Donnerstag, 18. Juli 2019

Brief 763 vom 14./15.7.1944


Lieber, lieber Ernst !                                                              Konstanz, 14.7.44         

Auch heute erhielt ich keinen Brief von Dir. Da ich nun garnichts beantworten kann, muß ich Dir nur von unserem Tagwerk berichten und das ist nicht viel.  Gest ern Nachmittag sind wir wieder vergeblich nach dem Radio gelaufen.  Das Fräulein hat ihn nicht in die Werkstatt gegeben und er stand noch unberü+hrt da.  Gestern war nun der Mann selber da und sagte, er würde nun bestimmt gemacht.  Eigentlich bis morgen. Ob das aber stimmt? Ich glaube garnichts mehr.  Einige alte Ringe von Sterilisierungsgläser wollte ich noch umtauschen, bezw. neue gegen Rückgabe der alten kaufen, aber auch da hatte ich kein Glück. So war der Weg in die Stadt ziemlich umsonst. Heute war oder vielmehr ist Putztag. Da habe ich wieder einmal alle Holzbödenaufgefärbt. Das war wieder einmal nötig. Währenddem kam Vater. Er hatte bei Paula Stachelbeeren geholt. Sie haben gefragt, wieviel er wollte. Er wollte „nicht unverschämt sein“ und hat 6 Pfund gesagt. Ich bin vorhin in den Garten gegangen und habe Stachelbeeren zu Marmelade und Johannisbeeren zum sterilisieren gepflückt.  Heute Abend muß ich sie noch fertig machen. Vorher fahre ich aber in die Stadt, um das bestellte kleine Kränzle für die Gerda von Waibels zu holen.  Die Kinder haben heute ein Zelt aus Zeltbahnen im Garten aufgebaut. Erst hatten sie es auf der Wiese, aber das ließ anderen Kindern keine Ruhe und sie mußten dauernd stören. So ist es viel besser. Das Zelt macht ihnen natürlich viel Spaß und sie meinten, wenn sie es jeden Tag aufstellen dürften, dann würden das die schönsten Ferien.  Von Tante Agnes  Mamas Schwester, erhielt ich heute eine Karte. Auf dieser teilt sie mir mit, daß Hubert  der jüngste Sohn  am 26.6. an der Düna durch Kopfschuß gefallen sei. Da s tut mir sehr leid. Tante Agnes hat doch auch dauernd Kummer. Erst stirbt Maria , dann kommt Hans in Gefangenschaft, nun fällt Hubert. Leo, der Älteste, der im Lazarett war. steht wieder im Süden der Ostfront.  Wenn ich nur wüßte, wie es Dir geht.  Immer denke ich an Dich, wo Du wohl jetzt sein könntest. Es wär für mich solch große Freude, wenn ich wieder einmal einen Gruß von Dir erhielt. Bleib nur immer gesund, Du Lieber. Laß Dich recht oft grüßen und küssen von Deiner Annie.


 Mein liebster Ernst!                                                        Konstanz, 15.7.44            

Wieder habe ich keine Post erhalten und so bleibt mir auch heute nichts weiter übrig, als Dir von uns zu erzählen.  Gestern gegen Abend bin ich in die Stadt gefahren wegen des Kranzes für die kleine Gerda.  Ich dachte, ich fahre nochmals beim Radiohändler vorbei und gucke, ob unser Apparat schon in Arbeit ist. Und denk Dir, da war er schon fertig. Ich bin dann nur schnell zum Blumengeschäft gefahren und habe gesagt, daß ich den Kranz heute Morgen hole. Dann habe ich den Apparat mit heim genommen. Nun läuft er wieder. Die Rechnung lautet: Vorschaltwiderstand gefertigt und in das Gerät eingebaut Widerstandsdraht  Schrauben, Aspestschiefer Gesamtkosten des Materials             ,45 Arbeitslohn für 2 ½ Stunden           6,25    = 6,70 Der Widerstand besteht jetzt aus einer mit Draht umwickelten Scheibe, die an der Seitenwand mit einer langen Schraube festgemacht ist. Die Seitenwand wird dadurch natürlich heiß. Vom Widerstand laufen 2 Drähteab, die eingearbeitet sind. Wir werden ja sehen, wie lange es jetzt wieder hält. Jedenfalls freuen wir uns erst mal, daß wir ihn wieder haben. Wir stellen den Apparat ja sowieso sparsam ein.  Bei den Kindern hat es eine riesige Freude her vorgerufen, als das Radio wieder ging.  Heute Morgen habe ich gleich den Kranz besorgt und dann mußte ich mich schon bald zum Begräbnis anziehen.  Am Nachmittag habe ich Stachelbeeren gepflückt. 4 Gläser voll habe ich sterilisiert und von 6 ½ Pfund koche ich Marmelade. Bis jetzt haben wir ca. 17 Pfund geerntet. Sterilisiert habe ich 6 Gläser Rhabarber, 6 Gläser Erdbeeren, 8 Gläser Johannisbeeren, 4 Gläser Stachelbeeren.  Die Kinder hatten wieder ihr Zelt aufgebaut. Das ist so recht nach ihrem Geschmack. Da können sie drin sitzen oder liegen, können lesen oder auch nur faulenzen. So gefallen ihnen die Ferien,.  Ich sagte heute zu Helga und Jörg, sie möchten auch noch Stachelbeeren pflücken, weil sie zur Marmelade noch nicht reichen. Es mußten noch ca. 4 Pfund gepflückt werden. Sie kamen dann später und brachten sie mir gleich fertig geputzt wieder. Sie hatten also schon den Stiel und die Blüte abgemacht. Da habe ich mich aber gefreut.  Wir sind nur gespannt, was Vater für ein Gesicht macht, wenn das Radio wieder da ist. Das hört er doch so gern. Er hat auch immer die Angewohnheit, daß er unsere Uhr mit dem Radio vergleicht und jedes Mal heißt es dann „die Uhr geht auch drei Minuten vor.“ Oder natürlich auch mal nach, denn genau geht sie nie. Aber gemacht wird sie jetzt auch nicht, und ob sie dann besser ging, das ist noch die Frage.  Nun gehe ich ins Bett und vorher grüße und küsse ich Dich recht oft und herzlich. Und einen großen Wunsch habe ich, daß ich bald wieder von Dir einen Brief erhalte. Noch größer ist mein Wunsch, daß Du ganz gesund bleibst. Nun bekommst Du nochmals einen festen Kuß von Deiner Annie.

