Mittwoch, 20. April 2016

Brief 146 vom 18./20.4.1941


Mein lieber Ernst!                                                                         Konstanz, 18.4.41                                               

Gestern erhielt ich Deinen lieben Brief vom 16.4. Ich danke Dir sehr dafür. Du bist ja ein rechter Leichtsinn. Gehst vor der Prüfung nicht schlafen, sondern bummelst. Die Hauptsache ist ja, daß Du am nächsten Tag einen klaren Kopf hattest, so daß Du die Aufgabe bewältigen konntest.
Ich dachte es mir schon, daß der Mariner bald ruhig geworden ist, denn ich habe in den letzten Minuten gemerkt, wie er immer seinen Vater angesehen hat und wie er ihm den Abschied nicht so schwer machen wollte. Auch als er sagte „fahrt doch nur bald ab, damit man bald aus diesem Kaff raus kommt“ hat er immer seinen Vater angesehen und es war ihm nicht leicht.
Du schreibst von einem Brummschädel. Ist der vom Arbeiten  oder von dem abendlichen Ausgang gekommen. Morgen ist ja nun der letzte Tag der schriftlichen Arbeiten. Ich glaube, Du wirst auch froh sein, wenn es diesmal Sonntag ist.
Ich habe gestern und heute Vormittag im Garten geschafft. Du wirst es ja sehen, wenn Du herkommst. Heute Nachmittag waren wir im Wald und haben nochmals viel Tee gefunden. Auch Zapfen haben wir mitgebracht. Draußen haben wir gerade eine Übung der Soldaten gesehen. Das war ganz interessant. Etwas unangenehm war nur, daß man überall auf Soldaten gestoßen ist, wenn man beim Tee sammeln war.
Ich wollte Dir eigentlich schon gestern schreiben, aber ich bin nicht dazu gekommen. Erstens war ich so müd und dann hatte ich die ganze Zeit mit Deines Vaters Kopf zu tun. Heute kommt er auch wieder rauf.
Kohlrabisetzlinge habe ich heute besorgt, 30 Stück. Hoffentlich wachsen sie gut an. Die Setzlinge kosten jetzt einheitlich 2 Pfennig das Stück.
Nun schließe ich wieder, ich will den Brief noch an den Kasten schaffen und hinterher muß ich noch den ganzen Tee schneiden. Da ist der Abend gleich vorbei. Nach meiner Müdigkeit zu rechnen, ginge ich am liebsten jetzt schon schlafen.
Verlebe den Sonntag gesund und froh. Ich freue mich schon, daß wir uns bald wiedersehen.
Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.



Mein liebster Ernst!                                                                      Konstanz, 20.4.41

Der Sonntag ist nun gleich wieder vorbei. Wir waren heute nicht zu Hause. 1/4 11 Uhr sind wir nach Hegne gefahren. Die Kinder waren ganz glückselig, daß sie einmal wieder mit der Eisenbahn fahren konnte. Die ganze Zeit haben sie am Fenster gestanden und gejubelt. Von Hegne aus sind wir zu unserer Wiese gegangen. Wir haben auch Schlüsselblumen gefunden, aber wir müssen schon noch einmal gehen, denn viele fangen erst an mit blühen. Wir sind dann durch den Wald noch zu der anderen Wiese gelaufen, wo es auch immer Himmelsschlüssel gibt. Etliche haben wir dort auch gefunden. Wir sind dann wieder nach Hegne zu gelaufen, nachdem wir erst etwas gegessen hatten. Da es noch ziemlich zeitig, 2 Uhr, war und der Zug erst ¼ 5 Uhr fuhr, haben wir uns noch ins Gras gesetzt und uns ausgeruht. Da es schönes Wetter war, sind wir noch bis nach Allensbach gelaufen. Vor dort sind wir dann zurückgefahren, die Kinder haben mich fast umgebracht vor Begeisterung, daß wir noch eine Station weitergefahren sind. Der Tag war sonst schön, aber es ist doch nicht so gut, dort hinzugehen, wo wir sonst mit Dir gegangen sind. Es war  mir oft recht wehmütig und man merkt in solchen Fällen ganz besonders, wie Du uns fehlst.
Ich weiß ja nicht, wie Du den Sonntag verbracht hast. Die schriftlichen Arbeiten für die Prüfung hast Du ja nun sicher hinter Dir. Ich wüßte ja gern, wie es gegangen ist. War es recht schwer? In wenigen Tagen werden wir Dich ja noch einmal bei uns haben, bevor Du wieder weit von uns fortfährst. Da wirst Du uns, bzw. mir ja von Deinen Arbeiten erzählen. Ich bin schon sehr gespannt. Hoffentlich geht die mündliche Prüfung gut vorbei. Es ist dann auch für mich, die ich ja eigentlich nichts dabei schaffe, eine Entspannung, denn ich denke ja immer an Dich und sorge mich um Dich.
Nachher will ich mich ans Teeschneiden machen, denn später kommt Vater, da habe ich wieder mit seinem Kopf zu tun. Er hat immer noch Schmerzen. Etwas besser ist es ja geworden, aber es eitert immer noch.
Unsere Wohnung gleicht jetzt wieder einem Blumen- und Teeladen. Alle Vasen sind mit Schlüsselblumen und Gänseblümchen gefüllt, denn vor allen Dingen Jörg kann ja nie genug Blumen haben. Auch Tee steht überall herum. Aber wie froh sind wir wieder im Winter darüber. Was wir bis jetzt gesammelt haben, ist ja ein guter Anfang für dieses Jahr.
Ich freue mich, daß ich wenigstens den Garten hinter dem Haus fertig habe. Im großen Garten müssen ja noch die Kartoffeln rein. Herr Steinmehl hat sie ja schon rein getan, aber er sagte, er macht den ganzen Garten deshalb schon fertig, weil er glaubt, daß sie wieder fort kommen.
Wir werden uns ja bald wiedersehen und es ist der letzte Brief vorher, den ich heute schreibe.
Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Sonntag, 17. April 2016

