Sonntag, 27. März 2016

Brief 141 vom 27./28./29.3.1941


Mein liebster Ernst!                                                                            Konstanz, 27.3.41                             

Heute schicke ich Dir einen Honigkuchen. Uns hat er am vorigen Sonntag ganz gut geschmeckt. Ich hoffe, daß es Dir genau so geht.
Das Päckchen für Kurt schaffe ich heute auch noch weg. Ich lege nur ein paar kurze Zeilen bei, denn ich habe ja erst vorgestern einen Brief geschrieben. Vater will noch wegen der Sporthose nachsehen, die ich Kurt schicken muß, weil er auch in der Sonne braun brennen lassen will. Gestern hat Vater da eine Trainingshose rauf gebracht. Mit der kann Kurt natürlich nichts anfangen.
Ich habe Vater gestern ein paar Stücke von dem Gebäck zum Kosten gegeben, das  ich für Kurt gebacken habe. Er hat es mit gutem Appetit gegessen. Ich erinnere mich in diesen Fällen nur immer wieder daran, wie er früher war. Da hat er doch nichts von mir angerührt. Ich bin ja sehr froh, daß es jetzt anders ist.
Gestern habe ich die Wiener Marken 2 x besorgt. Nur die 25-Pfennig-Marke gibt es in Konstanz nicht mehr. Muß ich die anderen Marken ungestempelt in Dein Album tun. 1 x sind sie doch für Kurt bestimmt, nicht wahr? Da hättest Du die Marken sonst nur entweder gestempelt oder ungestempelt. Ist das recht? Die Leipziger Marken habe ich für Kurt auch 1 x besorgt. Da habe ich den ganzen Satz bekommen.
Gestern habe ich gleich die Kohlen bezahlt. Auf dem Heimweg habe ich für die Kinder auf die alte Kleiderkarte, die am 31. März abläuft, noch je 3 Paar lange Strümpfe gekauft. Es waren gerade noch gute, nicht zu teure Strümpfe da. Ich habe sie eine Nummer größer genommen, damit sie sie noch nächsten Winter anziehen können.  Kniestrümpfe haben die Kinder ja von Dir.
Schönes Wetter will bei uns gar nicht mehr werden. Es ist immer trübe und kühl. Eigentlich wollten wir gestern noch Mal nach Tee sehen, aber das hat bei der Witterung gar keinen Zweck. Da wächst doch nichts.
Die Honigkucheneier, von denen ich Dir auch eine Kostprobe mitschicke, habe ich heute gebacken. Ich habe Kurt auch ein paar beigelegt. Die anderen hebe ich bis Oster auf.
Vorhin habe ich eben Deinen lieben Brief vom 26. erhalten. Er hat mich wieder fest gefreut. Nun hast Du doch endlich von Tommi Post erhalten. Mich freut es eigentlich nur, daß Du Dich doch nicht in ihm getäuscht hast, denn ihr hattet Euch doch gut verstanden. In Frankreich ist er doch noch.
Kurt hat Dir nun auch wegen des Schlachtfestes geschrieben. Vielleicht ist es doch richtig, wenn Du einmal vorbeigehst, sonst sind die Leute vielleicht beleidigt. Du kannst Dich ja auf den Brief von Kurt beziehen. Ich ging ja auch nicht gern hin, aber Du kannst das noch eher wie ich. Du bist jetzt schon gewohnt, mit verschiedenen Leuten umzugehen und familiär wie Kurt wirst Du ja hoffentlich dort nicht. So viel ich aber merke, würde Kurt die Beziehung zu der Familie nicht gern ganz abbrechen. Wenn sie Kurt immer Besonderes kochen konnten, fällt es ihnen auch nicht schwer, wenn sie Dir ja etwas geben würden.
Du lieber, armer Kerl, nun hast du auch noch eine geschwollene Backe. Hast Du große Schmerzen? Ich wünsche nur, daß es recht bald besser wird, damit nicht geschnitten werden muß. Es kommt aber doch immer was, damit es einem nicht zu wohl wird. Werde nur recht bald wieder ganz gesund.
Ich bin ja gespannt, wie es nun mit eurem Kurs wird, ob es bis zuletzt zusammenhält. Es wäre ja schade, wenn jetzt wieder alles auffliegen würde. Nun hast Du doch schon zum zweiten Mal die Mühe und Arbeit gehabt. Ich hoffe ja sehr, daß Du noch den Osterurlaub bei uns verbringen kannst. Aber gefaßt müssen wir doch auf alles sein. Wie Du schon schriebst, wir lassen die Dinge auf uns zukommen. Hoffen kann man ja immerhin, das kann keiner verwehren.
Heute Abend bist Du also im Theater. Das ist ja für Dich auch eine angenehme Abwechslung. denn seit Du wieder in Deutschland bist, warst du ja nicht mehr im Theater. In Frankreich war das öfter der Fall.
Du hast recht, wenn Du schreibst, daß es mir am Sonntag auch gefallen hat. Es war einmal eine Abwechslung. Vor allen Dingen hat mir der Film und das Jagdspringen gefallen. Das Springen kann ich mir lange ansehen, das gefällt mir immer wieder. Es hätte ruhig noch länger dauern dürfen. Aber auch die anderen Sachen  waren interessant. Ich danke Dir, daß Du damit einverstanden warst, daß wir in die Kasernen gingen. Den Umschlag mit den gestempelten Briefmarken lege ich in Dein Album. Ich habe  bei den gekauften Marken auch Randstücke verlangt.
Mein lieber Schatz, ich danke Dir vielmals für Deinen schönen langen Brief, den Du mir wieder geschrieben hast. Er hat mir viel Freude gemacht. Du weißt ja, Deine Briefe können gar nicht lang genug sein.
Ich möchte aber heute schon schließen. Ich habe ziemliches Kopfweh bekommen, da kann ich meine Gedanken gar nicht richtig zusammennehmen. Sei für heute recht oft und innig gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


Mein lieber Ernst!                                                                                 Konstanz, 28.März 41

Nun geht diese Woche wieder ihrem Ende entgegen. Die letzten Tage haben im Hinblick auf Jugoslawien ja allerhand Ereignisse gebracht. Ich bin gespannt, was daraus wird. Vielleicht wissen wir morgen schon mehr. Wenn sie in den Krieg einbezogen werden, haben sie es auch sich und den Engländern zu verdanken. Der minderjährige König weiß auch nicht, was er tut, er ist aber meines Erachtens eine vorgeschobene Figur.
Was mich eigentlich vor allen Dingen interessiert ist der Umstand, ob dadurch wieder welche von Eurem Kurs abberufen worden sind und ob der Kurs weitergeht.
Gestern Abend wollte ich zeitig schlafen gehen, weil ich so Kopfweh hatte. Da ist aber Vater noch gekommen. Es ist dann auch wieder um 10 Uhr geworden.
Heute wolle ich den ganzen Tag im Garten schaffen, es ist dann aber nichts geworden, da es gegen Mittag mit regnen anfing. Immerhin konnte ich Zwiebeln stecken und Spinat, Möhren, Radieschen und Salat säen. Ich habe überall Netze darüber getan. Ich habe es in anderen Gärten gesehen, da haben sich die Vögel über die Beete gestürzt. Das möchte ich gerne vermeiden. Wie gesagt, mit der weiteren Arbeit ist es nichts geworden, wegen dem Regen. Morgen komme ich ja auch nicht dazu, denn da muß ich Lebensmittelkarten holen und habe auch sonst noch allerhand Arbeit. Aber nächste Woche werde ich wieder daran schaffen können.
Jetzt hätte ich noch eine Bitte an Dich. Du mußt es nicht übel nehmen, aber ich möchte Dich bitte um 15 g Fettmarken bitten. Ich habe nämlich 110 g von Dir hier, wenn ich noch 15 g hätte, bekäme ich 1/4 Pfund Butter, so schneiden sie nichts gern kaputt. Aber bitte nur, wenn Du sie entbehren kannst.
Unsere Kinder haben schon große Ostersorgen. Sie haben mir schon die letzten Tage gesagt, wenn sie auch wissen, daß es keinen Osterhasen gibt, und daß wir dieses Jahr die Eier selber backen, so sollen wir sie doch verstecken. Das wäre viel schöner. Vor allen Dingen freuen sie sich darauf, daß Du kommst. Hoffentlich wird es auch wahr. Wir werden es ja sehen. Helga und Jörg machen schon lauter Pläne, was sie Dir alles zeigen und erzählen wollen. Ich habe ihnen schon gesagt, sie sollen sich nicht so sehr freuen, denn jetzt weiß man wieder gar nicht, was alles noch eintreten kann.
Ich höre gerade Nachrichten, wobei auch gesagt wird, daß sie in Belgrad Kinos demoliert haben, als die deutsche Wochenschau gezeigt wurde. Die Jugoslawen sind ja noch nie unsere Freunde gewesen, ich glaube vor allen die Serben. Natürlich hetzen besonders noch die Engländer. Na, wir werden ja sehen, was noch wird. Aber man macht sich doch immer wieder Gedanken deshalb.
Ich will aber nun lieber schlafen gehen. Gute Nacht, mein lieber, lieber Ernst, mein lieber Mann.

Guten Morgen mein lieber Ernst!                                                                     29. März

Ich muß nun gleich fortfahren und will den Brief mitnehme, damit Du ihn noch zum Sonntag bekommst. Es ist heute auch wieder regnerisches Wetter. Vielleicht wird es morgen ein bißchen besser, wenn Du zu den Leuten gehen willst. Ich wünsche Dir jedenfalls einen frohen Sonntag. Hoffentlich hast du kein Zahnweh, denn das verdirbt alles. Helga ist schon in der Schule, insofern  sie keinen Gruß unter den Brief schreiben kann.
Sei Du nun vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie, Helga und Jörg.

Dienstag, 22. März 2016

Brief 140 vom 21./23./25./26.3.1941


Mein lieber Ernst!                                                                   Konstanz, 21.3.41                

Vor dem Sonntag  will ich Dir noch einen Brief schreiben. Viel gibt es ja nicht zu berichten, aber vielleicht freust Du Dich auch so.
Gestern Nachmittag habe ich das Päckchen für Dich weggeschafft. 1/2 6 Uhr wollten wir doch beim Kohlenhändler sein. Wir sind dann aber eher hingegangen und zwar schon um 1/2 5 Uhr. Wir haben dann die Kohlen zum Vater hingefahren und als er aus dem Geschäft kam, standen die Kohlen schon vor seiner Tür. Er hat sich darüber gefreut. Ich habe ihm dann noch mit runter tragen geholfen. Ich habe dann die Kinder wieder heim gefahren und Vater hat mir das Bügelbrett gleich mitgegeben. Das habe ich mir heute neu bezogen. Jetzt sieht es wieder ganz sauber aus. Ich war gestern Abend so müde, daß ich schon 1/4 9 Uhr schlafen gegangen bin. Ich habe mich einmal richtig ausgeschlafen und heute Morgen hatte ich sogar einmal rote Backen.
Heute habe ich schon alles für den Sonntag eingekauft, so daß ich morgen gar nicht fortfahren muß, so daß wir gut in den Wald gehen können. Am Nachmittag habe ich im Garten geschafft und zwar hinter dem Haus. Ich habe mehrere Beete fertiggemacht. Heute Abend habe ich die Zwiebeln vom Speicher geholt, die ich nun bald stecken werde.
Heute war in allen Häusern auch ein Schutzmann, der die Luftschutzmaßnahmen nachgeprüft hat. Natürlich hat nichts geklappt. Wasser und Sand hat überall gefehlt. Sand haben nun die Kinder heute Nachmittag geholt. Wasser müßten wir gelegentlich auch jeden Tag und jede Nacht draußen stehen haben, aber ich habe gesagt, daß ich soviel Gefäße nicht habe und die vorhandenen am Tag brauche. Da hat er sich damit zufrieden gegeben, daß wir bei Nacht Wasser rausstellen.
Ich gehe nachher auch bald wieder schlafen, denn ich bin auch heute müde. Ich will nur noch abwaschen und den Brief  zum Briefkasten bringen. Der wird morgen früh gleich geleert, vielleicht kommt der Brief dann noch am Sonntag bei Dir an. Zum Schreiben an die Eltern bin ich noch nicht gekommen, vielleicht schreibe ich gleich mal morgen früh.
Was wirst Du wohl am Sonntag tun? Verlebe ihn jedenfalls gesund und froh. Sei Du, mein lieber, lieber Schatz, von uns allen recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt und besonders von Deiner Annie.


 Mein lieber Ernst!                                                           Konstanz, den 23.3.41

Ich schreibe Dir heute einmal mit der Schreibmaschine. Das wirst Du mir sicher nicht übel nehmen. Nachher will ich noch an die Eltern schreiben, aber vorher sollst Du Bericht von gestern und heute von uns haben.
Gestern Nachmittag sind wir in den Wald gegangen. Unterwegs fing es ein bißchen an mit regnen. Das hat uns aber nichts  gemacht. Wir sind den Weg gegangen, wie am vorigen Sonntag. Lungenkraut hat es noch ganz wenig gegeben. Da haben wir keins gepflückt, denn es waren meist nur zwei Blüten dran. Da lassen wir´s lieber noch ein bißchen wachsen. Wir haben dann Zapfen in zwei Rucksäcken und zwei Taschen gesammelt und sind wieder heim gegangen. Ich weiß nicht, macht es das Frühjahr, aber wir waren alle ganz müd, als wir heimkamen.
Gestern Abend kam noch Vater. Die Kinder waren noch munter. Da hat er wieder jedem 15 Pfg. gegeben, trotzdem sie am Donnerstag 15 Pfg. bekommen hatten. Außerdem hat er für uns zusammen noch 50 Pfg. gegeben für heute in die Kaserne. Ich sagte zu Vater, daß er das doch sein lassen sollte, da sich die Kinder ja schon aus ihrer Sparbüchse Geld genommen haben. Da sagt Jörg auf einmal: Das ist doch gleich, Geld können wir schon noch gebrauchen zum reiten und so. Ich kann Dir sagen, ich war baff.
Heute früh sind wir schon um 6 Uhr aufgestanden. Um 1/2 8 Uhr marschierten die Soldaten zum großen Wecken von der Klosterkaserne ab, da wollten unsere Beiden doch mitgehen. Sie sind dann um 7 Uhr fort und waren um 9 Uhr wieder da. Ich habe mich dann fertig gemacht und 1/2 11 sind wir zusammen in die Klosterkaserne gegangen. Erst stand ich ja ziemlich ratlos zwischen den ganzen Gebäuden, aber dann habe ich mich schon reingefunden. Zuerst haben wir uns die Ställe angesehen. Erst die mit den kranken Pferden und dem Operationsraum, dann die anderen. Es hat da wirklich feine Pferde. Dann sind wir gerade zur Quadrille zu Recht gekommen. Das war auch fein. Hinterher ging´s zum essen. Na, das war besonders lustig. Ein schieben und drängen. Ich hab´s ja von der lustigen Seite genommen und habe lachen müssen, aber manche haben natürlich gebrummt und geschimpft. Erst habe ich mich mal durchgedrängt damit ich Teller bekam. Die Kinder hatte ich solange in eine Ecke gestellt, damit ich sie wiederfinden konnte. Dann hatte ich die Teller und auch Essen haben wir uns geholt. Nun hatten wir aber noch keinen Platz. Mit ein bißchen Geduld ging´s aber dann auch. Da haben wir nun gegessen. Es gab Gemüseeintopf. Er war gut. Den Kindern hat es auch geschmeckt. Jörg war ganz satt und Helga hat nicht einmal alles aufessen können. Ich habe dann die paar Löffel noch mit gegessen. Wir mußten dann Platz machen und haben uns einmal die Unterkünfte angesehen. Es war gar nicht so eng, wie ich mir´s immer vorgestellt habe. Als wir beim anschauen waren, kamen wir an einem Zimmer vorbei. 
Mein lieber Ernst!
Bevor ich nun den Brief wegschaffe, will ich doch noch ein paar herzliche Grüße beifügen. Es hat nun schon wieder die neue Woche begonnen. Die vergangene Nacht hat es zwar geschneit. Jetzt hellt es sich scheinbar ein wenig auf. Ich will nachher noch in die Stadt fahren zum Einkaufen. Auch muß ich einen Zettel aufs Rathaus bringen, den man mir zum Unterschreiben geschickt hat wegen der Kinderbeihilfe.
Es steht nur drauf, für welche Kinder ich Beihilfe bekomme. Bei Kindern über 14 Jahren muß man ausfüllen, ob sie eigenen Verdienst haben usw. Das kommt ja bei uns noch nicht in Frage. Eigentlich wissen es die ja selber, daß ich für Helga und Jörg Beihilfe bekommen muß, aber es muß eben alles schriftlich festgehalten sein.
Du, am Samstag stand in den Standesamtnachrichten auch die Heirat von einem, den Du kennst und so gut leiden kannst: Der Ernzer hat geheiratet, dieser blöde Kerl.
Bei uns im Haus herrscht jetzt Treiben. Jeder räumt nochmals seinen Speicher auf, damit es keine Beanstandung gibt. Ich habe ja soweit alles aufgeräumt. Runterräumen kann ich nichts mehr, denn ich wüßte gar nicht, wo ich es hinstellen sollte. Ich muß nur noch sehen, ob ich einen Emailleeimer bekomme für Wasser auf dem Speicher. Sollte ich keinen bekommen, können sie mir auch nichts anhaben, wenn ich kein Wasser raufstellen kann. Meinen guten Zinkeimer opfere ich nicht, die rosten nämlich gleich, wenn eine zeitlang Wasser drin stehen bleibt. Nun wird es aber Zeit, daß ich fort komme. Nimm nochmals recht herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deiner immer an Dich denkenden Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                            Konstanz, 25.März 41