Samstag, 13. Juli 2019

Brief 762 vom 13.7.1944


Mein lieber Ernst !          Konstanz, 12.7.44          23.

 Heute Mittag hatten wir wieder Alarm. In München waren sie sicher wieder. 2 ½ Stunden lang hat man die Flieger immer gehört und gewummert hat es auch ziemlich. Durch den Alarm  ist man garnicht richtig zum schaffen gekommen. Wir haben nur Johannisbeeren gepflückt zum Abendbrot, dann habe ich die Tomaten ausgeputzt und frisch angebunden und hinterher Unkraut raus gemacht. Außerdem hatte ich natürlich die übliche Hausarbeit.  Von Papa bekam ich eine Karte und einen Brief mit Bildern von den Gräbern in Leipzig und von Ursula zu ihrem ersten Geburtstag. Die Bilder von den Gräbern habe ich Vater gegeben, denn ihn gehen sie ja auch viel an und Dir hat Papa ja auch welche geschickt. Diese können wir ja aufheben. Bei dem Angriff auf Leipzig ist gerade noch alles soweit gut vorbei gegangen. Man ist jedesmal froh. Heute haben sie die kleine Gerda von Waibels uns gegenüber ins Krankenhaus geschafft. Sie soll Magen und Darmkatarrh haben. So ein kleines nettes Ding von 2 Jahren ist sie.  Vater hat vom Wehrmeldeamt die Anfrage bekommen, ob Kurt schon die Ostmedaille bekommen hat. Sonst möchte Vater hinkommen. Er geht auch in den nächsten Tagen gleich.  Mein liebster Mann!          13.7. GEstern Abend wußte ich nichts weiter zu schreiben. Da wir den Brief heute Mittag mit in die Stadt nehmen, schreibe ich gleich noch von heute mit. Vorhin hatten wir wieder Alarm. Man hat es von weitem wummern hören. Bei uns waren die Flieger nicht. _ Das kleine Mädel von Waibels ist heute gestorben. Es hatte Magen und Darmvergiftung. Von was, wissen sie auch nicht. Es ist so traurig, wenn man so ein liebes kleines Dingl verlieren muß.  Unser Jörg hat sich mit seinen Freunden im Hof ein Zelt aus Decken und Säcken gebaut. Darin  sitzen sie die ganze Zeit. Jörg hat die Musik mit, welche allen gefällt. Wie viel Freude hat sie doch schon bereitet. Helga sitzt hier bei mir und malt. Das ist immer noch ihre Freude. Menschen malen. Am Nachmittag gehe ich mit ihr in die Stadt. Wir wollen doch wieder nach dem Radio fragen. Jörg bleibt lieber bei seinem Zelt. _ Post habe ich auch heute wieder nicht von Dir bekommen. Vielleicht, vielleicht habe ich morgen mehr Glück. Ich würde mich sehr freuen. Aber inzwischen hoffe ich, daß Du ganz gesund bist und daß Du es nicht gar so schwer hast. Daß meine Gedanken immer bei Dir sind, das darfst Du glauben. Laß Dich recht herzlich grüßen und küssen von Deiner Annie.

Brief 761 vom 10. und 11.7.1944


Mein liebster Ernst !       Konstanz, 10.7.44       

Ja, was soll ich Dir heute berichten? Viel Abwechslung gab es heute in der Beschäftigung nicht. Am Vormittag waren wir im Garten und haben 11 PfundJohannisbeeren gepflückt, sodaß wir bisher 43 Pfund geerntet haben. Am Nachmittag habe ich alle Beeren abgezupft und vorhin habe ich nun 6 Gläser Johannisbeeren sterilisiert.  Nach dem Abendessen bin ich noch ein Weilchen in den Garten geganen um Unkraut auszureißen. Am Baum war wieder ein großer Schwamm. Wir haben ihn vorhin abgekratzt.  Während ich so beschäftigt war kam Vater. Er sitzt jetzt hier am Tisch und liest. Er brachte wieder einige Hefte für die Kinder mit, weil die armen Kerlchen garnichts zum lesen haben. An Papa habe ich eine Karte geschrieben, damit er weiß, daß sein Brief, seine Karte und das Paket angekommen ist. Und damit er die Brotmaschine Erna geben kann.  Das Wetter war heute wie im April. Die Kinder wußten garnicht, sollen sie raus gehen oder drin bleiben. Jörg hat es ganz schlau gemacht. Er hat sich seinen Bauernhof aufgestellt und immer damit gespielt, wenn es regnete.  Zwischendurch hat er wieder auf der Straße gespielt. Jörg weiß sich auch zu helfen. Er brauchte umbedingt einen reitenden Hirten. Da hat er sich einen aus doppelten, starken Papier ausgeschnitten, angemalt und zusammengeklebt. Die Hände und Beine hat er aber auseinander gelassen, sodaß er den Mann aufs Pferd setzen kann und die Hände legt er an den Hals des Pferdes. Solch selbstgefertigtes  Spielzeug macht genau so viel Spaß wie anderes.  Morgen wollen wir nochmals nach dem Radio fragen. Fertig wird es ja wieder nicht sein, aber ich frage immer nach, damit sie sehen, man kümmert sich drum. Vielleicht gehen wir vorher ins Kino. Es wird ein jugendfreier Film gespielt „Das Lied der Nachtigall.“ Das Einkaufen werden wir auf dem Weg gleich auch mit besorgen.  Vater ist jetzt heimgegangen. Und ich gehe ins Bett. Es ist doch schon wieder nach 11 Uhr. Hoffentlich bekomme ich recht bald wieder Nachricht von Dir. Bleib immer gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner immer in Gedanken bei Dir weilenden Annie. Nachts? Vorhin hatten wir seit längerer Zeit wieder einmal Voralarm.


