Sonntag, 31. Mai 2015

Brief 9 vom 31.05.1940


31.5. Lieber Ernst!

Heute ist wieder ein bißchen Sonnenschein, wenn´s auch noch nicht ganz sicheres Wetter ist.
Ich war vorhin gleich mal im Garten und hab wieder ½ Eimer Unkraut rausgeholt. In den 2 letzten Tagen sind die Kartoffeln sehr gewachsen, ebenso die Bohnen. Ich habe noch mal 10 Salat gesetzt. Ein Salatsetzling an dem schrägen Stück war abgefressen und da habe ich da den ersten Engerling gefunden.
Die ersten Kohlrabi haben sich auch fest rausgemacht. Sie haben schon Knollen in der Größe (Zeichnung) das ist noch ein bißchen zu klein geraten. 
Ich warte gerade noch auf Post, ob was von Dir dabei ist, dann fahre ich in die Stadt und nehme den Brief gleich mit.  Hurra! Es ist Post von Dir gekommen. Gleich 2 Briefe. Ich beantworte sie im nächsten Brief.
So leid tut es mir, daß Du noch nichts erhalten hast, ich war aber auch ein richtiger Esel, daß ich erst ein Päckchen und dann einen Brief geschickt habe, ein Päckchen geht ja länger. Verzeihe mir das bitte.
Einen Brief von Siegfried lege ich bei.  Sei herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie, die Dich so sehr gern hat. Herzliche Grüße sendet Dein Vater. Vor allen Dingen Du bleibst gesund.


 Mein lieber Ernst!          31. Mai 1940

Recht vielen Dank für Deine beiden Briefe vom 25. und 26.5. Du hast mir wirklich viel geschrieben und bist ein ganz lieber Kerl. 
Wie hast du denn das Impfen noch überstanden? Das ist aber viel, in einer Woche 3 X impfen.  Hoffentlich bist Du wieder ganz wohl.  Das Essen scheint ja ganz gut zu sein. Es ist uns in der Heimat immer wieder eine Beruhigung, wenn Ihr gut versorgt seid. 
Helga ist gerade in die Spielschar gegangen. Sie hat den Regenmantel mitnehmen müssen, denn es sieht schon wieder nach Regen aus. Der Sonnenschein hat also nicht lange angehalten.
Es tut mir so leid, daß Du so lange keine Nachricht von uns hast. Inzwischen wird sich das ja geändert haben. Ich habe dir ja fleißig geschrieben.  Das ist schön, daß Du wenigstens einen Sonntag hast ausspannen können, denn der ganze Betrieb dort, ist Dir doch auch neu und Du hast Dich auch umstellen müssen. 
Du schreibst von den Frauen und Mädchen in Tracht, sind das eigentlich Deutsche oder Tschechen? Man kann sich hier gar keinen rechten Begriff davon machen, welcher Volksstamm dort vorherrscht. Der Ort ist doch nicht weit von der Ostmark entfernt. 
Unsere 2 Strolche habe ich wieder von Dir abgeküßt. Das macht ihnen großes Vergnügen und sie lassen sich‘s gern gefallen.  Unser Bub ist jetzt die ganze Zeit draußen. Bei Webers war eine Baustelle, da liegt jetzt noch feiner grauer Sand. Davon ist Jörg natürlich nicht fort zu kriegen. Wenn er heim kommt, bringt er immer noch ein bißchen Sand mit und wäscht sich damit die Hände. Er ist der Meinung, daß sie damit ganz besonders sauber werden. Wenn noch länger Krieg ist, hat er mir schon angeboten, bringt er immer so Sand mit, dann brauchte ich überhaupt keine Seife mehr. 
Inzwischen ist es wieder Abend geworden. Es hat vorhin einen tüchtigen Guß gegeben und hat sogar einmal gedonnert, jetzt hat‘s sich wieder aufgeheitert. 
Heute Nachmittag, als ich gerade hinterm Haus war, kam Resi. Sie ist nur schnell mal vorbei gekommen, hat sich nach Dir erkundigt und läßt Dich schön grüßen.
Morgen habe ich große Wäsche, da werde ich wahrscheinlich nicht viel zum schreiben kommen. Gegen Abend gehe, bezw. fahre ich nochmals in die Stadt und nehme den Brief mit.
Morgen backe ich wieder einen Kartoffelkuchen , den essen wir alle gern, weil er so locker ist. 
Frau Ehret hatte jetzt über 14 Tage keine Nachricht von ihrem Mann und machte sich schon schwere Sorge. Heute ist eine Karte vom 22. angekommen. Da war die Freude groß, auch wir haben uns alle mitgefreut, denn alle Frauen denken ja jetzt an ihre Männer und man fühlt mit den anderen mit. 
Ich habe wieder ein paar Bilder zum entwickeln fortgeschafft, sollten sie was geworden sein, so schicke ich sie Dir morgen mit.  Heute will Dein Vater noch die Wäsche zum waschen bringen, mal sehen, wann er kommt, es ist schon wieder gleich ¼ 9 Uhr.  Im letzten Brief habe ich vergessen, den Zeitungsausschnitt beizulegen, er liegt nun hier bei. Ich habe noch ein paar dazu gelegt, wenn´s Dich nicht interessiert, schreibe es mir.
Bindfaden lege ich Dir jetzt öfter mal bei. Wenn Du wieder Wollappen brauchst, so schreibe mir bitte.  Inzwischen habe ich für Helga noch einen Lappen für ihre Tafel genäht. Jetzt ist es ¾ 9 Uhr und Vater ist noch nicht da. Ich würde so gern schlafen gehen, denn ich will morgen gleich um 5 Uhr mit waschen anfangen, damit ich beizeiten fertig werde. 

10 Minuten vor 9 Uhr ist er nun gekommen. Er liest jetzt die Zeitung. 

5 Minuten vor 10 Uhr ist er jetzt gegangen. Es kommt jetzt gerade wieder ein Gewitter und es regnet ziemlich. Er wollte aber keinen Schirm mitnehmen. Gute Nacht, mein lieber, lieber Ernst.

Freitag, 29. Mai 2015

Brief 8 vom 30.05.1940


Mein lieber Mann!                                                         30.5.                                                                                                                                             
 Heute hat es wieder in einer Tour geregnet, ohne Unterbrechung. Das ist nun der 2.Tag und es wird langsam langweilig. Schönes Wetter kann man viel länger aushalten.
Viel ist von dem heutigen Tag nicht zu berichten.
Ich habe meine aufgesparten Arbeiten erledigt und die Kindern haben gespielt.
Bei Helga muß ich jetzt aufpassen, sie will in ihren Schulaufgaben wieder nachlässig werden. Heute habe ich sie die Aufgabe nochmals schreiben lassen. Da hat sie sich aber dann Mühe gegeben und sehr gut geschrieben. Ich halte sie schon in Zucht. 
Heute Abend habe ich Besuch von Vater und Kurt. Sie sitzen beide da und lesen. Also ist es sehr unterhaltend. So habe ich aber wenigstens Gelegenheit, in Ruhe an Dich zu schreiben. 
Als ich heute im Garten Spinat geholt habe, habe ich gerade gesehen, daß jetzt alle Stangenbohnen herauskommen, also an sämtlichen Stangen. Der Regen tut ja gut, aber jetzt könnte es dann bald wieder aufhören. Mit dem Spinat ist es dann fertig. Er blüht überall.
Ich habe heute soweit alles geholt. Morgen gibt es wieder Salat, worauf wir uns alle schon freuen. Gestern habe ich 2 ½ Pfund Rhabarber zu Marmelade gekocht. Wir haben noch einen Topf Brombeermarmelade, aber den hebe ich noch ein Weilchen auf.
Die Rhabarbermarmelade schmeckt auch gut. Dazu habe ich schon von dem gesparten Zucker verwenden können.  Heute habe ich bei Weber‘s eine Milchschokolade erwischen können, die haben wir ganz allein gefuttert, denn es hat ja keinen Zweck, Dir welche zu schicken, wenn Du Dir dort welche kaufen kannst. 
Ich schicke Dir wieder einen Zeitungsausschnitt mit, der Dich auch interessieren wird.
Vater hat noch einen Gruß beigefügt. Ich soll Dir schreiben, er hätte schon öfter einen Gruß geschrieben, aber es hätte immer nicht geklappt.
Nun will ich schlafen gehen, Gute Nacht, lieber Ernst.

