Freitag, 8. Dezember 2017

Brief 457 vom 2.12.1942


Mein liebsterErnst!                                                    Konstanz, 2. Dez. 1942

Heute war ein froher Tag, denn ich habe Post von Dir erhalten, gleich 3 Brief, vom 15., 16. Und 17.11. Auf einem war der Briefstempel von 37700, auf einem der von 00220 und einer war ohne Stempel. Nun weiß ich wenigstens, dass 37700 richtig ist und dass Du den Flugpostbrief an 00220 sicher auch erhalten wirst. Das hat mich etwas beruhigt. Muss ich doch nun nicht befürchten, dass evtl. die Päckchen zurückkommen.
Wie ich aus Deinen Briefen ersehe, wartest du auch sehr auf Nachricht von uns und es fuchst mich furchtbar, dass der Luftpostbrief zurückgekommen ist. Da hättest Du doch nicht so lange warten müssen. Inzwischen wirst Du hoffentlich wieder laufend Briefe von uns bekommen.
Meine Frage nach dem Entstehen des Brandes hast Du ja nun schon beantwortet. Das muss ja eine ziemliche Aufregung gewesen sein. Nur gut, dass der eine nachgesehen hat, sonst wäre es zum Ausräumen der persönlichen Sachen sicher zu spät gewesen. Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie Du geschaut hast, als Du bei euch im 5.Stock ankamst und alles verbrannt fandest. Einen anderen Empfang wünscht man sich ja schon, wenn man so lange Tage auf der Bahn gelegen hat. War es eigentlich ein Kaminbrand?
Ja, in Afrika war ja ein Rückschlag eingetreten. Aber das werden wir auch überstehen. Gut ist ja, soviel ich das beurteilen kann, dass wir rechtzeitig alles zerstört haben und keine der Plätze länger verteidigten, sonst wären sicher wieder noch mehr in Gefangenschaft gekommen. In der Beziehung ist so ein Rückschlag gut, dass wir uns in der Heimat auch wieder daran erinnern, dass Krieg ist und gekämpft werden muss. Es verlangen noch manche, alles müsste wie im Frieden sein. Das meine ich ja nun gerade nicht, aber doch ist man noch in mancher Friedensvorstellung befangen.
Wegen dem Heft vom Gess habe ich Dir ja geschrieben. Leider ist es erst nach längerer Zeit zu bekommen. Abbestellt habe ich es nicht.
Du schreibst wegen eines Rades für eines der Kinder. Da käme ja vor allem Helga in Betracht. Aber auch eigentlich erst, wenn sie später in die Stadt in die Schule muss. Wenn man überhaupt ein Rad durch die Zeitung bekommt, so meist ohne Bereifung. Ich habe es schon bei „Tauschangebote“ gelesen. Von der Bezugsscheinstelle bekommt Helga aber keine Bereifung, solange keine Notwendigkeit besteht, dass sie fahren muss. Ein Kinderrad käme für sie auch nicht mehr in Frage. Dazu ist sie zu groß. Schreibe mir bitte nochmals, was ich machen soll. Ob ich doch einmal inserieren soll?
Helga bekommt zu Weihnachten: 1 Kleid, 2 Tricothemden, 1Paar Strümpfe, 1 Kopftuch bzw. Halstuch, 1 Karton für Schmuck, 1 Paar Handschuhe, 2 Bücher, dazu noch etwas zum Naschen. Jörg bekommt: 1 Trainingshose, 1 Unterhose, 1 Pullover, 1 Hose, 1 Paar Handschuhe, 1 Buch, 1 Beutel kleine Holzhäuschen, und auch etwas zum Naschen.
Spielwaren gibt es dieses Jahr in keinem Geschäft. Die wenigen Sachen, die da sind, sind miserables Machwerk, dazu teuer und auch nur für kleinere Kinder bestimmt. Und Spielwaren haben ja unsere Kinder auch schon. Die Kinder müssen eben mit dem zufrieden sein, was sie bekommen. Sollte ich noch irgendwelche Kleinigkeiten auftreiben können, so werde ich sie natürlich kaufen. Bis jetzt klappte es nur noch in keiner Weise.
Die Ergänzung der Kostenaufstellung für die Ahnenforschung werde ich vornehmen.
Nun will ich Dir noch von heute erzählen. Am Morgen habe ich Wäsche aufgehängt, die bis Mittag schon trocken war, denn es wehte ein starker Wind. Die über Nacht getrocknete Wäsche habe ich am Vormittag gleich gebügelt. Am Nachmittag sind wir zum Baden gegangen. Es waren nicht so viele Leute da, nur mehrere Soldaten. Wie es mir da heute gegangen ist, hat Dir ja Helga schon berichtet. Einige Male konnte ich dem Unterschwimmen ausweichen, einige Male habe ich aber auch Wasser geschluckt. Das war ja aber nicht weiter schlimm. Als dann die Soldaten fort waren, bin ich 10 Mal hintereinander um das tiefe Bassingeschwommen. Das war wieder schön. Jörg hat aber noch keine Lust zum Schwimmen. Als wir heute Heim kamen, sagte ich zu ihm: „Wenn Du keine Lust zum Schwimmen hast, so ist mir das gleich. Aber Du wirst es erleben, wenn Vaterle mal wieder auf Urlaub kommt, dann schwimmen wir dir alle davon und du alleine musst bei den kleinen Kindern am Ufer stehen bleiben.“ Das hat ihn ein wenig beeindruckt und er meinte, dass er am nächsten Donnerstag bestimmt probieren wollte. Mal sehen, ob es wahr ist. Am liebsten ging Jörg ja am Mittwoch, da da die Jungen nicht da sind, die ihn immer ärgern.
Nach dem baden sind wir noch Brot holen gegangen und dann heim. Da haben wir Abendbrot gegessen und Helga hat noch an Dich geschrieben, während Jörg Schulaufgaben gemacht hat. Dazu war er am Nachmittag nicht mehr gekommen, denn wir wollten nicht zu spät beim Baden sein.
Nun liegen beide schon längst im Bett und ich will auch gehen, denn das Baden macht müd´.
Ich grüße und küsse Dich für heute wieder recht herzlich, Deine Annie.

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