Dienstag, 22. März 2016

Brief 139 vom 19.3.1941


Lieber Ernst!                                                                                Konstanz, 19.3.41     

Wir waren vorhin im Film. Es hat den Kindern sehr gut gefallen. Nun ist doch am Sonntag Tag der Deutschen Wehrmacht. Die Kinder gingen gern einmal in die Kasernen und Jörg würde gern einmal reiten oder fahren. Die Programme werden jetzt angeboten. Ich ginge ja einmal mit ihnen hin, aber ich weiß nicht, ob es Dir recht ist. Nun möchte  ich Dich bitten, mir doch umgehend zu schreiben, ob Du damit einverstanden bist. In den Wald gingen wir sicher am Samstag zum Teesuchen.
Wenn Du es nicht gern möchtest, ist es auch nicht schlimm. Ich möchte es nur nicht gern, daß ich mit den Kindern hingehe und Du siehst es nicht gern.
Sei nun vielmals recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga  und Jörg.


 Mein lieber Ernst!                                                                    Konstanz, 19.3.41

Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom 18. So bist Du also wieder in Karlsruhe angekommen, wenn auch nicht gerade gut. Es ist ja gut, daß Dein Magen wieder soweit in Ordnung ist.
Es freut mich sehr, daß Deine Arbeit gut ausgefallen ist. Du wirst ja selbst Deine Freude daran haben.
Wir sind am Montag, nachdem wir Dich zur Bahn gebracht haben, noch einkaufen gegangen. Wir sind nicht heimgefahren, sondern gelaufen, denn ich habe gut gehen können und warum soll ich unnötiges Geld rausschmeißen. Am Nachmittag habe ich dann noch gewaschen.
Gestern war auch ein arbeitsreicher Tag für mich. Am Morgen habe ich gebügelt und genäht. Am Nachmittag kam Vater angesaust. Er hatte sich überlegt, daß wir am besten die Kohlen holen und gleich zu uns rauf schaffen. Ich mußte um 1/2 6 Uhr beim Kohlenhändler sein. Da wollten wir erst 3 Zentner und heute nochmals 2 Zentner holen. Die anderen holt er ein andermal. So bin ich gestern Nachmittag gleich noch zum Einkaufen und hinterher zum Kohlenhändler gefahren. Wir haben 3 Zentner geholt, die ich auch gleich aufgeschichtet habe. Heute morgen habe ich die restlichen 2 Zentner geholt. Das war lustig. Beim Kohlenhändler schaffen doch jetzt meist Franzosen. Die gucken einen fremd an, bis ein Deutscher dazukommt und ihnen erklärt, was man bekommt. Dann winken sie einem, wo man mit dem Wagen hinkommen muß. Ich habe so daran denken müssen, wie es Dir damals in Frankreich gegangen sein wird. Ich habe lachen müssen, wie der Dickreiter so einige französische Brocken zusammensuchte, um den Arbeitern zu sagen, was sie fertigmachen sollen. Ich habe vorhin auch noch die 2 Ztr. versorgt. Heute Nachmittag wollen wir ins Kino gehen, die Kinder möchten doch gern den Film sehen.
Bei uns war es gestern auch sehr kalt. Man hat sich warm anziehen müssen. Der Wind hat es vor allen Dingen so kalt gemacht. Heute früh waren die Küchenfenster gefroren. Aber jetzt scheint richtig die Sonne und es ist ziemlich warm geworden. Der Wind hat bis jetzt aufgehört.
Soll ich nun eigentlich den Brief an Nanni schreiben oder nicht. An meine Eltern und an Alice werde ich auch in den nächsten Tagen schreiben müssen. An Kurt werde ich für Ostern sicher ein kleines Päckchen schicken, aber das hat noch ein Weilchen Zeit. Bis zum 3.April müssen die Osterpäckchen aufgegeben sein.
Mein lieber Ernst!
Es hat mich ganz fest gefreut, daß Du uns besucht hast. Wenn es auch nur 2 Tage war, aber es war doch schön. Die Kinder reden auch immer wieder von dem schönen Spaziergang mit Dir. Das war eben auch für sie eine große Freude. Ich freue mich schon auf Ostern.
Mein Brief wird heute ein bißchen kurz, aber Du nimmst es mir bitte nicht übel. Ich muß jetzt das Essen kochen, damit wir zur rechten Zeit fortkommen. Durch das Kohlenholen ist der Vormittag schnell vorbeigegangen.
Sei Du nun wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


Mein liebster Ernst!                                                                                      Konstanz, 19.3.41 abends.