Brief 7 vom 29.05.1940


Mein lieber Ernst!                                                                 Konstanz, 29.5.40                                                                                                      
 Heute Nachmittag kam Dein lieber Brief vom 24.5. Ich warte schon jedes mal auf den Briefträger. Ich danke Dir, daß Du so oft schreibst. 
Inzwischen wirst Du ja endlich etwas von uns bekommen haben, sonst schreibst Du immer und weißt nichts von uns.
Seid Ihr eigentlich in einer richtigen Kaserne oder nur in Baracken. Nach Deinem Bericht von der Reitbahn werden es wohl Kasernen sein.
Der Uhink sagte nämlich heute, die Kasernen wären von den Tschechen noch so verlaust, daß unsere Soldaten nur in Baracken könnten. Das wird wohl wieder so eine Rederei sein. 
Du mußt ja tatsächlich ein ganz guter Soldat werden, wenn Dir der Dienst so in Fleisch und Blut übergeht. Meinst Du mit Deiner Schwäche das Kommandieren? Das ist ja keine schlimme Schwäche. 
Auf das Bild freuen wir uns schon so sehr. Helga wollte Dir deshalb schon öfter schreiben. Ich habe sie aber immer vertröstet. 
Es war gut, daß ich zum Zahnarzt gegangen bin. Unter einer Plombe von 1933 hatte sich unterm Zahnfleisch ein Defekt gebildet. Es ist Nervbehandlung erforderlich. Am Dienstag muß ich noch mal hin, da wird der Zahn fertig gemacht. Jetzt habe ich wenigstens nicht mehr solche Schmerzen. 
Was sagst Du zu Belgien? Die von London haben gut über den König urteilen, denn die sind ausgerückt. Der belgische König ist eigentlich der einzige von allen Ländern jetzt, der bei seinen Soldaten geblieben ist. Das ist eigentlich der einzige, der einem noch Achtung abfordert.
Die anderen waren ja alle solche Feiglinge. 
Heute haben wir einen richtigen Dauerregen. Seit gestern Abend regnet es in einem fort. Da habe ich heute gleich mal meine Hausarbeiten wie bügeln usw.  erledigt, damit ich bei schönem Wetter wieder in den Garten kann.
Helga hat heute gar nicht zur Schule brauchen, da die Zimmer bei der starken Benutzung nachmittags gereinigt werden. Die 2. Hälfte der Woche muß sie jetzt um 8 Uhr zur Schule. So wird abgewechselt. 


29.5.40 Lieber Ernst!

 Wie gut war‘s, daß ich gestern den ganzen Garten noch in Ordnung gebracht habe. Gestern Abend hat es noch mit regnen angefangen und heute früh regnet es immer noch. Für den Garten ist es ja sehr gut. Ich habe ja überall den Boden gelockert, so daß der Regen gut eindringen kann. 
Heute schicke ich Dir noch ein bißchen Gebäck. Laß Dir‘s gut schmecken. Ich habe Dir nicht alles auf einmal geschickt, damit Du immer ein bißchen hast. 
Heute schreibe ich Dir nicht so viel. Ich habe nämlich seit 2 Tagen Zahnweh. Erst habe ich gedacht, es wäre Rheumatismus.  Heute ist es aber schlimmer geworden und so ist sicher an einer Plombe was nicht richtig, denn ich habe schon ein paar Mal so Sand zwischen den Zähnen gespürt.
Ich nehme jetzt das Päckchen mit und gehe gleich zum Zahnarzt. 
Nun schließe ich für heute. Sei vielmals recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. 
Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga.  Jörg.


Donnerstag, 28. Mai 2015

Brief 6a vom 28.05.1940 (ohne Unterschrift)


Lieber Ernst !                                                                                       Konstanz, 28.5.40                                

Es ist jetzt ½ 9 Uhr und ich bin mit meiner Arbeit fertig.
Jetzt kommt die Erholung, jetzt schreibe ich Dir noch. 
Heute früh habe ich das Päckchen für Dich weggeschafft und dann habe ich den ganzen Tag im Garten geschafft. Die Kartoffeln habe ich jetzt alle gehackt. Außerdem habe ich wieder überall die Erde gelockert. Dann habe ich wieder überall Unkraut herausgezogen, vor allen Dingen habe ich die Erdbeerbeete von Unkraut befreit. So ist der Tag herumgegangen. Ich habe viel Freude an meiner Arbeit im Garten. 
Die Leute über uns sind scheinbar ganz nette Leute.  Man hört sie fast gar nicht. Der Mann ist in Polen. 
Wir hatten heute wieder sehr schönes, warmes Wetter. Heute Nachmittag stand ein Gewitter am Himmel, aber der Wind hat es wieder vertrieben. Jetzt hat sich wieder etwas zusammen gezogen, mal sehen, ob‘s ein bißchen Regen gibt.  Es könnte schon wieder nichts schaden. 
Jetzt ist es ¾ 10 Uhr. Ich habe jetzt gerade noch alle Photoalben eingeklebt. Einzelne Bilder muß ich noch abziehen lassen. Das meiste habe ich aber in den Alben drin. Jetzt herrscht wenigstens auch Ordnung. 

Dienstag, 26. Mai 2015

Brief 6 vom 26./27.05.1940


Mein lieber Ernst!              26.5. abends                                                                                                                     

Heute Nachmittag bin ich mit den Kindern ein bißchen im Wald spazieren gegangen.
Natürlich haben wir auch Tee mitgebracht, Goldnessel, Salbei, Spitzwegerich, auch einen schönen Strauß Margareten, er ist in Deine schöne Vase gekommen, die Du mir voriges Jahr geschenkt hast.
Einen kleinen Strauß von unserem Spaziergang schicken wir Dir mit. Ich weiß nicht, wie er ankommt, aber ich möchte Dir gern solch kleinen Gruß senden. Hoffentlich bist Du nicht enttäuscht, wenn nur Blumen in dem Päckchen sind.

27.5.

 Wir waren auf dem Fürstenberg, dann sind wir durch‘s Heidelmoos zum Wald gegangen, da quer durch auf den Weg zum Tabor, vorm Tabor, bei der Schonung, sind wir den anderen Weg zurück, den wir auch immer gegangen sind. Am Waldrand haben wir dann noch die Goldnesseln gefunden.
Es war gestern drückend heiß, wie in einem Backofen, heute Nacht hat es geregnet und gleich ein bißchen abgekühlt.
Kurt war gestern wieder auf Fahrt. Er will es noch ausnutzen. Gestern Abend hat er vergessen, daß er noch etwas dazuschreiben wollte, er hat mit seiner Schreibmaschine noch geübt. 
Nun lieber Ernst, will ich schließen. Ich will noch das Päckchen fertig machen.  Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Lieber Vater! Ich hab noch was vergessen, vom Muttertag. Da hab ich der lieben Mutter ein Spruch gesagt und der heißt: Vaterliebe baut das Haus, Mutterliebe schmückt es aus, Kindesliebe alle Zeit leuchtet hell als Dankbarkeit. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga. Jörg. 


Lieber Ernst!       Konstanz, 27.5.40                                                                                                                            

Eben bin ich von der Post gekommen, wo ich das Päckchen mit Blumen an Dich weggeschickt habe. Hoffentlich lachst Du mich nicht aus, daß ich Dir nun noch Blumen schicke.
Als ich heim kam, waren 2 Briefe von Dir da, da war aber große Freude bei uns. Helga ist nämlich auch da, sie hat erst später Schule.  Am 22., als Du den Brief geschrieben hast, war gerade Dein erstes Schreiben von dort bei uns.
Am Donnerstag früh habe ich gleich an Dich ein Päckchen abgesandt.
Bis jetzt habe ich an Dich abgeschickt: am 23.  ein Päckchen mit Gebäck am 24.  einen Brief mit Bildern am 25.  ein Päckchen mit Wollappen und Dextro-Energen, am 27.  ein Päckchen mit Blumen.
Du wirst sicher inzwischen alles erhalten haben. Mit diesem Brief schicke ich Dir nun Briefpapier und Umschläge mit. 
Aus Deinem Brief geht ja hervor, daß ihr nicht gerade schlecht versorgt seid. Da freue ich mich sehr darüber. Wir leiden ja zu hause auch keine Not. 
Dass Du mit der Lernerei mitkommst, das kann ich mir schon denken, denn an Verstand hat Dir‘s ja nicht gefehlt. Dass die jungen Oberschützen usw. grienen, wenn jemand den Kasernenhof durchmessen muß, ist ja, wenn man´s genau nimmt, menschlich, denn Schadenfreude ist ja für viele die reinste Freude. Denen wird‘s ja zu Anfang auch nicht viel anders gegangen sein. Das, was Du dabei denkst, ist schon richtig.
Wegen dem Rekruten ist es doch komisch, daß immer einige dabei sein müssen, die sich aufspielen. Na, Du bist ja keiner von denen, die sich gleich etwas gefallen lassen. Das ist auch das einzige richtige.  Über unseren Tagesverlauf habe ich Dir ja in den verschiedenen Briefen berichtet. Du brauchst keine Angst zu haben, daß ich mich übernehme. Bis jetzt fühle ich mich gesundheitlich außerordentlich wohl.
Gestern Abend habe ich noch die Sondermeldung gehört, daß Calais genommen wurde. Das ist doch ein großer Erfolg, denn jetzt sind wir den Engländern nahe auf den Leib gerückt. Hast du die Rede vom englischen König gelesen, das ist doch ein gemeiner Lügner und Heuchler. Wir haben ihm ja die richtige Antwort gegeben.
Es ist doch ein stolzes Gefühl, ein Deutscher zu sein. 
Ich habe auch meine Freude daran gehabt, daß Du Dich über die Schokolade gefreut hast. Wenn Du dort, wie Du schreibst, Gelegenheit hast, welche zu kaufen, dann tue es nur. Später hast Du dann wahrscheinlich doch keine Gelegenheit mehr, wenn Du an die Front kommst.  Ich habe mir schon oft gedacht, wie Du in der Uniform schwitzen mußt, so Du doch im Sommer kurze Hosen gewöhnt warst.
Habt Ihr dort auch Freibade-Gelegenheit oder kommt Ihr gar nicht dazu.
Der Heringssalat, den Ihr gehabt habt, das war doch was für Dich. Du machst mir den Mund nicht wässrig, nur macht es mir eine große Freude, wenn Du was Gutes zu essen hast. Die Kinder parieren im Allgemeinen schon. Wenn´s mal Störungen gibt, dann fahre ich mal wieder richtig dazwischen, dann geht‘s schon. Darum brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen.
Helga und Jörg habe ich einen herzlichen Kuß von Dir gegeben.
Heute hole ich den ersten Salat aus dem Garten. Das ist doch auch was Gutes, gell? Gestern haben wir wieder Spinat gehabt. Ich muß diese Woche auch wieder welchen holen, denn der wächst wie wild. Wir essen ihn ja gern und er ist auch gesund.
Auf dem Beet von den Möhren haben wir damals keine Radieschen, sondern Eiszapfen gesät. Sie sind noch nicht ganz soweit. Helga hat bei ihrem Gärtchen jetzt mit großem Stolz 2 Radieschen geerntet. Einstweilen will ich schließen, vielleicht kann ich heute Abend noch was schreiben. 

Lieber Vater! Ich will dir auch noch selber schreiben, daß ich Radieschen geerntet habe. Wir waren gestern im Wald, da war es sehr heiß. Da haben Goldnesseln gestanden, da haben wir sie alle weggeholt. Heute früh haben wir ein Päckchen weggeschickt, da sind Blumen drin. Weil ich Dich lieb hab, schreibe ich Dir ein Brief. Heute Mittag gibt es schönen Salat, ich freue mich schon lange darauf. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga. 

Lieber Ernst!         abends 8 Uhr

Heute bei Tag war ich nicht im Garten, da ich Einkaufen und waschen mußte, aber heute Abend habe ich meinen Rundgang gemacht. Gestern schrieb ich Dir, daß sich bei den halbhohen Bohnen schon die Erde lockert, heute sind sie schon halbfingerhoch über dem Boden. Die Buschbohnen haben auch schon alle große Blätter, sie sind alle, ohne einen Ausfall, hoch, die letzten, die Du gesteckt hast, kommen jetzt auch heraus.
An den Erdbeerpflanzen sind schon schöne große Erdbeeren dran.  Die Stachelbeeren haben schon fast normale Größe.
Heute Abend habe ich wieder 4 ½ Pfund Rhabarber geerntet. Die neu gesetzten Salatsetzlinge machen sich schon gut. Der Salat heute Mittag war ein Genuß. Morgen will ich wieder einige Reihen Kartoffeln hacken.
Herr Steinmehl hat mir einige Blumenkohlsetzlinge in wenigen Tagen angeboten, jetzt sind sie noch zu klein. Ich werde sie annehmen, ich habe ihm ja auch Bohnen gegeben. Heute hat es sich tagsüber wieder schön aufgeklärt und heute Abend ist jetzt noch Sonnenschein und ganz blauer Himmel. Ein herrliches Bild. Die Welt ist doch so schön.
Unser Baum, den ich jetzt vom Sonnenschein beschienen sehe, hat sich schön belaubt. Wenn Helga an Dich schreibt, darf ich ihr nie helfen, darum sind manchmal Fehler drin, das ist doch nicht schlimm, nicht wahr?
Jörg hat Dir heute das Tintenfaß und den Federhalter gemalt, mit dem er schreibt. Er schreibt auch nur noch mit Tinte, einen Bleistift lehnt er ganz entschieden ab. Sein Neuestes ist, daß er immer das Datum dazuschreibt. Er hat mir vorgeschlagen, daß ich kein‘s schreiben brauchte, das machte er schon.
Er hat mir heute auch noch mal Salbei gebracht.
Helga hat morgen wieder ½ 2 Uhr Schule, weil sich die unteren Klassen in 3 Zimmer teilen müssen. Die größeren Kinder gehen jetzt in der Stadt zur Schule, den kleineren hat man‘s noch nicht zumuten wollen. 
An eins wollte ich Dich noch erinnern. Vergiß nicht, auch einmal ein paar Zeilen an Dora zu schreiben, sonst ist sie evtl. böse mit uns. 
Nun, mein lieber Mann, will ich schließen. Ich packe das Päckchen heute Abend noch, damit ich‘s morgen früh gleich wegtragen kann.  Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Montag, 25. Mai 2015

Brief 5 vom 25.05.1940 (bin mir der Reihenfolge der Abschnitte nicht ganz sicher)



  Mein lieber Ernst!         25.Mai 1940

Gestern Abend habe ich den Brief mit den Photografien weggeschickt. Hoffentlich freust Du Dich darüber.
Ich habe jetzt einige Wollappen herausgesucht: Ich weiß nur nicht, ob Du sie brauchen kannst, ob es die richtigen sind. Auch Dextro-Energen lege ich bei. Ich habe mich so gefreut, daß Du Dir mal was gewünscht hast. In der Zeitung war heute eine Karte von Frankreich, Belgien usw. Ich weiß nicht, ob Ihr dort eine habt. Vielleicht interessiert es Dich aber, und so lege ich sie auch bei. 
Gestern Abend kam Vater und er war ganz überrascht, daß Kurt da war. Er hat sich natürlich sehr gefreut. Kurt schläft einstweilen bei Paula. Sie hatte es ihm schon früher angeboten. Kurt ist jetzt gerade da und zieht sich um. Ich habe ihm vorhin gerade noch die Strümpfe gestopft und die Hosen  gebügelt, die er zurückgeschickt hatte, denn die anderen Sachen hat er ja alle eingepackt. Den Kofferschlüssel brauchst  Du jetzt nicht extra zurückzuschicken, denn Kurt hat noch einen. 
Lieber Ernst, das war jetzt ein Unsinn, wir haben  gerade zusammen gesprochen. Kurt braucht ja den Koffer auch wieder, wenn er wieder eingezogen wird und so mußt  Du also den Schlüssel schon zurückschicken.  Heute wird es nun ein kürzerer Brief. Ich will jetzt meine   Lebensmittelkarten holen und da nehme ich das Päckchen gleich mit.  Ich wünsche, daß Du bis morgen, Sonntag, wenigstens die erste Post von uns erhältst.  Sei nun vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.   Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga.  Jörg.  

