Freitag, 8. Dezember 2017

Brief 463 vom 8./9.12.1942



Mein liebsterErnst!                                        Konstanz, 8.12.42

Heute Nachmittag war ich beim Nähen. Die Kinder waren mit. Sie sind manchmal ein Stück spazieren gegangen oder haben am Tisch neben mir gelesen. Um 6 Uhr habe ich aufgehört und wir sind heimgegangen, haben Abendbrot gegessen und die Kinder haben noch ein Bisschen gespielt. Jetzt sind sie eben ins Bett gegangen. Das ist doch eine Rasselbande. Sie haben vorhin vor Übermut nicht gewusst, wohin? Einmal habe ich auch schimpfen müssen, aber dann wurde ich von ihrem Lachen wieder angesteckt. Helga sagte: „Schau, was Mutterle für ein Gesicht macht, wenn sie geschimpft hat und wird dann wieder fröhlich. Das kenne ich schon.“ Jörg meinte: „Siehst Du, wir haben doch gesiegt, wir haben Dich zum Lachen gebracht und du uns nicht zum Weinen.“ Was sagt man da zu solchen Lausern?

                                                                                                            9.12.42

Nun ist es wieder Mittag. Ich war am Vormittag in der Stadt und habe Zahnscheine geholt. Ich bin dann gleich zum Beck. Er hat nachgesehen. 2 schlechte Zähne hat er bisher gefunden, hat sie ausgebohrt und eine provisorische Füllung rein gemacht, weil jemand kam, den er bestellt hatte. Am Dienstag ½ 3 Uhr muss ich wieder hinkommen und Helga mitbringen.
Ich habe heute noch ein paar biegsame Holzsohlen für ein Paar Schuhe von Jörg mitgebracht. Da spare ich schon Leder und eine Weile halten die Sohlen schon. Ich probiere es mal aus.
Das Päckchen an Papa kam mir so kahl vor. Ich hatte es schon fertig gepackt, aber zufrieden war ich nicht damit. Heute habe ich noch ein Buch bekommen „Lachendes Leben“. Ich glaube, Du hast es auch. Das schicke ich noch mit.
Da wir heute nicht mehr zum Zahnarzt müssen, spanne ich einmal aus und gehe mit den Kindern ins Kino „Ferien vom Ich“ wird gespielt. Ob es viel ist, weiß ich nicht.
Am 18./19. findet hier im Konzil eine Weihnachtsausstellung statt. Da werden Spielsachen, die die H.J. ausgeführt hat, verkauft. Es stand in der Zeitung, dass so viel da sei, dass jede Mutter ihrem Kind was schenken könnte. Hingehen werde ich sicher mal. Sollte ich etwas Passendes finden, kann ich ja noch eine Kleinigkeit kaufen.
Heute ist wieder schwer nebliges Wetter. Das ist ja keine schöne Zeit. Aber man muss sie auch mit hinnehmen. Kalte, trockene Witterung wäre aber schöner.
Nun lass mich schließen. Jörg kommt gleich heim. Wir werden bald essen und dann fortgehen. Ich grüße Dich, mein liebster ernst, recht herzlich, Deine Annie.

Liebes Vaterle!
Gestern habe ich Dir doch nicht geschrieben. Dafür schreibe ich Dir heute mit Tinte. Eigentlich hätte ich heute zum Zahnarzt gehen müssen, aber Mutter war heute Morgen bei ihm und da hat er ihr gleich ein Bisschen gemacht am Zahn. Der Zahnarzt hat gesagt, wir sollen nicht heute Mittag kommen, sondern am Montag, da hat Mutterle gesagt, da hätte ich Schule, da hat der Zahnarzt gesagt, wir sollten am Dienstag, den 15.Dezember kommen. Da sind wir aber nicht traurig, da hat Mutterle gesagt, wir gehen in den Film, da wird gespielt „Die Ferien vom Ich“. Ich freue mich schon fest.
Also bei Mitter war Vorgestern im Adventsfensterle eine Brezel, bei Jörg eine Handtasche und bei mir ein „Fräule“. Gestern war bei Mutterle eine Torte, bei Jörg eine Frau mit einem Tannenbaum, und bei mir war ein Männle. Heute war bei Mutter ein Paket, bei Jörg ein Sternle und bei mir war wieder eine Frau drin.
Viele Grüße und Küsse von deiner Helga.