Brief 145 vom 16./17.4.1941


Mein liebster Ernst!                                                                  Konstanz, 16.4.41   

Schon wieder ist ein Tag vergangen, seit Du fort bist. Während ich hier schreibe, bist Du nun schon bei einer Prüfungsarbeit. Meine Gedanken sind immer bei Dir und wünschen Dir gutes Gelingen. Ich werde auch die ganze Woche fest an Dich denken.
Als wir Dich gestern zur Bahn gebracht hatten , haben wir zuerst Resie gesehen, der es auch sehr schwer angekommen ist, daß Fritz wieder fort ist. Hinterher sind wir zur Sparkasse gegangen, mußten aber mit langer Nase wieder abziehen, da die Überweisung von der Stadt noch nicht vorgenommen worden war. Nicht nur für uns, sondern  für alle bei der Stadt Beschäftigten. Das ist durch die Osterfeiertage gekommen. Ich bin dann am Nachmittag nochmals hingefahren und habe dann das Geld bekommen. Der Gehaltszettel sieht so aus. 

Zuschuß für Dich      120,-
Gehalt                          281,58    = 401,58
Einkommenssteuer        1,20
Bürgersteuer                  2,--
Miete                             37,70
Angestellt.Vers.            6,-
Arbeitsfront                   3,80
Zusatzversicherung      6,85
                                       57,55  = 344.03         Arbeitgeberanteil                11,48   = 355,51 

Der Zuschuß für Dich ist bis Ende April bezahlt.
Ich habe mir ausgerechnet:
Vom 21. Februar bis 23. April sind es 62 Tage x 4 Mark = 248,-
Erhalten hast Du 1 x 160,- Mk   
                               1 x 120,- =  280,-
Abgezogen hatten sie voriges Mal              15,- waren es noch                            265,-.
Es sind also 17,- Mk zuviel.
Die werden sicherlich nächstes Mal abgezogen.  Diese Mal ist die Abrechnung eingetroffen, bevor ich das Geld hatte. Zur Krankenkasse konnte ich gestern nicht gehen, da ich ja kein Geld hatte am Morgen und Nachmittag war zu. Ich gehe nun heute vorbei und frage gleich wegen Deinem Zahn.
Eigentlich wollten wir heute in den Wald gehen, aber es regnet fest, so daß das nichts wird. Es war gut, daß wir am Montag so viel Tee gepflückt haben. Ich freue mich sehr.
Ich schaffe übrigens 80,- auf die Sparkasse dieses Mal und für die Kinder jeweils 2,-. Da haben wir schon wieder ein bißchen aufgeholt.
Ich habe mir gestern noch verschiedene Sachen für den Haushalt angeschafft. Auch ein Sieb habe ich dieses Mal bekommen.
Nachher schreibe ich noch die Geburtstagskarte für meine Mutter. Apfelsinen habe ich noch nicht bekommen können. Ich will es heute noch einmal versuchen. Gestern kam auch eine Osterkarte von Paul und Alice und von Elsa Legler. Ich muß mich wieder hinsetzen, um alles zu beantworten.
Wie wir schon ausgemacht haben, brauchst Du die Briefe nicht beantworten. Ich denke nur, daß es vielleicht eine kleine Entspannung für Dich ist, wenn wir Dir ein paar Mal schreiben.
Sei nun recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


