Mittwoch, 6. April 2016

Brief 143 vom 3.4.1941 (evtl. falsches Datum?)


Mein lieber Ernst!                                                                                                     Konstanz, 3.April 41   

Nun ist wieder Donnerstag, der Tag, an dem ich immer den Kuchen an Dich abschicke. Er steht gerade im Backofen. Er ist heute nicht so groß wie sonst. Du mußt nicht denken, daß ich Dich kürzer halten will, es ist nur so, daß ich nicht mehr so viel Mehl habe, da ich doch an Kurt Gebackenes geschickt habe und auch für uns einen gebacken habe. Wenn ich Deinen Kuchen so groß wie sonst gemacht hätte, hätte ich für uns keinen Kuchen backen können und das willst Du ja nicht. So reicht es gut für uns alle und am Montag bekomme ich wieder neues Mehl, so daß ich dann für Ostern backen kann. Den nächsten Kuchen wirst Du hoffentlich mit uns zusammen essen, denn ich freue mich schon sehr, daß Du zu Ostern zu uns kommst.
Gestern ist es nichts geworden mit dem Waldgehen. Das Wetter war nicht danach. Es war trübe und kühl. Gegen 4 Uhr hat es dann doch noch aufgeklart, aber da war es zu spät. Ich habe dann noch ein bißchen im Garten geschafft. Als ich drüben mit zwei Eimern Mist holen wollte, mußte Frau Zahn, die gerade  da war, natürlich wieder einen ihrer geistreichen Witze machen von wegen, ich wollte sicher Kartoffeln holen. Diese Pfaffenwitze hängen mir schon zum Hals raus. Gestern habe ich nun die Erbsen gesät, d.h. die ganz frühen. Ich habe noch spätere, die will ich aber erst Anfang Mai säen, damit ich später nochmals Erbsen habe, denn die essen wir immer gern. Auch Möhren säe ich später noch Mal. Ich habe schon die Beete dazu fertiggemacht. Wegen dem Gurkenbeet warte ich bis Du kommst. Vielleicht kannst Du mir das fertigmachen. Ich gucke dann noch genau zu, damit ich es für alle Fälle, wenn der Krieg doch noch länger dauern sollte, nächstes Jahr kann. Jetzt bin ich dabei, das schräge Stück umzugraben. Ich habe die Hälfte fertig. Eigentlich sollte ich gestern alles fertigmachen, aber ich war so kaputt, da habe ich es lieber sein gelassen. Wahrscheinlich werde ich es morgen fertig machen, wenn das Wetter danach ist. Heute Nachmittag wollen wir nun in den Wald gehen, weil die Sonne scheint. Ich denke, dass es sich halten wird.
Dein Wäschepaket ist gestern angekommen. Die Wäsche hängt heute schon unten. Die 25-Pfennigmarken habe ich ausgeschnitten und hebe sie auf. Sie war nicht ganz aufgeklebt und ich weiß  nicht genau, ob sie ganz ist. Vielleicht kannst Du sie zur Vorsicht noch einmal besorgen.
Nun wollte ich Dich noch fragen. Mein Bruder und meine Mutter haben doch bald Geburtstag. Was soll ich da schicken? Ich weiß es tatsächlich nicht. Ich habe schon gedacht, ich will mal sehen, ob ich 1 Flasche Rotwein bekommen kann, aber ich glaube nicht, daß ich welchen erhalten werde. Für meinen Bruder weiß ich auch nichts. Höchstens Zigaretten. Was meinst Du?
Vater  hat für Kurt zu Ostern zwei Stollen gebacken. Ich habe sie gestern eingepackt und weggeschickt. Wenn Kurt alles zur rechten Zeit erhält, braucht er zu Ostern nicht zu hungern. Hoffentlich ist er inzwischen schon wieder gesund.
Ich habe mir schon überlegt, ob ich Dir diesmal Wurst mitschicken soll oder nicht. Vielleicht hast Du welche von den Fricks. Vielleicht denkst Du aber auch, ich will Dir keine schicken. Ich schicke einmal keine mit. Du mußt es aber nicht falsch auffassen. Ich lasse mir diese Gramm gutschreiben, da haben wir dann zu Ostern etwas mehr.
Jetzt geht es überall doch vorwärts. Bei den Stachelbeersträuchern sind schon die Blätter ganz heraus. Am Baum sieht man auch schon die Knospen ganz hell. Bei den Johannisbeersträuchern kommen auch schon die Blätter. Der Frührhabarber ist schon ein ganzes Stück draußen und der andere kommt jetzt auch. Die Erdbeeren treiben schon wieder ganz gut.
Herr Zahn hat mich vorher gerade gefragt, warum wir den Pfirsichbaum raus gemacht haben. Ich habe ihm eben erzählt, daß er, seitdem der Ast abgebrochen war, nicht mehr gesund geworden ist und daß es besser wäre, man machte ihn um.
Für den Winterspinat, den ich im Herbst gesät hatte, hätte ich nicht zwei Beete machen brauchen. Da kommt fast gar nichts. Na, nächstes Jahr weiß ich´s und säe nichts mehr. Eigentlich brauchte ich Dir davon gar nichst zu erzählen, denn Du wirst es ja nächste Woche selber sehen. Aber vielleicht interessiert es Dich doch. Da muß ich Dir auch noch etwas erzählen. Wenn man mit dem Rad die Wollmatinger Straße fährt, sieht man doch auf die Wiese, wo die Soldaten üben. Da haben sie gerade einmal über so einem Graben liegen müssen, damit sie ein bißchen Deckung haben, weil die Graben etwas tiefer liegen. Da war es interessant zu sehen, wie sich die Verschiedenen anstellen. Ich habe beim Vorbeifahren drei sehen können, aber doch hat es jeder anders gemacht. Der eine sah gleich, daß da Wasser im Graben war, und warf sich so drüber, daß er nicht naß wurde, der andere lag mit den Knien und Hosen im Wasser und der dritte kam angesaust und sprang mit beiden Füßen rein, daß es nur so platschte. Das hat mich ziemlich amüsiert. Da sieht man wieder mal, wie die Menschen verschieden sind.
Nun ist die Mittagszeit herangekommen und wir wollen esse. Ich fahre dann gleich noch in die Stadt zum Päckchenfortschaffen und dann geht`s in den Wald. Helga macht jetzt gerade Schulaufgaben, damit wir dann fort können.
Was ist eigentlich mit Deinem Zahn geworden? Ist es nicht mehr so entzündet?
Laß mich für heute schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie und bleibe gesund, damit wir  uns nächste Woche wiedersehen können.


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