Mein lieber Ernst!
26.5. abends
Heute Nachmittag bin ich mit den Kindern ein bißchen im Wald
spazieren gegangen.
Natürlich haben wir auch Tee mitgebracht, Goldnessel,
Salbei, Spitzwegerich, auch einen schönen Strauß Margareten, er ist in Deine
schöne Vase gekommen, die Du mir voriges Jahr geschenkt hast.
Einen kleinen Strauß von unserem Spaziergang schicken wir
Dir mit. Ich weiß nicht, wie er ankommt, aber ich möchte Dir gern solch kleinen
Gruß senden. Hoffentlich bist Du nicht enttäuscht, wenn nur Blumen in dem
Päckchen sind.
27.5.
Wir waren auf dem
Fürstenberg, dann sind wir durch‘s Heidelmoos zum Wald gegangen, da quer durch
auf den Weg zum Tabor, vorm Tabor, bei der Schonung, sind wir den anderen Weg
zurück, den wir auch immer gegangen sind. Am Waldrand haben wir dann noch die
Goldnesseln gefunden.
Es war gestern drückend heiß, wie in einem Backofen, heute
Nacht hat es geregnet und gleich ein bißchen abgekühlt.
Kurt war gestern wieder auf Fahrt. Er will es noch
ausnutzen. Gestern Abend hat er vergessen, daß er noch etwas dazuschreiben
wollte, er hat mit seiner Schreibmaschine noch geübt.
Nun lieber Ernst, will ich schließen. Ich will noch das
Päckchen fertig machen. Sei recht
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Lieber Vater! Ich hab noch was vergessen, vom Muttertag.
Da hab ich der lieben Mutter ein Spruch gesagt und der heißt: Vaterliebe baut
das Haus, Mutterliebe schmückt es aus, Kindesliebe alle Zeit leuchtet hell als
Dankbarkeit. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga. Jörg.
Lieber Ernst!
Konstanz, 27.5.40
Eben bin ich von der Post gekommen, wo ich das Päckchen mit
Blumen an Dich weggeschickt habe. Hoffentlich lachst Du mich nicht aus, daß ich
Dir nun noch Blumen schicke.
Als ich heim kam, waren 2 Briefe von Dir da, da war aber
große Freude bei uns. Helga ist nämlich auch da, sie hat erst später
Schule. Am 22., als Du den Brief
geschrieben hast, war gerade Dein erstes Schreiben von dort bei uns.
Am Donnerstag früh habe ich gleich an Dich ein Päckchen
abgesandt.
Bis jetzt habe ich an Dich abgeschickt: am 23. ein Päckchen mit Gebäck am 24. einen Brief mit Bildern am 25. ein Päckchen mit Wollappen und
Dextro-Energen, am 27. ein Päckchen mit
Blumen.
Du wirst sicher inzwischen alles erhalten haben. Mit diesem
Brief schicke ich Dir nun Briefpapier und Umschläge mit.
Aus Deinem Brief geht ja hervor, daß ihr nicht gerade
schlecht versorgt seid. Da freue ich mich sehr darüber. Wir leiden ja zu hause
auch keine Not.
Dass Du mit der Lernerei mitkommst, das kann ich mir schon
denken, denn an Verstand hat Dir‘s ja nicht gefehlt. Dass die jungen
Oberschützen usw. grienen, wenn jemand den Kasernenhof durchmessen muß, ist ja,
wenn man´s genau nimmt, menschlich, denn Schadenfreude ist ja für viele die
reinste Freude. Denen wird‘s ja zu Anfang auch nicht viel anders gegangen sein.
Das, was Du dabei denkst, ist schon richtig.
Wegen dem Rekruten ist es doch komisch, daß immer einige
dabei sein müssen, die sich aufspielen. Na, Du bist ja keiner von denen, die
sich gleich etwas gefallen lassen. Das ist auch das einzige richtige. Über unseren Tagesverlauf habe ich Dir ja in
den verschiedenen Briefen berichtet. Du brauchst keine Angst zu haben, daß ich
mich übernehme. Bis jetzt fühle ich mich gesundheitlich außerordentlich wohl.
Gestern Abend habe ich noch die Sondermeldung gehört, daß
Calais genommen wurde. Das ist doch ein großer Erfolg, denn jetzt sind wir den
Engländern nahe auf den Leib gerückt. Hast du die Rede vom englischen König
gelesen, das ist doch ein gemeiner Lügner und Heuchler. Wir haben ihm ja die
richtige Antwort gegeben.
Es ist doch ein stolzes Gefühl, ein Deutscher zu sein.