Heute hatte ich ganz bestimmt damit gerechnet, einen Brief von Dir zu erhalten, da es in den vergangenen Wochen immer so war, aber man muß eben nicht so bestimmt mit etwas rechnen, natürlich ist es nicht eingetroffen.
Gestern erhielt ich einen Brief von Kurt, in dem er schreibt, daß er mein Päckchen und Briefe von mir und Vater am 17. bzw. 18. erhalten hat. Die Sachen sind 15 Tage unterwegs gewesen. Es tut mir ja leid, daß er nichts am Geburtstag erhalten hat. Ich habe ihm nun gleich wieder geschrieben. Morgen werde ich wahrscheinlich schon Ostergebäck backen, damit er diesmal wenigstens rechtzeitig hinkommt.
Kurt schreibt noch, daß er am 18. auch Post von Dir erhalten hat und am 17. von seinen Quatierleuten, die ihm schreiben, er soll Dir sagen, daß Du am 20.3. zum Schlachtfest eingeladen bist. Natürlich ist es nun zu spät. Er schreibt weiter, daß ich ihm doch von den Kindern etwas schreiben soll. Auch an Nanni soll ich von dem Garten und den Kindern erzählen. Ich habe ihm nun geantwortet und schicke Dir den Durchschlag mit. Ist der Brief richig?
Heute bin ich gar nicht fortgekommen. Ich habe gestopft und genäht. Da ist der Tag schnell vergangen. Die Zwiebeln habe ich noch nicht gesteckt. Es ist noch ziemlich kalt. Herr Schwehr hatte doch schon seine Zwiebeln gesteckt, als Du hier warst. Ich habe sie mir heute einmal angesehen. Sie haben alle noch nicht getrieben. Es ist eben doch noch ziemlich kalt. Ich warte noch bis Anfang April. Da ist es sicher auch noch zeitig genug.
Wir sind jetzt wieder in die Küche übergesiedelt. Ein bißchen heizen muß ich doch noch. Da habe ich mir gedacht: Warum muß ich in der Küche frieren. Da heize ich in der Küche ein bißchen und da können wir uns alle darin aufhalten. Im Winter war es ja etwas anderes. Da hatte ich in der Küche zuviel Feuerung gebraucht. Das Eigenartige ist, daß Helga jetzt, wenn ich in der Küche bin, besser einschläft als erst. Eigentlich sollte doch das Gegenteil eintreten, da es früher doch ganz ruhig  in der Küche war.
Ich gehe in letzter Zeit meist ziemlich zeitig schlafen. Meist nach 9 Uhr. Ich bin auch jetzt viel müde. Zu was soll ich mich da hinsetzen. Da schlafe ich mich lieber aus.
Heute ist doch Jugoslawien in den Dreimächtepakt eingetreten. Da werden die Engländer einen Zorn haben. Sie haben es doch mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Es hat ihnen aber auch diesmal nichts genutzt. Ich gehe nun schlafen. Gute Nacht, mein liebster, bester Schatz. Wach gesund wieder auf.

Lieber Ernst!                                                                                                      26. März

Heute bekam ich Deinen lieben Brief vom Sonntag. Bei Dir ist das Wetter noch viel schlechter gewesen als bei uns. So fest hat es bei uns nicht geregnet. Unsere Kasernen waren gut besucht. Durch die Besichtigung der Kasernen, dem Reiten usw. ohne den Manöverball, sind 11700 Mk reingekommen. Heute steht in der Zeitung, daß Konstanz, mit dem Verkauf der Abzeichen und der Besichtigung der Kasernen 19000 Mk. zusammengebracht hat. Das ist mehr als im vorigen Jahr der ganze Kreis Konstanz gesammelt hat. Da siehst Du, daß der Besuch gut war. Die Kinder danken Dir auch recht sehr für das Geld. Sie haben nun gar keine Auslagen gehabt. Du bist eben doch immer wieder ein ganz lieber Kerl.
Heute habe ich meine 10 Zentner Kohlen bekommen. Da muß ich nachher gleich schichten, denn ich kann die Kellertür gar nicht zumachen.
Ich habe Dir heute den Zahnschein besorgt und schicke ihn mit. Hoffentlich hast Du jetzt keine Zahnschmerzen mehr. Es ist schon gut, daß Du es jetzt machen lassen kannst.
Du schreibst wegen des Kommens zu Ostern. Mit richtigem Fahrschein wirst Du doch fahren können, wenn Du keinen anderen bekommst, nicht wahr? Aufs Geld kommt´s dann auch nicht darauf an. Die Hauptsache ist doch, daß wir Dich hier haben. Komme also ganz bestimmt, hörst Du!
Für Kurt habe ich heute ein bißchen gebacken. Die werde ich wahrscheinlich morgen wegschicken. Dir schicke ich ja morgen auch einen Kuchen. Da bekommst Du eine Kostprobe von dem Gebäck für Kurt mit. Du mußt doch prüfen, ob ich mich damit auch nicht blamiere. Für uns werde ich zu Ostern auch solche Eier backen. Das sieht doch wenigstens ein bißchen nach Ostern aus. Schokolade Sachen wird es dieses Jahr doch nicht geben, mit Zuckersachen ist es auch noch nicht sicher.
Nach Deinem Brief zu urteilen, bekommst Du also doch noch  Frontzulage, die Herrn Graser ausgezahlt wird. Ich hatte schon das Geld für ihn für alle Fälle zusammengelegt. Wenn wir die nicht brauchen, schaffe ich die auf die Sparkasse. Das ist aber nicht so eilig. Vielleicht brauchst Du es auch zur Reise hierher zu uns zu Ostern.
Nun will ich mich gleich an die Arbeit des Kohleschichtens machen, damit ich nachher noch in die Stadt fahren kann. Sei für heute wieder recht herzlich gegrüßt und viel, viel, vielmals geküßt von Deiner Annie.

Lieber Vater! Wir haben uns sehr über das Geld gefreut, wir danken Dir. Viele Grüße und viele Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Brief 139 vom 19.3.1941


Lieber Ernst!                                                                                Konstanz, 19.3.41     

Wir waren vorhin im Film. Es hat den Kindern sehr gut gefallen. Nun ist doch am Sonntag Tag der Deutschen Wehrmacht. Die Kinder gingen gern einmal in die Kasernen und Jörg würde gern einmal reiten oder fahren. Die Programme werden jetzt angeboten. Ich ginge ja einmal mit ihnen hin, aber ich weiß nicht, ob es Dir recht ist. Nun möchte  ich Dich bitten, mir doch umgehend zu schreiben, ob Du damit einverstanden bist. In den Wald gingen wir sicher am Samstag zum Teesuchen.
Wenn Du es nicht gern möchtest, ist es auch nicht schlimm. Ich möchte es nur nicht gern, daß ich mit den Kindern hingehe und Du siehst es nicht gern.
Sei nun vielmals recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga  und Jörg.


 Mein lieber Ernst!                                                                    Konstanz, 19.3.41

Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom 18. So bist Du also wieder in Karlsruhe angekommen, wenn auch nicht gerade gut. Es ist ja gut, daß Dein Magen wieder soweit in Ordnung ist.
Es freut mich sehr, daß Deine Arbeit gut ausgefallen ist. Du wirst ja selbst Deine Freude daran haben.
Wir sind am Montag, nachdem wir Dich zur Bahn gebracht haben, noch einkaufen gegangen. Wir sind nicht heimgefahren, sondern gelaufen, denn ich habe gut gehen können und warum soll ich unnötiges Geld rausschmeißen. Am Nachmittag habe ich dann noch gewaschen.
Gestern war auch ein arbeitsreicher Tag für mich. Am Morgen habe ich gebügelt und genäht. Am Nachmittag kam Vater angesaust. Er hatte sich überlegt, daß wir am besten die Kohlen holen und gleich zu uns rauf schaffen. Ich mußte um 1/2 6 Uhr beim Kohlenhändler sein. Da wollten wir erst 3 Zentner und heute nochmals 2 Zentner holen. Die anderen holt er ein andermal. So bin ich gestern Nachmittag gleich noch zum Einkaufen und hinterher zum Kohlenhändler gefahren. Wir haben 3 Zentner geholt, die ich auch gleich aufgeschichtet habe. Heute morgen habe ich die restlichen 2 Zentner geholt. Das war lustig. Beim Kohlenhändler schaffen doch jetzt meist Franzosen. Die gucken einen fremd an, bis ein Deutscher dazukommt und ihnen erklärt, was man bekommt. Dann winken sie einem, wo man mit dem Wagen hinkommen muß. Ich habe so daran denken müssen, wie es Dir damals in Frankreich gegangen sein wird. Ich habe lachen müssen, wie der Dickreiter so einige französische Brocken zusammensuchte, um den Arbeitern zu sagen, was sie fertigmachen sollen. Ich habe vorhin auch noch die 2 Ztr. versorgt. Heute Nachmittag wollen wir ins Kino gehen, die Kinder möchten doch gern den Film sehen.
Bei uns war es gestern auch sehr kalt. Man hat sich warm anziehen müssen. Der Wind hat es vor allen Dingen so kalt gemacht. Heute früh waren die Küchenfenster gefroren. Aber jetzt scheint richtig die Sonne und es ist ziemlich warm geworden. Der Wind hat bis jetzt aufgehört.
Soll ich nun eigentlich den Brief an Nanni schreiben oder nicht. An meine Eltern und an Alice werde ich auch in den nächsten Tagen schreiben müssen. An Kurt werde ich für Ostern sicher ein kleines Päckchen schicken, aber das hat noch ein Weilchen Zeit. Bis zum 3.April müssen die Osterpäckchen aufgegeben sein.
Mein lieber Ernst!
Es hat mich ganz fest gefreut, daß Du uns besucht hast. Wenn es auch nur 2 Tage war, aber es war doch schön. Die Kinder reden auch immer wieder von dem schönen Spaziergang mit Dir. Das war eben auch für sie eine große Freude. Ich freue mich schon auf Ostern.
Mein Brief wird heute ein bißchen kurz, aber Du nimmst es mir bitte nicht übel. Ich muß jetzt das Essen kochen, damit wir zur rechten Zeit fortkommen. Durch das Kohlenholen ist der Vormittag schnell vorbeigegangen.
Sei Du nun wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


