Samstag, 7. Oktober 2017

Brief 433 vom 29./30.9.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 29.9.42

Heute erhielt ich Deine lieben Briefe vom 16. Und 17.9. und das Päckchen Nr.38 mit Butter. Diese ist sehr gut angekommen.
Wie ich Dir schon schrieb, ist der Besuch von Papa friedlich vorbei gegangen. Wir sind eigentlich nur einmal auf die ganze Sache zu sprechen gekommen. Papa war ziemlich maßvoll, und ich habe auch nicht viel dazu gesagt. So sind wir friedlich auseinander gekommen.
Herbstlich wird es bei uns jetzt auch. Ich heize jetzt manchmal schon ein bisschen. Das Abräumen im Garten habe ich auch schon begonnen.
Ich freue mich, dass du gegen meine Dauerwellen nichts einzuwenden hast. Wir sind ja jetzt nicht mehr ganz so knapp mit dem Geld dran. Da habe ich gemeint, ich könnte es schon mal machen lassen. Im anderen Falle hätte ich es sein lassen, denn ich habe ja noch nichts verlangt, was über unsere Verhältnisse ging. Praktisch ist es, weil man nicht jeden Abend die Haare einwickeln muss.
Helga und Jörg haben sich zu meinem Geburtstag schon angestrengt. Über die Handarbeit von Helga habe ich mich natürlich sehr gefreut. Beide sind ja froh, wenn sie mir zum Geburtstag eine wirkliche Freude machen können.
Heute Nachmittag waren wir im Kino, ich in GPU, die Kinder in „Kleines Bezirksgericht“. Der Film hat mich sehr interessiert. Vielleicht siehst Du ihn dort auch noch. Es wird natürlich nur ein kleiner Ausschnitt der furchtbaren Arbeit der GPU gezeigt, aber es genügt. Das weitere kann man sich nach den furchtbaren Funden in Lemberg usw. ungefähr denken, wenn auch nicht in der ganzen Scheußlichkeit.
In nächster Zeit will ich ein paar Halbschuhe für Helga beantragen. Sie hat nur noch ihre hohen Schuhe von Mama und die Wildlederschuhe, die sie aber bei nassem Wetter nicht so gut anziehen kann. Alle anderen Schuhe sind ihr zu klein geworden, und Jörg trägt sie mit ab. Ich bin gespannt, ob ich sie bewilligt bekomme.

                                                                                         30.9. früh
Nachher fahre ich zum Geld holen. 30.-Mk. zahle ich auf unser Sparkassenbuch ein. Das andere halte ich noch zurück für die restlichen 6 Zentner Kartoffeln und evtl. für Schuhe für Helga. Kohlen habe ich auch noch gut. Von 29 Zentnern habe ich erst 15 erhalten. Da ich aber vom vergangenen Jahr noch ziemlich da hatte, gehen keine mehr in den Keller rein und ich kann sie erst im Frühjahr holen oder bringen lassen. Der Keller wird mir bald zu eng, denn jetzt kommen ja noch die Äpfel. Aber die Hauptsache ist, man hat sie da. Gegessen wird alles schnell genug sein. Dann ist auch wieder Platz da.
In den nächsten Tagen schicke ich dir das eine Zierkistchen zurück. Ich habe gerade noch eine Zulassungsmarke. Da lege ich auch den Rasierklingenschärfer mit bei. Die Handhabung habe ich dir schon beschrieben. Papa sagte, ich sollte dir noch schreiben, dass die Creme hinterher immer abgewischt werden muss, damit sie nicht stockig wird.
Nun will ich fort fahren und gleich den Brief mitnehmen. Ich grüße und küsse dich recht herzlich, Deine Annie.

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