25.5.40 Lieber Ernst!

 Wie Dir Anni schon mitgeteilt hat, bin ich seit gestern wieder in Konstanz. Hoffentlich werde ich bald wieder eingezogen, wie mir gestern auf dem Wehrmeldeamt gesagt wurde, käme ich schon in den nächsten Tagen wieder weg, und zwar zu einer motorisierten Einheit. Den schwierigsten Teil der Rekrutenzeit habe ich ja nun hinter mir, ich hatte in Th. einen ganz ekelhaften Kerl von Korporalschaftsführer. Nun beiß nur die Zähne tüchtig aufeinander und sei herzlich von Deinem Bruder gegrüßt. Kurt. 

Lieber Ernst! 

Eigentlich wollte ich erst heute Abend schreiben, aber ich bringe es doch nicht fertig, ich muß Dir am Sonntagvormittag einen recht herzlichen Gruß zurufen.
Das ist nun schon der 2. Sonntag, wo Du nicht daheim bist. Ob Du heute wenigstens Nachricht von uns hast. Das ist mein größter Wunsch. 
Heute früh habe ich die Gurken gegossen und auch die Tomaten. Diese sind schon wieder so gewachsen, daß ich sie höher binden  und die überflüssigen Zweige wegschneiden mußte. Ein paar Blüten haben sie auch schon. Die Erbsen, die Du gesteckt hast, ehe Du fort mußtest, kommen jetzt auch schon gut heraus. Bei den halbhohen Bohnen bricht jetzt auch die Erde auf. 

Lieber Ernst!
An den Sonntagen, da habe ich besondere Sehnsucht nach Dir, nach den Waldspaziergängen mit Dir. Wenn Du so mit den Kindern herumgetollt hast, das waren doch immer so schöne Tage. Eigentlich jeder Weg und jeder Wald weckt die Erinnerung an unsere gemeinsamen Fahrten und Gänge. 
Manchmal meine ich, Du müßtest gerade hereinkommen und mit uns fortgehen. Na, wir werden diese Zeit auch überstehen und hoffen, daß wir noch oft miteinander laufen und sprechen können. Einstweilen tun wir mal unsere Pflicht. 
Wie haben Dir die Bilder gefallen? Auf dem einen hat doch Jörg sein richtiges freches, fröhliches Lachen. Ich wollte Dir mit den Bildern gern eine Freude machen. 
Ich schließe jetzt den einen Brief. Kurt will Dir auch noch was schreiben, denn den Brief sollst Du ganz allein von Deiner Dich liebenden und grüßenden, küssenden Annie erhalten.

Mein lieber Mann !        Konstanz, 25.5.40                                                                                                  

Es ist jetzt Abend. Ich bin zwar noch nicht fertig mit Schaffen, aber diese Pause will ich gleich benutzen, Dir einige Zeilen zu schreiben. 
Ich war heute Nachmittag eine Weile im Garten und habe heute die unteren Reihen Kartoffeln, beim Rhabarber, gehackt. Auch im Garten hinterm Haus habe ich 3 Reihen gehackt. Die anderen sind noch zu klein. Ich habe auch wieder Unkraut rausgeholt. Das wächst ja immer. Jetzt kommt aber alles  raus. Ich will heute Abend noch Hornspäne ins Wasser tun und damit morgen früh die Gurken gießen. Es wächst  jetzt  alles, daß es eine wahre Freude ist. Jetzt höre ich für heute mit schreiben auf und will mich noch ein bißchen an die  Arbeit machen. 

Sonntag, 24. Mai 2015

Brief 4 vom 24.05.1940


Mein lieber Mann!                                                        24.5.40                             ¾ 4 Uhr                                                                                                      
 Eben komme ich heim. Ich wollte den Brief an Dich wegschaffen, konnte aber die Bilder noch nicht erhalten. Sie werden erst ½ 7 Uhr fertig. Da fahre ich nachher nochmals hin.
Wie ich jetzt heim komme, liegt Dein lieber Brief im Kasten. Da habe ich mich aber gefreut.
Auch von Elsa ist ein Brief da, ich habe ihn aber noch gar nicht aufgemacht, sondern will Dir erst antworten.
Ich danke Dir vielmals, daß Du mir so ausführlich geschrieben hast.
Wenn Du aber keine Zeit haben solltest, bin ich auch mit einem kurzen Gruß zufrieden. Euer Tagesablauf ist ja ziemlich streng.
Um 5 Uhr früh schlafe ich noch. Ich stehe so auf wie früher. Ich nehme abends Dein Bild immer mit ans Bett, damit ich Dich nochmals ansehen kann, ehe ich das Licht ausmache. Dabei muß ich dann immer an das: „Mach die Funzel aus“ denken und muß in der Erinnerung immer wieder lachen. 
Es wird Dir sicher auch gut tun, das Füße abbürsten, denn es erfrischt doch.  Die Dextropur-Energen Tabletten besorge ich heute noch. Ich schaue auch nach Wollappen nach und sende Dir beides morgen oder übermorgen.   Wegen den Kindern brauchst Du Dir wirklich keine Sorgen zu machen.
Augenblicklich folgt Jörg ziemlich gut und auch sonst ist mir deswegen nicht angst, ich werde schon mit ihm fertig.  Hoffentlich macht Dir das Impfen keine großen Beschwerden. Meine Gedanken sind immer bei Dir.  Heute, als ich gerade mit dem oberen Stück Kartoffelfeld fertig war mit Hacken, kam, wie ich ja schon schrieb, Kurt. Er hat sich in Th. die ganzen Füße aufgeschunden, daß sie geeitert haben.
Im Lazarett beim Schneiden und Verbinden haben sie seine Füße nochmals untersucht und gesagt, daß er unmöglich bei der Infanterie  bleiben kann. Das andere habe ich Dir ja schon geschrieben. 
Meine Eltern haben sich über Siegfrieds Brief auch noch mal mit Kurt unterhalten und der hat ihnen nochmals dasselbe gesagt, was wir geschrieben hatten.
Ich habe ja heute an Siegfried geschrieben und zwar im versöhnlichen Sinne, denn es hat ja keinen Zweck, sich deshalb gegenseitig zu ärgern. 
Kurt war nur kurze Zeit bei uns. Er ist dann zu Paula, Deinem Vater und ins Geschäft.
Er will wahrscheinlich die Tage, wo er hier ist, schaffen, damit er ein bißchen Geld auf die Hand bekommt. Er ist ziemlich abgebrannt. 
Lieber Ernst! Laß mich jetzt schließen. Ich bin ganz glücklich, daß ich wieder Nachricht von Dir habe. Viele herzliche Grüße und Küsse von Deiner Annie. 