Ich habe auch meine Freude daran gehabt, daß Du Dich über
die Schokolade gefreut hast. Wenn Du dort, wie Du schreibst, Gelegenheit hast,
welche zu kaufen, dann tue es nur. Später hast Du dann wahrscheinlich doch
keine Gelegenheit mehr, wenn Du an die Front kommst. Ich habe mir schon oft gedacht, wie Du in der Uniform schwitzen
mußt, so Du doch im Sommer kurze Hosen gewöhnt warst.
Habt Ihr dort auch Freibade-Gelegenheit oder kommt Ihr gar
nicht dazu.
Der Heringssalat, den Ihr gehabt habt, das war doch was für
Dich. Du machst mir den Mund nicht wässrig, nur macht es mir eine große Freude,
wenn Du was Gutes zu essen hast. Die Kinder parieren im Allgemeinen schon.
Wenn´s mal Störungen gibt, dann fahre ich mal wieder richtig dazwischen, dann
geht‘s schon. Darum brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen.
Helga und Jörg habe ich einen herzlichen Kuß von Dir
gegeben.
Heute hole ich den ersten Salat aus dem Garten. Das ist doch
auch was Gutes, gell? Gestern haben wir wieder Spinat gehabt. Ich muß diese
Woche auch wieder welchen holen, denn der wächst wie wild. Wir essen ihn ja
gern und er ist auch gesund.
Auf dem Beet von den Möhren haben wir damals keine
Radieschen, sondern Eiszapfen gesät. Sie sind noch nicht ganz soweit. Helga hat
bei ihrem Gärtchen jetzt mit großem Stolz 2 Radieschen geerntet. Einstweilen
will ich schließen, vielleicht kann ich heute Abend noch was schreiben.
Lieber Vater! Ich will dir auch noch selber schreiben,
daß ich Radieschen geerntet habe. Wir waren gestern im Wald, da war es sehr
heiß. Da haben Goldnesseln gestanden, da haben wir sie alle weggeholt. Heute
früh haben wir ein Päckchen weggeschickt, da sind Blumen drin. Weil ich Dich
lieb hab, schreibe ich Dir ein Brief. Heute Mittag gibt es schönen Salat, ich
freue mich schon lange darauf. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga.
Lieber Ernst!
abends 8 Uhr
Heute bei Tag war ich nicht im Garten, da ich Einkaufen und
waschen mußte, aber heute Abend habe ich meinen Rundgang gemacht. Gestern
schrieb ich Dir, daß sich bei den halbhohen Bohnen schon die Erde lockert,
heute sind sie schon halbfingerhoch über dem Boden. Die Buschbohnen haben auch
schon alle große Blätter, sie sind alle, ohne einen Ausfall, hoch, die letzten,
die Du gesteckt hast, kommen jetzt auch heraus.
An den Erdbeerpflanzen sind schon schöne große Erdbeeren
dran. Die Stachelbeeren haben schon
fast normale Größe.
Heute Abend habe ich wieder 4 ½ Pfund Rhabarber geerntet.
Die neu gesetzten Salatsetzlinge machen sich schon gut. Der Salat heute Mittag
war ein Genuß. Morgen will ich wieder einige Reihen Kartoffeln hacken.
Herr Steinmehl hat mir einige Blumenkohlsetzlinge in wenigen
Tagen angeboten, jetzt sind sie noch zu klein. Ich werde sie annehmen, ich habe
ihm ja auch Bohnen gegeben. Heute hat es sich tagsüber wieder schön aufgeklärt
und heute Abend ist jetzt noch Sonnenschein und ganz blauer Himmel. Ein
herrliches Bild. Die Welt ist doch so schön.
Unser Baum, den ich jetzt vom Sonnenschein beschienen sehe,
hat sich schön belaubt. Wenn Helga an Dich schreibt, darf ich ihr nie helfen,
darum sind manchmal Fehler drin, das ist doch nicht schlimm, nicht wahr?
Jörg hat Dir heute das Tintenfaß und den Federhalter gemalt,
mit dem er schreibt. Er schreibt auch nur noch mit Tinte, einen Bleistift lehnt
er ganz entschieden ab. Sein Neuestes ist, daß er immer das Datum dazuschreibt.
Er hat mir vorgeschlagen, daß ich kein‘s schreiben brauchte, das machte er
schon.
Er hat mir heute auch noch mal Salbei gebracht.
Helga hat morgen wieder ½ 2 Uhr Schule, weil sich die
unteren Klassen in 3 Zimmer teilen müssen. Die größeren Kinder gehen jetzt in
der Stadt zur Schule, den kleineren hat man‘s noch nicht zumuten wollen.
An eins wollte ich Dich noch erinnern. Vergiß nicht, auch
einmal ein paar Zeilen an Dora zu schreiben, sonst ist sie evtl. böse mit
uns.
Nun, mein lieber Mann, will ich schließen. Ich packe das
Päckchen heute Abend noch, damit ich‘s morgen früh gleich wegtragen kann. Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt
von Deiner Annie.
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