Mein lieber
Ernst! 25.Mai 1940
Gestern Abend habe ich den Brief mit den Photografien
weggeschickt. Hoffentlich freust Du Dich darüber.
Ich habe jetzt einige Wollappen herausgesucht: Ich weiß nur
nicht, ob Du sie brauchen kannst, ob es die richtigen sind. Auch Dextro-Energen
lege ich bei. Ich habe mich so gefreut, daß Du Dir mal was gewünscht hast. In
der Zeitung war heute eine Karte von Frankreich, Belgien usw. Ich weiß nicht,
ob Ihr dort eine habt. Vielleicht interessiert es Dich aber, und so lege ich
sie auch bei.
Gestern Abend kam Vater und er war ganz überrascht, daß Kurt
da war. Er hat sich natürlich sehr gefreut. Kurt schläft einstweilen bei Paula.
Sie hatte es ihm schon früher angeboten. Kurt ist jetzt gerade da und zieht
sich um. Ich habe ihm vorhin gerade noch die Strümpfe gestopft und die
Hosen gebügelt, die er zurückgeschickt
hatte, denn die anderen Sachen hat er ja alle eingepackt. Den Kofferschlüssel
brauchst Du jetzt nicht extra
zurückzuschicken, denn Kurt hat noch einen.
Lieber Ernst, das war jetzt ein Unsinn, wir haben gerade zusammen gesprochen. Kurt braucht ja
den Koffer auch wieder, wenn er wieder eingezogen wird und so mußt Du also den Schlüssel schon
zurückschicken. Heute wird es nun ein
kürzerer Brief. Ich will jetzt meine
Lebensmittelkarten holen und da nehme ich das Päckchen gleich mit. Ich wünsche, daß Du bis morgen, Sonntag,
wenigstens die erste Post von uns erhältst.
Sei nun vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Viele Grüße und Küsse von Deiner
Helga. Jörg.
25.5.40 Lieber Ernst!
Wie Dir Anni
schon mitgeteilt hat, bin ich seit gestern wieder in Konstanz. Hoffentlich
werde ich bald wieder eingezogen, wie mir gestern auf dem Wehrmeldeamt gesagt
wurde, käme ich schon in den nächsten Tagen wieder weg, und zwar zu einer
motorisierten Einheit. Den schwierigsten Teil der Rekrutenzeit habe ich ja nun
hinter mir, ich hatte in Th. einen ganz ekelhaften Kerl von
Korporalschaftsführer. Nun beiß nur die Zähne tüchtig aufeinander und sei
herzlich von Deinem Bruder gegrüßt. Kurt.
Lieber Ernst!
Eigentlich wollte ich erst heute Abend schreiben, aber ich
bringe es doch nicht fertig, ich muß Dir am Sonntagvormittag einen recht
herzlichen Gruß zurufen.
Das ist nun schon der 2. Sonntag, wo Du nicht daheim bist.
Ob Du heute wenigstens Nachricht von uns hast. Das ist mein größter
Wunsch.
Heute früh habe ich die Gurken gegossen und auch die
Tomaten. Diese sind schon wieder so gewachsen, daß ich sie höher binden und die überflüssigen Zweige wegschneiden
mußte. Ein paar Blüten haben sie auch schon. Die Erbsen, die Du gesteckt hast,
ehe Du fort mußtest, kommen jetzt auch schon gut heraus. Bei den halbhohen
Bohnen bricht jetzt auch die Erde auf.
Lieber Ernst!
An den Sonntagen, da habe ich besondere Sehnsucht nach Dir,
nach den Waldspaziergängen mit Dir. Wenn Du so mit den Kindern herumgetollt
hast, das waren doch immer so schöne Tage. Eigentlich jeder Weg und jeder Wald
weckt die Erinnerung an unsere gemeinsamen Fahrten und Gänge.
Manchmal meine ich, Du müßtest gerade hereinkommen und mit
uns fortgehen. Na, wir werden diese Zeit auch überstehen und hoffen, daß wir
noch oft miteinander laufen und sprechen können. Einstweilen tun wir mal unsere
Pflicht.
Wie haben Dir die Bilder gefallen? Auf dem einen hat doch
Jörg sein richtiges freches, fröhliches Lachen. Ich wollte Dir mit den Bildern
gern eine Freude machen.
Ich schließe jetzt den einen Brief. Kurt will Dir auch noch
was schreiben, denn den Brief sollst Du ganz allein von Deiner Dich liebenden und
grüßenden, küssenden Annie erhalten.
Mein lieber Mann !
Konstanz, 25.5.40
Es ist jetzt Abend. Ich bin zwar noch nicht fertig mit
Schaffen, aber diese Pause will ich gleich benutzen, Dir einige Zeilen zu
schreiben.
Ich war heute Nachmittag eine Weile im Garten und habe heute
die unteren Reihen Kartoffeln, beim Rhabarber, gehackt. Auch im Garten hinterm
Haus habe ich 3 Reihen gehackt. Die anderen sind noch zu klein. Ich habe auch
wieder Unkraut rausgeholt. Das wächst ja immer. Jetzt kommt aber alles raus. Ich will heute Abend noch Hornspäne
ins Wasser tun und damit morgen früh die Gurken gießen. Es wächst jetzt
alles, daß es eine wahre Freude ist. Jetzt höre ich für heute mit
schreiben auf und will mich noch ein bißchen an die Arbeit machen.
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