Mein lieber Ernst!                                                                                   Konstanz, 17.4.41

Zwei Tage  bist Du nun schon bei den Prüfungsarbeiten. Hoffentlich fällt es Dir nicht gar so schwer. Meine Gedanken sind immer bei Dir und ich wünschte mit Dir, daß schon alles vorbei wäre. 
Ich bin gestern auf der Krankenkasse gewesen. Du kannst Deinen Zahn erst hier machen lassen. Herr Uhink verrechnet es dann mit, als wenn Du noch versichert wärst. Den Beitrag habe ich noch nicht gezahlt, weil ich damit warten soll, bis das genaue Datum bekannt ist, an dem Du wieder zum Militär mußt. Ich habe wieder einen Zettel zu Fräulein Bucher bringen lassen. Dabei habe ich sie gleich gefragt, ob der Zuschuß bis Ente April gezahlt ist. Es ist also der Fall und die zuviel gezahlten ca. 32,- werden beim nächsten Gehalt mit abgezogen. Die voriges Mal abgezogenen 14,4o sind dieses Mal schon mit gezahlt worden und zwar dadurch, daß sie statt 15,60 Einkommenssteuer mit Kriegszuschlag, 1,20 berechnet haben.
Am Samstag kommt die Führer-Sondermarke heraus. Kaufst Du sie Dir selbst oder soll ich sie 4 x besorgen? 2x für Dich und für Kurt, gestempelt und ungestempelt.
Ich habe gestern ein Päckchen an meine Mutter weggeschickt. Obst konnte ich erst keines bekommen. Da habe ich ihr eine Schürze und 1 Paar Strümpfe gekauft. Ich hoffe, daß sie sich auch darüber freut. Heute hatte ich Apfelsinen und Äpfel bekommen, aber ich weiß nicht, ob ich noch welche wegschicken soll. Vielleicht schicke ich auch lieber wieder etwas zum Muttertag.
Gestern war Vater da wegen seinem Kopf. Der war noch nicht besser. Ich habe ihn nochmals ziemlich in die Kur genommen und hinterher haben wir wieder ein Zugpflaster draufgeklebt. Heute Abend kommt er wieder herauf, damit wir das Pflaster erneuern.
Vater ist ziemlich spät weggegangen und als ich gegen 12 Uhr im Bett lag, Dir gerade Gute Nacht gesagt hatte und schlafen wollte, heulten die Sirenen. Da mußte ich gleich wieder raus und in den Keller ging´s. Die hat nicht lange gedauert, nur eine halbe Stunde. Die war einem ganz ungewohnt. Wenn es halbwegs geht, möchte ich heute noch ein bißchen im Garten schaffen. Manche tun heute schon die Kartoffeln  rein. Dazu komme ich ja noch nicht, aber ich glaube, auf ein paar Tage kommt es auch nicht an.
Ich bringe nachher noch das Päckchen  weg, damit Du es wieder rechtzeitig erhältst. Vor allen Dingen, wo es voraussichtlich der letzte Kuchen nach Karlsruhe ist.
Ich wünsche Dir nochmals recht gutes Gelingen Deiner Arbeit. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner immer an Dich denkenden Annie.