Mein liebster Ernst!                                                                                      Konstanz, 19.3.41 abends.

Heute schreibe ich schon das dritte Mal an Dich. Erst heute früh den Brief, dann auf der Post die Karte. Du wirst Dich sicher gewundert haben, wie ich darauf komme, am Sonntag  in die Kaserne zu gehen. Das ist so gekommen. Helga hat mir den ganzen Nachmittag erzählt von Kindern in ihrer Klasse, die alle am Sonntag in die Kaserne  gehen, da es so schön sei usw. Wir machen das ja nicht, Mutterle, nicht wahr? fragte sie mich dann. Jörg hatte nun gehört, daß Kinder reiten oder fahren könnten und war natürlich gleich Feuer und Flamme. Ich habe dann gesagt, Kinder, wir fragen das Vaterle, ob es ihm recht ist, wenn wir am Sonntag hingehen. Wenn es ihm recht ist, gehen wir, sonst nicht. Wir haben dann gleich, als wir aus dem Film kamen, die Karte geschrieben. Bis zum Sonntag werde ich sicher Bescheid von Dir haben.
Ich sollte heute für Vater beim Kohlenhändler fragen, bis wann Samstag auf ist. Nun ist nur bis 12 Uhr auf, da kommt er aber erst aus dem Geschäft.  Er hat heute Abend unterwegs deshalb auf uns gewartet. Er wußte nun nicht, wie er es machen soll mit dem Holen. Wir haben nun so ausgemacht, daß ich morgen Abend mit dem Wagen zum Kohlenhändler fahre und mir die Kohlen geben lasse. Ich bleibe dann solange am Tor stehen bis Vater kommt. Er fährt sie dann nach hause. Ich werde ihm wahrscheinlich mit Schieben helfen, denn er will gleich die restlichen 5 Zentner auf einmal nehmen, da es ja zu ihm hin keinen Buckel rauf geht. Dann ist die Kohlenangelegenheit endlich auch erledigt. Meine bekomme ich ja gebracht.
Morgen früh backe ich gleich den Kuchen für Dich und schicke ihn sicher morgen Nachmittag weg. Wahrscheinlich lege ich gleich diesen Brief bei, das siehst Du ja nachher. Hoffentlich schmeckt Dir auch diesmal der Kuchen gut. Es soll doch für Dich auch ein bißchen Sonntag sein.
Am Samstag werden wir wahrscheinlich nun in den Wald gehen. Da nehme ich aber gleich ein paar Taschen mit, das ist ja am Wochentag. Wenn es keinen Tee gibt, dann gibt es eben Zapfen. Das ist auch was. Am schönsten wäre es natürlich, wenn Du dabei wärst. Aber es geht nun leider nicht. Denken werden wir aber jedenfalls an den schönen Sonntag mit Dir, wenn wir den Weg gehen, den wir am Sonntag mit Dir gegangen sind.
Nachdem es jetzt in den Nächten so kalt geworden ist, ist es ganz gut, daß ich noch nichts gesät habe. Das würde doch nicht richtig aufgehen. Den meisten Samen habe ich schon gehäuft. Nur Weißkraut, Wirsing, Zwiebelsamen fehlt mir noch. Das war bei Webers nicht zu haben. Da muß ich mal in der Stadt nachsehen.
Ich bin heute Abend recht müde und würde gern schlafen gehen, nachdem es 1/4 10 Uhr ist, aber Vater will noch rauf kommen und Säcke bringen für morgen. Hoffentlich kommt er bald, sonst schlafe ich noch ein. Schaffen kann ich deshalb heute auch nichts mehr, mir fallen die Augen zu. Das Kohlenholen strengt doch ein bißchen an.
Nun habe ich den Film „Sieg im Westen“ auch zwei Mal gesehen. Aber man kann ihn ruhig zwei Mal ansehen. Man sieht immer wieder etwas, was man vorher gar nicht so beachtet hat. Mich hat es auch heute wieder stark interessiert. Das Kino war auch heute Nachmittag bis auf den letzten Platz besetzt. Da sieht man doch, wie viele Leute sich diesen Film ansehen. Es ist ja auch das Interesse aller wert.
1/2 10 Uhr ist Vater gekommen und jetzt, 1/2 11 Uhr ist er wieder fortgegangen. Wir holen morgen nun doch nur 4 Zentner, den einen Zentner läßt er schwimmen, wie er sagt.
Nun gehe ich aber schlafen. Gute Nacht, mein lieber Schatz!
Lieber Ernst, vorhin habe ich den Kuchen für Dich gebacken. Hoffentlich ist er richtig durchgebacken. Für uns habe ich einen Honigkuchen gebacken. Das ist der erste Versuch mit einer Springform. Sollte sie gut geraten sein, bekommst Du nächsten Sonntag einen.
Heute ist wieder ganzes Sonntagswetter. Das macht direkt Freude. Jörg spielt schon wieder den ganzen Vormittag unten. Helga ist gerade dabei, Schularbeiten zu machen. Heute gibt sie sich einmal richtige Mühe. Wir sind heute ein bißchen in die Küche gezogen, denn es ist schön warm und außerdem habe ich einmal gründlich die  Stube sauber gemacht. Da schreibt Helga auch in der Küche und ich kann öfter mal nachsehen. Das ist auch von Vorteil.
Am Nachmittag bringe ich dann den Kuchen für Dich auf die Post und hinterher gehen wir Kohlen holen. Die Kinder freuen sich ja schon drauf, weil sie dann von mir mit dem Wagen gefahren werden.
Nun noch etwas. Ich habe doch noch Kalk da, vielleicht 1/4 Sack. Muß ich den irgendwo  mit untergraben oder brauchen wir den später? Gestern war ich auf der Post und habe mit nach den Briefmarken von Leipzig für Kurt gefragt. Die bekommen sie erst in 14 Tagen. Heute bekommen sie die Marken von der Wiener Messe. Willst Du da auch welche haben oder kaufst Du sie Dir selber? Muß ich davon für Kurt auch welche besorgen?
Heute ist zum 65. Geburtstag von Ludwig Finkh ein Artikel in der Zeitung. Ich schicke ihn Dir mit.
Nun will ich schließen, lieber Ernst. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mittwoch, 9. März 2016

Brief 138 vom 8./9./10.3.1941


Mein lieber Ernst!                                                                          Konstanz, 8.3.41               

Heute Morgen erhielt ich Deinen lieben Brief vom 6.3. Die Bestätigung habe ich gleich zu Frl. Bucher gebracht. Sie sagte mir, daß sie es fertigmachen und mir das Geld zuschicken wird. Scheinbar bekomme ich es also doch nicht mir dem Gehalt zusammen. Na, ich werde es ja sehen.
Wie ich Dir schon schrieb, glaube ich nicht, daß Du am Verhungern bist. Wenn nicht gerade der Kuchen gekommen wäre, hätte ich Dir in der Woche auch kein Paket gesandt und die Butter und Wurst hätte ich dem Sonntagskuchen beigefügt. Aber ich konnte doch den Kuchen nicht noch einmal eine Woche liegen lassen. Der trocknet ja ganz aus. Wer weiß, ob er Dir überhaupt noch geschmeckt hat. Inzwischen wirst Du ja Deinen Sonntagskuchen auch erhalten haben. Hoffentlich ist er diesmal rechtzeitig angekommen.
Kurt hat heute an Vater und mich geschrieben. Wo er ist, hat er nicht geschrieben, nur daß er landschaftlich wie in Lubmin und nahe am Meer ist. Er schreibt noch: „Hier in unserer Ecke sagen auch Hase und Fuchs gute Nacht. Untergebracht sind wir in Zementbaracken, es ist ganz wohnlich hier.“ 60 Stunden Bahnfahrt hat er von Karlsruhe bis zu seinem neuen Standort gehabt.
Wir freuen uns schon sehr, wenn Du wieder einmal nach hause kommst. Wenn Du in den Unterrichtsferien kommst, kannst Du ja immerhin einige Tage hier sein. Hoffentlich klappt alles. Es freut mich auch, daß Du Dich jetzt im Kurs eingewöhnt hast.
Dein Kamerad Grasser ist wahrscheinlich auch woanders hingekommen. Wenn Du jetzt seine neue Feldpostnummer weißt, kannst Du ja einmal bei ihm anfragen. Es würde mich tatsächlich auch interessieren, wie bei Eurer Dienststelle alles geworden ist. Es wundert mich, daß Dr. Thomas noch nicht geschrieben hat, aber es kann ja sein, daß er noch  keine Zeit und Gelegenheit gehabt hat. Ich kann mir nicht gut denken, daß er Dich vergessen hat.
Über den Inhalt des Briefes der Eltern an Dich weiß ich nicht Bescheid, sie haben mir diesmal keinen Durchschlag mit gesandt. Wegen Erna habe ich ja nun schon geschrieben, ehe Dein Brief bei mir eintraf. Hoffentlich bist Du nicht ganz unzufrieden damit. Wie ich schon geschrieben habe, es wäre mir lieber, ich wüßte von allem nichts.
Scheinbar hast Du dort jetzt auch  einen Kameraden gefunden, mit dem Du soweit harmonisierst, daß Du wenigstens mit ihm lernen kannst. Dadurch wird es sicher etwas leichter.
Unseren beiden Kerlchen geht es soweit gut. Gestern abend 1/2 11 Uhr fing Jörg auf einmal an mit Jammern. Er hatte festes Ohrenweh. Ich habe ihm gleich mit warmen Öl getränkte Watte ins Ohr ins Ohr getan. Dann habe ich ihm Zwiebel ans Ohr gelegt und darüber einen Schal getan. Ich habe ihn dann mit zum mir ins Bett genommen, weil er jammerte und Helga gar nicht schlafen konnte. Ich konnte ihn auch besser beruhigen, wenn ich ihn bei mir hatte. Nach und nach ist es dann besser geworden und um 1 Uhr hat er wieder in sein Bett wollen, weil er besser schlafen konnte und es ihm auch nicht mehr weh tat. Heute Morgen waren die Schmerzen fast überhaupt weg. Ich habe ihm aber noch Watte im Ohr gelassen und auch einen Schal drum getan.
Heute Abend haben sich Beide ganz schnell ausgezogen, damit sie bald ins Bett kommen und mir dadurch eine Freude machen. Das ist auch für mich immer ein schöner Abend, wenn ich nicht schimpfen muß. Da ist es mir viel wohler. Ich bin überhaupt froh, wenn ich nicht so viel reden muß.
Heute Vormittag war wieder wunderschönes Wetter, ganz sonnig. Heute Nachmittag, bzw. Abend hat es wieder angefangen mit regnen. Vater war trotz des Schirmes an den Knien ganz naß, als er hier ankam. Er war in der Stadt gewesen. Er sitzt jetzt gerade beim kleinen Ofen in der Stube und läßt sich die Knie an bißchen anwärmen, damit die Hosen trocken werden. Ich muß Dir von ihm auch einen Gruß bestellen. Die Zigarren habe ich ihm schon vor ein paar Tagen gegeben. Er hat sich auch sehr darüber gefreut. 

9.3. Mein lieber Ernst!                                                                                            9.3.

Nun ist der Sonntag auch gleich wieder vorbei. Es ist heute sehr schönes Wetter. Die Kinder sind schon den ganzen Nachmittag unten. Vorhin haben sie auch einen kleinen Spaziergang gemacht. Ich war zuhause. Ich höre jetzt gerade noch das Wunschkonzert an. Es ist 3/4 6 Uhr. Vorhin haben wir Abendbrot gegessen und nun sind die Kinder noch ein bißchen raus gegangen. Die Sonne scheint ja immer noch.
Manchmal muß man doch über Jörg lachen. Heute früh sagte er zu Helga und mir: “Ihr vertragt aber auch gar nichts im Essen.“ Auf unsere erstaunte Frage, wieso, sagte er:“ Weil ihr heute früh so wenig gegessen habt, die Soldaten essen bestimmt mehr.“
Zum Mittagessen haben wir heute Rohe Klöße gehabt. Die Kinder hatte sie sich so gewünscht. Da habe auch ich fest gegessen, denn Klöße macht man doch nicht so oft, schon wegen dem vielen Reiben. Aber geschmeckt hat es. Eigentlich hatten wir Pudding als Kompott, aber wir haben ihn nicht mehr essen können, so satt waren wir. Da haben wir heute Abend gleich noch was gehabt.
Heute Abend will ich noch stopfen und ausbessern, damit ich da auch wieder Ordnung habe. Es kommt doch immer wieder gleich ziemlich viel zusammen.
Weißt Du, lieber Ernst, wir waren doch recht enttäuscht, in Deinem Brief zu lesen, daß Du uns erst zu Ostern besuchen willst. Wir hatten schon viel eher damit gerechnet. Aber Du wirst ja wissen, ob es nicht eher geht. Wahrscheinlich wirst Du auch am Sonntag lernen müssen und kannst deshalb nicht eher kommen. Hoffentlich  kommt dann wenigstens zu Ostern nichts dazwischen.
Abends 10 Uhr. Nun habe ich meine Arbeit getan. Sogar mit der Maschine habe ich noch etwas genäht. Jetzt bin ich aber redlich müde und gehe schlafen. Gute Nacht, mein lieber Schatz und wache gesund wieder auf. Behalte uns lieb. 



Mein lieber Ernst!                                                                                                10.3.

Es hat schon wieder eine neue Woche begonnen. Ich habe sie gleich mit Nähen angefangen. Ich habe mein Sommerkleid wieder hergerichtet. Es ist wohl ein bißchen zeitig, aber später habe ich dann im Garten zu tun, da komme ich nicht mehr so gut dazu.
Es ist heute wieder herrliches Wetter. Am Morgen war Nebel, aber jetzt scheint die Sonne und es ist ziemlich warm. Ich habe schon den ganzen Tag das Küchenfenster auf. Helga ist jetzt in der Schule und Jörg spielt unten. Nachher fahre ich noch in die Stadt einkaufen. Bei so schönem Wetter ist man ganz gern ein bißchen im Freien. - Diese Woche hast Du ja nun auch die Lebensmittelkarten. Hoffentlich kommst Du damit richtig aus. Für alle Fälle hast Du ja sicher noch ein bißchen Reserve von Deinen Urlauberkarten. Solltest Du an Deiner Urlauberkarte 20 g Marmelademarken übrig haben, so wäre ich Dir dankbar, wenn Du sie mir schicken würdest. Mir fehlen an einem Pfund gerade 20 g. 80 g habe ich nämlich noch von Deiner vorigen Urlauberkarte und 400 g sind an den Kinderkarten. Nicht wahr, jetzt pumpe ich Dich sogar noch an.
Nun will ich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Brief 137 vom 7.3.1941


Mein lieber Ernst!                                                                    Konstanz, 7.3.41                    

