Mein
lieber Ernst! Konstanz, 3.12.40
Post
habe ich heute auch wieder keine erhalten. Da freue ich mich nun auf
morgen, wo ich hoffe, wieder etwas von
Dir zu erhalten. Heute ist mir wieder einmal der Tag zu kurz, um alles zu
schaffen. Am Vormittag habe ich gewaschen und am Nachmittag habe zuerst ich und
dann Jörg gebadet. Helga kommt nachher dran, wenn sie aus der Schule kommt. Wir
haben gleich im Anschluß an die Wäsche gebadet, um Kohlen zu sparen. Wenn ich
Helga fertig abgerumpelt habe, fahre ich in die Stadt. Bis dahin sind dann auch
meine Haare getrocknet.
Ich
habe doch den Kindern einen neuen Adventskalender geschenkt. Gestern kam nun
von den Eltern auch einer an. Heute erhielt ich auch einen Brief von ihnen. Ich
solle Bescheid sagen, ob die Helga schon Grimm`s Märchen hat. Außerdem fragen
sie, warum ich so wenig schreibe und von Dir hätten sie auch schon lange keine
Nachricht. Da haben sie das Kaffeepäckchen von Dir also noch nicht erhalten.
Von Kurt erhielt ich auch einen Brief. Ich solle ihm Deine und von meinen
Eltern die Adresse schicken. Sie sind ihm verloren gegangen.
Gestern
habe ich mir nun die Nähmaschine in die Stube geholt. Da ist es so mollig warm
und was das Wichtigste ist, man braucht wenig Heizung. Das Einteilen und Einsparen
ist jetzt bei allem das Wichtigste.
Für
Jörg ist es jetzt etwas besonders Schönes, daß er sich in der Stube öfter mal
aufs Sofa legen kann. Damit die gute Decke nicht gleich kaputt geht habe ich
die rote Decke von Tante Anna drauf gelegt. Da kommt es nicht so darauf an.
Morgen will ich mit den Kindern auf Messe gehen. Vater hat für Helga und Jörg
je 30 Pfennig gestiftet. Ich bekomme von ihm auch wieder etwas Geld für`s
Waschen.
An
unseren Fensterschutz im Vorraum sind jetzt endlich Ketten gemacht worden,
damit wir etwas aufmachen können und auch wieder ein bißchen Licht im Vorraum
ist. Früher hat man ja immer die Tür ein bißchen offen gelassen, aber bei der
Kälte jetzt geht das nicht mehr gut.
Nun
ist es nach 1/2 5. Die Helga ist jetzt heim gekommen. Nun will ich mit ihr ins
Waschhaus gehen. Hinterher fahre ich dann fort.
Ich
schließe deshalb für heute und grüße und küsse Dich, mein lieber Schatz, recht
herzlich Deine Annie.
Mein allerliebster Mann! Konstanz, 4.12.40
Nun habe ich mich wieder soweit durch die
tiefe Niedergeschlagenheit, die mich seit einigen Wochen beherrschte, durchgerungen.
Einen großen Anteil daran hat der Brief, den ich am Sonntag an Dich geschrieben
habe. Um dieses Erfolges willen bitte ich Dich, mir wegen des Briefes nicht
mehr zu zürnen, wenn Du Dich geärgert haben solltest. Wenn du da gewesen wärst,
hätte ich mich ja nicht so lange rumquälen müssen, denn Du hast es immer verstanden,
mich mit ein paar lieben Worten zu recht zu stupfen. Schreiben wollte ich aber
nicht gleich und ich habe es erst getan, als ich nicht mehr allein damit fertig
werden konnte.
Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom
21.11. Der letzte vorher, den ich erhielt, war vom 23. Da fehlen also noch
welche. Ich möchte Dir für Deinen lieben Brief recht herzlich danken. Ich
glaube, mit dem unregelmäßigen Eingang der Post müssen wir uns bald abfinden.
Jetzt, während der Weihnachtszeit wird es sicher damit nicht besser werden. Die
Nummerierung der Päckchen ist am praktischsten. Da weiß man ganz genau, was man
bekommen hat. 20.- bis 25.- Mk. ist eine ziemliche Summe, die Du da für uns
ausgibst. Sollte es nötig sein, würde ich mich gern daran beteiligen. Du gibst
mir darüber bitte noch Bescheid.
Da Du wegen des Verpackungsmaterials
Schwierigkeiten hast, schicke ich Dir heute einmal 5 Faltkartons. Sollten sie
Dir zusagen, könnte ich sicher noch einige besorgen.