 Mein lieber, lieber Ernst!        Konstanz, 11.7.44       

 Auch heut e erhielt ich keine Post von Dir. Ich hoffe wieder auf morgen. Ich würde mich so über einen Brief freuen. ABer ich will nicht ungeduldig werden, es sind ja erst 5 TAge vergangen, seit ich Deinen lieben Brief vom 26.  erhielt. Wahrscheinlich werde auch ich das warten auf Post jetzt lernen müssen, denn bei den jetzigen EReignissen wirst Du wenig zum schreiben kommen. Und glaub mir, ich werde auch froh sein, wenn Du hin und wieder einmal schreibst und wenn es nur eine Karte ist. Wie es Dir wohl jetzt geht? Hast Du es sehr schwer? Nach dem Wehrmachtsbericht soll bei Euch drückende Hitze herrschen. Dadurch wird ja alles erschwert. Bei uns geht alles seinen Gang. Heute Mittag hatten wir seit längerer Zeit wieder einmal Alarm. Die Flieger müssenin München oder Augsburg gewesen sein. 2 flieger sind über uns nach der Schweiz geflogen.  Am Nachmittag waren wir Drei zusammen im Kino. Es war insofern eine Enttäuschung, als die Wochenschau nicht angekommen war und überhaupt keine gezeigt wurde. Und gerade die Wochenschau ist doch mit das Wichtigste. Hinterher haben wir nach dem Radio gefragt. Natürlich war es nicht fertig.  Als ich dem Fräulein sagte, es müßte doch nur ein Vorschaltwiderstand eingebaut werden, da meinte sie „ach so, ich dachte immer, ein anderer Widerstand. Da will ich gleich nochmals fragen.“ Sie meinte dann, er würde bis Donnerstag gemacht, denn sie sollte den Apparat gleich in die Werkstatt bringen. Ob er nun tatsächlich gemacht wird? Ich bin gespannt.  Von Frau Dietz bekam ich eine Karte. Sie fragt wegen Jörgs Geburtstag an. Ob sie ihm auf die Kleiderkarte etwas kaufen könnte oder ob wir sonst einen Wunsch haben. Die Kleiderkarte kann ich ihr nicht schicken. Wir wollen doch für eine lange Uniformhose für den Winter Punkte sparen. Und sonst haben wir eigentlich auch keinen Wunsch. Ich selber kann Jörg auch nichts schenken. Es könnte höchstens sein, ich fände noch eine Kleinigkeit. Evtl. stricke ich ihm ein Paar Söckchen. Das muß ich dann aber abends tun, denn bei Tag sind die Kinder ja immer hier.  Sobald wieder gutes Wetter ist, werden wir noch einen Busch johannisbeeren pflücken. Diese werde ich wieder sterisisieren. Einen Teil gebe ich vielleicht noch Vater.  Paula hat doch Vater Stachelbeeren angeboten. 1 ½ Ztr. haben sie bisher geerntet, wie sie sagt. Nun fragte sie Vater, wieviel er haben wollte bezw. wieviel er noch Zucker zum einmachen hätte.  Als er meinte, ca. 6 Pfund, da sagte sie: „bei Stachelbeeren muß man schon fast Pfund auf Pfund nehmen.“ Das ist aber nicht der Fall. Ich bin nun gespannt, ob sie VAter mit 6 Pfund abspeisen wird. Sie verkauft nämlich sonst ihre Beeren nur gegen Zucker, wie sie Vater sagte. Von einer Frau hat sie 10 Pfund, von einer anderen 6 Pfund bekommen. Bei Vater kann sie natürlich damit nicht rechnen.  Gestern abend waren alle Kinder vom Haus und Nebenhaus im Vorraum versammelt und der Willi von Büsings hat Geister und Detektivgeschichten erzählt. Mit Begeisterung haben sie drauf gehört. Aber hinterher hat es Helga doch ein bißl mit der Angst zu tun bekommen. Sie hat mir verschiedenes erzählt und meinte immer wieder „gel, ich brauche keine Angst zu haben. Das gibt es doch nicht.“ Ich konnte sie beruhigen. Es waren zu phantastische Sachen. Jörg hatte ja keine Angst. So war rührt ihn nicht. Da lacht er nur dazu. Es ist ja auch gut so. Nun schließe ich wieder. Bleib Du, mein Ernst, gesund und laß Dich herzlich grüßen und küssen von Deiner Annie.

