Mein liebster Ernst! Konstanz,
27.9.42
Es ist heute ein ganz verregneter Sonntag, aber mir macht es
nichts aus, denn ich habe heute allerhand zu schaffen, was in den letzten Tagen
liegen geblieben ist. Ich will aber alles soweit fertig haben, denn sobald
schönes Wetter wird, will ich im Garten anfangen.
Zuerst möchte ich Dir für Deinen lieben Brief vom 14.
danken, den ich schon gestern erhielt, dessen Beantwortung ich aber gestern in
dem langen Brief vergessen habe. Der Brief an meinen Vater kam gerade einen
halben Tag zu spät an. Ich habe ihn nach Leipzig nachgeschickt. Dass es dort
einen Tiergarten gibt, habe ich gar nicht gedacht. Mit was füttern die, wo es
doch sonst so knapp zugeht? Deine
Dienstzeit ist ja ziemlich ausgedehnt, und viel zum Fortgehen kommst Du nicht.
Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 15.9. du meinst,
dass es auf der Messe nicht mehr viel zu kaufen gibt. So, wie früher, natürlich
nicht mehr, aber doch gibt es so manche Sachen, die man in den Geschäften nicht
bekommt. Ich habe diesmal nicht viel gebraucht, nur noch ein paar warme
Schlüpfer für Helga. Und ein Armband habe ich mir auch noch gekauft. Ich hatte
ja bisher nur eins. Es ist sudetendeutsche Arbeit. Das habe ich mir noch vom
Geburtstagsgeld gekauft. Die Kinder haben zum Spielen noch allerhand bekommen.
Es ist ja so, dass sie es immer nicht lange benutzen, oder dass es bald kaputt
ist, aber doch freuen sie sich immer am meisten darauf.
Wie ich dir schon schrieb, war der Schaden am Widerstand
bald behoben. Dass Du daran schuld gewesen sein sollst, war natürlich nicht
ernst gemeint, und ich glaube auch, dass du mich nur wieder ein wenig fuchsen
willst. Wenn es nicht geht, dass man Röhren bestellen kann, lässt es sich nicht
ändern. Ich wollte es nur nochmal erwähnen, damit wir es nicht ganz vergessen.
Es hat mich interessiert, dass du zu wissen glaubst, wo Kurt
ist. Ich bin gespannt, ob er deinen diesbezüglichen Hinweis bestätigt.
Du hattest mir noch vor kurzem geschrieben, ob es nicht für
die Nähmaschine schädlich sei, wenn sie immer in der Küche steht. Ich habe mir
die Sache nochmals durch den Kopf gehen lassen und habe nun auch eine Lösung
gefunden. Denke dir, ich habe sogar mehr Platz geschaffen, wie vorher war. Ich
will dir das mal erklären. Das kleine Tischchen, auf dem das Radio stand, habe
ich ausrangiert und einstweilen auf den Speicher gestellt. Dafür habe ich das
frühere Spielzeugregal, in dem jetzt nur noch die Spiele und Baukästen sind in
die Ecke, und das Radio darauf gestellt. An seiner Stelle steht jetzt die eine
Truhe von dir. Die Nähmaschine steht jetzt vor unseren Betten. Da in den
Regalen noch Platz war, stehen die Tee-Dosen noch mit drin, sodass das kleine
Regal in der Ecke neben dem Ausguss überflüssig geworden ist und in nächster
Zeit als Apfelkiste dienen wird. Es ist
also in der Küche wieder freier, und auch das Kinderzimmer sieht nicht
überfüllt aus. In unserem Schlafzimmer ist auch noch ein schöner breiter Durchgang.
Da fällt mir gerade ein: habe ich dir denn schon von dem
neuen Spielregal von den Kindern geschrieben? Neu ist es ja eigentlich nicht,
aber sehr praktisch. Vor einigen Monaten haben Nussbaumers ihre Küche
umgeräumt. Da war ein Regal übrig. Sie stellten es in den Vorraum, und sie
sagten mir einmal, sie wüssten nicht, was sie damit machen sollten. Zum
Zerhacken sei es wirklich zu schade, und stellen könnten sie es auch nicht. Ich
sagte zu ihr, dass ich es ihr abkaufen würde. Ich habe es dann für 3.-Mk.
erworben. Es ist nur 18 cm breit und steht an der Wand bei dem Stuhl von Jörg.
Lang ist es 1 Mtr., und hoch 75cm. Es hat 3 Fächer. Unten stehen die Kisten mit
Soldaten, mit Buntstiften, Bauklötzen, schiffen usw. Im mittleren Regal bzw.
Fach stehen Bücher, 42 Stück. Es sind alles Märchen- und Sagenbücher und
Erzählungen. Im oberen Fach stehen die verschiedenen Kanonen, Pferde, Autos,
Puppenwägelchen, Stühlchen usw. Da das Regal schmal ist, steht alles gleich
griffbereit. Davor ist ein Vorhang, sodass es einen guten Eindruck macht. Oben
auf dem regal stehen natürlich auch noch verschiedene Sachen. Jetzt z.B. der
Kaufmannsladen, die Telefone und ein Puppenbettchen. Also Platz haben die
Kinder für ihre Sachen doch viel, nicht wahr?
Du wirst überhaupt fragen, wo ich denn deine Sachen aus dem
Tischchen hingetan habe? Ich habe dir das obere Schubfach von der kleinen Truhe
von deinem Vater, die in der Küche steht, eingeräumt. Da hast Du auch alles bei
der Hand.
Gestern habe ich auch noch vergessen, dir zu schreiben, dass
Papa den Kindern je 10.-Mk. gegeben hat. Er wollte mir erst was bezahlen, ich
sagte ihm aber, dass ich das nicht wollte. Als er den Kindern 10.-Mk. geben
wollte, sagte ich ihm auch, dass das zu viel sei, denn 20.-Mk brauche ich ja
für uns alle 3 in der Woche nur zum Essen. Da käme er schlecht weg. Er meinte
aber, das sei ihm egal. Ich sagte ihm auch, dass er das Geld lieber nehmen
sollte dafür, dass er mir den Schrank geschickt, und die Fracht und die
Verpackung bezahlt hat. Aber auch davon wollte er nichts wissen, und sagte, das
sei ein Erbteil von Mama, und das sollte ich auf keinen Fall bezahlen.
Jedenfalls hat er zum Schluss den Kindern doch noch je 10.-Mk. gegeben. Dazu
kommen bei Helga noch 3.50Mk aus der Sparbüchse und bei Jörg 2.-Mk., für die
übrigen 1,50 Mk. hatte er Helga was zum Geburtstag gekauft. Dann hat Helga im
ganzen 139.-Mk., und Jörg 132.- auf der Sparkasse. Das macht sie ja sehr stolz.
Sie sagen immer, es ist doch gut, wenn man auch immer die 10 Pfg. spart, da
kommt doch viel zusammen.
Nun lass mich schließen. Ich fange noch ein bißchen mit
stopfen an und dazu höre ich Radio. Radio ist einfach was Feines. Abends habe
ich schon manchmal Belgrad eingestellt, aber vielmals sind solche Störungen da,
dass man rein gar nichts versteht. Das ist immer schade, denn die haben immer
so schöne, unterhaltsame Sachen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen