Mein lieber Ernst! Konstanz,
3.April 41
Nun ist wieder Donnerstag, der Tag, an dem
ich immer den Kuchen an Dich abschicke. Er steht gerade im Backofen. Er ist
heute nicht so groß wie sonst. Du mußt nicht denken, daß ich Dich kürzer halten
will, es ist nur so, daß ich nicht mehr so viel Mehl habe, da ich doch an Kurt
Gebackenes geschickt habe und auch für uns einen gebacken habe. Wenn ich Deinen
Kuchen so groß wie sonst gemacht hätte, hätte ich für uns keinen Kuchen backen
können und das willst Du ja nicht. So reicht es gut für uns alle und am Montag
bekomme ich wieder neues Mehl, so daß ich dann für Ostern backen kann. Den
nächsten Kuchen wirst Du hoffentlich mit uns zusammen essen, denn ich freue
mich schon sehr, daß Du zu Ostern zu uns kommst.
Gestern ist es nichts geworden mit dem
Waldgehen. Das Wetter war nicht danach. Es war trübe und kühl. Gegen 4 Uhr hat
es dann doch noch aufgeklart, aber da war es zu spät. Ich habe dann noch ein
bißchen im Garten geschafft. Als ich drüben mit zwei Eimern Mist holen wollte,
mußte Frau Zahn, die gerade da war,
natürlich wieder einen ihrer geistreichen Witze machen von wegen, ich wollte
sicher Kartoffeln holen. Diese Pfaffenwitze hängen mir schon zum Hals raus. Gestern
habe ich nun die Erbsen gesät, d.h. die ganz frühen. Ich habe noch spätere, die
will ich aber erst Anfang Mai säen, damit ich später nochmals Erbsen habe, denn
die essen wir immer gern. Auch Möhren säe ich später noch Mal. Ich habe schon
die Beete dazu fertiggemacht. Wegen dem Gurkenbeet warte ich bis Du kommst.
Vielleicht kannst Du mir das fertigmachen. Ich gucke dann noch genau zu, damit
ich es für alle Fälle, wenn der Krieg doch noch länger dauern sollte, nächstes
Jahr kann. Jetzt bin ich dabei, das schräge Stück umzugraben. Ich habe die
Hälfte fertig. Eigentlich sollte ich gestern alles fertigmachen, aber ich war
so kaputt, da habe ich es lieber sein gelassen. Wahrscheinlich werde ich es
morgen fertig machen, wenn das Wetter danach ist. Heute Nachmittag wollen wir
nun in den Wald gehen, weil die Sonne scheint. Ich denke, dass es sich halten
wird.
Dein Wäschepaket ist gestern angekommen.
Die Wäsche hängt heute schon unten. Die 25-Pfennigmarken habe ich
ausgeschnitten und hebe sie auf. Sie war nicht ganz aufgeklebt und ich
weiß nicht genau, ob sie ganz ist.
Vielleicht kannst Du sie zur Vorsicht noch einmal besorgen.
Nun wollte ich Dich noch fragen. Mein
Bruder und meine Mutter haben doch bald Geburtstag. Was soll ich da schicken?
Ich weiß es tatsächlich nicht. Ich habe schon gedacht, ich will mal sehen, ob
ich 1 Flasche Rotwein bekommen kann, aber ich glaube nicht, daß ich welchen
erhalten werde. Für meinen Bruder weiß ich auch nichts. Höchstens Zigaretten.
Was meinst Du?
Vater
hat für Kurt zu Ostern zwei Stollen gebacken. Ich habe sie gestern
eingepackt und weggeschickt. Wenn Kurt alles zur rechten Zeit erhält, braucht
er zu Ostern nicht zu hungern. Hoffentlich ist er inzwischen schon wieder
gesund.
Ich habe mir schon überlegt, ob ich Dir
diesmal Wurst mitschicken soll oder nicht. Vielleicht hast Du welche von den
Fricks. Vielleicht denkst Du aber auch, ich will Dir keine schicken. Ich
schicke einmal keine mit. Du mußt es aber nicht falsch auffassen. Ich lasse mir
diese Gramm gutschreiben, da haben wir dann zu Ostern etwas mehr.
Jetzt geht es überall doch vorwärts. Bei
den Stachelbeersträuchern sind schon die Blätter ganz heraus. Am Baum sieht man
auch schon die Knospen ganz hell. Bei den Johannisbeersträuchern kommen auch
schon die Blätter. Der Frührhabarber ist schon ein ganzes Stück draußen und der
andere kommt jetzt auch. Die Erdbeeren treiben schon wieder ganz gut.
Herr Zahn hat mich vorher gerade gefragt,
warum wir den Pfirsichbaum raus gemacht haben. Ich habe ihm eben erzählt, daß
er, seitdem der Ast abgebrochen war, nicht mehr gesund geworden ist und daß es
besser wäre, man machte ihn um.
Für den Winterspinat, den ich im Herbst
gesät hatte, hätte ich nicht zwei Beete machen brauchen. Da kommt fast gar nichts.
Na, nächstes Jahr weiß ich´s und säe nichts mehr. Eigentlich brauchte ich Dir
davon gar nichst zu erzählen, denn Du wirst es ja nächste Woche selber sehen.
Aber vielleicht interessiert es Dich doch. Da muß ich Dir auch noch etwas
erzählen. Wenn man mit dem Rad die Wollmatinger Straße fährt, sieht man doch
auf die Wiese, wo die Soldaten üben. Da haben sie gerade einmal über so einem
Graben liegen müssen, damit sie ein bißchen Deckung haben, weil die Graben
etwas tiefer liegen. Da war es interessant zu sehen, wie sich die Verschiedenen
anstellen. Ich habe beim Vorbeifahren drei sehen können, aber doch hat es jeder
anders gemacht. Der eine sah gleich, daß da Wasser im Graben war, und warf sich
so drüber, daß er nicht naß wurde, der andere lag mit den Knien und Hosen im
Wasser und der dritte kam angesaust und sprang mit beiden Füßen rein, daß es
nur so platschte. Das hat mich ziemlich amüsiert. Da sieht man wieder mal, wie
die Menschen verschieden sind.
Nun ist die Mittagszeit herangekommen und
wir wollen esse. Ich fahre dann gleich noch in die Stadt zum
Päckchenfortschaffen und dann geht`s in den Wald. Helga macht jetzt gerade
Schulaufgaben, damit wir dann fort können.
Was ist eigentlich mit Deinem Zahn
geworden? Ist es nicht mehr so entzündet?
Laß mich für heute schließen. Sei recht
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie und bleibe gesund, damit wir uns nächste Woche wiedersehen können.
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