Mein
lieber Mann! Konstanz, 23.10.41
Du
armer Kerl hast aber lange keinen Brief von mir bekommen. Sogar am Sonntag noch
nicht, wie ich aus Deinem lieben Brief vom 19. ersehe, den ich heute erhielt.
Dabei habe ich doch gleich geschrieben, als Du fort warst. Hoffentlich hast Du
nicht mehr lange warten müssen.
Ich
erhielt heute auch Deine Zeitungssendung. Damit hast Du mir wirklich eine
Freude gemacht und ich freue mich, wenn Du mir öfter Zeitungen zusenden willst.
Bekommen
wir evtl. das ganze Geld von der Zusatzversorgung zurück? Das wären doch
immerhin rund 86,-Mk, wie ich an Hand der Gehaltszettel festgestellt habe.
Wenn
Du noch ein kleineres Quantum Zucker kaufen kannst, so tue es nur. Zum
Einkochen brauche ich doch immer welchen.
Dein
Rücken macht mir doch Sorge. Sei doch so liebe und geh zum Arzt. Laß es doch
bitte nicht hängen. Du hättest doch nichts davon, wenn Du später immer wieder
Schmerzen bekämst.
Deine
Hoffnung, daß die Kinder gesund sind, hat sich ja leider nicht ganz erfüllt,
wie Du aus den vorhergehenden Briefen ersehen hast. D.h. Jörg ist schon wieder
soweit. Er wird schon wieder übermütig und kann nicht begreifen, daß Helga noch
nicht so mit ihm rumtollen kann. Sie ist zwar auch schon ein bißchen
aufgestanden, legt sich aber noch öfter um. Sie hat eben doch nichts im Magen.
Heute habe ich Beiden einmal Haferflocken gekocht, das kann ja auch nichts
schaden. Ich denke, daß heute Nachmittag noch der Arzt kommt. Der wird ja
sagen, was ich geben kann. Jörg wird wahrscheinlich bald alles essen können.
Da
Jörg Langeweile hatte, da er ja jetzt nicht raus zum spielen kann, habe ich ihm
seinen Kaufmannsladen holen müssen. Nun macht er aus Plastelina wieder Torten, Kuchen,
Eier, sogar Tee. Aus Wasser mit Farbe wird Himbeersaft usw. gemacht. Damit
vertreibt er sich die Zeit.
Aus
Leipzig habe ich heute eine Karte erhalten, die Papa, Siegfried, Erna, Dora und
Erna`s Schwester am Vorabend der Hochzeit geschrieben haben. Es stand nur ein
kurzer Gruß drauf.
Sei
nun für heute wieder herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Du
lieber, lieber Kerl.
Mein
liebster Ernst! Konstanz, 24.10.41
Heute
kann ich Dir mit Freude melden, daß unsere zwei Schlawanzer wieder frisch und
munter sind. Sie toben schon wieder ziemlich herum. Das ist mir aber doch
lieber als wenn sie so still daliegen. Gegessen haben sie heute auch schon
wieder mehr. Seit gestern Abend schlafen sie auch wieder in ihrem Zimmer,
während sie vorher in der Stube lagen. Helga auf dem Sofa, Jörg in seinem Bett,
das ich dort aufgestellt hatte. Da sie doch oft raus mußten, wäre es in ihrem
Zimmer zu kühl gewesen. Jetzt, wo sie wieder soweit gesund sind, gefällt es
ihnen aber im Kühlen wieder besser. Sie können besser schlafen. Ich freue mich,
daß Beide wieder gesund sind.
Heute
erhielt ich eine Ladung vom Amtsgericht Leipzig zur Testamenteröffnung. Man
braucht ja nicht erscheinen und bekommt mitgeteilt, was einen angeht. Ich weiß
es ja schon, was drin steht, weil Papa es mir gesagt hat. Papa kann über alles
verfügen. An das Testament hatte ich gar nicht mehr gedacht. Als ich heute die
Ladung bekam, war ich erst richtig erschrocken, weil ich nicht wußte, um was es
sich handelte. Als ich dann aufmachte, war ich direkt erleichtert. Es ist doch
eigenartig, wenn man auch das reinste Gewissen hat, bekommt man einen Schreck,
wenn etwas vom Gericht kommt. Ginge es Dir nicht so? Die Testamentseröffnung
ist am 4.11. 41. 9 Uhr.
Heute
haben wir Sauerkraut eingehobelt. Ich habe gehobelt und die Kinder haben
eingestampft. Der große Topf ist ca. 3/4 gefüllt. Das langt wieder reichlich
für uns. Da kann auch Vater wieder etwas davon haben.
Die
Apfelringe habe ich heute auch vom Fenster nehmen können. Sie sind gut
getrocknet. Die Bohnen habe ich gestern auch sortiert. Von jeder Sorte lasse
ich ein paar für nächstes Jahr übrig, die anderen können wir ja im Laufe des
Winters essen. Von den halbhohen habe ich keine mehr aufgehoben, denn die
werden ja immer so fleckig und man kann die wenigsten brauchen. Das lohnt sich
nicht.
Ich
habe heute und gestern Abend ein bißchen in den Brüsseler Zeitungen gelesen.
Sie haben mich wirklich interessiert. Es steht schon ein bißchen mehr drin als
in unserer Zeitung. Sie kostet zwar auch das Doppelte. Also, ich freue mich
wirklich, daß Du sie mir geschickt hast.
Diese
Woche habe ich ziemlich viel Fleischmarken übrig, da ja die Kinder nichts essen
konnten. Die will ich nachher noch Vater bringen, damit er sich Morgen noch
etwas Fleisch oder Wurst besorgen kann. Vor 8 Uhr wird er ja nicht daheim sein.
Wenn ich nachher den Brief noch wegschaffe, gehe ich schnell noch zu Vater
runter.
Einen
Brief habe ich heute von Dir nicht bekommen und es ist mir dann, als wenn das
Wichtigste vom Tag fehlte. Vielleicht kommt morgen wieder ein Gruß von Dir. Sei
nun wieder herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Eben
ist Vater gekommen, da brauche ich nicht runtergehen
Mein
lieber Ernst! Konstanz, 25.10.41
Heute
erhielt ich Deine beiden lieben Briefe
vom 20. und 21. Ich danke Dir vielmals dafür. Mit viel Freude habe ich gelesen,
daß Du doch noch am Sonntag Briefe von mir bekommen hast. Da hast Du doch
wenigstens noch einen Gruß aus der Heimat erhalten.
Nachher,
wenn ich den Brief wegschaffe, bringe ich gleich noch ein Päckchen mit
Inspiroltabletten und den Reklamheften, die ich mir gekauft hatte, fort, damit
Du es bald erhältst. Eine Schachtel hatte ich schon da und habe heute noch 3
dazu besorgt. Du hast ja dort noch die Blechdose zum Nachfüllen. Ich dachte
heute, das eine wäre auch noch eine Blechdose, aber es war doch nur Pappe, wenn
sie auch silbern aussieht. Wenn Du wieder Tabletten brauchst, so schreibst Du`s
mir.
Bei
uns ist es jetzt immer ziemlich kühl. Auf dem Rad kann ich schon gut Handschuhe gebrauchen. Die schönsten Tage
waren eben doch, als Du noch hier warst.
Du
hast recht, warten brauchen wir nicht, daß wir etwas erben. Wir tun es ja auch
nicht. Als ich das Paket von Papa auspackte, habe ich doch heulen müssen. Es
kamen da doch Sachen mit, an die ich mich noch gut aus meiner Kindheit erinnern
konnte. Den einen Ring hatte ich oft an der Hand meiner Mutter gesehen und die
Kette hatte Mama noch um, als wir in Leipzig waren. Ich bin aber doch froh, daß
ich diese Andenken bekommen habe, denn es würde mir doch weh tun, sie in
fremden Händen zu sehen. Daß ich denke, ich käme sonst irgendwo zu kurz beim
Verteilen, braucht Papa nicht denken. Ich lege da gar keinen Wert drauf. Wie
gesagt, froh bin ich nur über ein persönliches Andenken.
Als
ich an die ganzen Verwandten und Bekannten geschrieben habe, mußte ich mich wirklich
anstrengen. Als Erste hat mir heute Elsa geantwortet. Dora wird ja nicht zu
hause gewesen sein, als das Päckchen ankam, denn sie war ja zu Siegfried´s
Hochzeit in Leipzig.
Der
Inspektor muß ja ein ekliger Kerl sein. Da ist es am besten, man macht was man
muß und kümmert sich um nichts weiter. Die Freude an der Arbeit erhöhen solche
Zustände ja nicht. Hoffentlich bekommst Du bald Dein abgeschlossenes
Arbeitsgebiet, damit Du wieder schaffen kannst, wie Du es für recht befindest.
Ich wünsche es Dir von ganzem Herzen.
Du
brauchst Dich gar nicht entschuldigen, wenn Du mir von den Sachen schreibst. Es
ist mir sogar sehr recht. Aussprechen muß man sich einmal und es ist besser, Du
schreibst es mir, als wenn Du Dir dort Ärger damit machst.
Vater
war gestern Abend da. Ihm ist der Garten per 1.11. gekündigt worden. Er will
mir nur noch ein paar Erdbeersetzlinge bringen. In einer Beziehung ist es gut,
wenn er den Garten nicht mehr hat. Er kommt doch immer nicht zum arbeiten
darin. Besonders, wenn er jetzt erst 3/4 7 abends aufhört.
Nun
will ich für heute wieder aufhören. Ich habe heute noch ziemlich viel zu tun.
Sei wieder recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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