Donnerstag, 27. Oktober 2016

Brief 229 vom 26./27.10.1941


Mein lieber Ernst!                                                                         Konstanz, 26.10.41                                               

Heute, am Sonntag, erhielt ich Deinen lieben Brief vom 22.10. Ich habe mich sehr darüber gefreut, denn am Sonntag einen lieben Gruß von Dir zu erhalten, das ist doch besonders schön.
Ich hatte Dich heute in Paris vermutet, aber wie ich aus Deinem Brief ersehe, ist es nichts damit. Ich weiß ja, daß es nicht Dein Geschmack ist, so herdenweise durch eine Stadt geführt zu werden. Wenn Du heute als OVD eingeteilt bist, mußt Du ja zu hause bleiben, oder auf der Dienststelle. Vielleicht hörst Du da auch am Nachmittag Radio, wie wir, denn bei uns ist das Wetter so schlecht, daß man nicht fortgehen kann.
Ich bin sehr froh, daß Dein Rücken etwas besser geworden ist, bitte dich aber immer wieder, laß es nicht hängen. Schone Dich nur, soweit es Dir möglich ist.
Gestern Nachmittag habe ich im Garten noch die Dahlienstöcke heraus gemach, ebenso die Roten Rüben im großen Garten, da es doch ziemlich kalt wurde. Heute Morgen fing es nun an, halb zu schneien und zu regnen. Da habe ich gleich noch die Möhren, die restlichen roten Rüben und das Rotkraut ins Haus geholt, damit es mir nicht noch kaputt geht. Morgen will ich alles einlagern und das Kraut aufhängen. Sobald es dann möglich ist, will ich mit dem umgraben anfangen.
Morgen müssen ja nun die Kinder wieder in die Schule. Sie haben ja ziemlich lange Ferien gehabt.
Wieso muß eigentlich der Tommy auf den Truppenübungsplatz. Müssen das die anderen auch, die bei der Verwaltung sind? Du hättest übrigens in Deinem gestrigen Brief angefragt, ob Du an Dora Kaffee schicken sollst, auch wenn er etwas teurer sei. Da wird es vielleicht am besten sein, Du fragst einmal bei ihr an und schreibst ihr den ungefähren Preis.
Von Leipzig lassen sie auch nichts mehr von sich hören. Es könnte höchstens sein, es wäre ein Zeitungspaket unterwegs. Wahrscheinlich ist aber Dora noch eine Weile in Leipzig und da kommen sie nicht zum schreiben. Mir ist ja die Hauptsache, Du schreibst mir immer, das andere ist nicht so wichtig.
Dann wollte ich Dich noch etwas fragen. Wir müssen doch an Vater noch 100,- zahlen. Nächsten Monat hätte ich nun im ganzen 85,- übrig. Wäre es Dir da recht, wenn ich Vater 45,- zahle und Dir 40,- schicke? Da denke ich gerade daran, daß ich ja noch Filzschuhe beantragen will. Da würde ich mir noch 5,- nehmen, so daß also Du und Vater je 40,- bekämen. Ich schreibe Dir deshalb schon heute davon, da bis Deine Antwort da sein kann, doch schon 1 1/2 Woche vergangen sein wird.
Nun schließe ich wieder. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Mein liebster Ernst!                                                               Konstanz, den 27.10.41