Brief 462 vom 7./8.12.1942


Mein lieberMann!                                         Konstanz, 7.12.42

Heute Morgen habe ich Dir ja schon etwas geschrieben. Es ist eigentlich nicht mehr viel zu berichten. In der Hauptsache habe ich heute gestopft. Am Nachmittag bin ich noch schnell in die Stadt gefahren und habe eingekauft. Als ich heim kam, war Helga schon von der Schule da und auch Jörg war in der Küche. Erst war er im Vorraum beim Spielen mit dem Richard und seinem Schulfreund Karl, den er bestellt hatte. Es war heute kein schönes Wetter, bei Tag war leichter, am Abend dicker Nebel. Man ist froh, wenn man daheim ist. Wir haben bald Abendbrot gegessen als ich daheim war, dann hat Helga an Dich geschrieben und Jörg hat mir Wolle aufwickeln geholfen. Ich habe einen weißen Unterrock aufgetrennt, den Mama gestrickt hat, da ich ihn doch nicht hätte verwenden können. So habe ich wieder einen Wollvorrat da. Nachher hat Jörg noch ein Bisschen auf meinem Schoß gelegen, denn wenn er auch schon groß ist, Zärtlichkeit kann er doch vertragen.
Später haben wir dann mit der Mundharmonika Weihnachtslieder gespielt. Das gefällt den Kindern sehr. Nun liegen sie schon längere Zeit im Bett.
In dieser Woche haben wir jeden Nachmittag was vor. Morgen geht es nähen, die Kinder wollen mit; am Mittwoch zum Zahnarzt, Helga und ich haben was kaputt und bei Jörg lasse ich nachsehen; am Donnerstag geht es baden, am Freitag haben die Kinder turnen und am Samstag sollen sie mit dem Großvater in die Stadt gehen. Das ist doch ein großes Programm.
Vorhin war Vater da. Er hat aber Augen gemacht, als die Tür am Schränkchen dran war. Er wollte erst was aussetzen und meinte, er hätte sie von der anderen Seite dran machen wollen, aber ich konnte ihm gleich beweisen, dass das nicht wahr ist. Dann schaute er, ob ich die Bänder eingelassen hatte, das war aber auch geschehen. Da hat er es dann aufgegeben.

                                                                                                             8.12.42
Guten Morgen liebster Mann!

Zwar, so spät stehst Du ja auch nicht auf, es ist nämlich schon Vormittag. Ich bin gerade mit Reparieren von Schuhe fertig. D.h., alle sind es noch nicht, aber auf die restlichen 2 Paare müssen ganze Sohlen. Dazu bin ich heute noch nicht gekommen. Ich habe nur auf drei Paar Flecken draufgesetzt. Mit ganzen Sohlen muss man sparsam sein, die kommen nur drauf, wenn es unbedingt nötig ist.
Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom 24. Du armer Kerl, kriegst Du jetzt auch Kopfweh. Ich kenne das und weiß, dass man da keine rechte Lust zum Schreiben hat. Deshalb danke ich Dir auch, dass Du mir trotzdem einen Gruß geschickt hast.
Den Brief von und an Nannie habe ich noch nicht gelesen, ich will lieber erst fertig schreiben, damit der Brief noch rechtzeitig fort kommt.
Von dem einen Theater hast Du also genug. Das glaube ich gern, lieber kein Theater, als eine Vorstellung, bei der man in jeder Beziehung enttäuscht ist.
In unserer Zeitung stand heute der beiliegende Artikel über die Weihnachtsaufführung von „KdF“. Helga sagte, ich sollte ihn Dir mitschicken und das unterstreichen, wo sie mitgespielt hat. Das habe ich auch getan.
Nun lass mich schließen, ich muss noch ans Mittagessen denken. Wenn unsere Lauser heimkommen, haben sie Hunger.
Viele, viele Grüße und Küsse von deiner Annie.

Brief 461 vom 6./7.12.1942


Mein liebsterMann!                                       Konstanz, 6.12.42

Ich beginne heute spät mit schreiben, es ist gleich ¼ 11 Uhr. Vielleicht werde ich nicht mehr ganz fertig, (ich bin nämlich schon sehr müde) da schreibe ich gleich morgen früh weiter.
Am Nachmittag waren wir im Theater. Es war wirklich sehr schön und Helga hat ihre Sache auch gut gemacht. Nur aufgeregt war sie heute Abend. Sie hat Dir noch einen Brief geschrieben, aber die Schrift ist dermaßen scheußlich, dass sie ihn nicht schicken kann und auch selbst nicht will. Sie schreibt ihn morgen, wenn sie wieder ruhiger ist, nochmals.
Vorhin ¼ 9 Uhr, gerade als die Kinder sich ausziehen wollten, war Fliegeralarm. Es hat bis ¼ 10 Uhr gedauert. Dann haben sich die Kinder fertig gemacht und lagen ¾ 10 im Bett. Ich musste mich erst noch ein bisschen ausruhen, denn ich hatte Kopfweh.
Am Nachmittag erhielt ich Deine beiden lieben Briefe vom 22. Und 23.11 Ich danke Dir sehr dafür.

7.12.
Bis hier her bin ich gestern mit dem Schreiben nur gekommen, dann fielen mir immer die Augen zu und es ging nicht mehr. Aber heute früh will ich Dir nun gleich Deine Briefe beantworten.
Wie ich lese, wartest Du so auf das Beamtengesetz. Es tut mir sehr leid, dass ich es Dir noch nicht schicken konnte, aber wie ich Dir schrieb, wird es neu verlegt und ist erst nach einiger Zeit zu haben. Da wirst Du in der ganzen Angelegenheit wohl vorläufig gar nichts unternehmen können.
Ich bin schon erstaunt, dass Ihr dort sogar Torte umsonst bekommt, und scheinbar sogar noch gute. Lass es Dir nur schmecken. Und wenn sonst die Verpflegung auch gut ist, wie Du schreibst, so ist das nur zu begrüßen.
Briefe hast Du auch von mir bekommen. Da brauche ich also nicht zu befürchten, dass sie zurückkommen, wie es mit dem ersten geschah. Das hatte mir einen tüchtigen Schreck eingejagt. Ich sah schon alles wieder hier landen. Weil nun auf Deinem Brief auch der Stempel 00220 war, meinte ich, sie hätten inzwischen die Nummer wieder geändert und Dir nur noch nichts davon gesagt. Jetzt ist ja alles gut, und ich bin froh.
Von Schnee haben wir bisher wenig gemerkt. Es war aber in den letzten Tagen auch nicht mehr so sehr kalt, wie einige Zeit. Erkältet habe ich mich trotzdem ein bisschen, ich weiß nicht, vom Bad oder von der Wäsche. Ich habe so eine Art ukrainische Krankheit. Das ist ziemlich unangenehm. Ich hoffe, dass es bald wieder vorbei geht.
Der Dr. Thomas ist doch eigentlich der Beste Deiner Kameraden gewesen. Und er schreibt Dir auch immer wieder. Ich glaube, dass Du Dich sicher darüber freust.
Mit Urlaub haben sie es ja im Westen doch noch besser gehabt, aber wir wollen froh sein, dass Du jetzt Urlaub haben konntest, denn andere haben es ja noch viel schlimmer.
Gerade erhielt ich Deinen lieben Brief vom 20.11, der von der Feldpostprüfstelle geöffnet worden ist, und den großen Brief mit Durchschlagpapier. Scheinbar gehen meine Briefe jetzt wieder laufend bei Dir ein, was mich sehr freut. Sie sind eigentlich nicht einmal so sehr lange unterwegs.
Du hast Recht, wenn Du schreibst, dass wir mit unseren Kindern bis jetzt zufrieden sein können. Sie sind eine fröhliche Gesellschaft. Dass sich beide öfter händeln müssen, das ist ja nicht nur bei ihnen so. Die Hauptsache ist, dass man hinterher ist und keine Unart durchgehen lässt und einen festen Willen ihnen gegenüber hat.
Den Brief an Papa hast Du schön geschrieben. Da wird er sicher zufrieden sein. Du hast ihm ja sogar alles Gute für seine Ehe gewünscht. Da legt er bestimmt besonderen Wert darauf.
Heute werde ich die Päckchen für Leipzig ganz fertig machen. Es ist drin:
Für Erna 1 Brettchen, 1 Glasuntersetzer, 1 Tuch, 1 Stopfpilz, 1 Tüte Gebäck und für Siegfried Zigaretten. Für Papa Zigaretten, 1 Tüte Gebäck, für seine Frau habe ich keine weiteren Taschentücher gekauft, sondern nur aus einem kleinen Rest eine runde Tasche fürs Taschentuch gehäkelt, wie ich sie mal von Frau Lämmel bekommen habe. Das kostet mir nichts, macht nicht viel Arbeit und sieht doch nicht so schäbig aus. Die Form habe ich Dir hier aufgezeichnet. Weißt Du, wenn ich gar nichts für die Frau schicke, ist Papa beleidigt, und ich habe genug von dem Zank.
Nun lass mich schließen. Ich grüße und küsse Dich, mein lieber Mann, recht herzlich, Deine Annie.

Brief 460 vom 5.12.1942


Mein liebsterErnst!                                        Konstanz, 5.12.42

Diese Woche ist wieder zu Ende. Am Morgen war ich in der Stadt, habe die Grüne Post an Dich abgeschickt und die anderen Zeitungen besorgt, die ich nun morgen auf den Weg bringe. Bei der letzten Grünen Post hatte ich die letzten Seiten hier behalten, da waren so gute Rezepte drauf. Ich habe heute auch noch einen Zeichenblock bekommen, sodass unsere beiden Kerlchen einen bekommen. Als ich vom Einkaufen heim kam, war Helga schon da. Sie hatte keine Schulaufgaben auf und als ich die Treppe putzen wollte, meinte sie, das würde sie furchtbar gern tun. Ich habe dann nur zuschauen müssen und sie hat die Treppe gewischt. Na, ist es nicht ein großes Mädchen?
Ich hatte den Kindern doch nichts davon gesagt, dass sie was zum Nikolaus bekommen. Helga hatte sich soweit damit abgefunden, dass es nichts gibt. Als nun Jörg zu Mittag heim kam, brachte er von der Schule einen Weihnachtsmann mit, der einen Korb neben sich stehen hat, darin war ein Apfel, und eine Printe hatte er auch noch bekommen. Als das Helga sah, war es mit ihrer Fassung vorbei. „Jörg hat etwas und alle Kinder bekommen etwas, nur ich nicht.“ Ich konnte doch nun nicht sagen, Du bekommst auch was. So habe ich sie vertröstet und heute Abend war die Freude groß, als sie ein Weihnachtsbeutelchen mit guten Sachen fanden. Es ist alles aufgefuttert worden.
Bei Jörg war der Nikolaus in der Klasse. Er hatte nur 2 größere Sachen und verschiedene kleine. Damit niemand bevorzugt wurde, hat die Lehrerin Lose gemacht und Jörg hat den Weihnachtsmann gezogen. Wie er sagte, haben alle Buben um ihn herum gestanden und ihn beneidet.
Da mir die Kinder auch was schenken wollten, haben sie zwei Beutel mit 1 Bilderbuch, 1 Pfeife, Abzeichen usw. gefüllt und mir gegeben. Sie wollten mir doch auch eine Freude machen. Wir haben es uns heute Abend noch gemütlich gemacht, haben eine Kerze angebrannt, einige Weihnachtslieder gesungen und zuletzt den Weihnachtsbrief für Dich geschrieben. Öffne ihn bitte noch nicht. Ich habe auf den Umschlag W.Br. geschrieben. Sicher wird er fast mit diesem Brief zusammen ankommen.
Nun lass mich schließen. Ich grüße und küsse Dich wieder recht herzlich, Deine Annie.