Samstag, 23. Mai 2015

Brief 3 vom 23.05.1942


Lieber Ernst !                                       Konstanz, 23.5.40                

Heute früh haben wir, Jörg und ich, das Päckchen für Dich weggeschafft. Vielleicht erhältst Du‘s bis zum Sonntag.
Bei der Heimfahrt bin ich in einen Nagel gefahren und hatte eine Platte. Ich habe das Rad dann gleich wieder repariert und dann bin ich in den Garten gegangen und habe wieder gejätet.
Heute Nachmittag sind wir alle zusammen in die Stadt gegangen und ich habe eine Kartoffelhacke gekauft.  Ich mag mir nicht gern eine borgen. Du hattest mir ja erlaubt, kleinere Sachen anzuschaffen. 
Gestern hatte es einen ziemlichen Gewitterregen und jetzt steht auch wieder ein Gewitter am Himmel und es fängt auch schon ein bißchen an zu regnen. Gießen habe ich noch nicht müssen. 
Heute ziehen wieder Leute in Wohlsen´s Wohnung. Eine Familie mit 2 größeren Buben. Der eine hat heute schon den ganzen Garten umgegraben. Eben ist gerade der Möbelwagen vorgefahren.
Heute kam ein Brief von Gerhard. Ich lege ihn bei. Ich habe ihn  n i c h t  beantwortet.
Im Garten geht es auch vorwärts. Nach dem Regen schießen die Kartoffeln förmlich heraus. Die oberen Reihen Kartoffeln, im großen Garten, kann ich morgen schon hacken. Die Buschbohnen sind jetzt alle gut herausgekommen, auch die ersten 4 Reihen Stangenbohnen kommen nach und nach. Bei den Gurken gucken auch schon die meisten Keime heraus. Die Salatsetzlinge sind auch bald so groß, daß ich sie versetzen kann. Die Stachelbeeren hatte ich nochmals mit Leim bestrichen, weil die Ameisen wie toll darauf herum liefen. Es hat aber nicht viel geholfen, heute rennen sie schon wieder. Mehltau haben die Stachelbeeren bis jetzt noch nicht. Heute hat Jörg schon seine ersten 4 Radieschen geerntet. Großzügig hat er Helga 2 davon abgegeben. Die Petersilie kommt jetzt auch gut.
Ich schreibe Dir so ausführlich vom Garten, weil ich denke, daß es Dich interessiert. Sollte das nicht der Fall sein, weil Du jetzt viel andere Sachen im Kopf haben mußt, so schreibe es mir richtig. 
Der Schlüsselblumentee, den wir noch zusammen gesammelt haben, hat 1 ½ Dose voll ergeben, also doch ein ganz schönes Quantum. 
Unsere Soldaten leisten doch wunderbares. Man kann sich gar nicht die Größe der Leitungen richtig vorstellen. Unseren Soldaten haben wir es ja zu danken, wenn wir noch ruhig zu hause sein können, das wollen wir nie vergessen. 
Ich war eben noch mal im Garten unten. Da kommen auch schon die Dahlien, alle, auch die vorm Haus, heraus. Der Regen hat allen Pflanzen gut getan.  Nun will ich für heute Abend schließen, sonst bekommst Du wieder so einen langen Brief und bist darüber ganz verzweifelt.  


12 Uhr Lieber Ernst!

Vorhin bin ich im Garten beim Kartoffel hacken, auf einmal kommt ein Soldat und wer ist‘s, Kurt.
Er ist von der Infanterie entlassen worden wegen seinen Füßen und garnisonsverwendungsfähig geschrieben.
Er hat sich aber gleich wieder gemeldet für die motorisierten Einheiten und er wird bei den nächsten Einberufungen mit erfaßt. Was sagst Du dazu?
Ich habe ihn in der Uniform erst gar nicht erkannt. Kurt ist auch kurz in Leipzig gewesen und hat die Eltern besucht.  Von den Eltern sind heute Zeitungen und ein Brief gekommen, den ich Dir mitschicke. Auch zwei Durchschläge von meinen Briefen liegen bei. 
Soll ich Dir auch ein paar Zeitungen, „Illustrierter Beobachter“ usw. schicken, oder hast Du noch keine Zeit dazu. 
Ich habe ein paar Aufnahmen gemacht, die ich heute Nachmittag hole. Sollten sie etwas geworden sein, schicke ich sie Dir gleich mit.
Ich nehme den Brief gleich mit, so daß ich ihn nur noch zukleben brauche.  Nun mein lieber Ernst, nimm recht herzliche Grüße und Küsse von Deiner Annie.  Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg 
24.5.40
Wenn Du kannst, schreibe mir bitte wieder mal einen kurzen Gruß.  Ich denke immer an Dich, mein lieber, lieber Ernst. Ich habe heute auch noch 25 Salatsetzlinge gesetzt auf dem schrägen Stück hinterm Haus. 

Freitag, 22. Mai 2015

Brief 2 vom 22.5.40 nachdem sein erster Brief vom 19.5.angekommen war


22.5.40 Lieber Ernst!

Gerade als ich für Kurt das Päckchen wegschaffen wollte, kam Dein lieber Brief vom 19.5.
Jetzt weiß ich endlich Deine Adresse und kann Dir wieder schreiben.
Die meisten Deiner Fragen habe ich ja schon beantwortet.
Wegen uns brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen, wir sind alle gesund. Ich komme mit der Arbeit durch und habe auch keinerlei Beschwerden. Von feindlichen Einflügen sind wir bis jetzt verschont geblieben. Es ist bis jetzt bei uns so ruhig wie bisher.  Jörg bekommt manchmal seinen Bock, aber ich bin bis jetzt immer gut mit ihm fertig geworden. Wegen den Stiefeln war noch niemand da. 
Jetzt hast Du noch die Bitte ausgesprochen, ich soll Dir ja nichts zu essen schicken. Dieses eine Mal wenigstens kann ich der Bitte ja nicht entsprechen. Ich habe nämlich heute früh, in weiser Voraussicht (wie Du doch selber zugeben mußt) etwas für Dich gebacken. Ich glaube, von zu hause schmeckt´s doch noch besser, jedenfalls ist ja Kurt der Ansicht, und so wirst Du das Gebäck hoffentlich nicht verschmähen.
Hast Du die Schokolade unter dem Handtuch gefunden?  Mit Wäsche usw. seid Ihr ja gut versorgt. Da war es ja nicht schlimm, wenn Du keine Trikothemden mitgehabt hast. 
Wenn Du nicht oft ausführlich schreiben kannst, ist das nicht so schlimm, nur öfter mal um einen kurzen Gruß bitte ich Dich.
Helga hat heute früh schon einen Brief an Dich angefangen und schreibt ihn dann noch fertig. Jörg hat Dir ja schon einige Bilder gemalt.  Sollte Vater heute Abend noch kommen, wird er sicher noch einen Gruß beifügen.  Hoffentlich bist Du nicht böse, daß Du so viel hast lesen müssen. Andernfalls verwarnst Du mich mal ernstlich. Sei nun herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.  

Lieber Ernst!

Eigentlich hatte ich ja mein Schreiben geschlossen.  Das Päckchen geht ja aber erst morgen früh weg und so kann ich es nicht lassen, Dir noch etwas zu schreiben. Mach Dir bitte um mich keine Sorge. Über das Abschiedsweh bin ich jetzt etwas hinweggekommen und ich habe auch meinen Humor wiedergefunden. Ich denke immer an Dich und Du kannst Dich darauf verlassen, daß ich alles zu Deiner Zufriedenheit tun werde. Nimm Du nur auch alles nicht zu schwer.  Ich schicke Dir heute auch noch ein Bild von den Kindern mit, da Du dasselbe doch vergessen hattest.  Nun will ich aber wirklich schließen. Sei nochmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Donnerstag, 7. Mai 2015

Brief 1 vom 15.05.1940 (mehrere zusammengefasst!)





Mein lieber, lieber Ernst !           Konstanz, 15.Mai 1940

 Ich kann es noch gar nicht fassen, daß Du nicht mehr hier bei uns bist. Ich glaube, ich bin doch nicht tapfer, denn ich muß dauernd heulen. Du bist der Mittelpunkt und die Seele unserer Familie und Du fehlst nun. Es ist alles so leer hier. Wir sind vorhin heim gekommen, nachdem die Kinder Holzsandalen bekommen haben.  Trotzdem sie sich sehr darüber freuen, weint Helga immer nach Dir. Ich habe es vorhin gar nicht in der Wohnung ausgehalten und so sind wir noch in den Garten gegangen und ich habe noch Gurken gesteckt und auch Erbsenreisig habe ich gesteckt. 

Es ist jetzt ¼ 7 Uhr und Du wirst bald in Immendingen sein. Ich kann ja den Brief heute nicht wegschicken, aber ich muß mit Dir reden, wenn‘s auch nur im Brief ist. Lieber Ernst, ich will mich bemühen, recht tapfer zu sein, habe nur ein bißchen Geduld. Wir haben in der Küche ein kleines Bild von Dir aufgehängt, eines, das wir gemacht haben, als wir auch mich photografiert haben. Du hast ja das Bild von mir mit. Wenn ich mir das Bild ansehe, wie Du so lieb lächelst, da wird mir noch ganz weh. Vielleicht kann ich Dich bald auch anlächeln, wenn auch nur auf dem Bild, jetzt kommen immer noch die dummen Tränen. Während ich hier schreibe, hat Helga schon den Abendbrottisch gedeckt und auf Deinen Platz das Bild von Dir gelegt, wo Du in den Lederhosen bist. Wir lassen Deinen Platz immer frei, bis Du wieder bei uns bist. Das Bild hat übrigens Jörg hingelegt. Helga sitzt jetzt gerade neben mir und weint wieder fest. Du wirst so sehr vermißt.

