Samstag, 23. Mai 2015

Brief 3 vom 23.05.1942


Lieber Ernst !                                       Konstanz, 23.5.40                

Heute früh haben wir, Jörg und ich, das Päckchen für Dich weggeschafft. Vielleicht erhältst Du‘s bis zum Sonntag.
Bei der Heimfahrt bin ich in einen Nagel gefahren und hatte eine Platte. Ich habe das Rad dann gleich wieder repariert und dann bin ich in den Garten gegangen und habe wieder gejätet.
Heute Nachmittag sind wir alle zusammen in die Stadt gegangen und ich habe eine Kartoffelhacke gekauft.  Ich mag mir nicht gern eine borgen. Du hattest mir ja erlaubt, kleinere Sachen anzuschaffen. 
Gestern hatte es einen ziemlichen Gewitterregen und jetzt steht auch wieder ein Gewitter am Himmel und es fängt auch schon ein bißchen an zu regnen. Gießen habe ich noch nicht müssen. 
Heute ziehen wieder Leute in Wohlsen´s Wohnung. Eine Familie mit 2 größeren Buben. Der eine hat heute schon den ganzen Garten umgegraben. Eben ist gerade der Möbelwagen vorgefahren.
Heute kam ein Brief von Gerhard. Ich lege ihn bei. Ich habe ihn  n i c h t  beantwortet.
Im Garten geht es auch vorwärts. Nach dem Regen schießen die Kartoffeln förmlich heraus. Die oberen Reihen Kartoffeln, im großen Garten, kann ich morgen schon hacken. Die Buschbohnen sind jetzt alle gut herausgekommen, auch die ersten 4 Reihen Stangenbohnen kommen nach und nach. Bei den Gurken gucken auch schon die meisten Keime heraus. Die Salatsetzlinge sind auch bald so groß, daß ich sie versetzen kann. Die Stachelbeeren hatte ich nochmals mit Leim bestrichen, weil die Ameisen wie toll darauf herum liefen. Es hat aber nicht viel geholfen, heute rennen sie schon wieder. Mehltau haben die Stachelbeeren bis jetzt noch nicht. Heute hat Jörg schon seine ersten 4 Radieschen geerntet. Großzügig hat er Helga 2 davon abgegeben. Die Petersilie kommt jetzt auch gut.
Ich schreibe Dir so ausführlich vom Garten, weil ich denke, daß es Dich interessiert. Sollte das nicht der Fall sein, weil Du jetzt viel andere Sachen im Kopf haben mußt, so schreibe es mir richtig. 
Der Schlüsselblumentee, den wir noch zusammen gesammelt haben, hat 1 ½ Dose voll ergeben, also doch ein ganz schönes Quantum. 
Unsere Soldaten leisten doch wunderbares. Man kann sich gar nicht die Größe der Leitungen richtig vorstellen. Unseren Soldaten haben wir es ja zu danken, wenn wir noch ruhig zu hause sein können, das wollen wir nie vergessen. 
Ich war eben noch mal im Garten unten. Da kommen auch schon die Dahlien, alle, auch die vorm Haus, heraus. Der Regen hat allen Pflanzen gut getan.  Nun will ich für heute Abend schließen, sonst bekommst Du wieder so einen langen Brief und bist darüber ganz verzweifelt.  


12 Uhr Lieber Ernst!

Vorhin bin ich im Garten beim Kartoffel hacken, auf einmal kommt ein Soldat und wer ist‘s, Kurt.
Er ist von der Infanterie entlassen worden wegen seinen Füßen und garnisonsverwendungsfähig geschrieben.
Er hat sich aber gleich wieder gemeldet für die motorisierten Einheiten und er wird bei den nächsten Einberufungen mit erfaßt. Was sagst Du dazu?
Ich habe ihn in der Uniform erst gar nicht erkannt. Kurt ist auch kurz in Leipzig gewesen und hat die Eltern besucht.  Von den Eltern sind heute Zeitungen und ein Brief gekommen, den ich Dir mitschicke. Auch zwei Durchschläge von meinen Briefen liegen bei. 
Soll ich Dir auch ein paar Zeitungen, „Illustrierter Beobachter“ usw. schicken, oder hast Du noch keine Zeit dazu. 
Ich habe ein paar Aufnahmen gemacht, die ich heute Nachmittag hole. Sollten sie etwas geworden sein, schicke ich sie Dir gleich mit.
Ich nehme den Brief gleich mit, so daß ich ihn nur noch zukleben brauche.  Nun mein lieber Ernst, nimm recht herzliche Grüße und Küsse von Deiner Annie.  Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg 
24.5.40
Wenn Du kannst, schreibe mir bitte wieder mal einen kurzen Gruß.  Ich denke immer an Dich, mein lieber, lieber Ernst. Ich habe heute auch noch 25 Salatsetzlinge gesetzt auf dem schrägen Stück hinterm Haus. 

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