Brief 459 vom 4.12.1942


Mein liebster, besterErnst!                                         Konstanz, 4.12.42

Heute erhielt ich 2 Briefe von Dir, vom 19.11. und vom 25.11. Letzterer mit Flugpost. So konnte ich in einem lesen, dass Du wahrscheinlich versetzt wirst und im zweiten las ich dann, dass zuerst der Inspektor drankommt. Also ganz sicher ist es bei Dir auch nicht, aber Du hast Recht, man lässt alles an sich herankommen und macht das mit, was verlangt wird. So bist Du bisher immer am besten gefahren. Es hat ja doch keinen Zweck, sich gegen etwas zu stemmen, man macht sich das Leben damit nur noch schwerer.
Vielleicht kannst Du doch noch einige Zeit dort bleiben, bis es etwas wärmer wird. Aber wie gesagt, am besten, man wartet ab.
2 Päckchen sind also an mich unterwegs. Hoffen wir, dass sie gut ankommen. Einige Zeit wird es ja noch dauern, bis sie hier eintreffen.
Bei Euch hat es also geschneit. Als ich es den Kindern vorlas, waren sie ganz neidisch. Ich glaube, den Kindern ist es mehr erwünscht, als Euch Soldaten.
Um nochmals auf die Versetzungsgeschichte zu kommen. Da hast Du wirklich Recht. Gut ist es, dass Du jetzt noch einen Urlaub gehabt hast. Das kann uns niemand wegnehmen. Die Erinnerung haben wir doch. Und schöne Tage waren es!
Dass Du´s mir nicht übel genommen hast, dass ich Dir nicht so viel erzählt habe, das beruhigt mich ein wenig.
Wenn du die Sachen, die Du von hier mitgenommen hast, gebrauchen kannst, so ist es Recht. Da hast Du sie wenigstens nicht umsonst geschleppt.
Der Brief an Helga und Jörg ist heute auch angekommen. Sie haben ihn in der Stube gelesen, damit ich ja nichts hören soll. Der Brief an Vater ist auch hierhergekommen, trotzdem Rundbergstraße draufsteht. Aber für die Konstanzer Briefträger gibt es im Allgemeinen nur einen Rosche, und das sind wir.
Den Löffel habe ich Dir ja gleich geschickt, und Du wirst ihn wohl inzwischen erhalten haben. Die Hülle für das Besteck mache ich Dir gerne. Nur kann ich es natürlich erst nach dem 25. Wegschicken, da bis dahin Päckchensperre besteht.
Den zweiten Luftpostbrief von mir hast Du also erhalten, und so wird sicher auch alles andere richtig ankommen. Mit dem ersten Luftpostbrief war es eben ein Versehen von der Post. Es beruhigt mich, dann werden sicher auch die Päckchen richtig ans Ziel kommen. Schnell ist ja der Brief gegangen, nur 4 Tage. Hierher dauern die Luftpostbriefe meist ca. 9 Tage.
Du wunderst Dich, dass ich der Frau von Papa etwas schenken will? Das möchte ich schon tun, denn ich glaube bestimmt, dass Papa ein Paket schickt und die Frau legt sicher was bei. Da möchte ich nicht so dastehen. Ich schenke ja nur eine Kleinigkeit, aber ich habe niemand beleidigt. Erna schenke ich sowieso etwas mehr. Die Zigaretten für Siegfried lege ich in das Päckchen von Erna. Ich glaube nämlich, dass er wahrscheinlich zu Weihnachten Urlaub erhält. So liegen im Päckchen ein bisschen Gebäck, die anderen kleinen Sachen und die Zigaretten, das sieht netter aus. Voriges Jahr konnte ich auch an Siegfried Gebäck schicken, aber diesmal habe ich nicht so viel Mehr.
Über die Weihnachtsgeschenke für die Kinder habe ich Dir ja gestern geschrieben. Es war schon notwendig, dass man sich rechtzeitig darum kümmert, sonst bekommt man nur noch den Rest. Ich glaube auch, dass sie mit den Geschenken zufrieden sein können. Wie schön wäre es, wenn Du wieder einmal zu Weihnachten daheim sein könntest. Das wäre dann erst ein richtiges Fest für mich, aber daran ist ja nicht zu denken.
Du hast Recht, am schönsten wäre es, wenn man nicht nur mit Urlaub rechnen müsste, sondern, dass der Krieg zu Ende wär´ und Du ganz Heim kommen könntest. Aber auch damit ist nicht zu rechnen, und es sieht noch nicht nach Frieden aus. Aber wir müssen es durchfechten. Ohne Sieg gäbe es auch keinen richtigen Frieden, sondern nur ein Elend, wie 1918 und später. Wir haben es ja gesehen, unsere Feinde gönnen uns kein richtiges Leben.
Ich bin auch froh, dass Helga ihre Schuhe bekommen hat. Sie hat sie schon einige Male gut brauchen können. Am Sonntag, beim Theaterspielen, zieht sie sie auch an. Sie muss ihr Sonntagskleid anziehen, da passen sie sehr gut dazu.
Ich war heute den ganzen Tag daheim. Am Vormittag habe ich geputzt und mir dann vor allen Dingen mal die Tür an das kleine Schränkchen gemacht. Vater wollte es ja einmal machen, aber das dauert mir zu lange. Jetzt steht die Tür schon so lange herum. Am Nachmittag habe ich eigentlich nur Briefe geschrieben. Die Durchschläge lege ich bei.
Helga ist vorhin von der Probe Heim gekommen. Sie hat jetzt mächtigen Hunger und wir werden jetzt Abendbrot essen. Ich schließe für heute meinen Brief und grüße und küsse Dich, mein lieber Mann, recht herzlich, Deine Annie.