Mittwoch, 6. April 2016

Brief 144 vom 5./7.4.1941


Mein lieber, armer Kerl!                                                                   Konstanz, 5.4.41           

Jetzt hast Du also doch wieder mit den Zähnen zu tun. Du wirst wahrscheinlich ziemlich Zahnschmerzen haben. Das tut mir so leid. Ich wünschte nur, es würde bald ganz gut, denn lernen und noch Schmerzen haben, ist wirklich ziemlich viel. Deinen Zahnschein habe ich Dir besorgt.
Wie Du schon gemerkt hast, habe ich Deinen Brief vom 4. erhalten. Das geht ja im Kurs ziemlich schnell, aber vielleicht machen sie auch so schnell, weil die Meisten bald wieder bei ihren Truppen sein müssen wegen der evtl. zu erwartenden  Kämpfe. Alle wollen sie in Deutschland einmarschieren.
Heute habe ich auch von Kurt einen Brief vom 31.3. erhalten. Er schreibt, daß er am 29.3. zum Gefreiten befördert worden ist. Das ist doch schön, nicht wahr? Sie sind jetzt auf einem Truppenübungsplatz. Er schreibt noch, die Vermutung wegen seines Aufenthalts in Reims trifft ungefähr wenn auch nicht ganz zu. So wird er in der Nähe sein.
Heute steht in der Zeitung, daß es zu Ostern auch keine Familienheimfahrten in verstärktem Umfang geben soll. Sieh nur zu, daß Du kommen kannst. Vielleicht kannst Du Deinen Beurlaubungsschein mitnehmen und sagen, daß Du nach dem Kurs gleich wieder zum Militär mußt, wenn sie Dir etwas in den Weg legen wollten. Wir freuen uns doch alle schon so darauf, daß Du zu Ostern kommst.
Am Nachmittag will ich noch einmal in die Stadt fahren und sehen, ob ich bei Tengelmann noch ein paar Zuckerosterhasen für die Kinder bekomme. Sie sagten, daß sie sicher etwas hereinbekommen würden. Wenn ich am Montag gehe, ist doch schon wieder alles weg.
Gestern habe ich das restliche Stück im Garten umgegraben und Weißkraut, Rotkraut, Wirsing und Kohlrabi gesät. Jetzt bin ich, wenigstens bis Du kommst, soweit fertig. Die paar Tage, bis Du kommst, werden ja schnell vergehen. Hoffentlich ist bis dahin Deine Zahngeschichte behoben, damit Du wenigstens keine Schmerzen mehr hast.
Von Frau Dietz habe ich heute auch eine Karte bekommen. Sie schreibt, daß sie Jörg zu seinem Geburtstag einen Schieferkasten mit Inhalt kaufen möchte. Sie teilt es mir jetzt schon mit, damit ich zu Ostern keinen kaufe. Ich finde es ganz schön, daß sie immer an Jörg denkt.
Wir wollen heute noch baden. Da muß ich jetzt noch schaffen, damit ich fertig werde. Sei mir deshalb nicht böse, wenn ich heute schon mit Schreiben aufhöre.
Werde bald wieder gesund, mein liebster, bester Schatz und sei recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Lieber Vater! Mutterle hat uns vorgelesen, daß Deine Zähne so schlimm geworden sind. Mir tut es sehr leid. Ich wünsch Dir gute Besserung, damit Du zu Ostern zu uns kommen kannst. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.


Mein liebster Ernst!                                                                         Konstanz, 7.4.41

