Mein liebster Ernst! Konstanz, 27.3.41
Heute schicke ich Dir einen Honigkuchen.
Uns hat er am vorigen Sonntag ganz gut geschmeckt. Ich hoffe, daß es Dir genau
so geht.
Das Päckchen für Kurt schaffe ich heute
auch noch weg. Ich lege nur ein paar kurze Zeilen bei, denn ich habe ja erst
vorgestern einen Brief geschrieben. Vater will noch wegen der Sporthose
nachsehen, die ich Kurt schicken muß, weil er auch in der Sonne braun brennen
lassen will. Gestern hat Vater da eine Trainingshose rauf gebracht. Mit der
kann Kurt natürlich nichts anfangen.
Ich habe Vater gestern ein paar Stücke von
dem Gebäck zum Kosten gegeben, das ich
für Kurt gebacken habe. Er hat es mit gutem Appetit gegessen. Ich erinnere mich
in diesen Fällen nur immer wieder daran, wie er früher war. Da hat er doch
nichts von mir angerührt. Ich bin ja sehr froh, daß es jetzt anders ist.
Gestern habe ich die Wiener Marken 2 x
besorgt. Nur die 25-Pfennig-Marke gibt es in Konstanz nicht mehr. Muß ich die
anderen Marken ungestempelt in Dein Album tun. 1 x sind sie doch für Kurt
bestimmt, nicht wahr? Da hättest Du die Marken sonst nur entweder gestempelt
oder ungestempelt. Ist das recht? Die Leipziger Marken habe ich für Kurt auch 1
x besorgt. Da habe ich den ganzen Satz bekommen.
Gestern habe ich gleich die Kohlen
bezahlt. Auf dem Heimweg habe ich für die Kinder auf die alte Kleiderkarte, die
am 31. März abläuft, noch je 3 Paar lange Strümpfe gekauft. Es waren gerade
noch gute, nicht zu teure Strümpfe da. Ich habe sie eine Nummer größer genommen,
damit sie sie noch nächsten Winter anziehen können. Kniestrümpfe haben die Kinder ja von Dir.
Schönes Wetter will bei uns gar nicht mehr
werden. Es ist immer trübe und kühl. Eigentlich wollten wir gestern noch Mal
nach Tee sehen, aber das hat bei der Witterung gar keinen Zweck. Da wächst doch
nichts.
Die Honigkucheneier, von denen ich Dir
auch eine Kostprobe mitschicke, habe ich heute gebacken. Ich habe Kurt auch ein
paar beigelegt. Die anderen hebe ich bis Oster auf.
Vorhin habe ich eben Deinen lieben Brief
vom 26. erhalten. Er hat mich wieder fest gefreut. Nun hast Du doch endlich von
Tommi Post erhalten. Mich freut es eigentlich nur, daß Du Dich doch nicht in
ihm getäuscht hast, denn ihr hattet Euch doch gut verstanden. In Frankreich ist
er doch noch.
Kurt hat Dir nun auch wegen des Schlachtfestes
geschrieben. Vielleicht ist es doch richtig, wenn Du einmal vorbeigehst, sonst
sind die Leute vielleicht beleidigt. Du kannst Dich ja auf den Brief von Kurt
beziehen. Ich ging ja auch nicht gern hin, aber Du kannst das noch eher wie
ich. Du bist jetzt schon gewohnt, mit verschiedenen Leuten umzugehen und
familiär wie Kurt wirst Du ja hoffentlich dort nicht. So viel ich aber merke,
würde Kurt die Beziehung zu der Familie nicht gern ganz abbrechen. Wenn sie
Kurt immer Besonderes kochen konnten, fällt es ihnen auch nicht schwer, wenn
sie Dir ja etwas geben würden.
Du lieber, armer Kerl, nun hast du auch
noch eine geschwollene Backe. Hast Du große Schmerzen? Ich wünsche nur, daß es
recht bald besser wird, damit nicht geschnitten werden muß. Es kommt aber doch
immer was, damit es einem nicht zu wohl wird. Werde nur recht bald wieder ganz
gesund.
Ich bin ja gespannt, wie es nun mit eurem
Kurs wird, ob es bis zuletzt zusammenhält. Es wäre ja schade, wenn jetzt wieder
alles auffliegen würde. Nun hast Du doch schon zum zweiten Mal die Mühe und
Arbeit gehabt. Ich hoffe ja sehr, daß Du noch den Osterurlaub bei uns verbringen
kannst. Aber gefaßt müssen wir doch auf alles sein. Wie Du schon schriebst, wir
lassen die Dinge auf uns zukommen. Hoffen kann man ja immerhin, das kann keiner
verwehren.
Heute Abend bist Du also im Theater. Das
ist ja für Dich auch eine angenehme Abwechslung. denn seit Du wieder in
Deutschland bist, warst du ja nicht mehr im Theater. In Frankreich war das
öfter der Fall.