Lieber Vater!
Ich wär so froh, wenn Du da wärst. Ich tue heut so viel weinen, wenn Du nicht da bist. Jörg hat Dir auch schon ein Bild gemalt, weil er noch nicht schreiben kann. Er hat vorhin auch fest geweint und gesagt: Man weiß vorher gar nicht, wie schlimm das ist, wenn Vaterle nicht da ist, aber jetzt ist es ganz fest traurig. 

Sei nicht böse, lieber, lieber Ernst, daß wir so traurig nach Dir sind, aber wir haben Dich alle auch so sehr lieb. Daran bist Du schuld, weil Du immer so gut zu uns warst.  

16. Mai Guten Morgen, mein lieber Ernst!

Jetzt ist schon wieder ein neuer Tag angebrochen. Wo wirst du jetzt sein? Ich wüßte es so gern. Wir sind gestern Abend alle zusammen ¼ 9 Uhr schlafen gegangen. Ich habe bis ½ 11 Uhr mit in Helga‘s Bett geschlafen, denn Helga und Jörg haben beide um Dich so geweint, daß ich sie habe nicht so allein lassen können. So haben sie noch von Dir erzählt und sind dann eingeschlafen. Heute früh haben sie auch gleich von Dir erzählt, wie Du immer so lieb warst und wenn Jörg aus dem Bett kam, gesagt hast: „Ach, da kommt ja noch einer.“ Helga sagt immer: „Vaterle ist so ein lustiger Mann und jetzt ist er nicht mehr da.“  Jörg sagte gestern Abend: „Ich muß so  um Vaterle weinen. Mit Vaterle hat man so schön im Wald gehen können, mit Dir allein kann man das nicht so schön.“  Du siehst, da bin ich nicht vollwertig.

Es ist jetzt ¾ 8 Uhr und ich will an´s schaffen gehen. 

5 Minuten nach 8 Uhr. Jörg liegt in der Küche auf der Matratze und malt für Dich ein Bild Er ist mit Eifer dabei. Das Bild mit einer 15 ist von gestern, denn er hat extra gefragt, welcher Tag ist und hat dann eine 15 hingemalt.  Ich habe  gestern wegen den Briefmarken gefragt auf der Post. Sie haben immer noch keine. Ich frage nächste Woche noch mal  nach.

5 Minuten nach 10 Uhr Lieber Ernst! Du hast mir eine ganz große Freude gemacht, daß Du mir gleich geschrieben hast. Vielen, vielen Dank. Ich lebe gleich ein bißchen auf. Von Nanni ist auch eine Karte gekommen. Sie fragt an, ob wir ihre Bücklingsendung bekommen haben. Inzwischen wird sie ja unseren Brief bekommen haben. Auch  von Elsa Legler ist eine Pfingstkarte gekommen.

½ 8 Uhr. Nun ist Feierabend und jetzt kommt die Erholung, das reden mit Dir, wenn auch nur im Brief. Seit 5 Uhr regnet es ziemlich, so daß ich morgen nicht gießen brauche. Heute habe ich das meiste gegossen, auf die Schwarzwurzeln.  Gestern habe ich auch noch „Gretl im Busch“ ausgesät.  Heute habe ich auch noch Besuch bekommen. Du ratest sicher schon wer, Resi. Sie ist vorbeigefahren und hat Helga gefragt, wie es Dir und mir geht. Dabei hat sie erfahren, daß du fort bist. Da ist sie gleich hereingekommen. Sie war natürlich ganz erstaunt und sagte dann, daß es Fritz auch gar nicht recht ist, daß er nicht mit fort kommt. Er wäre vorige Woche bei seinem Chef gewesen, der hätte gesagt, vor Juni käme es gar nicht in Frage. Ich sagte ihr, daß Fritz zu Dir gesagt hat, es wäre ihm ganz gleich, wenn er zu hause bliebe. Darauf erwiderte sie, da wäre er sicher nur verärgert gewesen, denn wenn wieder welche fort kämen, wäre er ganz anders und wollte am liebsten auch mit fort, er bekäme einen Moralischen. Man kann ja da glauben, was man will. Sie will mich jetzt öfter besuchen.  Das hat sie ja schon öfter gesagt und ist nicht gekommen, so wird es auch diesmal nicht so schlimm werden, wie es aussieht. Heute hat mir Herr Schwer auch Erbsenreisig gegeben.  Heute hat es bei den Kindern schon Heimlichkeiten wegen dem Muttertag gegeben. Helga hat zu Jörg heimlich was gesagt, worauf Jörg prompt sagte: „Ich male für‘s Mutterle auch was Schönes.“ Daraufhin heulte Helga natürlich los. Wir haben uns auch vom vorigen Muttertag unterhalten, wo ihr mir die schönen Vasen geschenkt habt. Jörg sagte: „Weißt Mutterle, Du stellst uns 2 Vasen hin, da schenken wir Dir schöne Blumen, Du darfst aber noch nicht wissen, was für welche.“

 ½ 8 Uhr: Eben rief mich Jörg nochmals an‘s Bett, er mußte wieder weinen, weil Du fort bist. Vorhin haben beide, Helga und Jörg, Deinem Bild Küsse gegeben, weil sie Dich so lieb haben.  Abends, wenn die Arbeit vorbei ist, ist doch die schlimmste Zeit, wenn man allein ist, da kommt man sich so verlassen vor. Es war immer so schön, wenn Du neben mir gesessen bist.  Morgen früh will ich auf den Markt fahren und Tomatensetzlinge holen.  Ob Du jetzt schon an Deinem Bestimmungsort bist? Wenn Vater nicht noch kommt, gehe ich auch bald schlafen.

9 Uhr. Vor einer halben Stunde ist Vater nun doch gekommen. Er liest jetzt gerade die Zeitung. 

Es ist jetzt 10 Minuten vor 11 Uhr.  Gerade ist Vater fort und ich gehe schlafen. Vater hat einen Brief an Kurt geschrieben. Ich habe ihn nicht gelesen, sondern nur einen Gruß darunter geschrieben. Nun gute Nacht, lieber, lieber Ernst.  


17. Mai, ¾ 10 Uhr. Lieber Ernst! 

Eben bin ich vom Markt gekommen, wo ich 10 Tomatensetzlinge gekauft habe. Das Stück kostet 15 Pfennig. Es gibt  auch welche zu 12 Pfennig, aber die sind so winzig. Es ist jetzt alles Einheitspreis. Es sind schöne stämmige Setzlinge  und sobald es mit regnen aufhört, es regnet nämlich seit gestern in einem fort, setze ich sie. Ich habe gestern  gewaschen, aber da habe ich gleich gemerkt, daß Du nicht da bist, denn sonst hätte ich sicher Sonnenschein gehabt.  Jörg ist vorhin die ganze Zeit schön brav gewesen, als ich auf dem Markt war. Er hat mit seiner Eisenbahn gespielt. 

½ 2 Uhr. Heute Vormittag habe ich noch die Tomatenstöcke gesetzt. Ich habe je 2 Hand voll Hornspäne  hineingetan und darauf Komposterde, denn, soviel ich weiß, dürfen doch die Hornspäne nicht direkt an die Wurzeln  kommen. Ich habe auch gleich Stöcke dazugetan und die Tomaten festgebunden. Zur Vorsicht will ich Dich nochmals  fragen, man muß doch die Stengel die ich durchgestrichen habe, wegschneiden und das andere alles stehen lassen. 
Dein  Gehaltszettel ist auch gekommen. Er lautet noch auf den vollen Betrag.  Von der Krankenkasse habe ich auch eine  Aufforderung zur kostenlosen Untersuchung von Helga erhalten, wie voriges Jahr beim Buben. Ich muß Anfang  nächster Woche hin zur Auswählung eines Arztes. Schade, daß man Dr. Bundschuh nicht nehmen kann.  Heute  Nachmittag mache ich mich an´s Kohle schichten. Ich war bisher nicht dazu gekommen. Helga sagte mir heute, am  Sonntag sollten wir nach St. Kathrinen kommen, da wird von der Spielschar aus etwas zum Muttertag gemacht,  Gedichte aufgesagt usw. Mal sehen, ob wir hingehen. Ich habe heute auch versucht, einen Ständer für Dein Fahrrad zu  kaufen, aber ich habe keinen bekommen können. Die meisten Geschäfte sind ja wegen Einberufung geschlossen. Bei Gelegenheit gehe ich nochmals zu Frey in die Saarlandstraße. Vielleicht habe die noch welche.