 Gestern ist nun die Entscheidung mit Jugoslawien und Griechenland gefallen. Die werden auch schön umgesehen haben gestern, als unsere Stukas kamen, denn unser Flieger leisteten ganze Arbeit. Ich habe gestern alle Berichte gehört. Jetzt kann ja der „König“ seine Armee übernehmen, wie er so großschnäuzig gesagt hat. Dem wird beizeiten der Mut vergehen. Interessant war bei den Berichten auch, daß in Jugoslawien jetzt schon 25 Grad Wärme im Schatten ist. Das sind schon richtige Hochsommertemperaturen.
Du wirst wahrscheinlich gestern den Tag mit Lernen verbracht haben. Wir waren auch zuhause, denn es hat den ganzen Tag geregnet. Wir haben gelesen, außerdem haben die Kinder gespielt und ich gestrickt. So ist der Tag auch vorbeigegangen. Heute regnet es auch noch die ganze Zeit.
Am Samstag habe ich bei Tengelmann keine Ostersachen bekommen können. Vielleicht bekommen sie diese Woche noch etwas herein. Wenn es nichts gibt, müssen wir uns eben so einrichten.
Soeben kam ein Päckchen von Kurt, d.h. es war nichts für mich, sondern er hat für sich 2 Paar Socken und dunkelblaue Seide für Polohemden geschickt, die ich ihm nähen sollte. Außerdem hat er noch ein Paar Stumpen für Vater mitgeschickt.
Ich habe seit heute Nacht eine kleine Mandelentzündung. Ich denke jedenfalls, daß es so etwas ist. Ich habe Schluckbeschwerden und unter dem linken Ohr kann man die Mandeln spüren. Das ist ein bißchen unangenehm, aber sonst geht mir ganz gut.
Am liebsten möchte ich gar nichts mehr schreiben und es sollte Freitag sein. Ich kann es bald nicht mehr erwarten, bis Du kommst.  Ich denke nur immer, hoffentlich kommt nichts dazwischen. Na, die paar Tage werden auch vergehen. Die Kinder rechnen auch schon jeden Tag nach, wie lang es noch dauert. Heute habe ich die erste Dose Ochsenmaulsalat aufgemacht, die Du mir geschickt hattest. Das ist wirklich etwas Gutes. Ich habe ein Teil mit in die Soße geschnitten, die ich noch da hatte. Sogar Jörg hat das Fleisch gegessen und das will etwas heißen. So helfen mir die gesandten Sachen immer wieder einmal. Ich wollte nämlich heute nicht 2 x fortfahren, und nur wegen dem Fleisch. Brot und andere Sachen hätte  ich am Vormittag doch noch nicht bekommen.
Hast Du Deinen Anzug und Mantel erhalten? Ich hatte erst ein bißchen Bedenken, die Sachen so wegzuschicken. Hoffentlich ist alles gut angekommen. Wenn es geht, wirf bitte den Karton nicht weg.
Nun muß ich mich fertig machen, denn ich muß noch vor 3 Uhr auf dem Rentamt sein wegen Gasmarken. Jörg hilft mir schon ein bißchen mit, damit ich fertig werde. Er füllt das Schiff mit Wasser. Da ist er mit Eifer dabei. Er ist überhaupt ein ganz lieber Kerl, wenn er nur den Mund besser halten könnte. Gestern hat es deshalb auch wieder eine tüchtige Tracht gegeben. Wenn ich es auch nicht gerne tue, aber Kraft zum Zuwichsen habe ich schon noch. Ab und zu hilft das am besten, besser als reden.
Nun Schluß für heute, mein lieber Mann. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie, Helga und Jörg.

Brief 143 vom 3.4.1941 (evtl. falsches Datum?)


Mein lieber Ernst!                                                                                                     Konstanz, 3.April 41   

