weber hat gesagt, soviel sie weiß, hat Herr Eberhardt eine. Ich habe es noch nicht getan, da ich nicht weiß, ob dies überhaupt recht ist, ob sie Frau Eberhardt überhaupt da hat und ob sie sie mir geben würde.
Ich nehme den Brief gleich heute früh mit, da bekommst Du ihn auch eher. Ich muß nämlich sowieso in die Stadt, um für Vater die Lichtrechnung zu bezahlen.
Für meinen neuen Rock habe ich nun doch noch einen Reißverschluß in passender Farbe bekommen. Ich habe ihn schon eingearbeitet. Es sieht sehr gut aus. Du hast also wieder eine gute Idee gehabt.
Gestern war ich auf dem Speicher und habe die Kiste von Kurt aufgeschraubt. Ich habe seine Bücher reingelegt. Ein paar andere habe ich mir mit runter genommen zum lesen. Kurt hat es mir ja erlaubt. Ich habe nun gesehen, daß sein Briefmarkenalbum mit in der Kiste liegt. Ich werde also seine Briefmarken, die er mir geschickt hat, dazu legen. .
Nun will ich mich zum fortgehen fertig machen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Jörg!   Helga konnte keinen Gruß mitschreiben, da sie in der Schule ist. Von Vater, Herrn Schilling und Herrn Rick soll ich Dich grüßen.


Mein lieber Ernst!                                                                               Konstanz, 28.2.41

Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom 27.2. Es wundert mich, daß Du da noch keinen Brief von mit hattest. Vielleicht hast Du ihn vorgefunden, als Du vom Unterricht kamst. Inzwischen wirst Du ja aber Bescheid von mir haben.
Ich freue mich, daß ich nun weiß, wo Du ißt und wann Du aufstehst usw. Da kann ich doch mit meinen Gedanken immer bei Dir sein.
Ich denke mir, daß Du wohl mit den Fleischmarken ziemlich knapp sein wirst, denn Du bekommst doch auch nur ein Pfund wöchentlich. Da bleibt sicher für das Abendbrot nicht mehr viel. Du weißt ja, daß ich meist Marken übrig habe. Ich habe Dir deshalb heute ein wenig Wurst mitgeschickt. Du wirst sie doch brauchen können. Ebenso schicke ich ein bißchen Butter mit. Zum Sonntag ist der Kuchen bestimmt. Ich weiß ja nicht, wie er ankommt. Wenn er die Reise nicht gut übersteht, mußt Du eben mit Brocken vorlieb nehmen. Ein kleines Eimerchen Marmelade schicke ich Dir auch. Es ist in einem Extrapäckchen, da es sonst den Kuchen zerdrückt hätte. Solltest Du einmal zum Abend Appetit auf etwas haben, so schreibe mir. Auch wenn Du sonst einen Wunsch hast, mußt Du mir nur schreiben.
Kurt ist ja nun schon in Frankreich. Heute erhielt ich beiliegenden Brief. Was sagst Du dazu? Das ist sicher die Frau, die das geschrieben hat. Schicke den Brief bitte wieder mit zurück. Ich möchte ihn Vater noch zeigen.
Nun will ich schließen. Ich habe ja heute Vormittag schon einen Brief an Dich ab gesandt. Ebenso habe ich heute früh ein Paket mit Wäsche und den Unterrichtssachen weggeschickt. Hoffentlich kommt alles gut an.
Sei nun herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg!

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