Dienstag, 1. Dezember 2015

Brief 100 vom 29./30.11.1940


Mein lieber Ernst!                                                                            Konstanz, 29.11.40   

Dein lieber Brief vom 23. traf heute bei mir ein. Ich habe mich sehr darüber gefreut.
Du mußt Dich wirklich mit vielen Dingen befassen, aber es kann ja nicht schaden, wenn Du überall Bescheid weißt. Sogar eine Schweinemästerei habt Ihr dort. Da hätte ich durch Deine Vermittlung dort sicher den Mist billiger bekommen Es ist leider nur ein bißchen weit. Sogar in der Zeitung werdet Ihr also lobend erwähnt. Die Leute, denen die Nachbarhäuser gehören, werden ja froh sein, daß ihre Häuser verschont geblieben sind.
Wenn der Pullover für Vater schön ist, so kommt es auf die 2,- mehr auch nicht an. Das ist dann wenigstens ein schönes und nützliches Weihnachtsgeschenkt. Für meine Eltern habe ich ein kleines Päckchen mit ein wenig Gebäck und 1/2 Pfund Kaffee sowie eine kleine Schachtel Zigaretten fertig gemacht. An Siegfried und Kurt schicke ich auch 1 kleines Päckchen mit Gebäck. An Kurt etwas mehr als an Siegfried, da Siegfried ja von den Eltern, Erna, Alice und wahrscheinlich auch von Neustadt etwas bekommt. Aber mehr als ein 1kg-Päckchen schicke ich an niemand. Schreibe mir bitte, ob ich es recht gemacht habe.
Ich schicke heute an Dich fünf Stück 1 kg-Päckchen und ein kleines Päckchen fort. Am Mittwoch folgt noch ein kleines Päckchen. Ich schreibe Dir das heute schon, damit Du mir schreiben kannst, ob Du alles erhalten hast. Alle Päckchen sind für Weihnachen bestimmt. Ich habe sie jetzt schon geschickt, damit Du sie rechtzeitig erhältst. Solltest Du ja zu Weihnachten Urlaub bekommen, was ja wunderschön wäre, aber wohl kaum wahrscheinlich ist, so wäre es auch nicht schlimm, wenn ich die Päckchen weggeschickt habe.
Als ich gestern 3/4 10 Uhr beim Einpacken war, gab es auf einmal Fliegeralarm. Ca. 1/2 Stunde waren wir unten. Es war ganz gemütlich mit unserer neuen Einrichtung. Nur Frau Büsing hat sich wieder schadmäßig betragen. Das Geschrei hat man bis auf die Straße gehört und Herr Schwehr ist angesaust gekommen. Ich war ja nicht an der ganzen Sache beteiligt. Gott sei dank.
Heute hat es wieder ein kleines bißchen geschneit. Auf der Straße hat es ja getaut. Aber durch die weißen Dächer ist es doch ein winterliches Bild. Dazu strahlender Sonnenschein. eigentlich ein Anblick, der einen froh machen muß und der mich auch froh machen würde, wenn  ich nicht so Heimweh nach Dir hätte, mein lieber, lieber Ernst. Das wollte ich auch noch schreiben. Soweit es erlaubt ist, kannst Du mir ruhig öfter von Deinem Dienst erzählen. Du weißt ja, mich interessiert alles, was Dich angeht.
Gestern war ich beim Schuster die Schuhe von Helga gehen nicht mehr zu machen. Sie kann sie jetzt nur noch bei trockenem Wetter abtragen. Es ist gut, daß Helga jetzt  die neuen festen Schuhe hat. Ich hätte für sie gern nun noch ein paar Schuhe gekauft, damit sie zwei Paar zum wechseln hat. Ich habe mich gestern erkundigt. Jetzt und wahrscheinlich auch nächsten Monat bekomme ich keinen weiteren Bezugsschein. Hoffentlich gibt es nicht gar so schlechtes Wetter, damit die hohen Schuhe reichen. Helga zieht sie ja sehr gern an. Nun muß ich mich wieder auf den Weg mache. Sei Du, mein lieber Schatz, recht herzlich gegrüßt und geküßt und behalte lieb Deine Annie.

Lieber Vater! Jetzt ist bald Weihnachten ich freue mich schon. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga . Jörg.

Mein lieber Ernst!                                                                   Konstanz, 30.11.40

Morgen ist nun schon der 1.Advent und Du bist bereits wieder 6 1/2 Wochen von uns fort. Wie lange wird es dauern, da ist schon Weihnachten. Die Kinder freuen sich ja schon drauf. Ich kann mir ein Weihnachten ohne Dich gar nicht denken und würde es am liebsten überspringen.
Bei uns ist es jetzt ziemlich kalt geworden. Nachts schneit es immer ein bißchen, früh ist es auf den Straßen wieder getaut und hinterher gleich gefroren, so daß die Straßen immer glatt sind. Bei Tag ist es heute wieder sonnig und sehr windig. Jörg ist draußen und fährt auf dem restlichen Schnee und Dreck Schlitten. Er hat heute auch seine hohen Schuhe an, da friert er nicht so schnell. Ob Du wohl morgen auf das 50. Wunschkonzert hörst? Nach den Ankündigungen muß es ja ganz besonders schön werden. Ich werde wahrscheinlich morgen Stollen backen, dabei kann man gut Wunschkonzert hören.
Ich habe heute sehr viel zu schaffen und bitte Dich deshalb, mir nicht bös zu sein, wenn der Brief etwas kurz wird. Ich will sehen, daß ich noch ein paar Sultaninen und Mandeln bekomme. Da muß ich schon beizeiten in die Stadt fahren.
Ich habe nun die Handschuhe für unsere Beiden fertig. Ich habe sie ein bißchen bunt bestickt. Das sieht sehr freundlich aus. Ich brauche ja für mich keine zu machen, denn Du hast mir ja so schöne Handschuhe gekauft.
Nicht wahr, lieber Ernst, Du nimmst es mir nicht übel, wenn ich jetzt schon schließe. Du weißt ja, der Samstag ist ein ganz besonderer Arbeitstag.
Sei nun für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner immer an Dich denkenden Annie.

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