Brief 760 vom 9.7.1944

Mein lieber Mann !                                   Konstanz, 9.7.44  Sonntag        

GEstern habe ich sicher wieder keine Nummer auf meinen Brief geschrieben. Es füllt mir gerade jetzt ein, als ich im Kalender nachschaue, welche Nummer an der Reihe ist. Da stand noch keine drin. Es wäre 19 gewesen. Von Dir habe ich auch heute keine Post erhalten. Vielleicht kommt morgen etwas.  Der Tag vergeht heute recht friedlich und ist zum ausruhen geeignet. Zum baden ist es zu windig, darum sind wir daheim geblieben. So gegen ½ 8 Uhr sind wir aufgestanden und haben Frühstück gegessen. Dann wollte sich Helga aufs lesen stürzen. Sie war erst ein bißchen beleidigt, daß sie noch was mit schaffen sollte. Dann hat sie aber doch gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Jörg hat inzwischen den Brief an Dich auf die Post geschafft. Er tut es gern, denn er sagte einmal, mit dem Rad könnte ich ihn überall hinschicken. Fahren ist sein größtes Vergnügen. Auch jetzt ist er wieder ein Stück unterwegs. Er sagte vorhin „Mutterle, Du könntest mir einen ganz großen Wunsch erfüllen. Soll ichs sagen?“ Als ich ihn dazu aufforderte meinte er: „Ich möchte ein kleines Stück mit dem Rad fahren.“ Nun fährt er nach Wollmatingen, die eine Straße zu Stromeyer runter und dann zurück.  Am Vormittag habe ich dann aufgeräumt und Essen gekocht. Nach 12 Uhr haben wir schon gegessen. Nachdem ich hinterher aufgeräumt hatte, habe ich mich zum lesen gesetzt. Na, ganz stimmt es doch nicht. Ich hab noch einen Pudding gekocht. In die Schüsseln ist immer 1 Schicht Pudding und 1 Schicht Erdbeeren gekommen. Um 3 quälten mich die Kinder um 1 Schüssel und um 4 Uhr meinten sie, man könnte nun eigentlich die andere Schüssel und den restlichen Kuchen con heute früh essen. Das haben wir auch getan. Als ich vorhin meinte „es ist ja schon 5 Uhr“, da sagte Helga „prima, da können wir bald wieder essen“. Was sagst Du dazu? Ich habe lachen müssen und gesagt „Ihr seid doch eine ganz verfressene Gesellschaft“. Das hat sie aber garnicht gekränkt. Sie meinten sogar „so ein Tag ist mal prima, man braucht nur spielen und essen“. Jetzt sitzt mir Helga gegenüber und malt Mädel aus einer Zeitschrift ab, was ihr ganz gut gelingt.  Heute mittag haben wir doch lachen müssen. Es gab Kartoffeln, Blumenkohl und Hackfleisch. Da haben wir doch tatsächlich den Hackbraten vergessen zu essen. Kannst Du das verstehen? Der lag hinterher noch friedlich in der Pfanne. Na, satt sind wir auch so geworden und so gibt es nun ein gutes Abendbrot.  Da denke ich gerade an etwas. Im letzten Rundbrief klagt doch Papa wieder, daß Lotte nicht wüßte, was sie kochen soll. Sie hätten keine Kartoffeln. Ich kann ja keine hinschicken und dann glaube ich, daß Lotte auch selber mit schuld ist. Immer nur Haferflocken usw. brauchte sie bestimmt nicht kochen, wenn sie öfter mal Gemüse holen würde. Man kann das doch etwas dicker kochen, damit es sättigt. Mama hat es doch in einer knappen Zeit auch getan. Aber Lotte hat das schon bei unserem Besuch nicht getan. Einmal war es zu  viel Arbeit, ein andermal mußte man zu lange anstehen und ein drittes Mal war nach ihrer Meinung nicht viel dazu. Mit den Kartoffeln ist es genau so eine Sache. Ich hatte doch welche geschickt und wir hatten auch welche mitgenommen. Ich sagte damals zu ihr, es hätte eben auch manche kleine drin. Davon müßte man Pellkartoffeln kochen. Sie meinte darauf, Pellkartoffeln würde sie auf keinen Fall essen, lieber gar keine. Na also, da muß sie‘s eben haben. Damals hat sie durchs schälen auch die Hälfte weggeworfen. Wir haben auch Salzkartoffeln immer lieber gegessen und haben uns doch auf Pellkartoffeln umgestellt um auszukommen.  wir wußten ja erst nicht, daß wir nochmals welche bekämen und auch jetzt essen wir Pellkartoffeln. Ich sehe es nicht ein, daß wir ihr da helfen, so gern ich es auch Papa zuliebe tät. Aber so gut sind die Kartoffeln jetzt auch nicht mehr und es würde vielleicht nur noch darüber geredet. Inzwischen hat sich der Himmel stark bewölkt und es ist windig geworden. Jörg ist wieder daheim. Das fahren hat ihm soo gefallen. Helga hat das malen satt und schaut zum Fenster heraus. Und ich werde nun das Abendessen fertig machen. Es gibt Bratkartoffeln und Brot mit Hackbraten oder Käse. Nun habe ich von uns genug erzählt. Wenn ich nur wüßte, wie es Dir geht und wo Du jetzt bist. Das sind doch immer meine Gedanken. Ich hoffe, daß Du gesund bist und nicht soviel Schweres erlebst. Viele gute Wünsche begleiten Dich immer.  Für heute grüße und küsse ich Dich recht herzlich Deine Annie.  Liebes Vaterle! Wir haben jetzt Ferien. Ich freue mich, daß das Zeugnis gut ausgefallen ist. Du wirst es sicher schon in der Zwischenzeit bekommen haben.  Hat es Dich gefreut, daß ich eine 2 im Deutsch bekommen habe. Wir haben uns heute einen faulen Tag gemacht. Gestern ist nämlich das Packet von Papa mit Zeitungen angekommen. Da haben wir uns gleich „drangemacht.“ Gestern hat uns Großvaterle noch „Kinder Kurier“ mitgebracht. Die von 1925. Die hast Do wohl nicht mehr gelesen?  Aber sie sind wunderbar, glaubst Du? Ich hab sie heute schon ein wenig „durchgeschartet“. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga. Liebes VAterle! Ich schreibe Dir heute im Anschluß an Mutterle‘s Brief, auch einen kurzen Brief.  Heute bei Tag war schönes Wetter, jetzt ist es gleich ½ 7 Uhr, jetzt ist es schon sehr bewölkt. Ich weiß nicht, ob es noch zum regnen kommt.  Gest ern bekamen wir ein Paket mit Zeitungen von Papa. Heute bin ich nicht viel rausgegangen. Ich habe ein bißchen die Zeitungen angeschaut. Hast Du schon mein Zeugnis gekriegt? Gelt es war doch noch gut. Wie Dir Mutterle vieleicht schon schrieb, haben wir vom 4 Juli bis einschl. 24.August Ferien. Ich hab‘ es wieder schön, ich habe während den Ferien Geburtstag.  Viele Grüße und 10000000000 mal 9900000000 Küsse von Deinem Jörg.

