Samstag, 7. Oktober 2017

Brief 431 vom 27.9.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 27.9.42

Es ist heute ein ganz verregneter Sonntag, aber mir macht es nichts aus, denn ich habe heute allerhand zu schaffen, was in den letzten Tagen liegen geblieben ist. Ich will aber alles soweit fertig haben, denn sobald schönes Wetter wird, will ich im Garten anfangen.
Zuerst möchte ich Dir für Deinen lieben Brief vom 14. danken, den ich schon gestern erhielt, dessen Beantwortung ich aber gestern in dem langen Brief vergessen habe. Der Brief an meinen Vater kam gerade einen halben Tag zu spät an. Ich habe ihn nach Leipzig nachgeschickt. Dass es dort einen Tiergarten gibt, habe ich gar nicht gedacht. Mit was füttern die, wo es doch sonst so knapp zugeht?  Deine Dienstzeit ist ja ziemlich ausgedehnt, und viel zum Fortgehen kommst Du nicht.
Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 15.9. du meinst, dass es auf der Messe nicht mehr viel zu kaufen gibt. So, wie früher, natürlich nicht mehr, aber doch gibt es so manche Sachen, die man in den Geschäften nicht bekommt. Ich habe diesmal nicht viel gebraucht, nur noch ein paar warme Schlüpfer für Helga. Und ein Armband habe ich mir auch noch gekauft. Ich hatte ja bisher nur eins. Es ist sudetendeutsche Arbeit. Das habe ich mir noch vom Geburtstagsgeld gekauft. Die Kinder haben zum Spielen noch allerhand bekommen. Es ist ja so, dass sie es immer nicht lange benutzen, oder dass es bald kaputt ist, aber doch freuen sie sich immer am meisten darauf.
Wie ich dir schon schrieb, war der Schaden am Widerstand bald behoben. Dass Du daran schuld gewesen sein sollst, war natürlich nicht ernst gemeint, und ich glaube auch, dass du mich nur wieder ein wenig fuchsen willst. Wenn es nicht geht, dass man Röhren bestellen kann, lässt es sich nicht ändern. Ich wollte es nur nochmal erwähnen, damit wir es nicht ganz vergessen.
Es hat mich interessiert, dass du zu wissen glaubst, wo Kurt ist. Ich bin gespannt, ob er deinen diesbezüglichen Hinweis bestätigt.
Du hattest mir noch vor kurzem geschrieben, ob es nicht für die Nähmaschine schädlich sei, wenn sie immer in der Küche steht. Ich habe mir die Sache nochmals durch den Kopf gehen lassen und habe nun auch eine Lösung gefunden. Denke dir, ich habe sogar mehr Platz geschaffen, wie vorher war. Ich will dir das mal erklären. Das kleine Tischchen, auf dem das Radio stand, habe ich ausrangiert und einstweilen auf den Speicher gestellt. Dafür habe ich das frühere Spielzeugregal, in dem jetzt nur noch die Spiele und Baukästen sind in die Ecke, und das Radio darauf gestellt. An seiner Stelle steht jetzt die eine Truhe von dir. Die Nähmaschine steht jetzt vor unseren Betten. Da in den Regalen noch Platz war, stehen die Tee-Dosen noch mit drin, sodass das kleine Regal in der Ecke neben dem Ausguss überflüssig geworden ist und in nächster Zeit als Apfelkiste dienen wird.  Es ist also in der Küche wieder freier, und auch das Kinderzimmer sieht nicht überfüllt aus. In unserem Schlafzimmer ist auch noch ein schöner breiter Durchgang.
Da fällt mir gerade ein: habe ich dir denn schon von dem neuen Spielregal von den Kindern geschrieben? Neu ist es ja eigentlich nicht, aber sehr praktisch. Vor einigen Monaten haben Nussbaumers ihre Küche umgeräumt. Da war ein Regal übrig. Sie stellten es in den Vorraum, und sie sagten mir einmal, sie wüssten nicht, was sie damit machen sollten. Zum Zerhacken sei es wirklich zu schade, und stellen könnten sie es auch nicht. Ich sagte zu ihr, dass ich es ihr abkaufen würde. Ich habe es dann für 3.-Mk. erworben. Es ist nur 18 cm breit und steht an der Wand bei dem Stuhl von Jörg. Lang ist es 1 Mtr., und hoch 75cm. Es hat 3 Fächer. Unten stehen die Kisten mit Soldaten, mit Buntstiften, Bauklötzen, schiffen usw. Im mittleren Regal bzw. Fach stehen Bücher, 42 Stück. Es sind alles Märchen- und Sagenbücher und Erzählungen. Im oberen Fach stehen die verschiedenen Kanonen, Pferde, Autos, Puppenwägelchen, Stühlchen usw. Da das Regal schmal ist, steht alles gleich griffbereit. Davor ist ein Vorhang, sodass es einen guten Eindruck macht. Oben auf dem regal stehen natürlich auch noch verschiedene Sachen. Jetzt z.B. der Kaufmannsladen, die Telefone und ein Puppenbettchen. Also Platz haben die Kinder für ihre Sachen doch viel, nicht wahr?
Du wirst überhaupt fragen, wo ich denn deine Sachen aus dem Tischchen hingetan habe? Ich habe dir das obere Schubfach von der kleinen Truhe von deinem Vater, die in der Küche steht, eingeräumt. Da hast Du auch alles bei der Hand.
Gestern habe ich auch noch vergessen, dir zu schreiben, dass Papa den Kindern je 10.-Mk. gegeben hat. Er wollte mir erst was bezahlen, ich sagte ihm aber, dass ich das nicht wollte. Als er den Kindern 10.-Mk. geben wollte, sagte ich ihm auch, dass das zu viel sei, denn 20.-Mk brauche ich ja für uns alle 3 in der Woche nur zum Essen. Da käme er schlecht weg. Er meinte aber, das sei ihm egal. Ich sagte ihm auch, dass er das Geld lieber nehmen sollte dafür, dass er mir den Schrank geschickt, und die Fracht und die Verpackung bezahlt hat. Aber auch davon wollte er nichts wissen, und sagte, das sei ein Erbteil von Mama, und das sollte ich auf keinen Fall bezahlen. Jedenfalls hat er zum Schluss den Kindern doch noch je 10.-Mk. gegeben. Dazu kommen bei Helga noch 3.50Mk aus der Sparbüchse und bei Jörg 2.-Mk., für die übrigen 1,50 Mk. hatte er Helga was zum Geburtstag gekauft. Dann hat Helga im ganzen 139.-Mk., und Jörg 132.- auf der Sparkasse. Das macht sie ja sehr stolz. Sie sagen immer, es ist doch gut, wenn man auch immer die 10 Pfg. spart, da kommt doch viel zusammen.
Nun lass mich schließen. Ich fange noch ein bißchen mit stopfen an und dazu höre ich Radio. Radio ist einfach was Feines. Abends habe ich schon manchmal Belgrad eingestellt, aber vielmals sind solche Störungen da, dass man rein gar nichts versteht. Das ist immer schade, denn die haben immer so schöne, unterhaltsame Sachen.
Ich grüße und küsse Dich wieder recht, recht herzlich, dich, meinen lieben, lieben Mann, Deine Annie.

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