Mittwoch, 9. März 2016

Brief 138 vom 8./9./10.3.1941


Mein lieber Ernst!                                                                          Konstanz, 8.3.41               

Heute Morgen erhielt ich Deinen lieben Brief vom 6.3. Die Bestätigung habe ich gleich zu Frl. Bucher gebracht. Sie sagte mir, daß sie es fertigmachen und mir das Geld zuschicken wird. Scheinbar bekomme ich es also doch nicht mir dem Gehalt zusammen. Na, ich werde es ja sehen.
Wie ich Dir schon schrieb, glaube ich nicht, daß Du am Verhungern bist. Wenn nicht gerade der Kuchen gekommen wäre, hätte ich Dir in der Woche auch kein Paket gesandt und die Butter und Wurst hätte ich dem Sonntagskuchen beigefügt. Aber ich konnte doch den Kuchen nicht noch einmal eine Woche liegen lassen. Der trocknet ja ganz aus. Wer weiß, ob er Dir überhaupt noch geschmeckt hat. Inzwischen wirst Du ja Deinen Sonntagskuchen auch erhalten haben. Hoffentlich ist er diesmal rechtzeitig angekommen.
Kurt hat heute an Vater und mich geschrieben. Wo er ist, hat er nicht geschrieben, nur daß er landschaftlich wie in Lubmin und nahe am Meer ist. Er schreibt noch: „Hier in unserer Ecke sagen auch Hase und Fuchs gute Nacht. Untergebracht sind wir in Zementbaracken, es ist ganz wohnlich hier.“ 60 Stunden Bahnfahrt hat er von Karlsruhe bis zu seinem neuen Standort gehabt.
Wir freuen uns schon sehr, wenn Du wieder einmal nach hause kommst. Wenn Du in den Unterrichtsferien kommst, kannst Du ja immerhin einige Tage hier sein. Hoffentlich klappt alles. Es freut mich auch, daß Du Dich jetzt im Kurs eingewöhnt hast.
Dein Kamerad Grasser ist wahrscheinlich auch woanders hingekommen. Wenn Du jetzt seine neue Feldpostnummer weißt, kannst Du ja einmal bei ihm anfragen. Es würde mich tatsächlich auch interessieren, wie bei Eurer Dienststelle alles geworden ist. Es wundert mich, daß Dr. Thomas noch nicht geschrieben hat, aber es kann ja sein, daß er noch  keine Zeit und Gelegenheit gehabt hat. Ich kann mir nicht gut denken, daß er Dich vergessen hat.
Über den Inhalt des Briefes der Eltern an Dich weiß ich nicht Bescheid, sie haben mir diesmal keinen Durchschlag mit gesandt. Wegen Erna habe ich ja nun schon geschrieben, ehe Dein Brief bei mir eintraf. Hoffentlich bist Du nicht ganz unzufrieden damit. Wie ich schon geschrieben habe, es wäre mir lieber, ich wüßte von allem nichts.
Scheinbar hast Du dort jetzt auch  einen Kameraden gefunden, mit dem Du soweit harmonisierst, daß Du wenigstens mit ihm lernen kannst. Dadurch wird es sicher etwas leichter.
Unseren beiden Kerlchen geht es soweit gut. Gestern abend 1/2 11 Uhr fing Jörg auf einmal an mit Jammern. Er hatte festes Ohrenweh. Ich habe ihm gleich mit warmen Öl getränkte Watte ins Ohr ins Ohr getan. Dann habe ich ihm Zwiebel ans Ohr gelegt und darüber einen Schal getan. Ich habe ihn dann mit zum mir ins Bett genommen, weil er jammerte und Helga gar nicht schlafen konnte. Ich konnte ihn auch besser beruhigen, wenn ich ihn bei mir hatte. Nach und nach ist es dann besser geworden und um 1 Uhr hat er wieder in sein Bett wollen, weil er besser schlafen konnte und es ihm auch nicht mehr weh tat. Heute Morgen waren die Schmerzen fast überhaupt weg. Ich habe ihm aber noch Watte im Ohr gelassen und auch einen Schal drum getan.
Heute Abend haben sich Beide ganz schnell ausgezogen, damit sie bald ins Bett kommen und mir dadurch eine Freude machen. Das ist auch für mich immer ein schöner Abend, wenn ich nicht schimpfen muß. Da ist es mir viel wohler. Ich bin überhaupt froh, wenn ich nicht so viel reden muß.
Heute Vormittag war wieder wunderschönes Wetter, ganz sonnig. Heute Nachmittag, bzw. Abend hat es wieder angefangen mit regnen. Vater war trotz des Schirmes an den Knien ganz naß, als er hier ankam. Er war in der Stadt gewesen. Er sitzt jetzt gerade beim kleinen Ofen in der Stube und läßt sich die Knie an bißchen anwärmen, damit die Hosen trocken werden. Ich muß Dir von ihm auch einen Gruß bestellen. Die Zigarren habe ich ihm schon vor ein paar Tagen gegeben. Er hat sich auch sehr darüber gefreut. 

