31.5. Lieber Ernst!
Heute ist wieder ein bißchen Sonnenschein, wenn´s auch noch
nicht ganz sicheres Wetter ist.
Ich war vorhin gleich mal im Garten und hab wieder ½ Eimer
Unkraut rausgeholt. In den 2 letzten Tagen sind die Kartoffeln sehr gewachsen,
ebenso die Bohnen. Ich habe noch mal 10 Salat gesetzt. Ein Salatsetzling an dem
schrägen Stück war abgefressen und da habe ich da den ersten Engerling
gefunden.
Die ersten Kohlrabi haben sich auch fest rausgemacht. Sie
haben schon Knollen in der Größe (Zeichnung) das ist noch ein bißchen zu klein
geraten.
Ich warte gerade noch auf Post, ob was von Dir dabei ist,
dann fahre ich in die Stadt und nehme den Brief gleich mit. Hurra! Es ist Post von Dir gekommen. Gleich
2 Briefe. Ich beantworte sie im nächsten Brief.
So leid tut es mir, daß Du noch nichts erhalten hast, ich
war aber auch ein richtiger Esel, daß ich erst ein Päckchen und dann einen
Brief geschickt habe, ein Päckchen geht ja länger. Verzeihe mir das bitte.
Einen Brief von Siegfried lege ich bei. Sei herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner
Annie, die Dich so sehr gern hat. Herzliche Grüße sendet Dein Vater. Vor allen
Dingen Du bleibst gesund.
Mein lieber
Ernst! 31. Mai 1940
Recht vielen Dank für Deine beiden Briefe vom 25. und 26.5.
Du hast mir wirklich viel geschrieben und bist ein ganz lieber Kerl.
Wie hast du denn das Impfen noch überstanden? Das ist aber
viel, in einer Woche 3 X impfen.
Hoffentlich bist Du wieder ganz wohl.
Das Essen scheint ja ganz gut zu sein. Es ist uns in der Heimat immer
wieder eine Beruhigung, wenn Ihr gut versorgt seid.
Helga ist gerade in die Spielschar gegangen. Sie hat den
Regenmantel mitnehmen müssen, denn es sieht schon wieder nach Regen aus. Der
Sonnenschein hat also nicht lange angehalten.
Es tut mir so leid, daß Du so lange keine Nachricht von uns
hast. Inzwischen wird sich das ja geändert haben. Ich habe dir ja fleißig
geschrieben. Das ist schön, daß Du
wenigstens einen Sonntag hast ausspannen können, denn der ganze Betrieb dort, ist
Dir doch auch neu und Du hast Dich auch umstellen müssen.
Du schreibst von den Frauen und Mädchen in Tracht, sind das
eigentlich Deutsche oder Tschechen? Man kann sich hier gar keinen rechten
Begriff davon machen, welcher Volksstamm dort vorherrscht. Der Ort ist doch
nicht weit von der Ostmark entfernt.
Unsere 2 Strolche habe ich wieder von Dir abgeküßt. Das
macht ihnen großes Vergnügen und sie lassen sich‘s gern gefallen. Unser Bub ist jetzt die ganze Zeit draußen.
Bei Webers war eine Baustelle, da liegt jetzt noch feiner grauer Sand. Davon
ist Jörg natürlich nicht fort zu kriegen. Wenn er heim kommt, bringt er immer
noch ein bißchen Sand mit und wäscht sich damit die Hände. Er ist der Meinung,
daß sie damit ganz besonders sauber werden. Wenn noch länger Krieg ist, hat er
mir schon angeboten, bringt er immer so Sand mit, dann brauchte ich überhaupt
keine Seife mehr.
Inzwischen ist es wieder Abend geworden. Es hat vorhin einen
tüchtigen Guß gegeben und hat sogar einmal gedonnert, jetzt hat‘s sich wieder
aufgeheitert.
Heute Nachmittag, als ich gerade hinterm Haus war, kam Resi.
Sie ist nur schnell mal vorbei gekommen, hat sich nach Dir erkundigt und läßt
Dich schön grüßen.
Morgen habe ich große Wäsche, da werde ich wahrscheinlich
nicht viel zum schreiben kommen. Gegen Abend gehe, bezw. fahre ich nochmals in
die Stadt und nehme den Brief mit.
Morgen backe ich wieder einen Kartoffelkuchen , den essen
wir alle gern, weil er so locker ist.
Frau Ehret hatte jetzt über 14 Tage keine Nachricht von ihrem
Mann und machte sich schon schwere Sorge. Heute ist eine Karte vom 22.
angekommen. Da war die Freude groß, auch wir haben uns alle mitgefreut, denn
alle Frauen denken ja jetzt an ihre Männer und man fühlt mit den anderen mit.
Ich habe wieder ein paar Bilder zum entwickeln
fortgeschafft, sollten sie was geworden sein, so schicke ich sie Dir morgen
mit. Heute will Dein Vater noch die
Wäsche zum waschen bringen, mal sehen, wann er kommt, es ist schon wieder
gleich ¼ 9 Uhr. Im letzten Brief habe
ich vergessen, den Zeitungsausschnitt beizulegen, er liegt nun hier bei. Ich
habe noch ein paar dazu gelegt, wenn´s Dich nicht interessiert, schreibe es
mir.
Bindfaden lege ich Dir jetzt öfter mal bei. Wenn Du wieder
Wollappen brauchst, so schreibe mir bitte.
Inzwischen habe ich für Helga noch einen Lappen für ihre Tafel genäht.
Jetzt ist es ¾ 9 Uhr und Vater ist noch nicht da. Ich würde so gern schlafen
gehen, denn ich will morgen gleich um 5 Uhr mit waschen anfangen, damit ich
beizeiten fertig werde.
10 Minuten vor 9 Uhr ist er nun gekommen. Er liest jetzt die
Zeitung.
5 Minuten vor 10 Uhr ist er jetzt gegangen. Es kommt jetzt
gerade wieder ein Gewitter und es regnet ziemlich. Er wollte aber keinen Schirm
mitnehmen. Gute Nacht, mein lieber, lieber Ernst.
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