Nun ist wieder Donnerstag, der Tag, an dem ich immer den Kuchen an Dich abschicke. Er steht gerade im Backofen. Er ist heute nicht so groß wie sonst. Du mußt nicht denken, daß ich Dich kürzer halten will, es ist nur so, daß ich nicht mehr so viel Mehl habe, da ich doch an Kurt Gebackenes geschickt habe und auch für uns einen gebacken habe. Wenn ich Deinen Kuchen so groß wie sonst gemacht hätte, hätte ich für uns keinen Kuchen backen können und das willst Du ja nicht. So reicht es gut für uns alle und am Montag bekomme ich wieder neues Mehl, so daß ich dann für Ostern backen kann. Den nächsten Kuchen wirst Du hoffentlich mit uns zusammen essen, denn ich freue mich schon sehr, daß Du zu Ostern zu uns kommst.
Gestern ist es nichts geworden mit dem Waldgehen. Das Wetter war nicht danach. Es war trübe und kühl. Gegen 4 Uhr hat es dann doch noch aufgeklart, aber da war es zu spät. Ich habe dann noch ein bißchen im Garten geschafft. Als ich drüben mit zwei Eimern Mist holen wollte, mußte Frau Zahn, die gerade  da war, natürlich wieder einen ihrer geistreichen Witze machen von wegen, ich wollte sicher Kartoffeln holen. Diese Pfaffenwitze hängen mir schon zum Hals raus. Gestern habe ich nun die Erbsen gesät, d.h. die ganz frühen. Ich habe noch spätere, die will ich aber erst Anfang Mai säen, damit ich später nochmals Erbsen habe, denn die essen wir immer gern. Auch Möhren säe ich später noch Mal. Ich habe schon die Beete dazu fertiggemacht. Wegen dem Gurkenbeet warte ich bis Du kommst. Vielleicht kannst Du mir das fertigmachen. Ich gucke dann noch genau zu, damit ich es für alle Fälle, wenn der Krieg doch noch länger dauern sollte, nächstes Jahr kann. Jetzt bin ich dabei, das schräge Stück umzugraben. Ich habe die Hälfte fertig. Eigentlich sollte ich gestern alles fertigmachen, aber ich war so kaputt, da habe ich es lieber sein gelassen. Wahrscheinlich werde ich es morgen fertig machen, wenn das Wetter danach ist. Heute Nachmittag wollen wir nun in den Wald gehen, weil die Sonne scheint. Ich denke, dass es sich halten wird.
Dein Wäschepaket ist gestern angekommen. Die Wäsche hängt heute schon unten. Die 25-Pfennigmarken habe ich ausgeschnitten und hebe sie auf. Sie war nicht ganz aufgeklebt und ich weiß  nicht genau, ob sie ganz ist. Vielleicht kannst Du sie zur Vorsicht noch einmal besorgen.
Nun wollte ich Dich noch fragen. Mein Bruder und meine Mutter haben doch bald Geburtstag. Was soll ich da schicken? Ich weiß es tatsächlich nicht. Ich habe schon gedacht, ich will mal sehen, ob ich 1 Flasche Rotwein bekommen kann, aber ich glaube nicht, daß ich welchen erhalten werde. Für meinen Bruder weiß ich auch nichts. Höchstens Zigaretten. Was meinst Du?
Vater  hat für Kurt zu Ostern zwei Stollen gebacken. Ich habe sie gestern eingepackt und weggeschickt. Wenn Kurt alles zur rechten Zeit erhält, braucht er zu Ostern nicht zu hungern. Hoffentlich ist er inzwischen schon wieder gesund.
Ich habe mir schon überlegt, ob ich Dir diesmal Wurst mitschicken soll oder nicht. Vielleicht hast Du welche von den Fricks. Vielleicht denkst Du aber auch, ich will Dir keine schicken. Ich schicke einmal keine mit. Du mußt es aber nicht falsch auffassen. Ich lasse mir diese Gramm gutschreiben, da haben wir dann zu Ostern etwas mehr.
Jetzt geht es überall doch vorwärts. Bei den Stachelbeersträuchern sind schon die Blätter ganz heraus. Am Baum sieht man auch schon die Knospen ganz hell. Bei den Johannisbeersträuchern kommen auch schon die Blätter. Der Frührhabarber ist schon ein ganzes Stück draußen und der andere kommt jetzt auch. Die Erdbeeren treiben schon wieder ganz gut.
Herr Zahn hat mich vorher gerade gefragt, warum wir den Pfirsichbaum raus gemacht haben. Ich habe ihm eben erzählt, daß er, seitdem der Ast abgebrochen war, nicht mehr gesund geworden ist und daß es besser wäre, man machte ihn um.
Für den Winterspinat, den ich im Herbst gesät hatte, hätte ich nicht zwei Beete machen brauchen. Da kommt fast gar nichts. Na, nächstes Jahr weiß ich´s und säe nichts mehr. Eigentlich brauchte ich Dir davon gar nichst zu erzählen, denn Du wirst es ja nächste Woche selber sehen. Aber vielleicht interessiert es Dich doch. Da muß ich Dir auch noch etwas erzählen. Wenn man mit dem Rad die Wollmatinger Straße fährt, sieht man doch auf die Wiese, wo die Soldaten üben. Da haben sie gerade einmal über so einem Graben liegen müssen, damit sie ein bißchen Deckung haben, weil die Graben etwas tiefer liegen. Da war es interessant zu sehen, wie sich die Verschiedenen anstellen. Ich habe beim Vorbeifahren drei sehen können, aber doch hat es jeder anders gemacht. Der eine sah gleich, daß da Wasser im Graben war, und warf sich so drüber, daß er nicht naß wurde, der andere lag mit den Knien und Hosen im Wasser und der dritte kam angesaust und sprang mit beiden Füßen rein, daß es nur so platschte. Das hat mich ziemlich amüsiert. Da sieht man wieder mal, wie die Menschen verschieden sind.
Nun ist die Mittagszeit herangekommen und wir wollen esse. Ich fahre dann gleich noch in die Stadt zum Päckchenfortschaffen und dann geht`s in den Wald. Helga macht jetzt gerade Schulaufgaben, damit wir dann fort können.
Was ist eigentlich mit Deinem Zahn geworden? Ist es nicht mehr so entzündet?
Laß mich für heute schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie und bleibe gesund, damit wir  uns nächste Woche wiedersehen können.