Brief 759 vom 7 und 8.7.1944


Mein liebster Ernst !         Konstanz, 7.7.44       

Gesternbin ich nicht zum schreiben gekommen. Ich war abens so müd, daß ich schon die Kinder zeitiger hereingerufen habe, damit wir ins Bett gehen konnten. Frü waren wir zuerst im Garten und haben 7 ½ Pfund Johannisbeeren gepflückt. 6 Pfund hat Jörg gleich zu Vater geschafft. Die restlichen 1 ½ Pfund habe ich noch mit zur Marmelade verwendet, die ich gerade kochte. Im ganzen habe wir jetzt 32 Pfund Johannisbeeren gepflückt. Ungerechnet die, die gleich vom Busch gegessen worden sind. Die Büsche leeren wir auch nie ganz. Die Nachlese können Helga und Jörgh halten.  Am Nachmittag waren wir in der Stadt. Wir wollten das Radio holen. Wie ich mir schon dachte, war es noch nicht fertig. Wir haben uns auf der Marktstätte noch ein Platzkonzert der Militärkapelle angehört und haben dann nochmals nach Riemensandalen geschaut. Für Beide konnte ich diesmal welche bekommen. Dann sind wir heim gegangen. Ich habe Abendbrot gemacht und wir haben gegessen. Während ich aufgeräumt habe, sind die Kinder noch spielen gegangen. Dann habe ich sie gerufen und wir sind zeitig ins Bett gegangen.  Heute bin ich gleich zeitig aufgestanden und habe zu putzen angefangen. Es ist ja Freitag. Das Waschhaus mußte ich auch aufräumen. Jetzt, es ist ½ 3 Uhr, bin ich so ziemlich fertig und will dann noch in die Stadt fahren. Die Kinder sind vorhin ans Horn baden gegangen. Wenn ich noch Lust habe, fahre ich nach. Das muß ich mir aber erst noch überlegen. Gestern  und heute haben wir strahlend schönes Wetter. Für uns hier ist es ja schön. Ob Ihr aber darüber froh seid, wenn es bei Euch auch so heiß ist? Ich weiß ja nicht, wo Du jetzt bist. Es heißt ja südlich und südöstlich M wird noch erbittert gekämpft. Ob Ihr da noch dabei seid oder ob das zurückkommende Truppen sind? Ich hoffe ja, daß Du es nicht gar so schwer hast und gesund bist und bleibst. Immer denke ich an Dich, Du Lieber.  . Vom Papa erhielt ich heute eine Karte, daß er ein Zeitungspaket an uns abgeschickt hat. Er hat auch einige Photoalben mit reingetan. Das ist ja ganz schön, aber wo soll ich mit all den Sachen hin. Mir wird angst und bang. Gerade heute habe ich wieder allerhand ausgekramt, was ich wegtun will. Da kommt was Neues. Papa fragt auch, ob ich eine Brotschneidemaschine habe, sonst würde er mir die von Mama schicken. Wenn ich sie nicht brauchen kann, dann bekommt sie Erna. Ich habe ja noch die, die Papa mir gekauft hat.  Gestern gab mir Vater noch einen kleinen Korb mit Deckel, den ovalen, den Du auch im Keller gesehen hast. Ich nehme ihn nun als Flickkorb und tue meinen Spankorb (ohne Deckel) dafür weg. Nun habe ich aber genug so Sachen und lehne jede weitere Annahme ab. Nun laß mich schließen. Bleib immer gesund mein lieber, lieber Ernst und laß Dich herzlich grüßen und oft küssen von Deiner Annie. 