 4 Uhr. Jetzt, als ich eben mit Kohlen schichten fertig bin, kommt Deine liebe Karte aus Stuttgart. Es ist ja wirklich „schnell“ gegangen, bis ihr in Stuttgart wart. Wann werdet Ihr an euerm Bestimmungsort ankommen? Ich danke Dir vielmals, lieber Ernst, daß Du so fleißig an uns schreibst. Ich freue mich immer unbeschreiblich darüber. Ich denke auch die ganze Zeit an Dich, denn wo ich auch zu hause bin, alles erinnert an Dich.  Als ich Jörg eben die Karte von Dir zeigte, fing er gleich an zu weinen. Er sagte, er weint wegen Dir, weil Du immer so lieb warst. Er hat sich gleich vorgenommen, wieder ein schönes Bild für Dich zu malen. Es regnet jetzt wieder die ganze Zeit, nachdem es heute Vormittag ein bißchen aufgehört hatte, da muß Jörg natürlich oben bleiben, was ja nicht so nach seinem Geschmack ist. Helga ist in der Spielschar.

 Lieber Ernst!  Das Essen will mir noch gar nicht recht schmecken, wenn Du nicht da bist. Du fehlst mir so. Wenn wir uns guten Appetit wünschen, so schließen wir nicht den Ring, sondern lassen ihn nach Deinem Platz zu offen, denn Du sollst nicht ausgeschlossen sein. Du brauchst Dir aber keine Sorgen wegen uns zu machen. Ich halte schon alles in Ordnung und mit den Kindern muß ich eben öfter mal energisch werden, vor allen Dingen muckt natürlich Jörg manchmal auf. Aber ich bin ihm schon gewachsen. 

10 Min. vor 11 Uhr. Mein lieber Ernst. Wir haben heute Abend noch Luftschutzübung gehabt, diesmal im Nebenhaus. Das soll jetzt jede Woche einmal durchgeführt werden. Als Frau Ehret bei ihrem Mann war, ist sie mit Leuten aus Freiburg zusammen gekommen, die bei  dem Bombenangriff dabei waren, der eine hatte seine Frau dabei verloren und Engländer haben doch einen traurigen Mut, es sind die reinsten Meuchelmörder.  Ich habe heute Abend noch die Photoalben eingerichtet, jetzt brauche ich die Bilder nur noch einzukleben. Ich habe die Alben in eine Aktenmappe getan, damit ich sie bei evtl. Angriffen mit in den Keller nehmen kann. Wenn wir auch alles verlieren sollten, die Bilder von uns allen, die Erinnerung an fröhliche Stunden, möchte ich nicht umkommen lassen. Lieber Ernst! Ich sorge mich so um Dich. Laß Dir nur nichts passieren. Ich denke die ganze Zeit an Dich. Es ist inzwischen 11 Uhr geworden und ich will schlafen gehen. Gute Nacht, mein lieber, guter Ernst.   


18. Mai  5 Minuten nach ½ 8 Uhr. Guten Morgen, mein lieber Mann!

Heute habe ich schon die 2. Nacht von Dir geträumt. Das war schön, aber beim Aufwachen bist Du nicht da. Helga ist vorhin zur Schule gegangen und Jörg sitzt mir gegenüber und ißt. Er ist eine kleine Schlafmütze geworden und steht immer erst ¼ 8 Uhr auf. Ich würde ihn ja vorher wecken, aber bei dem kühlen Regenwetter, das heute wieder herrscht, hat das ja keinen Wert, er kann sowieso nur oben spielen. Jetzt hat sich Jörg wieder einen wunderschönen Bart angemalt, Du weißt ja noch, wie schön er da aussieht.

 ¾ 3 Uhr Jetzt will ich gerade mit den Kinder in die Stadt gehen. Vorher will ich Dir aber noch einen kurzen Gruß senden. Wo wirst Du jetzt sein?  Ich denke immer an Dich.  Jetzt kam gerade eine Sondermeldung, daß unsere Truppen in Antwerpen einmarschiert sind. Das sind doch alles großartige Leistungen, die unsere Soldaten vollbringen.

¾ 10 Uhr. Nun ist Feierabend, lieber Ernst. Nun will ich Dir auch noch unseren Nachmittags-Verlauf erzählen. Heute haben die Kinder ihre Sparkassen geleert, jeder hatte 57 Pfennig. Davon haben sie Dir und mir etwas gekauft. Jörg hat Dir ¼ Pfund Gebäck gekauft und Helga Waffeln und Hustenbonbon. Sie wollen Dir doch gern ein Päckchen schicken. Von dem restlichen Geld habe ich mir noch etwas wünschen können.  Sie haben mir dann einen Teller aus Kunstharz gekauft. Es gibt nur noch einzelne Stücke, denn Sachen aus Kunstharz werden während des Krieges nicht mehr hergestellt.  Du hättest einmal sehen sollen, mit welchem Stolz Helga und Jörg ihr Geld auf den Ladentisch gelegt haben. Jörg hat es natürlich auch selbst aufgezählt. Helga und Jörg sind ganz besorgt, ob Du Dich auch freuen wirst. Ich darf heute nicht mehr in die kleine Stube, denn da haben sie schon aufgebaut zum Muttertag.  Heute habe ich auch Fritz getroffen. Da siehst Du erst mal wie sie lügen. Fritz sagte, er hätte noch nichts unternommen, um wegzukommen, denn es sei doch zwecklos, während Resi gesagt hat, er wäre bei seinem Chef gewesen. Na ja, lassen wir sie gehen. Heute haben mich auch Frau Meßmer und Kusters angesprochen. Mit wahrer Leidensmiene sagten sie, sie hätte gehört, daß Du fort bist. Ich lasse es mir ja fremden Leuten gegenüber nicht merken, wie es mir um‘s Herz ist, sondern tue ganz gelassen. Was brauchen andere Leute alles wissen. Daß Du mir fehlst, geht die anderen ja nichts an.
Morgen Vormittag gehe ich mit den Kindern ins Kino, ich lege das Programm bei. Das interessiert mich sehr und ich kann da die Kinder mitnehmen. Staunst Du nicht, was ich schon unternehme. Böse wirst Du mir deswegen nicht sein.  Ein paar Minuten nach ¼ 10 Uhr kam Vater noch. Er hatte einen kleinen Unfall. Im Geschäft ist ihm an der Sägemaschine 1 Stück Holz gegen den Magen geschlagen, daß er gar nicht mehr hat schnaufen können. Auch die linke Hand ist etwas aufgeschlagen. Er hat Heftpflaster drüber. Er ist sehr froh, daß es so gut abgelaufen ist. In ein paar Tagen, denkt er, wird wieder alles heil sein. Anfang nächster Woche stupfe ich noch die restlichen Stangenbohnen. Geregnet hat es ja wieder gut, so daß sie gut wachsen sollten. Heute Nachmittag hatte sich‘s übrigens aufgeklärt. Infolge des Regens ist es etwas kühl geworden, so daß man im Zimmer gut noch ein bißchen Feuer brauchen kann. 5 Minuten vor 11 Uhr ist Vater jetzt gegangen und ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht, mein lieber, lieber Ernst. 


½ 10 Uhr Mein lieber, lieber Ernst!