Die Woche hat heute damit angefangen, daß ich die Päckchen 2, 3, 5 und Zeitungen von Dir bekam. Ich danke Dir recht sehr dafür.
Heute Morgen stand in der Zeitung, daß die Schule weiterhin bis einschl. 1.11. ausfällt. Also noch eine Woche Ferien für die Banausen.
Schönes Wetter haben wir heute wieder. Die meiste Zeit schneit es und draußen ist alles Matsch. Dazwischen kommt ja wieder mal für ein paar Minuten die Sonne. Aber die kann auch nicht viel bessern, höchstens daß sie alles ein bißchen abtrocknet.
Ich habe am Vormittag das Kraut im Keller aufgehängt und die Möhren und einen Teil der roten Rüben eingekellert. Einen Teil werde ich gleich zu Salat verarbeiten und so aufheben.
Ich bin froh, daß ich die Brombeeren schon fertig habe, denn ich friere manchmal schon wieder mordsmäßig. Da möchte ich mich nicht gern so ruhig hinstellen müssen. Beim umgraben wird es einem ja eher ein bißchen warm, trotzdem hätte ich auch nichts dagegen, wenn ich dazu ein paar schöne Tage erwischte. Aber lange raus schieben will ich´s nicht mehr, sonst ist vielleicht schon alles verschneit, wenn es so weiter geht, wie die letzten Tage.
Von dem Rotwein habe ich schon ein paar Mal getrunken. Ich nehme mir aber immer noch ein bißchen Zucker dazu. Das ist doch nicht schlimm, nicht wahr?
Unsere Kinder sind froh, daß sie wieder richtig essen können. Jetzt tun sie sich wieder eine Güte. Aber vor allen Dingen Helga hat schmale Backen bekommen und soll nur richtig aufholen. Vor allen Dingen hatten Beide einen richtigen Heißhunger auf Milch, die sie ja die ganze Woche entbehren mußten.
Ich weiß heute nichts weiter zu berichten und möchte deshalb schließen. Sei nicht böse, daß der Brief so kurz ausgefallen ist.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Kaum hatte ich meinen Namen unter den Brief gesetzt, da klingelte es und der Briefträger brachte mir die Päckchen 1,4,6,7,8, so daß ich jetzt bis 8 alle erhalten habe. Auch Deinen lieben Brief vom 23.10. brachte er mir noch. Ich habe ihn eben gelesen und danke Dir vielmals dafür.
Bei dem Brombeeren verschneiden war es diesmal mit den Stacheln nicht sehr schlimm. Ich habe mir nur ziemlich zerkratzt, aber das ist inzwischen auch wieder weg.
Wie ich Dir schon gestern schrieb, habe ich seit der Hochzeit, oder besser, seit der Karte am Vorabend der Hochzeit, noch keine weitere Nachricht von Leipzig. Vorige Woche hatten die Kinder ja nichts von den Ferien, da sie ja im Bett liegen mußten, aber nun, da sie wieder raus können, nutzen sie jede Pause, wo es nicht schneit, um schnell ins Freie zu laufen.
Jörg war vorhin ganz stolz über den Lob, daß er mir im Garten geholfen hat. Du hast recht, vor allen Dingen bei ihm ist es so, erst mault er und wenn man ihn dann ausschimpft, sagt er, er wolle es ja gerne machen. Dann ist er meist mir Eifer bei der Sache.
Das Motiv zur Tat  des Herrn Fleig hat sich ja nun in soweit herausgestellt, als seine Handlungen nicht sauber waren. Vater hat gestern den Ernst Hagenauer getroffen. Der sagte zu ihm, er sollte es Dir nur mitteilen, das würde Dich sicher interessieren. Der Fleig hätte ihm auch schwer mitgespielt. Er meinte aber, der Maier sei noch nicht verhaftet, sondern nur einstweilen beurlaubt. Die ganze Angelegenheit würde untersucht. Ich weiß nun nicht, was richtig ist. Jedenfalls sauber ist der auch nicht. Ich glaube, daß da sicher noch manches ans Licht kommt.
Bei dem Friseur dort wäre ich auch ganz gern dabei gewesen. Das hat Dir doch sicher Spaß gemacht, wie die so bestürzt waren, daß Du das Schimpfen verstanden hast.
Schicke ruhig so eine Tube Zahnpasta mal mit. Bürsten wir halt mal mit roter. Probieren geht über studieren. Sonst haben wir uns ganz gut an das Zahnputzpulver gewöhnt.
Bis jetzt habe ich 2 mal Zeitungen bekommen. Sie interessieren mich sehr. Ich habe schon ziemlich darin gelesen.
Nun will ich wirklich schließen. Nochmals viele Grüße und Küsse von Deiner Annie.

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