Mein lieber, guter Ernst !               7.7.44         

Da ich Dir gestern nicht geschrieben hatte, beginne ich heute nun den zweiten Brief an Dich. Mittags hatte ich ja den anderen weggeschafft. Ich bin gleich dabei einkaufen gefahren und hinterher bin ich zu den Kindern ans Horn gefahren.  Es war heute schrecklich heiß und das baden war direkt ein Genuß. Unsere Zwei sind natürlich fast den ganzen Nachmittag im Wasser gewesen. Als ich kam, da froen sie fast und natürlich sollte ich dann auch nicht so lang im Wasser bleiben. Einmal sind Beide mit mir ein ganzes Stück rausgeschwommen. Sie könnens schon sehr gut. Ich muß nur immer bremsen, daß sie sich nicht zu viel vornehmen. Lange sind wir nicht mehr geblieben, da es schon später war. Gegen ¾ 8 Uhr kamen wir daheim an. Ich hatte für uns je 1 Schüssel Griespudding, verziert mit einem Kranz einzelner Johannisbeeren ring herum und einer kleinen Traube in der Mitte auf den Tisch hingestellt. Das hat Helga und Jörg gefreut. Hinterher gab es Brotsuppe. Ein Lieblingsessen unserer Kinder. Sie haben sich schon für morgen früh wieder welche bestellt. Tüchtig braun gebrannt sind unsere Zwei schon. Sie sind ja auch meist im Freien, wenn sie nicht schlafen oder essen. Vor 9 Uhr stehen sie jetzt garnicht mehr auf. Das eine Gute ist dabei, ich spare das zweite Frühstück. Dafür kann ich ihnen nachmittags zum baden ein Brot geben. Bei der nächsten Kartenperiode bekommt ja Jörg nun mehr Brot, da er 10 Jahre alt wird. Das ist sehr wichtig.  Gestern ist bei Jörg wieder einmal ein Spulwurm zum Vorschein gekommen. Wodurch er die nur immer bekommt? Unsere Helga hat durch das viele schwimmen unter Wasser ganz entzündete Augen. Dabei ist sie so ein Dummerle. Wenn ich sage, sie soll es sein lassen, dann meint sie, das schwimmen unter Wasser sei soo schön.  Offiziell ist das Strandbad Horn noch nicht geöffnet, auch nicht Strandbad Jakob. Es soll angeschlagen sein, daß das Bad wegen Fliegergefahr nicht eröffnet werde. Die Bevölkerung bade auf eigene Gefahr. Hoffentlich passiert nie etwas.  Wenn morgen wieder gutes Wetter wird, werden wir wahrscheinlich wieder Johannisbeeren pflücken. Diese würde ich dann sterilisieren.  Es ist nun inzwischen ziemlich spät geworden. Darum beende ich den Brief und grüße und küsse Dich ganz herzlich Deine Annie.


 Mein liebster Ernst !                                                            Konstanz, 8.7.44

Ich schreibe heute gleich einmal auf Briefpapaier, welches ich von Papa bekam. Es kam nämlich das Zeitungspaket an. Es waren allerhand Zeitungen drin, dann ein Pinsel, 1 Dose Klebepaste, mehrere kleine Rollen Klebestreifen, einige Bleistifte, 2 Scheuertücher, 4 Photoalben. Es sind die, die auf einem kleinen Tischchen in Leipzig lagen und in denen Bilder von uns und von den Eltern und Siegfried sind. Außerdem hat Papa einzelne Bilder mitgeschickt aus seiner Kinder. und Jugendzeit. Dann war noch Briefpapier und Umschläge drin. Zu lesen haben wir wieder allerhand. Die Kinder auch, denn VAter brachte vorhin Kinderzeitungen von 1924 mit, die er aufgestöbert hat. Da haben sich unsere Kinder natürlich draufgestürzt. Es ist der „Kinder.Kurier von Onkel Max“ Dazu noch einige Hefte der Jugendbücherei „Förster Fleck. Feldzug in Rußland 1812.“ „Die Höllenfahrt“, Hans, der Mahrwirtssohn.“ Unsere Zwei wollen heute garnicht ins Bett und es ist doch schon 10 Uhr. Aber soeben habe ich ein Machtwort gesprochen und ausgezogen muß jetzt werden. Morgen ist auch noch ein Tag. Ein Sonntag ist für die Kinder ja jetzt jeder Tag. Sie können ja jetzt immer faulenzen. Heute waren sie auch wieder baden. Eine Lieblingsbeschäftigung der Kinder ist jetzt auch aufs Sofa liegen. Das tun sie mit Ausdauer. Und dabei wird natürlich gelesen. Auch unser Jörg liest dann. Ganz so abgeneigt wie erst ist er nicht mehr.  In der vergangenen Woche hatte ich doch im Garten sauber gemacht. In dieser Woche kam ich vor Beeren pflücken und einkochen nicht zum nachschauen. Wie ich heute durchgehe, da sehe ich, waß wir einige große Blumenkohl haben. Und die anderen werden auch schon. Da habe ich mich aber gefreut. Wir hatten sie doch gepflanzt, als Du auch Urlaub da warst. Wir haben auch schon feste, große Weißkrautköpfe und Wirsing konnten wir auch schon kochen. Die Buschbohnen stehen prima da. Die Stachelbeeren werden jetzt bald weich. Bei den Johannisbeeren haben wir noch 3 Büsche abzupflücken und zwar welche mit kleinen Beeren. Die mit großen haben wir schon geplündert. Davon haben wir auch Vater gegeben, da er sonst mit zupfen garnicht fertig wird. Die Kartoffeln blühen jetzt, ebenso die niedrigen Erbsen und die Brombeeren. Vater geben wir heute einen Blumenkohl und ein Weißkraut mit.  Was wir morgen machen, wissen wir noch nicht. Vielleicht gehen wir garnicht fort oder wir gehen baden. Es richtet sich nach dem Wetter. Ein richtig fauler Tag ist auch mal schön.  Laß Dich nun zum Schluß des Briefes herzlich grüßen und küssen von Deiner Annie.  VAter sagte mir gerade, daß nach dem Wehrmachtsbericht die feindl. Flieger wieder in Leipzig waren. Hoffentlich ist alles gut vorbweigegangen, daß alle gesund sind.