Wir wollen jetzt in den Film gehen. Da tue ich mir, wie du es gewünscht hast, Deine Uhr um. Heute ist eine Karte zum Muttertag von Siegfried gekommen. Er ist jetzt in Plauen. Auch von Kurt ist ein Brief gekommen, ich lege ihn bei. Er hat also unsere Karte vom Haldenhof noch nicht bekommen. Nur von Dir ist gestern und heute nichts gekommen. Du siehst, ich bin schon wieder verwöhnt.

½ 4 Uhr Lieber Ernst! Jetzt muß ich Dir eine Enttäuschung bereiten. Der Film ist nichts geworden. Er ist scheinbar falsch aufgelegt worden, denn nur das rote Schutzpapier ist vorbeigegangen und hat sich auf die andere Rolle gewickelt, der Film hat sich auf der ersten Seite in die Spannrolle gedreht und ist gar nicht mitgerollt. Ich bin jetzt sehr enttäuscht, daß wir keine Bilder noch von uns allen zusammen haben. Es läßt sich nun nicht ändern. Es ist gut, daß wir die Sonntage vorher Aufnahmen gemacht haben.  Heute früh haben die Kinder mich nun überrascht. Sie schenkten mir jeder 1 Strauß Schlüsselblumen. Ich mußte dann mit in die Stube, da hatte Helga 2 und Jörg 1 Bild gemalt, davor hatten sie den Teller gestellt. Dann hat Helga noch ein Gedicht aufgesagt. Sie will Dir‘s selber schreiben. Heute Mittag haben sie mir noch einen Strauß Margaritten und Hafermark geschenkt. Ich habe mich wirklich sehr gefreut. 
Der Film war heute sehr interessant. Erst war der Kampf in Polen, d.h., ein Teil der Wochenschau zu sehen, dann Dänemark und Norwegen, zuletzt Holland, Belgien, Luxemburg. Da müssen die Soldaten tatsächlich große Leistungen vollbringen.  Die Veranstaltung in St. Kathrinen ist abgesagt worden, da sind wir zu hause geblieben. Die Kinder spielen noch unten, denn es ist heute wieder schönes Wetter, nur ein bißchen windig. Morgen will ich wieder mal im Garten schaffen.  Ob Du heute auch Radio hörst, ob Ihr überhaupt welches habt? Vielleicht kommt morgen wieder Nachricht von Dir.  Gestern war ich nochmals auf der Post und habe die Briefmarke vom 1.Mai bekommen, eine verwerte ich und lasse sie zurückschicken.

½ 11 Uhr. Lieber Ernst. Heute nur noch einen kurzen Gruß. Vater war bis jetzt da und ich habe gestopft. Jetzt bin ich sehr müde. Gute Nacht, lieber, lieber Ernst. 


½ 12 Uhr Lieber Ernst.!

 Damit Du siehst, daß ich nicht nur schreiben, sondern auch schaffen kann, bin ich heute, es ist strahlender Sonnenschein, in den Garten gegangen. Ich habe noch die restlichen 2 Sorten Stangenbohnen und die halbhohen Bohnen gesteckt. Da ich noch viel halbhohe übrig hatte und Herr Steinmehl überhaupt keine dieses Jahr hatte, habe ich ihm auf seinen Wunsch hin welche gegeben. Du wirst doch nichts dagegen haben. Ich habe bei den Möhren das Netz weggetan und im ganzen Garten Unkraut gejätet, nach dem Regen schießt es jetzt kolossal. Dann habe ich überall den Boden gelockert, auch hüben bei Kohlrabi und Salat. Ich habe auch die Stachelbeersträucher abgestützt. Als ich beim Schaffen war, brachte mir Helga Deine zwei lieben Karten aus Salzburg und St. Pölten. Ich habe mich so sehr darüber gefreut. Die Karte von Salzburg, die Du am 17. vormittags geschrieben hast, ist erst am 18. abgestempelt, die andere am 17. Ich danke Dir, daß Du so treu an mich bezw. an uns denkst.  Helga hat heute und morgen keine Schule. Das Schulhaus wird geräumt, es wird Lazarett. Entweder haben sie dann im Bubenschulhaus, aller Wahrscheinlichkeit nach aber im Kloster überm Rhein Unterricht. Es wäre ja ein ziemlich langer Weg, aber für unsere verwundeten Soldaten kann man schon kleine Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen.  Nun muß ich erst mal mit schreiben aufhören, denn wir haben alle langsam Hunger. 

 ¾ 9 Uhr Lieber Ernst!

Heute Nachmittag habe ich noch die Brombeeren verschnitten. Es waren noch manche erfroren, aber die anderen treiben jetzt ganz gut.  Ich habe sie auch wieder festgebunden. Zerkratzt sehe ich ja jetzt ein bißchen aus.  Im Garten drüben kommen jetzt auch schon die Buschbohnen raus. Auch viele Kartoffelstauden gucken schon lustig in die Welt. Die Radieschen neben den Stangenbohnen sind auch sehr gut gekommen, ebenso die Rettiche bei den Kohlrabi. Die letzteren haben schon die Bewunderung unserer Nachbarn erregt. Frau Nußbaumer, Frau Schwehr usw. waren ganz erstaunt, daß wir schon so schöne „Kohlräble“ haben, daß sie so gut ansetzen. Schon kleine „Knöllele“ hätten sie. Morgen essen wir das erste Mal vom jungen Spinat. Die restlichen Blätter vom Winterspinat verwende ich noch und dann reiße ich ihn heraus. Heute hat mir Jörg schon wieder 2 Riesensträuße angeschleppt gebracht. Das ist ja seine große Leidenschaft, Blumen pflücken. Ich habe schon fast alle Vasen voller Blumen, schön lustige, bunte. Eine wahre Pracht. Ich habe jetzt abbremsen müssen, sonst hätte Jörg mir noch einen ganzen Arm voll gebracht.  Ich glaube, unsere Stare haben wieder Junge, denn es ist den ganzen Tag ein Gezwitscher und Herumgefliege. An unseren Staren haben wir doch schon viel Freude gehabt, nicht wahr?  Ich erledige jetzt nur noch meine Arbeiten, die Milch abkochen, und gehe heute, wenn Vater nicht kommt, mal ein bißchen eher schlafen. Das tut mir auch gut. Wenn ich Dich jetzt hier hätte, bekämst Du mal wieder recht herzliche Küsse. So kann ich Dich bloß herzlich grüßen und Dir eine recht gute Nacht wünschen. Gute Nacht, mein lieber Mann, mein lieber Ernst.


2 Uhr Lieber Ernst!

Heute bin ich noch gar nicht zum Schreiben gekommen.  Ich war heute beim Verband wegen der Untersuchung von Helga. Man hat jetzt doch wieder Dr. Bundschuh nehmen können. Außerdem war ich auf der Bank. Ich hatte nämlich ein ungültiges 2-Mark-Stück bekommen, das habe ich umgetauscht. Da hatte ich mal nicht aufgepaßt, vielleicht habe ich zu viel an Dich gedacht? 

Es ist jetzt 5 Uhr und ich bin eben vom Garten gekommen. Ich habe wieder gejätet und es sieht wieder sauber aus, nur bei den Kartoffeln noch nicht, da habe ich erst 3 Reihen hacken können, die anderen kommen in einigen Tagen dran, wenn sie genügend groß sind. Am Zaun habe ich noch Bohnen gesteckt, das hattest Du doch, soviel ich weiß, noch nicht gemacht. Wir essen jetzt gleich, weil ich heute noch ins Sturmbüro fahren und Deinen Mantel wegschaffen will. 

¼ 9 Uhr. Soeben bin ich wiedergekommen. Ich war im Sturmbüro, da aber niemand da war, bin ich zum Schott gefahren. Die Straßennummer habe ich mir erfragt. Ich habe mir eine Bestätigung für den Mantel geben lassen. Jetzt schreibe ich noch an Kurt einen Brief. Viel weiß ich ja nicht zu schreiben, denn Kurt hat immer so wenig geredet, so daß man eigentlich gar keine gemeinsamen Interessen hat. Vielleicht kannst Du ihm mal ausführlicher schreiben. Aber vergiß mich dabei nicht. Ich warte immer auf Nachricht von Dir.  Ich schicke Dir heute einen Zeitungsausschnitt, der Dich sicher auch  interessieren wird.
 ½ 11 Uhr  Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht, mein lieber Ernst.