Du hast recht, wenn Du schreibst, daß es
mir am Sonntag auch gefallen hat. Es war einmal eine Abwechslung. Vor allen
Dingen hat mir der Film und das Jagdspringen gefallen. Das Springen kann ich
mir lange ansehen, das gefällt mir immer wieder. Es hätte ruhig noch länger dauern
dürfen. Aber auch die anderen Sachen
waren interessant. Ich danke Dir, daß Du damit einverstanden warst, daß
wir in die Kasernen gingen. Den Umschlag mit den gestempelten Briefmarken lege
ich in Dein Album. Ich habe bei den
gekauften Marken auch Randstücke verlangt.
Mein lieber Schatz, ich danke Dir vielmals
für Deinen schönen langen Brief, den Du mir wieder geschrieben hast. Er hat mir
viel Freude gemacht. Du weißt ja, Deine Briefe können gar nicht lang genug
sein.
Ich möchte aber heute schon schließen. Ich
habe ziemliches Kopfweh bekommen, da kann ich meine Gedanken gar nicht richtig
zusammennehmen. Sei für heute recht oft und innig gegrüßt und geküßt von Deiner
Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz,
28.März 41
Nun geht diese Woche wieder ihrem Ende
entgegen. Die letzten Tage haben im Hinblick auf Jugoslawien ja allerhand
Ereignisse gebracht. Ich bin gespannt, was daraus wird. Vielleicht wissen wir
morgen schon mehr. Wenn sie in den Krieg einbezogen werden, haben sie es auch
sich und den Engländern zu verdanken. Der minderjährige König weiß auch nicht,
was er tut, er ist aber meines Erachtens eine vorgeschobene Figur.
Was mich eigentlich vor allen Dingen
interessiert ist der Umstand, ob dadurch wieder welche von Eurem Kurs abberufen
worden sind und ob der Kurs weitergeht.
Gestern Abend wollte ich zeitig schlafen
gehen, weil ich so Kopfweh hatte. Da ist aber Vater noch gekommen. Es ist dann
auch wieder um 10 Uhr geworden.
Heute wolle ich den ganzen Tag im Garten
schaffen, es ist dann aber nichts geworden, da es gegen Mittag mit regnen
anfing. Immerhin konnte ich Zwiebeln stecken und Spinat, Möhren, Radieschen und
Salat säen. Ich habe überall Netze darüber getan. Ich habe es in anderen Gärten
gesehen, da haben sich die Vögel über die Beete gestürzt. Das möchte ich gerne
vermeiden. Wie gesagt, mit der weiteren Arbeit ist es nichts geworden, wegen
dem Regen. Morgen komme ich ja auch nicht dazu, denn da muß ich
Lebensmittelkarten holen und habe auch sonst noch allerhand Arbeit. Aber
nächste Woche werde ich wieder daran schaffen können.
Jetzt hätte ich noch eine Bitte an Dich.
Du mußt es nicht übel nehmen, aber ich möchte Dich bitte um 15 g Fettmarken
bitten. Ich habe nämlich 110 g von Dir hier, wenn ich noch 15 g hätte, bekäme
ich 1/4 Pfund Butter, so schneiden sie nichts gern kaputt. Aber bitte nur, wenn
Du sie entbehren kannst.
Unsere Kinder haben schon große
Ostersorgen. Sie haben mir schon die letzten Tage gesagt, wenn sie auch wissen,
daß es keinen Osterhasen gibt, und daß wir dieses Jahr die Eier selber backen,
so sollen wir sie doch verstecken. Das wäre viel schöner. Vor allen Dingen
freuen sie sich darauf, daß Du kommst. Hoffentlich wird es auch wahr. Wir
werden es ja sehen. Helga und Jörg machen schon lauter Pläne, was sie Dir alles
zeigen und erzählen wollen. Ich habe ihnen schon gesagt, sie sollen sich nicht
so sehr freuen, denn jetzt weiß man wieder gar nicht, was alles noch eintreten
kann.
Ich höre gerade Nachrichten, wobei auch
gesagt wird, daß sie in Belgrad Kinos demoliert haben, als die deutsche
Wochenschau gezeigt wurde. Die Jugoslawen sind ja noch nie unsere Freunde
gewesen, ich glaube vor allen die Serben. Natürlich hetzen besonders noch die
Engländer. Na, wir werden ja sehen, was noch wird. Aber man macht sich doch
immer wieder Gedanken deshalb.
Ich will aber nun lieber schlafen gehen.
Gute Nacht, mein lieber, lieber Ernst, mein lieber Mann.
Guten Morgen mein lieber Ernst! 29. März
Ich muß nun gleich fortfahren und will den
Brief mitnehme, damit Du ihn noch zum Sonntag bekommst. Es ist heute auch
wieder regnerisches Wetter. Vielleicht wird es morgen ein bißchen besser, wenn
Du zu den Leuten gehen willst. Ich wünsche Dir jedenfalls einen frohen Sonntag.
Hoffentlich hast du kein Zahnweh, denn das verdirbt alles. Helga ist schon in
der Schule, insofern sie keinen Gruß
unter den Brief schreiben kann.
Sei Du nun vielmals herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Annie, Helga und Jörg.