Brief 458 vom 3.12.1942


Mein liebsterErnst!                                                    Konstanz, 3. Dez. 42

Heute war ich zum ersten Mal wieder im Nähen, und zwar von 3 bis 6 Uhr. Es waren ca. 20 Frauen da. An unserem Tisch saßen wir zu viert. Von der Frau, die neben mir saß, ist der Mann vor einem Jahr gefallen. Mir gegenüber saß eine Frau, die sagte, als von Weihnachtspäckchen geredet wurde: „ Voriges Jahr habe ich an drei Soldaten Päckchen geschickt. Sie haben sie aber nicht erhalten und dieses Jahr sind alle drei schon tot“. Als sie das sagte, senkte sie ihren Kopf auf ihre Arbeit, damit man nicht sehen sollte, dass sie weinte. Da sieht man erst wieder, wie viel Leid es gibt. Der Mann der anderen Frau, die noch am Tisch saß, ist auch in Rußland. Erst ging das Nähen etwas langsam, aber als ich mich wieder eingearbeitet hatte, ging es gleich rascher. Ich bin gern wieder hingegangen.
Am Nachmittag kam das Päckchen von Frau Diez an mit Hemdenstoff, hellblau mit ganzschmalen dunkelblauen Streifen. Ich soll Jörg ein Sporthemd und Helga vielleicht ein Bluse davon machen.
Frau Diez schreibt, dass ihr Sohn hätte auf Urlaub kommen sollen, dass aber nichts daraus geworden ist, da er zu einer Übung abkommandiert wurde. Vielleicht sei es besser so, denn seine kleine 2 ½ jährige Tochter ist ins Krankenhaus gekommen. Sie hatte voriges Jahr mit dem Ohr zu tun, das aufgemeißelt werden musste, und jetzt hat sie Mittelohrentzündung bekommen. Der Vater der jungen Frau und noch Geschwister sind jetzt aus Palästina zurückgekommen und wohnen jetzt in der Wohnung von Frau Diez, während sie zu ihrer Tochter gezogen ist. Augenblicklich ist Frau Diez auch krank und liegt im Bett. Sie hat sich erkältet und schreibt, dass sie sehr merkt, dass sie älter wird und ihre Kräfte nachlassen.
Als Du hier auf Urlaub warst, sagte ich Dir doch, dass mein Alltagsregenmantel entzwei geht. Ich habe mir nun heute so ein durchsichtiges Regencape gekauft. Ich werde ja sehen, wie lange es hält. Etwas anders war nicht zu haben und es ist ja modern. Für die Kinder habe ich heute auch noch etwas gekauft. 1 Karton Buntstifte, 1 Zeichenblock (vielleicht bekomme ich noch einen, damit jeder einen hat), dann 2 Guckrollen, ich weiß nicht, ob Du sie kennst. Man schaut durch ein kleines Loch hinein, dreht die Rolle, und da kommen lauter verschiedene Figuren aus Perlen.
Über Mittag habe ich noch von einem Pfund Mehl Ausstecherle gebacken, damit ich die Päckchen an Erna und Papa bald fertig machen kann.
Helga wollte heute Abend, nachdem sie von der Probe wiederkam, noch an Dich schreiben. Da sie aber erst noch Schulaufgaben machen musste, war sie zu müde dazu. Und es war auch zu spät. Sie war so froh, als sie im Bett lag. Jörg auch. Er war heute mit runter gegangen zum Ziegelhof. Dort im Hindenburgblock wohnen einige Schulkameraden von ihm. Mit denen hat er den ganzen Nachmittag gespielt. Nachdem es dunkel wurde, hat er noch eine Weile bei mir gesessen und hat seine Schulaufgaben gemacht. Wir hatten die Tafel mitgenommen. Helga holte uns dann ab und wir sind zusammen Heim gegangen. Am Nachmittag habe ich auch noch meine Wäsche fertig gebügelt. Jetzt muss ich mal wieder Sachen ausbessern, sobald ich dazu komme.
Von Jörg muss ich Dir noch was erzählen. Er hatte doch ein Bild vom Wald gemalt. Nun hat er heute seine Lehrerin gefragt, ob sie´s haben will. Sie hat jawohl gesagt, es käme mit auf den Weihnachtstisch. Da hat er sich sehr gefreut.
Bei uns hat seit gestern das Wetter umgeschlagen. Es ist gar nicht mehr sehr kalt. Dafür regnet es aber immer mal.
Wir brennen jetzt doch meist die Tischlampe. Da mussten wir die Leitungsschnur immer bis zum Stubenstecker legen. Das war mir zu dumm. Ich hatte noch ein Stück Schnur da. An diese habe ich einen Stecker gemacht, an die Lampe habe ich die Steckerfassung (heißt die so?) geschraubt. Da schließe ich die Stehlampe jetzt an. So brauchen wir uns nicht mit der langen Schnur ärgern und drüber stolpern kann auch niemand. Es ist die Schnur vom alten Tauchsieder.
Nun, mein lieber Ernst, lass mich wieder schließen. Ich grüße und küsse Dich wieder recht zärtlich, Deine Annie.