Zum Sonntag möchte ich Dir noch diesen Brief schicken, ob er Dich noch rechtzeitig erreicht, weiß ich ja nicht, aber ich hoffe es. Ich werde ihn jedenfalls gleich morgen früh wegschaffen.
Nun möchte ich Dir Verschiedenes erzählen. Ich war heute beim Kohlenhändler. In der Zeitung hatte gestanden, daß jeder, der noch Kohlen zu bekommen hat, sich bis zum 20. März melden muß. Wenn bis dahin kein Antrag gestellt wird, sind die Kohlen für dieses Jahr verfallen. Nun habe ich doch erst 15 Ztr. bekommen und 23 stehen mir zu. Ich bin nun hingegangen und bekommen nächste Woche 10 Ztr. Am 15.3. zahle ich sie. Herr Dickreiter sagte mir, daß es am besten sei, wenn ich  am 1. April bzw. im April gleich die Kohlen für den nächsten Winter bestelle. Jetzt haben sie noch Vorrat. Ich könnte es ja nach und nach bezahlen. Ich werde es auch so machen, denn wir haben es ja immer so gehalten, daß wir im Sommer die Kohlen bestellt haben. Ich habe nun gedacht, ich werde 15 Ztr. Brikett und 8 Ztr. Kohlen bestellen. Meinst Du, das ist recht? Auf zweimal werde ich es sicher bezahlen können.
Heute war ich auch auf der Bezugscheinstelle. Das Inlett eines Kissens ist kaputt gegangen, ein weiteres wird sicher nicht mehr lange halten. Da habe ich Antrag auf Inlettstoff für zwei Kissen gestellt. Aber was man da alles für Fragen beantworten muß. Das ist schrecklich. Wie viel Personen sind sie, wie viele Betten haben sie, wie viele Kissen haben sie? Meines Erachtens ist das doch gar nicht nötig. Ich will ja kein ganzes Kissen sondern nur Stoff, denn ich kann die Federn nicht rum fliegen lassen. Na, mal sehen, ob ich den Stoff bekomme.
Am Nachmittag habe wir noch mal Papier und Lumpen fortgeschafft. Jetzt habe ich endlich mal alles los. Der ganze Korb im Vorraum ist leer. Wir sind dann beim Tengelmann vorbeigegangen und haben dort 1/4 Pralinen gekauft. Die haben wir diesmal allein gegessen, Du hast nun gar nichts davon. Wenn wir aber wieder etwas bekommen, schicken wir Dir`s.
Hast Du die Bescheinigung von Deinem Kursleiter noch nicht bekommen? Jetzt kommt doch bald die Gehaltsabrechnung, da müßte sie doch da sein, sonst bekommen wir evtl. auch am 15. noch kein Geld für Dich. Du mußt mir nicht böse sein, wenn ich das schreibe. Ich weiß ja, daß Du nichts dafür kannst, Du bist vielleicht genau so ungeduldig.
Von den Eltern habe ich heute einen Brief bekommen. Sie fragen nochmals wegen Siegfried an. Ich werde ihnen also diesmal schreiben, was Siegfried mir gesagt hat bezüglich Erna. Ganz wohl ist mir ja bei der Sache nicht. Ich wäre froh, wenn ich von allem nichts wüßte. Aber es geht ja nicht mehr zu ändern.
Nun noch etwas. Es gibt doch neue Briefmarken von Leipzig. Ich glaube, der Augustusplatz usw.
Ich muß Dir nun leider sagen, daß ich die nächste Woche einfach kein Geld habe, Dir diese Marken zu besorgen. Könntest Du sie Dir evtl. selber kaufen? Ich hätte sonst etwas von der Sparkasse abgehoben, da wir aber diesen Monat schon ziemlich viel geholt haben, möchte ich das nicht gern tun. Wenn Du es natürlich gern willst, hole ich doch noch etwas. Du schreibst mir mal, wie Du darüber denkst, nicht wahr?
An Nanni will ich dann noch schreiben, d.h. ich schreibe erst einmal einen Entwurf, den ich Dir zur Begutachtung mitschicke. Wenn er richtig ist, schreibe ich ihn dann noch einmal sauber ab. Als ich gestern auf der Straße ging, rief mir auf einmal jemand „Annie“ zu. Ich schaue mich um, da ist es Paula. Sie fragte mich, ob ich die Adresse von Kurt wüßte, bzw. die Feldpostnummer. Ich habe sie ihr dann gesagt. Ich sagte ihr auch, daß Kurt fortgekommen ist. Das wußte sie schon. Kurt hat ihr geschrieben, sie solle nichts schicken. Ich werde da gar nicht schlau draus. Wenn Kurt ihr geschrieben hat, muß doch eine Feldpostnummer auf dem Brief stehen. Weiß Paula nicht, wo sie den Brief hingelegt hat oder hat sie ihn gleich verbrannt. Mir kann es ja gleich sein.
Jörg war diese Woche ganz fleißig. Er hat mir jeden Tag die Treppe gekehrt und ich muß sagen, sehr sauber. Beim Waschhaus-Saubermachen hat er mir heute auch mitgeholfen. Ich habe ja öfter abends wegen dem Ausziehen schimpfen müssen, nie wurde er fertig. Heute haben sie sich nun in der Küche ganz leise ausgezogen, gewaschen, Zähne geputzt und sind dann hereingekommen. Ich habe mich natürlich fest gefreut. Da es noch ziemlich zeitig war, haben sie sich im Bett noch ein bißchen unterhalten können. Da waren sie ganz glücklich. So ist der heutige  Abend fröhlich verlaufen.
Vor einiger Zeit sagte Vater einmal, daß er keine Zwiebeln mehr habe. Ich sage ihm er könne von mir welche haben. Er wollte absolut nicht. Er bekäme schon welche. Gestern fing er wieder davon an, daß er gar keine Zwiebeln bekommen könne. Ich fragte ihn, ob er immer noch keine von uns haben wolle. Wir hätten doch genug. Da sagte er gleich, daß er sie gern nehme, wenn ich sie entbehren könnte. Er hätte jetzt schon verschiedenes nicht kochen können, weil ihm die Zwiebeln fehlen. Es hat mich einesteils gefreut, daß er sich doch wieder an mich gewendet hat. Überwindung kostet es ihn ja immer, wenn er um etwas fragen muß.
Heute ist ein richtiger strahlender Frühlingstag. Die Kinder sind wieder in Kniestrümpfen losgezogen und ich habe heute zum ersten Mal die neue Strickjacke von Dir angehabt. Wenn es wärmer wird, werde ich sie öfter anziehen können. Als wir in der Stadt waren, haben wir die Berge herrlich gesehen. Ich hätte mir gewünscht, daß Du es sehen könntest. Es war einfach wunderbar. Ganz nahe schienen sie zu sein und so klar. Alles ist noch mit Schnee bedeckt. Ich könnte da stundenlang stehen. Der See und die Berge sind doch etwas Heiteres.
Ich schicke Dir hier nun einen Zeitungsausschnitt mit. Von diesen sind in dem Möbelgeschäft an der Passage 30 Schiffsmodelle ausgestellt. Wir haben sie uns heute angesehen. Die sind aber wirklich wundervoll gearbeitet. Man kann sich gar nicht satt sehen. Jede Einzelheit ist da ausgeführt. Vom kleinsten Kanonenrohr, Ruder, Lampen usw. ist alle fein ausgearbeitet. Das hätte Dich sich auch interessiert.
Nun will ich aber wirklich noch an Nanni schreiben. Sonst wird es zu spät. Das Laufen hat mich heute müde gemacht.
Ich wünsche Dir einen recht guten Sonntag und daß Du wieder ganz gesund bist. Sei Du, mein lieber, lieber Schatz, recht oft, fest und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Brief 136 vom 5./6.3.1941


Mein lieber, lieber Ernst!                                                         Konstanz, 5.3.41 abends                                              