In Deiner neuen Mütze würde ich Dich gern
einmal sehen. Wenn Du wieder einmal Urlaub bekommen solltest, bringe sie nur
mit, damit ich mich auch daran freuen kann. Ich glaube gern, daß sie Dich gut
kleidet. Werde aber nun nur nicht eitel, hörst Du. Für die Zeitungsartikel, die
Du mir mit senden willst, interessiere ich mich schon. Man kann immer wieder
etwas lernen. Da wir heute Nachmittag auf die Messe gehen wollen, habe ich
schon am Vormittag geschrieben. Wir müssen schon ziemlich zeitig fortgehen,
weil ich für Vater noch die Lichtrechnung bezahlen will. Zum Fortgehen ist
heute ganz gutes Wetter. Es ist zwar kalt, aber sonnig. Meine Wäsche, die ich
gestern aufgehängt habe, ist steif wie ein Brett. Der Winter hat also doch
seinen Einzug gehalten.
Von Vater soll ich Dich auch noch grüßen.
Ich hatte es ganz vergessen. Sei nun von mir recht herzlich gegrüßt und geküßt,
mein lieber Ernst und denke immer an Deine Annie.
Lieber
Vater! Mama und Papa haben noch einen Adventskalender geschickt da sind schöne
Sachen drin. Heute ist eine Wiege rausgekommen. Lieber Vater! Wir gehen heute
Mittag auf die Messe es freut mich jetzt schon. Viele Grüße und tausend,
tausend, tausend Küsse von Deiner Helga.
Jörg.
Mein herzlieber Mann! Konstanz, 4.12.40 abends
Ich muß Dir heute Abend nochmals
schreiben. So zutiefst beglückt hat mich noch kein Brief von Dir wie der, den
ich heute erhielt vom 28.11. Wie
töricht war ich doch, zu befürchten, Du könntest Dich uns entfremden. Wie innig
hast Du an uns gedacht. Mein Wunsch nach einem besonderen Brief ist eigentlich
nun hinfällig, denn in Deinem Schreiben spüre ich Deine tiefe Liebe zu uns. Du
Lieber, ich habe so große Sehnsucht nach dir. Ich kann es manchmal gar nicht
fassen, daß Du von uns fort sein mußt. Eigentlich sollte ich mich schon daran
gewöhnt haben, aber daran gewöhne ich mich nie. Aber ich will wieder versuchen,
tapfer über diese Zeit hinwegzukommen. Die mir immer gesandten Sachen sehe ich
als ein Zeichen Deiner Liebe an.
Hoffentlich bist Du nicht noch krank
geworden und der Besuch des Konzerts hat Dir nichts geschadet. Es ist so lieb
von Dir, daß Du, trotzdem es Dir nicht ganz recht war, noch an mich geschrieben
hast.
Du fragst, in welchem Zustand die Päckchen
ankommen. Im Allgemeinen kommen sie ganz gut an. Nur das Papier ist ziemlich
durchgestoßen. Das eine Mal, als du mir den weißen Gummi geschickt hast, war
der Karton so kaputt, daß man den Gummi gut hätte rausziehen können. Unsere
Post ist aber ehrlich und so haben sie ihn drin gelassen.
Seife werde ich an Vater also nicht mehr
abgeben. Von der mir gesandten habe ich noch 14 Stück Gesichtsseife, 8 Stück
Waschseife, 4 Doppelstück Sunlichtseife und die 2 großen Blocks, die Du mir
zuletzt geschickt hast. Mangel leide
ich also noch nicht. Ich gehe aber auch nicht verschwenderisch damit um,
Seife wird ja beim liegen nicht schlecht.
Nach Deiner lieben Schilderung in Deinem
Brief ist mir unsere Wohnung, in der ich mir in letzter Zeit manchmal ganz gefangen
vorkam, wieder recht lieb geworden, sehe ich doch, daß mich Deine Gedanken hier
suchen. Das ist das Schönste für mich.
Jörg und Helga haben Dir Bilder gemalt. So
wie Jörg den Adventskranz gemalt hat, sieht unserer ungefähr aus. Er steht bei
uns auch auf dem Tisch. Ich muß ja schon sagen, Du verstehst es, einen
neugierig zu machen. Nun könnte ich mir wieder den Kopf zerbrechen, was das
sein könnte, was in zwei Kartons zusammen gehört. Sei froh, daß ich so wenig neugierig
bin, sonst könnte ich es bis Weihnachten gar nicht aushalten.
Heute waren wir auf der Messe. Es war aber
nicht viel los, jedenfalls für die Kinder nicht. Auf dem einen Karussell, das
da war, sind die Kinder einmal gefahren. Dann mußten wir aber wieder losstrampeln,
denn es gab schon kalte Füße. Nun sitze ich in der Stube, die schön warm ist.
Mir schon fast zu warm, aber Vater, der gerade da ist, sagt, so sei es ihm
gerade recht, er könne ziemlich viel Wärme vertragen. Unten bei sich muß er ja
sowieso genug frieren.
Vater hat sich sehr schwer von der warmen
Stube trennen können. So ist es nun bereits 1/4 12 Uhr geworden, bis er sich
aufgerafft hat. Er sagte immer wieder, nun müsse er wieder in die kalte Küche,
da graue es ihm direkt.
Nun will ich aber auch schlafe gehen. Ich
bin redlich müd. Schlaf Du auch gut, mein lieber Ernst und wach ganz gesund
wieder auf.
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