Brief 457 vom 2.12.1942


Mein liebsterErnst!                                                    Konstanz, 2. Dez. 1942

Heute war ein froher Tag, denn ich habe Post von Dir erhalten, gleich 3 Brief, vom 15., 16. Und 17.11. Auf einem war der Briefstempel von 37700, auf einem der von 00220 und einer war ohne Stempel. Nun weiß ich wenigstens, dass 37700 richtig ist und dass Du den Flugpostbrief an 00220 sicher auch erhalten wirst. Das hat mich etwas beruhigt. Muss ich doch nun nicht befürchten, dass evtl. die Päckchen zurückkommen.
Wie ich aus Deinen Briefen ersehe, wartest du auch sehr auf Nachricht von uns und es fuchst mich furchtbar, dass der Luftpostbrief zurückgekommen ist. Da hättest Du doch nicht so lange warten müssen. Inzwischen wirst Du hoffentlich wieder laufend Briefe von uns bekommen.
Meine Frage nach dem Entstehen des Brandes hast Du ja nun schon beantwortet. Das muss ja eine ziemliche Aufregung gewesen sein. Nur gut, dass der eine nachgesehen hat, sonst wäre es zum Ausräumen der persönlichen Sachen sicher zu spät gewesen. Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie Du geschaut hast, als Du bei euch im 5.Stock ankamst und alles verbrannt fandest. Einen anderen Empfang wünscht man sich ja schon, wenn man so lange Tage auf der Bahn gelegen hat. War es eigentlich ein Kaminbrand?
Ja, in Afrika war ja ein Rückschlag eingetreten. Aber das werden wir auch überstehen. Gut ist ja, soviel ich das beurteilen kann, dass wir rechtzeitig alles zerstört haben und keine der Plätze länger verteidigten, sonst wären sicher wieder noch mehr in Gefangenschaft gekommen. In der Beziehung ist so ein Rückschlag gut, dass wir uns in der Heimat auch wieder daran erinnern, dass Krieg ist und gekämpft werden muss. Es verlangen noch manche, alles müsste wie im Frieden sein. Das meine ich ja nun gerade nicht, aber doch ist man noch in mancher Friedensvorstellung befangen.
Wegen dem Heft vom Gess habe ich Dir ja geschrieben. Leider ist es erst nach längerer Zeit zu bekommen. Abbestellt habe ich es nicht.
Du schreibst wegen eines Rades für eines der Kinder. Da käme ja vor allem Helga in Betracht. Aber auch eigentlich erst, wenn sie später in die Stadt in die Schule muss. Wenn man überhaupt ein Rad durch die Zeitung bekommt, so meist ohne Bereifung. Ich habe es schon bei „Tauschangebote“ gelesen. Von der Bezugsscheinstelle bekommt Helga aber keine Bereifung, solange keine Notwendigkeit besteht, dass sie fahren muss. Ein Kinderrad käme für sie auch nicht mehr in Frage. Dazu ist sie zu groß. Schreibe mir bitte nochmals, was ich machen soll. Ob ich doch einmal inserieren soll?
Helga bekommt zu Weihnachten: 1 Kleid, 2 Tricothemden, 1Paar Strümpfe, 1 Kopftuch bzw. Halstuch, 1 Karton für Schmuck, 1 Paar Handschuhe, 2 Bücher, dazu noch etwas zum Naschen. Jörg bekommt: 1 Trainingshose, 1 Unterhose, 1 Pullover, 1 Hose, 1 Paar Handschuhe, 1 Buch, 1 Beutel kleine Holzhäuschen, und auch etwas zum Naschen.
Spielwaren gibt es dieses Jahr in keinem Geschäft. Die wenigen Sachen, die da sind, sind miserables Machwerk, dazu teuer und auch nur für kleinere Kinder bestimmt. Und Spielwaren haben ja unsere Kinder auch schon. Die Kinder müssen eben mit dem zufrieden sein, was sie bekommen. Sollte ich noch irgendwelche Kleinigkeiten auftreiben können, so werde ich sie natürlich kaufen. Bis jetzt klappte es nur noch in keiner Weise.
Die Ergänzung der Kostenaufstellung für die Ahnenforschung werde ich vornehmen.
Nun will ich Dir noch von heute erzählen. Am Morgen habe ich Wäsche aufgehängt, die bis Mittag schon trocken war, denn es wehte ein starker Wind. Die über Nacht getrocknete Wäsche habe ich am Vormittag gleich gebügelt. Am Nachmittag sind wir zum Baden gegangen. Es waren nicht so viele Leute da, nur mehrere Soldaten. Wie es mir da heute gegangen ist, hat Dir ja Helga schon berichtet. Einige Male konnte ich dem Unterschwimmen ausweichen, einige Male habe ich aber auch Wasser geschluckt. Das war ja aber nicht weiter schlimm. Als dann die Soldaten fort waren, bin ich 10 Mal hintereinander um das tiefe Bassingeschwommen. Das war wieder schön. Jörg hat aber noch keine Lust zum Schwimmen. Als wir heute Heim kamen, sagte ich zu ihm: „Wenn Du keine Lust zum Schwimmen hast, so ist mir das gleich. Aber Du wirst es erleben, wenn Vaterle mal wieder auf Urlaub kommt, dann schwimmen wir dir alle davon und du alleine musst bei den kleinen Kindern am Ufer stehen bleiben.“ Das hat ihn ein wenig beeindruckt und er meinte, dass er am nächsten Donnerstag bestimmt probieren wollte. Mal sehen, ob es wahr ist. Am liebsten ging Jörg ja am Mittwoch, da da die Jungen nicht da sind, die ihn immer ärgern.
Nach dem baden sind wir noch Brot holen gegangen und dann heim. Da haben wir Abendbrot gegessen und Helga hat noch an Dich geschrieben, während Jörg Schulaufgaben gemacht hat. Dazu war er am Nachmittag nicht mehr gekommen, denn wir wollten nicht zu spät beim Baden sein.
Nun liegen beide schon längst im Bett und ich will auch gehen, denn das Baden macht müd´.
Ich grüße und küsse Dich für heute wieder recht herzlich, Deine Annie.