Brief 758 vom 4.und 5.7.1944


Mein liebster, bester Ernst !         Konstanz, 4.7.44           

Heute ist Dein Geburtstag, der 36ste. Wie schnell vergehen doch die Jahre. Als Du fort mußtest, warst Du noch 31 Jahre alt. So lange geht nun schon der Krieg. Daß wir die vielen Jahre getrennt sein würden, dachten wir damals noch nicht. Aber alles ist ja nicht so schlimm, wenn Du nur wiederkommst.  Am ersten Ferientag habe auch ich einmal ausgeschlafen. Gegen 8 Uhr bin ich aufgestanden.  Die Kinder sind bis um 9 Uhr im Bett geblieben. Dann haben wir Dir zu Ehren eine Tischdecke auf den Tisch getan und Dein Bild, mit Rosen umrahmt, an Deinen Platz gestellt. Wir haben immer an Dich gedacht. Die Feinde sind ja nahe bei Euch und vielleicht hast Du selbst nicht einmal Zeit gehabt, an Deinen Geburtstag zu denken. Unsere Gedanken waren aber immer mit den besten Wünschen bei Dir. Vater kam heute Abend auch rauf und wir haben einen Cognac auf ein gesundes Wiedersehen getrunken.  Geschafft habe ich heute nicht vbiel. da ich von vorgestern und gestern noch kaputt war. Außerdem regnete es, sodaß man auch draußen nicht viel tun konnte. Gegen Abend habe ich noch Johannisbeeren gepflückt, von denen ich Vater 5 Pfund abgegeben habe. Die anderen koche ich zu Marmelade. 15 Pfund haben wir bisher geerntet.  5.7. Lieber Ernst! Beim lesen des Wehrmachtsberichtes bin ich heute doch erschrocken. Die Russen waren ja schon an der Bahnlinie, an der Du bist. Wie wird es jetzt wohl dort sein, denn es wird von schweren Abwehrkämpfen gesprochen. Am 3.7. sei die Bahnlinie wieder freigekämpft worden. Es wird ja vielleicht jetzt so sein, daß Ihr gar keine Post bekomme und auch nicht zum schreiben kommt. Zum Post tranportieren werden sie sicher wenig Zeit haben. Aber ich werde immer mit meinen Gedanken bei Dir sein.  Ich wünsche Dir von ganzem Herzen recht viel Soldatenglück und grüße und küsse Dich recht fest Deine Annie.

Mein liebster Schatz !        Konstanz, 5.7.44      

Gleich 3 Briefe habe ich heute von Dir erhalten, denk, gleich drei auf einmal. Ich habe mich sehr gefreut. Sie sind vom 24./26. Nr. 28/30. Du hast recht, wenn Dur schreibst, daß wir durchhalten müssen, auch wenn es heiß hergeht und wir die Zähne zusammenbeißen müssen. Leicht wird es ja gerade Dir jetzt nicht sein, denn wenn Ihr dort geblieben seid, bist Du ja gerade jetzt im Kampfgebiet.  Ich denke immer daran, wie es Dir jetzt wohl gehen mag. Bis ich von diesen Tagen Nachricht habe, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Wenn Du nur gesund bleibst, dann wir ich gern warten. Du wunderst Dich, wo ich die Körbe noch unterbringe, die ich von Vater habe. Das sind doch kleine Körbe, die leicht unterzubringen sind. Einen habe ich ja auch nur in der Wohnung, der andere ist im Verschlag. Durch den Korb liegen die Puppensachen nicht mehr überall herum, sondern sind aufgeräumt. Dadurch wird manches frei.  Siehst Du, so schlecht schießt Du garnicht, wenn Du gleich eine Elster abschießen kannst. Das schießen ist ja auch gerade bei Euch draußen in Feindesland wichtig.  Wenn ich Dein Päckchen erhalte, werde ich eine Zahnbürste für Dich aufheben. Ich habe ja sowieso noch für Jeden eine Ersatzbürste  da.  Wie ich aus Papa‘s Brief, der heute auch ankam, lesen konnte, hat er ja schon Bindfaden an Dich geschickt. Vor 10 Tagen habt Ihr nun Geschützdonner gehört. Und jetzt sind ja schon Kämpfe an Eurem Platz. Die Zuversicht wegen der allgemeinen Lage verliere ich nicht, aber um Dich sorge ich mich.  Du hast mir in Deinem Brief vom 26.6.  ein Bild davon gemalt, wie es um Dich herum aussieht und was Du so beim Postenstehen siehst. Es hat mich sehr interessiert und auch gefreut, daß ich durch Deine Schilderung einen kleinen Begriff davon bekommen habe. Für die mitgeschickten Blumen danke ich Dir sehr. Diese kommen zu den schon vorher geschichten, die wir ja alle aufheben.  Vom heutigen Tag ist nicht viel zu berichten. Am Vormittag war ich in der Stadt einkaufen, am Nachmittag habe ich die verschiedenen Körbe zu Vater geschafft. Einen Wirsing habe ich ihm mitgenommen. Er hat mir (für die Johannisbeeren von gestern) 2 Pfund Mehl mitgegeben. Die Kinder waren inzwischen bei Ingrid zum spielen. Als wir alle wieder daheim waren, haben wir erst mal Abendbrot gegessen. Dann sind wir in den Garten gegangen und haben Johannisbeeren gepflückt. 25 Pfund haben wir bisher geerntet. Heute früh habe ich auch noch Marmelade gekocht. Sie ist sehr schö und fest geworden. Das größte Vergnügen für die Kinder ist ja, daß sie zwischen dem pflücken auch essen dürfen. Ganz geleert werden ja die Sträucher auch nicht, denn der Rest gehört den Kindern. Da können sie sich bei Appetit immer etwas holen. Heute Morgen hatte ich mich geärgert. Ich hatte von der Marmelade Schaum abgeschöpft. Es war ganz lockerer Schaum und schmeckte herrlich. Die Kinder waren begeistert. Da kam Ingrid und meinte: Sowas essen wir nicht, das schmeißen wir immer gleich in den Abort.“ Vor kurzem waren wir auch mal bei Resi. Da lagen mehrere Stücke trockenen Brotes im Abfalleimer. Helga meinte „oh, das schöne Brot“. Da sagte Resi „Das ist schon zu trocken, das kann man nicht mehr essen.“ Als Ingrid einmal hörte, daß wir Brotsuppe und Auflauf essen, hat sie es scheinbar daheim erzählt. Sie sagte später zu Helga „meine Mutter hat gesagt, da müßte sie sich brechen, wenn sie sowas essen müßte.“ Was sagst Du dazu? Uns hat es bisher immer geschmeckt und ich bin sehr froh um das trockene Brot, welches Du uns immer geschickt hast. Wir lassen es uns auch nicht verleiden. Nun laß mich wieder schließen. Dein Bild mit den Rosen steht immer noch neben mir auf dem Tisch und Du lächelst mir zu. Bleib uns weiterhin gesund und sei recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt von Deiner Annie.


Brief 757 vom 1 und 2.7.1944


Mein liebster Ernst !         Konstanz, 1.7.44       

Die Woche geht ihrem Ende entgeggn. Wenn es morgen schön ist, fahren wir nach dem Mindelsee. Wir nehmen Ingrid mit. Resi fährt, wie sie sagt, zum heuen.  Heute Morgen hat es mit keine Ruhe gelassen, ich dachte, ich frage doch überall nochmals nach einem Vorschaltwiderstand. Natürlich war es vergeblich. Der Installateur in der SA Straße sagte mir noch, ich sollte doch zu einem RAdiofachmann gehen, vielleicht in der Paradiesstraße. Da war ich noch nicht und ich dachte mir, hin gehen tue ich doch mal. Als ich hin kam, sasgte der Mann „Da habe ich keinen Widerstand, aber wir könnten einen anfertigen. Ist es Apparat mit Holzgehäuse? Da könnten wir den Widerstand am besten einbauen, da haben sie nicht immer die Schalterei damit. Bringen sie den Apparat mal her.“ Das habe ich nun getan und am Donnerstag soll ich nachfragen. Hoffentlich ist nichts am Apparat selbst kaputt gegangen, als der Widerstand entzwei ging. Wir würden uns ja sehr freuen, wenn der Apparat wieder gemacht würde. Zuviel wollen wir uns vorher nicht freuen. Aber es hat mich schon gefreut, daß der Mann freundlich war und nicht gleich anfing „Gibt es nicht, geht nicht, kann ich nicht machen“ usw. Schon ein freundliches Wort macht in dieser Zeit froh.  Da wir morgen gleich früh wegfahren, werden wir den Brief wahrscheinlich garnicht auf die Post bringen können. Ich schreibe dann gleich am Abend noch mehr dazu und schicke alles zusdammen ab.   
2.7.  
Eigentlich hatten wir um 8 Uhr fortgehen wollen, aber ganz so zeitig sindwir doch nicht fortgekommen. Ich wqr am Morgen so müd, daß ich trotz aller guten Vorsätze erst ½ 7 Uhr aufgestanden bin. Dann hatte ich noch allerhand zu tun. Um 9 Uhr sind wir dann abefahren. Es war nicht so heiß, da Wolken am Himmel standen und die Fahrt war dadurch angenehm. Wir sind wieder bei den schönen Birken, kurz vor Deinem Aussichtsplatz, vorbeigefahren. Sie gefallen mir immer so gut. Dann hatten wir wieder die wunderschöne Aussicht auf den Hegau. Ich kann an diesem Punkt nie vorbeifahren, ohne besonders fest an Dich zu denken. Die Fahrt am Mindelsee entlang bis zu den Seewiesen ganz am Ende war auch wieder herrlich. Gleich als wir aus dem Wald herauskamen, war ein schönes Fleckchen, wo wir unser Zelt aufschlagen konnte. Das hatten wir nämlich zur großen Freude der Kinder mitgenommen.  Zwischen 2 Bäumen hatten wir die Hängematte gehängt und den Fußball hatten wir auch mit. Also alles, was sich Kinder nur wünschen können. Sie waren auch ganz glücklich. Wir haben im Zelt gesessen, wir haben Ball gespielt. Einmal sind wir auch ans Wasser runter gegangen. Aber es war sehr schlammig dort. Ingrid hat schmutzige Füße bekommen und wollte sie in dem kleinen Bach, der dort gerade fließt, waschen. Auf einmal schreit sie, ein Krebs, ein Krebs. Tatsächlich kam einer angelaufen. Wie ein Blitz war Jörg und Ingrid aus dem Wasser. Beim Ballspiel wollte Jörg nie verlieren oder Punkte kriegen. Da meuterte er immer  und schrie rum, bis es mirzu dumm wurde. Da habe ich ihm ein paar tüchtig runtergehauen. Er hat schwer geschrieen und nicht mehr mitgespielt. Aber als wir dann alles zusammenpackten hat er sich wieder beruhigt und war dann brav. Am Morgen hatte ich mich schon einmal so geärgert. Aber wenn man endlich mal zuhaut, bessert sich manches.  Während des Tages sah es aus, als wollte ein Gewitter kommen. Da haben sich die Kinder mächtig gefreut, denn sie wollten gern bei Regen im Zelt sitzen. Aber der Himmel tat ihnen den Gefallen nicht und es blieb schön. Auf dem Heimweg war es heißer als am Morgen. In Allensbach haben wir uns noch mit frischem Wasser erquickt und nach Allensbach wieder einen bunten STrauß gepflückt. Dann sind wir ohne Pause heimgefahren. ½ 8 Uhrwaren wir wieder da. Vom vielen fahren bin ich jetzt ganz lahm. Die Kinder machen schon wieder Pläne fürs nächste Mal. Das Klausenhorn steht auf dem Programm. Dort gibt es doch aber die vielen Bremsen. Heute haben uns dafür die Schnaken zerstochen.  Doch nun laß mich schließen. Du kannst Dir denken, daß ich sehr müd bin. Und morgen habe ich Wäsche. Bleib immer ganz gesund und laß Dich grüßen und herzlich küssen von Deiner Annie.