Als wir heute aus der Stadt kamen, war Dein lieber Brief vom 4.3. da. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Hab recht vielen Dank dafür.
Nun sind die Päckchen angekommen, wenn auch etwas verspätet. Denn der Kuchen sollte doch zum Sonntag sein. Diesmal richte ich mich danach und schicke deshalb schon morgen den Sonntagskuchen ab. Ich bin ja so froh, daß Du jetzt einmal in der Nähe bist, daß ich Dir wenigstens zum Sonntag einen Kuchen schicken kann. Ich habe Dich ja so lieb und möchte Dir deshalb doch auch etwas zuliebe tun. Wenn Du ein paar Marken übrig behältst, so schadet das ja nichts. Denn wenn Du die regulären Marken bekommst, wirst Du nicht viel übrig haben. Da hast Du dann immer noch ein bißchen Reserve. Wenn ich Dir etwas schicke, brauchst Du Dir wegen uns keine Gedanken zu machen. Wir haben bestimmt genug für uns. Wenn man drei Marken hat, ist es doch anders als mit einer, da kann man eher einmal ausgleichen und außerdem können wir uns immer mal mit Kartoffeln aushelfen. So mache ich mal Kartoffelpuffer und Kartoffelbrei oder Grieß usw. Wir kommen bestimmt mit unseren Sachen aus. Bei den Fleischmarken war es ja schon immer so, daß ich welche übrig hatte, das kommt eben Dir jetzt zugute. Das Fett und das Öl von Dir hilft mir ja auch viel. Da bin ich auch nicht so knapp dran. Ich freue mich jedenfalls, daß ich Dir auch einmal etwas schicken kann, Du lieber Kerl.
Es freut mich, daß es Dir gesundheitlich wieder besser geht, aber schone Dich nur noch, denn ich weiß es ja von mir, mit der Niere ist immer gleich wieder etwas los.
Bei uns ist jetzt auch nicht gerade schönes Wetter. Als wir heute in der Stadt waren, sind wir in einen richtigen Schneesturm gekommen. Es hat zwar gleich wieder getaut, aber naß war ich doch. Ich hatte mit Jörg alte Zeitungen fortgeschafft. Jörg habe ich bei dem Wetter in den Wagen gesteckt und mit einem Sack zugedeckt. Da hat er es trocken gehabt, Helga war zuhause geblieben, da Ingrid sie besucht hat. Bei dem Wetter waren sie einstweilen im Vorraum. Ich frage Ingrid, ob sie nicht in die Spielschar ginge. Da sagte sie, sie dürfe nicht mehr. Die Frau S. habe gesagt, „es sollte keiner mehr in die Kirche gehen, denn da müßte sie sich vor dem Führer schämen. Was wohl der Führer dazu sagen würde.“ Ich glaube, der Führer würde ihr ein Paar auf Maul geben. Die Margret darf auch nicht mehr in die Spielschar. Ich gebe ja nichts auf´s Kirchegehen, aber ich  finde, die Frau hat kein Recht so etwas zu sagen.
Heute habe ich auch noch ziemlich schwierige Fragen beantworten müssen. Helga fragte mich, ob es einen Nikolaus, einen Weihnachtsmann, ein Christkind und einen Osterhasen gibt.  Kinder in der Klasse hatten sich darüber unterhalten und sie ausgelacht, weil sie an den Nikolaus glaubte. Belügen will ich die Kinder ja nicht und so habe ich es ihnen eben erklärt. Helga war ziemlich enttäuscht, Jörg weniger. Er sagte, das ist nicht so schlimm, das habe ich bis morgen früh wieder vergessen, Helga fragte, wer macht denn dann den Nikolaus. Ich sagte, irgendwelche Leute. Da fing sie an zu weinen. Ich fragte, warum sie weine. Ich schäme mich, daß ich vor Leuten gebetet habe und gesungen. Ich fragte, würdest Du Dich auch vor Vaterle schämen. Nein, sagte  sie. Da sagte ich, siehst Du, unser Nikolaus war Vaterle. Da hat sie gleich wieder gestrahlt und hat gesagt, daß sie sich darüber sehr freut. Ich kann Dir sagen, ganz wohl war mir bei den ganzen Erklärungen nicht. Ich wäre froh gewesen, wenn Du mir einen Teil hättest abnehmen können. Es ist schade, daß der Kinderglaube so schnell zu Ende geht, aber es hat ja keinen Zweck, ihnen etwas vorzumachen. Ich möchte es auch nicht, sonst können sie mir ja nicht mehr glauben, wenn ich sie belügen würde.
Ab morgen muß Helga wieder um 8 und nicht mehr 3/4 9 Uhr in die Schule. Da müssen wir wieder etwas zeitiger aufstehen. Aber das ist ja nicht mehr so schlimm, es wird ja ziemlich bald hell. Man muß sich langsam für das Frühjahr einrichten.
Ich habe heute Fräulein Bucher angerufen und ihr gesagt, daß Du die Bestätigung von dem Kursleiter noch nicht erhalten hast, die Du nachsenden mußt. Sie sagte, daß sie diese Bestätigung dringend brauchen. Darauf habe ich gesagt, daß Du ja auch nichts dafür kannst und selbst froh wärst, wenn Du sie hättest. Du hast ja schließlich selbst ein Interesse daran, daß Dir die 4,- ausgezahlt werden.

Mein lieber Ernst!                                                                                     6.3.

Heute Morgen habe ich nun Deinen Sonntagskuchen gebacken. Hoffentlich schmeckt er Dir wieder.
Sei doch so gut und schicke mir bei Gelegenheit, vielleicht wenn Du Wäsche schickst, den Karton wieder mit, in dem ich Dir vergangene Woche den runden Kuchen geschickt habe. Der paßt so gut  und ich könnte ihn noch einmal verwenden, ebenso vielleicht die Marmeladeeimerchen. Also bei Gelegenheit, es eilt nicht so.
Heute morgen war es sehr kalt. Alles war gefroren. Nun will scheinbar doch noch die Sonne herauskommen. Es war erst sehr neblig. Jörg ist ja sehr froh, wenn er runter kann.
Diesmal bekomme ich keine Schwierigkeiten mit den Brombeerstacheln. Meine Hände verheilen schon wieder gut. Ich bin ja froh darüber. Nur aussehen tun sie noch nicht schön mit den vielen roten Stichen, aber das gibt sich bald.
Wie ist es jetzt eigentlich bei Deinem Kurs? Hast Du Dich schon ein bißchen eingewöhnt, fällt es Dir sehr schwer? Beim vorigen Mal war es ja auch so, daß die ersten Wochen die schwersten waren.
Was sind das für Leute, bei denen Du wohnst? Sind es jüngere oder ältere Leute? Nicht wahr, ich habe heute ziemlich viele Fragen an Dich. Aber Du brauchst sie ja nicht alle auf einmal beantworten. Nimm dir dazu nur Zeit. So ungeduldig bin ich nicht.
Gestern habe ich wieder vergessen, den Durchschlag des Briefes an Kurt mitzuschicken. Ich hole das nun heute nach.
Ich habe Deine Wildlederhandschuhe genäht und gewaschen. Jetzt habe ich aber gesehen, daß das Leder auch am Daumen reißt. Ich werde es fein stopfen, aber ich glaube, so lange halten die Handschuhe nicht mehr. Du hast ja aber noch ein Paar.
Sei Du, mein lieber Schatz, nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Donnerstag, 3. März 2016

Brief 135 vom 3./4.3.1941


Mein lieber Ernst!                                                           Konstanz, 3. März 41 abends    

Nun ist schon wieder der Sonntag und Montag vorbei. Wie hast Du den Sonntag verbracht? Es war ja so ein sonniger Tag. Die Kinder haben unten gespielt und haben sogar zum ersten Mal wieder Kniestrümpfe angehabt, was ihnen viel Freude gemacht hat. Ich habe die meiste Zeit auf dem Sofa gelegen, denn es war mir gar nicht gut. Ich dachte erst, ich bekäme die Grippe. Gott sei Dank ist es mir heute wieder ganz recht, so daß  ich auch waschen konnte. Aufhängen konnte ich leider nicht, da es erst geregnet hat und hinterher, als es sich ein wenig aufklarte, war es schon zu spät dazu. Aber ich habe ja noch mehrere Tage vor mir.
Kurt hat doch am 8. Geburtstag. Da habe ich ihm noch ein kleines Päckchen mit Gebäck geschickt. Ich habe es heute auf die Post gebracht. Ob es noch zur rechten Zeit ankommt, weiß ich ja nicht. Vielleicht freut es ihn doch ein bißchen. Ich schicke Dir morgen auch die Abschrift des Briefes an Kurt mit, den ich vor einigen Tagen geschrieben habe. Ins Päckchen habe ich nur eine kurze Karte gelegt. Vater hat gestern Abend noch einen Brief an Kurt geschrieben. Er will diese Woche noch eine kleine Stolle backen und sie ihm schicken. Nachricht haben wir von Kurt noch kleine. Wo er ist, das ist ja aber praktisch eigentlich noch gar nicht möglich, denn er ist doch erst am vergangenen Mittwoch fort gekommen.
Heute sind wieder 4 Päckchen von Dir angekommen. Eins mit Büchern, eins mit den Zigarren für Vater, eins mit Zucker, eins mit Kaffee. Jetzt fehlt nur noch ein Päckchen, in dem Dein Schlafanzug sein muß. Hoffentlich kommt er auch noch an.
Ich bin gespannt, ob Du rechtzeitig zum Sonntag den Kuchen bekommen hast. Ich weiß eben doch noch nicht, wie lang Päckchen brauchen. Auf der Post haben sie mir gesagt, sie kämen noch hin. Ich werde ja sicher bald wieder Nachricht von Dir bekommen, da werde ich es ja wissen. 