Brief 456 vom 1.12.1942


Mein liebsterErnst!                                                    Konstanz, 1. Dez. 1942

Mein Waschtag ist beendet. Aufhängen habe ich noch nicht alles können, ich mag über Nacht die Bettwäsche nicht aufgehängt lassen. Helga hat mir sogar beim Waschen geholfen und hat die Wischtücher gebürstet. Ja, wir haben schon eine große Tochter. Jörg war auch eine Weile bei mir im Waschhaus und hat in der Badewanne seine Schiffe fahren lassen. Das hat ihm natürlich gefallen. Gegen ½ 5 Uhr war ich mit waschen fertig und wir sind rauf gegangen. Da habe ich erst wieder eingeheizt, damit man sich auch wohlfühlen kann. Helga war inzwischen bei der Theaterprobe und kam ¼ 6 Uhr heim. Wir haben dann Abendbrot gegessen und sitzen jetzt alle drei beim Schreiben. Helga hatte damit ja schon zu Mittag angefangen.
Da Helga am Donnerstag wieder Probe hat, gehen wir sicher morgen zum Baden. Wir gehen sonst lieber am Donnerstag, weil Du doch an diesem Tage uns mit Deinen Gedanken im Bad suchst. Aber es lässt sich dieses Mal eben nicht machen.
Am Morgen habe ich 50.-Mk. auf die Kasse geschafft. Wir haben jetzt 528.-Mk. Was auf den Büchern der Kinder ist, haben sie ja selbst geschrieben.
Gestern Abend habe ich noch Granatsplitter gemacht, als die Kinder im Bett waren. Ich will sie doch zum Nikolaus damit überraschen. Erst dachte ich, ich könnte ihnen gar nichts geben, aber dann fiel mir ein, dass ich doch Granatsplitter machen könnte. Haferflocken hatte ich gerade noch da. So ist es doch für sie schöner.
Post habe ich von Dir auch heute nicht bekommen, aber ich warte jeden Tag drauf. Lange kann es jetzt doch nicht mehr dauern, bis wieder regelmäßig Post eintrifft.
Die Zeitungen für Dich von der vergangenen Woche habe ich heute erhalten. Morgen schicke ich sie mit fort. Sie kommen diesmal etwas spät, aber ich konnte sie nicht eher bekommen.
Gestern hatte ich Helga mit auf´s Rad genommen, um sie in die Schule zu fahren. Da bin ich wieder angehalten worden, weil Helga zu groß ist. Es ist dies das zweite Mal, wo ich ohne Strafe davon gekommen bin. Aber jetzt darf ich sie nicht mehr mitnehmen, sonst habe ich doch mal Pech. Der liebe Mann sagte mir gestern: „Da müssen Sie dem Mädel eben ein eigenes Rad kaufen.“ Da habe ich ihm aber direkt ins Gesicht gesagt: „Das ist leicht gesagt, aber erst mal eins kriegen“.
In der Hoffnung, recht bald wieder liebe Briefe von Dir zu erhalten grüße und küsse ich Dich für heute recht herzlich, Deine Annie.

Brief 455 vom 30.11.1942


Mein liebsterErnst!                                                    Konstanz, 30.11.42

Morgen beginnt der Weihnachtsmonat. Die Kinder freuen sich schon, wenn sie ihre Adventskalender aufmachen dürfen und wenn ich den Kalender aufmache, den sie mir gemacht haben.
Wie oft haben sie mich schon gefragt, ob ich mich auch freue. Am Samstag ist dann Nikolaustag. Da es keine Bonbons oder Pralinen gibt, bringt der Nikolaus Granatsplitter und etwas Gebäck. Das wird auch Freude machen, denke ich. Meist sind ja die Kindergedanken jetzt bei Weihnachten. Da werden Tannenbäume, Kerzen, Tannenzweige usw. gemalt und auch ab und zu schon Weihnachtslieder gesungen. Dazu kommt noch die Freude auf die KdF-Veranstaltung am nächsten Sonntag. Es gibt also viel, worauf sich die Kinder freuen können.
Ich habe heute sehr auf einen Brief von Dir gewartet, aber leider vergeblich. Wenn ich nur erst lesen könnte, dass Du Briefe von mir erhalten hast.
Ich wünschte ja so sehr, dass Du nicht vergeblich die lange Zeit auf Post warten musstest. Aber ich muss eben auch Geduld haben.
Heute Nachmittag habe ich Geld geholt. Vorigen Monat konnte ich ja nichts sparen, weil ich noch verschiedene Weihnachtskäufe getätigt hatte. Aber diesen Monat werde ich 50.-Mk. auf die Kasse tun und für die Kinder je 5.-Mk. Dann habe ich für Vater die Miete und die Kirchensteuer bezahlt und das Geld für sein Los weggeschickt. Da braucht er abends schon nicht so rumzuspringen.
Gestern Abend, als wir den Brief für Dich wegschafften, hörten wir jemand so trippeln. Wir dachten gleich, dass es Vater sei. Da kam er dann auch voll beladen mit Holz und dem Rucksack voll Wäsche, sowie seiner Tasche unter dem Arm. Er ist dann bis ½ 12 hier gewesen und hat gelesen.
Kurt hatte doch an Vater zwei Päckchen mit Rauchwaren geschickt. Das eine fast nur mit Zigaretten. Ich habe Vater gefragt, ob er mir im Tausch gegen Stumpen, die ich ihm nach und nach geben würde, einige Schachteln Zigaretten gibt. Ich könnte dann Papa und Siegfried welche schicken. Er hat mir auch welche gegeben, mehr, als ich eigentlich wollte. Vater sagte, da sollte ich eben ein paar Schachteln aufheben. Das werde ich auch tun, denn im Januar kommt ja wieder ein Geburtstag. 15 Schachteln hat Vater mir gegeben. Dazu habe ich ja auch noch einige Schachteln da. Sehr viel kann man eben jetzt nicht schicken.
Morgen habe ich große Wäsche. Am Morgen besorge ich nur erst die Rente für Vater. Hoffentlich ist es morgen nicht gar zu kalt, damit ich bei der Wäsche nicht so sehr an den Händen frieren muss.
Freust Du Dich nicht über Helgas Brief? Sie hat sich doch sehr viel Mühe gegeben und mit Freude hat sie auch geschrieben. Sie ist auch sehr stolz auf den Brief. Da sie nun auch geschrieben hat, wollen doch die Kinder den Brief auch mit wegschaffen. Wir wollen da jetzt gleich laufen, denn sonst wird es für unsere Banausen zu spät, es ist nach ¼ 9 Uhr.
Ich hoffe, dass Du den Brief richtig erhältst und grüße und küsse Dich recht herzlich, Deine Annie.

Viele Grüße und Küsse von deinem Jörg.

Brief 454 vom 29.11.1942


Mein liebsterErnst!                                                    Konstanz, 29.11.42

Ich bin heute immer noch unruhig, ob Dich wohl meine Briefe erreichten. Es wäre ja schlimm, wenn Du die ganze Zeit keine Post erhalten haben solltest. Aber ich kann nicht glauben, dass die Nummer nicht richtig ist. Ich hoffe immer wieder, dass Du auch die Päckchen richtig erhältst.
Wir waren heute auf der Messe. Es war aber tatsächlich gar nichts los. Einige Buden, die meisten mit Kurzwaren und Lederschuhbänder. Dann noch einige Buden mit Schmuck und Wäsche. Das war alles. Keine einzige Spielzeugbude, und das ist doch für die Kinder die Hauptsache. Auf dem Döbele stehen ganze 2 Buden, eine mit Honigkuchen und eine, die Lose verkauft. Da man nun gar nichts zum Spielen kaufen konnte, habe ich wenigstens einen Honigkuchen geholt, den wir dann zuhause gegessen haben. Nochmals brauchen wir tatsächlich nicht auf die Messe zu gehen.
Wir sind dann langsam Heim gegangen, denn man bekam kalte Füße. Am schönsten ist es doch immer daheim. Da kann man sich´s gemütlich machen. Vorhin haben wir Abendbrot gegessen und nun sitzen Helga und ich beim Schreiben und Jörg spielt mit dem Kugelspiel. Dafür haben wir uns die Tischlampe geholt, die alles noch heimeliger macht und das Radio spielt. Vielleicht kannst Du Dir alles so ungefähr vorstellen.
Geschafft habe ich heute nicht viel und werde wahrscheinlich auch nachher nur noch ein wenig lesen. Ich hoffe nur, dass Du auch einen halbwegs guten Sonntag verlebt und vor allen Dingen auch schon Post von mir erhalten hast. Es wird mich sehr freuen, wenn ich die Bestätigung dafür von Dir erhalte. Dann werde ich auch wieder ruhiger sein.
Heute ist der erste Advent. Aber man merkt nicht viel davon, außer dass die Kinder schon die Adventskalender hervorgeholt haben. Einen Kranz haben wir dieses Jahr nicht gemacht, denn wir hatten tatsächlich noch nicht die Zeit, genügen Tannenreisig zu holen und ich muss offen sagen, ich habe auch gar nicht die richtige Lust zu einem Adventskranz. Es wird auch so gehen. Die Hauptsache, dass es ein erträgliches Weihnachtsfest gibt. Und da will ich ja sehen, dass ich den Kindern ein schönes Fest bereite, denn sie sollen daran schöne Erinnerungen haben. Richtig schön wird es ja erst sein, wenn Du wieder einmal hier bist. Das ist bestimmt. Jetzt müssen wir uns eben so durchbeißen.
Nun lass mich für heute schließen, mein lieber, lieber, guter Ernst. Ich habe Dich ja so lieb. Denk an uns und sei recht fest geküsst und gegrüßt von Deiner Annie.