Heute schreibe ich schon das dritte Mal an Dich. Erst heute früh den Brief, dann auf der Post die Karte. Du wirst Dich sicher gewundert haben, wie ich darauf komme, am Sonntag  in die Kaserne zu gehen. Das ist so gekommen. Helga hat mir den ganzen Nachmittag erzählt von Kindern in ihrer Klasse, die alle am Sonntag in die Kaserne  gehen, da es so schön sei usw. Wir machen das ja nicht, Mutterle, nicht wahr? fragte sie mich dann. Jörg hatte nun gehört, daß Kinder reiten oder fahren könnten und war natürlich gleich Feuer und Flamme. Ich habe dann gesagt, Kinder, wir fragen das Vaterle, ob es ihm recht ist, wenn wir am Sonntag hingehen. Wenn es ihm recht ist, gehen wir, sonst nicht. Wir haben dann gleich, als wir aus dem Film kamen, die Karte geschrieben. Bis zum Sonntag werde ich sicher Bescheid von Dir haben.
Ich sollte heute für Vater beim Kohlenhändler fragen, bis wann Samstag auf ist. Nun ist nur bis 12 Uhr auf, da kommt er aber erst aus dem Geschäft.  Er hat heute Abend unterwegs deshalb auf uns gewartet. Er wußte nun nicht, wie er es machen soll mit dem Holen. Wir haben nun so ausgemacht, daß ich morgen Abend mit dem Wagen zum Kohlenhändler fahre und mir die Kohlen geben lasse. Ich bleibe dann solange am Tor stehen bis Vater kommt. Er fährt sie dann nach hause. Ich werde ihm wahrscheinlich mit Schieben helfen, denn er will gleich die restlichen 5 Zentner auf einmal nehmen, da es ja zu ihm hin keinen Buckel rauf geht. Dann ist die Kohlenangelegenheit endlich auch erledigt. Meine bekomme ich ja gebracht.
Morgen früh backe ich gleich den Kuchen für Dich und schicke ihn sicher morgen Nachmittag weg. Wahrscheinlich lege ich gleich diesen Brief bei, das siehst Du ja nachher. Hoffentlich schmeckt Dir auch diesmal der Kuchen gut. Es soll doch für Dich auch ein bißchen Sonntag sein.
Am Samstag werden wir wahrscheinlich nun in den Wald gehen. Da nehme ich aber gleich ein paar Taschen mit, das ist ja am Wochentag. Wenn es keinen Tee gibt, dann gibt es eben Zapfen. Das ist auch was. Am schönsten wäre es natürlich, wenn Du dabei wärst. Aber es geht nun leider nicht. Denken werden wir aber jedenfalls an den schönen Sonntag mit Dir, wenn wir den Weg gehen, den wir am Sonntag mit Dir gegangen sind.
Nachdem es jetzt in den Nächten so kalt geworden ist, ist es ganz gut, daß ich noch nichts gesät habe. Das würde doch nicht richtig aufgehen. Den meisten Samen habe ich schon gehäuft. Nur Weißkraut, Wirsing, Zwiebelsamen fehlt mir noch. Das war bei Webers nicht zu haben. Da muß ich mal in der Stadt nachsehen.
Ich bin heute Abend recht müde und würde gern schlafen gehen, nachdem es 1/4 10 Uhr ist, aber Vater will noch rauf kommen und Säcke bringen für morgen. Hoffentlich kommt er bald, sonst schlafe ich noch ein. Schaffen kann ich deshalb heute auch nichts mehr, mir fallen die Augen zu. Das Kohlenholen strengt doch ein bißchen an.
Nun habe ich den Film „Sieg im Westen“ auch zwei Mal gesehen. Aber man kann ihn ruhig zwei Mal ansehen. Man sieht immer wieder etwas, was man vorher gar nicht so beachtet hat. Mich hat es auch heute wieder stark interessiert. Das Kino war auch heute Nachmittag bis auf den letzten Platz besetzt. Da sieht man doch, wie viele Leute sich diesen Film ansehen. Es ist ja auch das Interesse aller wert.
1/2 10 Uhr ist Vater gekommen und jetzt, 1/2 11 Uhr ist er wieder fortgegangen. Wir holen morgen nun doch nur 4 Zentner, den einen Zentner läßt er schwimmen, wie er sagt.
Nun gehe ich aber schlafen. Gute Nacht, mein lieber Schatz!
Lieber Ernst, vorhin habe ich den Kuchen für Dich gebacken. Hoffentlich ist er richtig durchgebacken. Für uns habe ich einen Honigkuchen gebacken. Das ist der erste Versuch mit einer Springform. Sollte sie gut geraten sein, bekommst Du nächsten Sonntag einen.
Heute ist wieder ganzes Sonntagswetter. Das macht direkt Freude. Jörg spielt schon wieder den ganzen Vormittag unten. Helga ist gerade dabei, Schularbeiten zu machen. Heute gibt sie sich einmal richtige Mühe. Wir sind heute ein bißchen in die Küche gezogen, denn es ist schön warm und außerdem habe ich einmal gründlich die  Stube sauber gemacht. Da schreibt Helga auch in der Küche und ich kann öfter mal nachsehen. Das ist auch von Vorteil.
Am Nachmittag bringe ich dann den Kuchen für Dich auf die Post und hinterher gehen wir Kohlen holen. Die Kinder freuen sich ja schon drauf, weil sie dann von mir mit dem Wagen gefahren werden.
Nun noch etwas. Ich habe doch noch Kalk da, vielleicht 1/4 Sack. Muß ich den irgendwo  mit untergraben oder brauchen wir den später? Gestern war ich auf der Post und habe mit nach den Briefmarken von Leipzig für Kurt gefragt. Die bekommen sie erst in 14 Tagen. Heute bekommen sie die Marken von der Wiener Messe. Willst Du da auch welche haben oder kaufst Du sie Dir selber? Muß ich davon für Kurt auch welche besorgen?
Heute ist zum 65. Geburtstag von Ludwig Finkh ein Artikel in der Zeitung. Ich schicke ihn Dir mit.
Nun will ich schließen, lieber Ernst. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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