Freitag, 8. Dezember 2017

Brief 456 vom 1.12.1942


Mein liebsterErnst!                                                    Konstanz, 1. Dez. 1942

Mein Waschtag ist beendet. Aufhängen habe ich noch nicht alles können, ich mag über Nacht die Bettwäsche nicht aufgehängt lassen. Helga hat mir sogar beim Waschen geholfen und hat die Wischtücher gebürstet. Ja, wir haben schon eine große Tochter. Jörg war auch eine Weile bei mir im Waschhaus und hat in der Badewanne seine Schiffe fahren lassen. Das hat ihm natürlich gefallen. Gegen ½ 5 Uhr war ich mit waschen fertig und wir sind rauf gegangen. Da habe ich erst wieder eingeheizt, damit man sich auch wohlfühlen kann. Helga war inzwischen bei der Theaterprobe und kam ¼ 6 Uhr heim. Wir haben dann Abendbrot gegessen und sitzen jetzt alle drei beim Schreiben. Helga hatte damit ja schon zu Mittag angefangen.
Da Helga am Donnerstag wieder Probe hat, gehen wir sicher morgen zum Baden. Wir gehen sonst lieber am Donnerstag, weil Du doch an diesem Tage uns mit Deinen Gedanken im Bad suchst. Aber es lässt sich dieses Mal eben nicht machen.
Am Morgen habe ich 50.-Mk. auf die Kasse geschafft. Wir haben jetzt 528.-Mk. Was auf den Büchern der Kinder ist, haben sie ja selbst geschrieben.
Gestern Abend habe ich noch Granatsplitter gemacht, als die Kinder im Bett waren. Ich will sie doch zum Nikolaus damit überraschen. Erst dachte ich, ich könnte ihnen gar nichts geben, aber dann fiel mir ein, dass ich doch Granatsplitter machen könnte. Haferflocken hatte ich gerade noch da. So ist es doch für sie schöner.
Post habe ich von Dir auch heute nicht bekommen, aber ich warte jeden Tag drauf. Lange kann es jetzt doch nicht mehr dauern, bis wieder regelmäßig Post eintrifft.
Die Zeitungen für Dich von der vergangenen Woche habe ich heute erhalten. Morgen schicke ich sie mit fort. Sie kommen diesmal etwas spät, aber ich konnte sie nicht eher bekommen.
Gestern hatte ich Helga mit auf´s Rad genommen, um sie in die Schule zu fahren. Da bin ich wieder angehalten worden, weil Helga zu groß ist. Es ist dies das zweite Mal, wo ich ohne Strafe davon gekommen bin. Aber jetzt darf ich sie nicht mehr mitnehmen, sonst habe ich doch mal Pech. Der liebe Mann sagte mir gestern: „Da müssen Sie dem Mädel eben ein eigenes Rad kaufen.“ Da habe ich ihm aber direkt ins Gesicht gesagt: „Das ist leicht gesagt, aber erst mal eins kriegen“.
In der Hoffnung, recht bald wieder liebe Briefe von Dir zu erhalten grüße und küsse ich Dich für heute recht herzlich, Deine Annie.

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