Freitag, 8. Dezember 2017

Brief 455 vom 30.11.1942


Mein liebsterErnst!                                                    Konstanz, 30.11.42

Morgen beginnt der Weihnachtsmonat. Die Kinder freuen sich schon, wenn sie ihre Adventskalender aufmachen dürfen und wenn ich den Kalender aufmache, den sie mir gemacht haben.
Wie oft haben sie mich schon gefragt, ob ich mich auch freue. Am Samstag ist dann Nikolaustag. Da es keine Bonbons oder Pralinen gibt, bringt der Nikolaus Granatsplitter und etwas Gebäck. Das wird auch Freude machen, denke ich. Meist sind ja die Kindergedanken jetzt bei Weihnachten. Da werden Tannenbäume, Kerzen, Tannenzweige usw. gemalt und auch ab und zu schon Weihnachtslieder gesungen. Dazu kommt noch die Freude auf die KdF-Veranstaltung am nächsten Sonntag. Es gibt also viel, worauf sich die Kinder freuen können.
Ich habe heute sehr auf einen Brief von Dir gewartet, aber leider vergeblich. Wenn ich nur erst lesen könnte, dass Du Briefe von mir erhalten hast.
Ich wünschte ja so sehr, dass Du nicht vergeblich die lange Zeit auf Post warten musstest. Aber ich muss eben auch Geduld haben.
Heute Nachmittag habe ich Geld geholt. Vorigen Monat konnte ich ja nichts sparen, weil ich noch verschiedene Weihnachtskäufe getätigt hatte. Aber diesen Monat werde ich 50.-Mk. auf die Kasse tun und für die Kinder je 5.-Mk. Dann habe ich für Vater die Miete und die Kirchensteuer bezahlt und das Geld für sein Los weggeschickt. Da braucht er abends schon nicht so rumzuspringen.
Gestern Abend, als wir den Brief für Dich wegschafften, hörten wir jemand so trippeln. Wir dachten gleich, dass es Vater sei. Da kam er dann auch voll beladen mit Holz und dem Rucksack voll Wäsche, sowie seiner Tasche unter dem Arm. Er ist dann bis ½ 12 hier gewesen und hat gelesen.
Kurt hatte doch an Vater zwei Päckchen mit Rauchwaren geschickt. Das eine fast nur mit Zigaretten. Ich habe Vater gefragt, ob er mir im Tausch gegen Stumpen, die ich ihm nach und nach geben würde, einige Schachteln Zigaretten gibt. Ich könnte dann Papa und Siegfried welche schicken. Er hat mir auch welche gegeben, mehr, als ich eigentlich wollte. Vater sagte, da sollte ich eben ein paar Schachteln aufheben. Das werde ich auch tun, denn im Januar kommt ja wieder ein Geburtstag. 15 Schachteln hat Vater mir gegeben. Dazu habe ich ja auch noch einige Schachteln da. Sehr viel kann man eben jetzt nicht schicken.
Morgen habe ich große Wäsche. Am Morgen besorge ich nur erst die Rente für Vater. Hoffentlich ist es morgen nicht gar zu kalt, damit ich bei der Wäsche nicht so sehr an den Händen frieren muss.
Freust Du Dich nicht über Helgas Brief? Sie hat sich doch sehr viel Mühe gegeben und mit Freude hat sie auch geschrieben. Sie ist auch sehr stolz auf den Brief. Da sie nun auch geschrieben hat, wollen doch die Kinder den Brief auch mit wegschaffen. Wir wollen da jetzt gleich laufen, denn sonst wird es für unsere Banausen zu spät, es ist nach ¼ 9 Uhr.
Ich hoffe, dass Du den Brief richtig erhältst und grüße und küsse Dich recht herzlich, Deine Annie.

Viele Grüße und Küsse von deinem Jörg.

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