Freitag, 8. Dezember 2017

Brief 459 vom 4.12.1942


Mein liebster, besterErnst!                                         Konstanz, 4.12.42

Heute erhielt ich 2 Briefe von Dir, vom 19.11. und vom 25.11. Letzterer mit Flugpost. So konnte ich in einem lesen, dass Du wahrscheinlich versetzt wirst und im zweiten las ich dann, dass zuerst der Inspektor drankommt. Also ganz sicher ist es bei Dir auch nicht, aber Du hast Recht, man lässt alles an sich herankommen und macht das mit, was verlangt wird. So bist Du bisher immer am besten gefahren. Es hat ja doch keinen Zweck, sich gegen etwas zu stemmen, man macht sich das Leben damit nur noch schwerer.
Vielleicht kannst Du doch noch einige Zeit dort bleiben, bis es etwas wärmer wird. Aber wie gesagt, am besten, man wartet ab.
2 Päckchen sind also an mich unterwegs. Hoffen wir, dass sie gut ankommen. Einige Zeit wird es ja noch dauern, bis sie hier eintreffen.
Bei Euch hat es also geschneit. Als ich es den Kindern vorlas, waren sie ganz neidisch. Ich glaube, den Kindern ist es mehr erwünscht, als Euch Soldaten.
Um nochmals auf die Versetzungsgeschichte zu kommen. Da hast Du wirklich Recht. Gut ist es, dass Du jetzt noch einen Urlaub gehabt hast. Das kann uns niemand wegnehmen. Die Erinnerung haben wir doch. Und schöne Tage waren es!
Dass Du´s mir nicht übel genommen hast, dass ich Dir nicht so viel erzählt habe, das beruhigt mich ein wenig.
Wenn du die Sachen, die Du von hier mitgenommen hast, gebrauchen kannst, so ist es Recht. Da hast Du sie wenigstens nicht umsonst geschleppt.
Der Brief an Helga und Jörg ist heute auch angekommen. Sie haben ihn in der Stube gelesen, damit ich ja nichts hören soll. Der Brief an Vater ist auch hierhergekommen, trotzdem Rundbergstraße draufsteht. Aber für die Konstanzer Briefträger gibt es im Allgemeinen nur einen Rosche, und das sind wir.
Den Löffel habe ich Dir ja gleich geschickt, und Du wirst ihn wohl inzwischen erhalten haben. Die Hülle für das Besteck mache ich Dir gerne. Nur kann ich es natürlich erst nach dem 25. Wegschicken, da bis dahin Päckchensperre besteht.
Den zweiten Luftpostbrief von mir hast Du also erhalten, und so wird sicher auch alles andere richtig ankommen. Mit dem ersten Luftpostbrief war es eben ein Versehen von der Post. Es beruhigt mich, dann werden sicher auch die Päckchen richtig ans Ziel kommen. Schnell ist ja der Brief gegangen, nur 4 Tage. Hierher dauern die Luftpostbriefe meist ca. 9 Tage.
Du wunderst Dich, dass ich der Frau von Papa etwas schenken will? Das möchte ich schon tun, denn ich glaube bestimmt, dass Papa ein Paket schickt und die Frau legt sicher was bei. Da möchte ich nicht so dastehen. Ich schenke ja nur eine Kleinigkeit, aber ich habe niemand beleidigt. Erna schenke ich sowieso etwas mehr. Die Zigaretten für Siegfried lege ich in das Päckchen von Erna. Ich glaube nämlich, dass er wahrscheinlich zu Weihnachten Urlaub erhält. So liegen im Päckchen ein bisschen Gebäck, die anderen kleinen Sachen und die Zigaretten, das sieht netter aus. Voriges Jahr konnte ich auch an Siegfried Gebäck schicken, aber diesmal habe ich nicht so viel Mehr.
Über die Weihnachtsgeschenke für die Kinder habe ich Dir ja gestern geschrieben. Es war schon notwendig, dass man sich rechtzeitig darum kümmert, sonst bekommt man nur noch den Rest. Ich glaube auch, dass sie mit den Geschenken zufrieden sein können. Wie schön wäre es, wenn Du wieder einmal zu Weihnachten daheim sein könntest. Das wäre dann erst ein richtiges Fest für mich, aber daran ist ja nicht zu denken.
Du hast Recht, am schönsten wäre es, wenn man nicht nur mit Urlaub rechnen müsste, sondern, dass der Krieg zu Ende wär´ und Du ganz Heim kommen könntest. Aber auch damit ist nicht zu rechnen, und es sieht noch nicht nach Frieden aus. Aber wir müssen es durchfechten. Ohne Sieg gäbe es auch keinen richtigen Frieden, sondern nur ein Elend, wie 1918 und später. Wir haben es ja gesehen, unsere Feinde gönnen uns kein richtiges Leben.
Ich bin auch froh, dass Helga ihre Schuhe bekommen hat. Sie hat sie schon einige Male gut brauchen können. Am Sonntag, beim Theaterspielen, zieht sie sie auch an. Sie muss ihr Sonntagskleid anziehen, da passen sie sehr gut dazu.
Ich war heute den ganzen Tag daheim. Am Vormittag habe ich geputzt und mir dann vor allen Dingen mal die Tür an das kleine Schränkchen gemacht. Vater wollte es ja einmal machen, aber das dauert mir zu lange. Jetzt steht die Tür schon so lange herum. Am Nachmittag habe ich eigentlich nur Briefe geschrieben. Die Durchschläge lege ich bei.
Helga ist vorhin von der Probe Heim gekommen. Sie hat jetzt mächtigen Hunger und wir werden jetzt Abendbrot essen. Ich schließe für heute meinen Brief und grüße und küsse Dich, mein lieber Mann, recht herzlich, Deine Annie.

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