Mein liebsterErnst! Konstanz,
30.11.42
Morgen beginnt der Weihnachtsmonat. Die Kinder freuen sich
schon, wenn sie ihre Adventskalender aufmachen dürfen und wenn ich den Kalender
aufmache, den sie mir gemacht haben.
Wie oft haben sie mich schon gefragt, ob ich mich auch
freue. Am Samstag ist dann Nikolaustag. Da es keine Bonbons oder Pralinen gibt,
bringt der Nikolaus Granatsplitter und etwas Gebäck. Das wird auch Freude
machen, denke ich. Meist sind ja die Kindergedanken jetzt bei Weihnachten. Da
werden Tannenbäume, Kerzen, Tannenzweige usw. gemalt und auch ab und zu schon
Weihnachtslieder gesungen. Dazu kommt noch die Freude auf die KdF-Veranstaltung
am nächsten Sonntag. Es gibt also viel, worauf sich die Kinder freuen können.
Ich habe heute sehr auf einen Brief von Dir gewartet, aber
leider vergeblich. Wenn ich nur erst lesen könnte, dass Du Briefe von mir
erhalten hast.
Ich wünschte ja so sehr, dass Du nicht vergeblich die lange
Zeit auf Post warten musstest. Aber ich muss eben auch Geduld haben.
Heute Nachmittag habe ich Geld geholt. Vorigen Monat konnte
ich ja nichts sparen, weil ich noch verschiedene Weihnachtskäufe getätigt
hatte. Aber diesen Monat werde ich 50.-Mk. auf die Kasse tun und für die Kinder
je 5.-Mk. Dann habe ich für Vater die Miete und die Kirchensteuer bezahlt und
das Geld für sein Los weggeschickt. Da braucht er abends schon nicht so
rumzuspringen.
Gestern Abend, als wir den Brief für Dich wegschafften,
hörten wir jemand so trippeln. Wir dachten gleich, dass es Vater sei. Da kam er
dann auch voll beladen mit Holz und dem Rucksack voll Wäsche, sowie seiner
Tasche unter dem Arm. Er ist dann bis ½ 12 hier gewesen und hat gelesen.
Kurt hatte doch an Vater zwei Päckchen mit Rauchwaren
geschickt. Das eine fast nur mit Zigaretten. Ich habe Vater gefragt, ob er mir
im Tausch gegen Stumpen, die ich ihm nach und nach geben würde, einige
Schachteln Zigaretten gibt. Ich könnte dann Papa und Siegfried welche schicken.
Er hat mir auch welche gegeben, mehr, als ich eigentlich wollte. Vater sagte,
da sollte ich eben ein paar Schachteln aufheben. Das werde ich auch tun, denn
im Januar kommt ja wieder ein Geburtstag. 15 Schachteln hat Vater mir gegeben.
Dazu habe ich ja auch noch einige Schachteln da. Sehr viel kann man eben jetzt
nicht schicken.
Morgen habe ich große Wäsche. Am Morgen besorge ich nur erst
die Rente für Vater. Hoffentlich ist es morgen nicht gar zu kalt, damit ich bei
der Wäsche nicht so sehr an den Händen frieren muss.
Freust Du Dich nicht über Helgas Brief? Sie hat sich doch
sehr viel Mühe gegeben und mit Freude hat sie auch geschrieben. Sie ist auch
sehr stolz auf den Brief. Da sie nun auch geschrieben hat, wollen doch die Kinder
den Brief auch mit wegschaffen. Wir wollen da jetzt gleich laufen, denn sonst
wird es für unsere Banausen zu spät, es ist nach ¼ 9 Uhr.
Ich hoffe, dass Du den Brief richtig erhältst und grüße und
küsse Dich recht herzlich, Deine Annie.
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