Mein lieber Ernst!                                                                                       4.März

Heute, am Nachmittag, bekam ich Deinen lieben Brief vom 2.3. Leider habe ich daraus ersehen müssen, daß Du mein Päckchen doch nicht bis zum Sonntag erhalten hast. Das tut mir ja sehr leid, aber es läßt sich ja nicht mehr ändern. Ich muß es mir für ein andermal merken. Da schicke ich es ein bißchen eher weg.
Mein lieber, armer Kerl, nun hast Du schon wieder mit dem Rücken zu tun gehabt. Mit den Nieren ist einfach nicht zu spaßen. Wenn Du jetzt krank würdest, wäre es ja für Dich sehr unangenehm, denn es fragt sich, ob Du dann noch im Kurs nachkämst. Aber wenn Du krank werden solltest, so komm nur nach hause, da bist Du doch am besten aufgehoben. Ich wünsche Dir, daß es Dir recht bald wieder ganz gut gehen möge.
Den Brief von Blankenloch habe ich Dir ja mitgeschickt. Es tut mir leid, daß Du den Weg umsonst machen mußtest, aber vielleicht war es ganz gut, wenn Du einmal mit den Leuten gesprochen hast. Ja, Kurt ist schon ein Pechvogel.
An Nannie werde ich also einmal schreiben. Vielleicht in den nächsten Tagen. Mal sehen, wie es ausfällt. Ich habe da noch meine Bedenken.
Die deutsche Gemeindeordnung brauche ich also nicht mehr besorgen. Das ist auch recht. Bei Herrn Lang hätte ich sowieso nicht darum gebettelt, denn das ist ein unangenehmer Mensch, der denkt, er allein hat die Weisheit mit Löffeln gefressen.
Wegen dem Geld habe ich Deine Gedanken  schon vorher erraten, da ich Dir ja schon am Samstag 60,- geschickt habe. Das geht auch in Ordnung.
Ich habe heute Morgen Wäsche aufgehängt, aber es will einfach nicht klappen diesmal. Es fängt bald an zu regnen, und ich muß sie auf den Speicher schaffen.
Vorhin habe ich die Brombeeren fertig ausgeputzt und angebunden. Meine Hände sehen natürlich aus, als wenn ich unter die Räuber gefallen wäre, aber es ist nun wenigstens geschafft. Es sieht, meiner Ansicht nach, jetzt ganz ordentlich aus. Ich weiß ja nicht, ob Du anderer Meinung sein wirst, wenn Du einmal heimkommst. Du wirst mich schon runterputzen, wenn es nicht recht ist, nicht wahr?
Heute morgen kam einer von den beiden Kuchen an, die ich Dir nach Frankreich geschickt hatte. Ich lasse ihn Dir mit zugehen. Du mußt  eben sehen, ob er noch schmeckt.
Wie ich gerade sehe, habe ich den Briefbogen verkehrt beschrieben. Das macht wohl nichts. Du mußt es schon entschuldigen.
Ich freue mich sehr, daß ich heute noch einen Brief von Dir bekommen habe. Ich habe nämlich schon sehr darauf gewartet. Man freut sich eben doch immer auf Post.
Nun will ich für heute schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


Dienstag, 1. März 2016

Brief 134 vom 27./28.2.1941


Mein allerliebster Ernst!                                                                   Konstanz, 27.2.41    

 Heute erhielt ich Deine liebe Karte, auf die ich Dir ja schon kurz geantwortet habe. Ich war gerade beim Ausputzen der Brombeeren, als sie kam. Ich bin dann gleich in die Stadt gefahren. Im Fürsorge- und Jugendamt gab es keine Reichgemeindeordnung. Dann war ich in Buchhandlungen. Die wollten den Verlag wissen, wenn sie sie bestellen sollten. Da bin ich dann auf´s Rathaus gegangen. Ich bin erst zu Frl. Bucher gegangen, die hat dann Herrn Lang geholt (er ist mir ziemlich unsympathisch) und einen anderen Herrn, der schwer hört (der ist mir ziemlich doof vorgekommen). Der hat es mir dann aufgeschrieben und sagte noch, daß es da verschiedene Ausführungen gibt. Herr Lang sagte dann, daß Deine Bestätigung, daß  Du den Lehrgang angetreten hast, und  wann, noch nicht eingetroffen sei. Ich weiß nicht genau, ob die Bestätigung von dem Leiter des Kurses bestätigt sein muß. Daraufhin werden erst die 4,- pro Tag angewiesen. Ich bekomme das Geld am 15. mit ausgezahlt. So hätten sie´s bisher immer gemacht. Wie mir Frl. Bucher sagte, bekomme ich seit Januar 3 x 10 Mk. Kinderbeihilfe nachgezahlt. Ebenso  evtl. die 9 % (soviel waren es doch?). Wenn ich das alles bekäme, wären es über 90,-, die ich nachgezahlt bekäme.
Du kannst doch nun aber die 14 Tage nicht von Luft leben. Ich dachte mir, daß ich von Vater etwas borgen werde, ich kann es am 15. ja gleich zurückzahlen. Schreibe mir bitte, wie viel Du brauchst.
Bezüglich der Bestellung ist es so, daß es ca. 8 Tage dauern würde, bis ich die Reichsgemeindeordnung bekommen würde.
Lieber Ernst, ich kann Dir gut nachfühlen, wie einsam Du jetzt bist. Es ist eben doch ein großer Unterschied. Erst zwei ziemlich gute Kameraden und eine Umgebung, in die Du Dich eingewöhnt hattest und nun ohne einen Bekannten in einer fremden Stadt  und bei fremden Leuten. Hoffentlich wird es Dir nicht gar so schwer. Vielleicht kannst du uns doch öfter einmal besuchen, wenn es Dir gar so einsam ist. Vielleicht bekommst Du als Soldat auf der Bahn Ermäßigung. Du weißt ja, wie wir uns freuen würden, wenn Du öfter her kämst.
Meinen Brief hast du ja inzwischen wohl erhalten. Ich habe heute keine Stenographie geschrieben, weil ich nicht weiß, ob Du ihn hast lesen können.
Die restlich 4 Päckchen von Dir, in denen auch Dein Schlafanzug ist, sind noch nicht eingetroffen. Evtl. werde ich die anderen Sachen schon abschicken und den Schlafanzug nachsenden. Ich schicke dann auch die Unterlagen für Deinen Lehrgang mit, die ich noch hier gefunden habe. Ob alles richtig ist, weiß ich ja nicht.
Nun gehe ich schlafen. Gute Nacht, mein lieber Schatz.

Mein lieber Ernst!                                                                                             28.2.

Ich habe gestern noch etwas vergessen. Herr Schilling sagte mir, ob ich nicht einmal zur Frau Eberhardt gehen wollte wegen der Reichsgemeindeordnung. Frl. Weber hat gesagt, soviel sie weiß, hat Herr Eberhardt eine. Ich habe es noch nicht getan, da ich nicht weiß, ob dies überhaupt recht ist, ob sie Frau Eberhardt überhaupt da hat und ob sie sie mir geben würde.
Ich nehme den Brief gleich heute früh mit, da bekommst Du ihn auch eher. Ich muß nämlich sowieso in die Stadt, um für Vater die Lichtrechnung zu bezahlen.
Für meinen neuen Rock habe ich nun doch noch einen Reißverschluß in passender Farbe bekommen. Ich habe ihn schon eingearbeitet. Es sieht sehr gut aus. Du hast also wieder eine gute Idee gehabt.
Gestern war ich auf dem Speicher und habe die Kiste von Kurt aufgeschraubt. Ich habe seine Bücher reingelegt. Ein paar andere habe ich mir mit runter genommen zum lesen. Kurt hat es mir ja erlaubt. Ich habe nun gesehen, daß sein Briefmarkenalbum mit in der Kiste liegt. Ich werde also seine Briefmarken, die er mir geschickt hat, dazu legen. .
Nun will ich mich zum fortgehen fertig machen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Jörg!   Helga konnte keinen Gruß mitschreiben, da sie in der Schule ist. Von Vater, Herrn Schilling und Herrn Rick soll ich Dich grüßen.


Mein lieber Ernst!                                                                               Konstanz, 28.2.41

Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom 27.2. Es wundert mich, daß Du da noch keinen Brief von mit hattest. Vielleicht hast Du ihn vorgefunden, als Du vom Unterricht kamst. Inzwischen wirst Du ja aber Bescheid von mir haben.
Ich freue mich, daß ich nun weiß, wo Du ißt und wann Du aufstehst usw. Da kann ich doch mit meinen Gedanken immer bei Dir sein.
Ich denke mir, daß Du wohl mit den Fleischmarken ziemlich knapp sein wirst, denn Du bekommst doch auch nur ein Pfund wöchentlich. Da bleibt sicher für das Abendbrot nicht mehr viel. Du weißt ja, daß ich meist Marken übrig habe. Ich habe Dir deshalb heute ein wenig Wurst mitgeschickt. Du wirst sie doch brauchen können. Ebenso schicke ich ein bißchen Butter mit. Zum Sonntag ist der Kuchen bestimmt. Ich weiß ja nicht, wie er ankommt. Wenn er die Reise nicht gut übersteht, mußt Du eben mit Brocken vorlieb nehmen. Ein kleines Eimerchen Marmelade schicke ich Dir auch. Es ist in einem Extrapäckchen, da es sonst den Kuchen zerdrückt hätte. Solltest Du einmal zum Abend Appetit auf etwas haben, so schreibe mir. Auch wenn Du sonst einen Wunsch hast, mußt Du mir nur schreiben.
Kurt ist ja nun schon in Frankreich. Heute erhielt ich beiliegenden Brief. Was sagst Du dazu? Das ist sicher die Frau, die das geschrieben hat. Schicke den Brief bitte wieder mit zurück. Ich möchte ihn Vater noch zeigen.
Nun will ich schließen. Ich habe ja heute Vormittag schon einen Brief an Dich ab gesandt. Ebenso habe ich heute früh ein Paket mit Wäsche und den Unterrichtssachen weggeschickt. Hoffentlich kommt alles gut an.
Sei nun herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg!