Mein liebsterErnst! Konstanz, 8.12.42
Heute Nachmittag war ich beim Nähen. Die Kinder waren mit.
Sie sind manchmal ein Stück spazieren gegangen oder haben am Tisch neben mir
gelesen. Um 6 Uhr habe ich aufgehört und wir sind heimgegangen, haben Abendbrot
gegessen und die Kinder haben noch ein Bisschen gespielt. Jetzt sind sie eben
ins Bett gegangen. Das ist doch eine Rasselbande. Sie haben vorhin vor Übermut
nicht gewusst, wohin? Einmal habe ich auch schimpfen müssen, aber dann wurde
ich von ihrem Lachen wieder angesteckt. Helga sagte: „Schau, was Mutterle für
ein Gesicht macht, wenn sie geschimpft hat und wird dann wieder fröhlich. Das
kenne ich schon.“ Jörg meinte: „Siehst Du, wir haben doch gesiegt, wir haben Dich
zum Lachen gebracht und du uns nicht zum Weinen.“ Was sagt man da zu solchen
Lausern?
9.12.42
Nun ist es wieder Mittag. Ich war am Vormittag in der Stadt
und habe Zahnscheine geholt. Ich bin dann gleich zum Beck. Er hat nachgesehen.
2 schlechte Zähne hat er bisher gefunden, hat sie ausgebohrt und eine
provisorische Füllung rein gemacht, weil jemand kam, den er bestellt hatte. Am
Dienstag ½ 3 Uhr muss ich wieder hinkommen und Helga mitbringen.
Ich habe heute noch ein paar biegsame Holzsohlen für ein
Paar Schuhe von Jörg mitgebracht. Da spare ich schon Leder und eine Weile
halten die Sohlen schon. Ich probiere es mal aus.
Das Päckchen an Papa kam mir so kahl vor. Ich hatte es schon
fertig gepackt, aber zufrieden war ich nicht damit. Heute habe ich noch ein
Buch bekommen „Lachendes Leben“. Ich glaube, Du hast es auch. Das schicke ich
noch mit.
Da wir heute nicht mehr zum Zahnarzt müssen, spanne ich
einmal aus und gehe mit den Kindern ins Kino „Ferien vom Ich“ wird gespielt. Ob
es viel ist, weiß ich nicht.
Am 18./19. findet hier im Konzil eine Weihnachtsausstellung
statt. Da werden Spielsachen, die die H.J. ausgeführt hat, verkauft. Es stand
in der Zeitung, dass so viel da sei, dass jede Mutter ihrem Kind was schenken
könnte. Hingehen werde ich sicher mal. Sollte ich etwas Passendes finden, kann
ich ja noch eine Kleinigkeit kaufen.
Heute ist wieder schwer nebliges Wetter. Das ist ja keine
schöne Zeit. Aber man muss sie auch mit hinnehmen. Kalte,
trockene Witterung wäre aber schöner.
Nun lass mich schließen. Jörg kommt gleich heim. Wir werden
bald essen und dann fortgehen. Ich grüße Dich, mein liebster ernst, recht
herzlich, Deine Annie.
Liebes Vaterle!
Gestern habe ich Dir
doch nicht geschrieben. Dafür schreibe ich Dir heute mit Tinte. Eigentlich
hätte ich heute zum Zahnarzt gehen müssen, aber Mutter war heute Morgen bei ihm
und da hat er ihr gleich ein Bisschen gemacht am Zahn. Der Zahnarzt hat gesagt,
wir sollen nicht heute Mittag kommen, sondern am Montag, da hat Mutterle
gesagt, da hätte ich Schule, da hat der Zahnarzt gesagt, wir sollten am
Dienstag, den 15.Dezember kommen. Da sind wir aber nicht traurig, da hat
Mutterle gesagt, wir gehen in den Film, da wird gespielt „Die Ferien vom Ich“.
Ich freue mich schon fest.
Also bei Mitter war
Vorgestern im Adventsfensterle eine Brezel, bei Jörg eine Handtasche und bei
mir ein „Fräule“. Gestern war bei Mutterle eine Torte, bei Jörg eine Frau mit
einem Tannenbaum, und bei mir war ein Männle. Heute war bei Mutter ein Paket,
bei Jörg ein Sternle und bei mir war wieder eine Frau drin.
Viele Grüße und Küsse
von deiner Helga.