9.3. Mein lieber Ernst!                                                                                            9.3.

Nun ist der Sonntag auch gleich wieder vorbei. Es ist heute sehr schönes Wetter. Die Kinder sind schon den ganzen Nachmittag unten. Vorhin haben sie auch einen kleinen Spaziergang gemacht. Ich war zuhause. Ich höre jetzt gerade noch das Wunschkonzert an. Es ist 3/4 6 Uhr. Vorhin haben wir Abendbrot gegessen und nun sind die Kinder noch ein bißchen raus gegangen. Die Sonne scheint ja immer noch.
Manchmal muß man doch über Jörg lachen. Heute früh sagte er zu Helga und mir: “Ihr vertragt aber auch gar nichts im Essen.“ Auf unsere erstaunte Frage, wieso, sagte er:“ Weil ihr heute früh so wenig gegessen habt, die Soldaten essen bestimmt mehr.“
Zum Mittagessen haben wir heute Rohe Klöße gehabt. Die Kinder hatte sie sich so gewünscht. Da habe auch ich fest gegessen, denn Klöße macht man doch nicht so oft, schon wegen dem vielen Reiben. Aber geschmeckt hat es. Eigentlich hatten wir Pudding als Kompott, aber wir haben ihn nicht mehr essen können, so satt waren wir. Da haben wir heute Abend gleich noch was gehabt.
Heute Abend will ich noch stopfen und ausbessern, damit ich da auch wieder Ordnung habe. Es kommt doch immer wieder gleich ziemlich viel zusammen.
Weißt Du, lieber Ernst, wir waren doch recht enttäuscht, in Deinem Brief zu lesen, daß Du uns erst zu Ostern besuchen willst. Wir hatten schon viel eher damit gerechnet. Aber Du wirst ja wissen, ob es nicht eher geht. Wahrscheinlich wirst Du auch am Sonntag lernen müssen und kannst deshalb nicht eher kommen. Hoffentlich  kommt dann wenigstens zu Ostern nichts dazwischen.
Abends 10 Uhr. Nun habe ich meine Arbeit getan. Sogar mit der Maschine habe ich noch etwas genäht. Jetzt bin ich aber redlich müde und gehe schlafen. Gute Nacht, mein lieber Schatz und wache gesund wieder auf. Behalte uns lieb. 



Mein lieber Ernst!                                                                                                10.3.

Es hat schon wieder eine neue Woche begonnen. Ich habe sie gleich mit Nähen angefangen. Ich habe mein Sommerkleid wieder hergerichtet. Es ist wohl ein bißchen zeitig, aber später habe ich dann im Garten zu tun, da komme ich nicht mehr so gut dazu.
Es ist heute wieder herrliches Wetter. Am Morgen war Nebel, aber jetzt scheint die Sonne und es ist ziemlich warm. Ich habe schon den ganzen Tag das Küchenfenster auf. Helga ist jetzt in der Schule und Jörg spielt unten. Nachher fahre ich noch in die Stadt einkaufen. Bei so schönem Wetter ist man ganz gern ein bißchen im Freien. - Diese Woche hast Du ja nun auch die Lebensmittelkarten. Hoffentlich kommst Du damit richtig aus. Für alle Fälle hast Du ja sicher noch ein bißchen Reserve von Deinen Urlauberkarten. Solltest Du an Deiner Urlauberkarte 20 g Marmelademarken übrig haben, so wäre ich Dir dankbar, wenn Du sie mir schicken würdest. Mir fehlen an einem Pfund gerade 20 g. 80 g habe ich nämlich noch von Deiner vorigen Urlauberkarte und 400 g sind an den Kinderkarten. Nicht wahr, jetzt pumpe ich Dich sogar noch an.
Nun will ich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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