Freitag, 1. April 2016

Brief 142 vom 1./3./4.4.1941


Mein liebster Ernst!                                                              Konstanz, 1.April 41   

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 30.3. Ich habe mich recht darüber gefreut. Da bist Du also am Montag bei den Fricks gewesen. Gut aufgenommen haben sie Dich auch. Mehr kann man ja nicht verlangen. Kurt ist doch ein komischer Geselle. Erst von anderen Leuten erfährt man von ihm, daß er krank war. Hoffentlich ist er wieder soweit hergestellt. Es war doch ganz gut, daß Du die Leute besucht hast.
Die Leipziger Marken habe ich ja besorgt, wie ich Dir schon im vorigen Brief mitteilte. Ich klebe sie immer mit auf die Briefe. Hast Du die 25 von Wien noch 2 x bekommen? Für Dich und Kurt ungestempelt? Hier gibt es sie nicht mehr. Wenn Du sie nicht hast, so kann ich sie sicher von Herrn Kuster kriegen. Er hat es mir angeboten.
Das Wäschepaket von Dir ist noch nicht angekommen. Ich habe heute Wäsche gehabt. Das macht aber nichts. Gutes Wasser habe ich noch und es langt noch, wenn das Paket morgen ankommt. Diesmal habe ich feines Wetter erwischt. Den ganzen Nachmittag scheint schon die Sonne. Da trocknet alles. Nachdem ich vorhin mit Waschen fertig war, habe ich mich noch von der Sonne bescheinen lassen. Das hat mir gefallen. Ich habe mich vorher aber gut eingerieben, damit ich keinen Sonnenbrand bekomme. Aber so ein bißchen in der Sonne sitzen wärmt richtig durch. Mit ist es jetzt ganz fidel zumute. Helga hat heute bis 6 Uhr Schule. Jörg ist unten im Hof und spielt. Oben in der Küche hat er wieder einmal die ganze Eisenbahn aufgebaut. Abends möchte ich sie gar nicht gerne wegräumen, damit er am nächsten Morgen gleich weiterspielen kann, am liebsten gleich noch im Hemd. Jetzt haben wir die Lösung gefunden, daß wir die Schienen einmal teilen und unter den Tisch stellen, damit wir in der Nacht nicht drüber fliegen. Ich habe jetzt ziemlich mit ihm zu tun, um ihn in Ordnung zu halten. Er brüllt wieder mal immer rum und ich habe ihn schon öfter vermöbeln müssen. Ich tue es ja nicht gern, aber es geht nicht anders, er wird sonst zu frech.
Wenn es morgen schön ist, wollen wir noch Mal in den Wald gehen, Tee suchen. Vielleicht bringen wir auch gleich ein bißchen Reisig mit. Die Erbsen werde ich übrigens in den nächsten Tagen auch in die Erde tun. Wir sollen hoffen, daß es morgen noch schön ist, denn am Mittwoch haben wir immer am besten Zeit.
In Deinem Brief habe ich die Fettmarken gar nicht gefunden. Aber ich brauche sie auch nicht mehr so notwendig. Es hat gerade noch etwas zu ½ Pfund Margarine gefehlt und den Rest habe ich noch für Butter verwenden können, da hat es gerade 1/8 gegeben. Nimm es mir bitte nicht übel, daß ich Dir noch besondere Umstände wegen den Marken gemacht habe.
Heute, am 1. April , haben es die Kinder früh gar nicht erwarten können, daß sie auf die Straße kommen. Sie sind schon 3/4 8 draußen gewesen, damit sie die Kinder verkohlen können. Es ist ihnen auch verschiedene Male gelungen. Da war natürlich die Freude groß. Ganz gestrahlt haben sie.
Wenn Du zu Ostern herkommen kannst, ist es vielleicht am besten, Du bringst etwas zum Lernen mit, wenn der Kurt schon am 23.4. aufhört. Das dauert ja dann gar nicht mehr lange. Man staunt eigentlich, wie schon wieder die  Zeit vergangen ist. Soll ich Dir eigentlich die gewaschene Wäsche wieder zusenden oder nimmst Du sie mit, wenn Du herkommst?
In Jugoslawien ist es jetzt wie bei den Polen. Sie fangen auch schon zu plündern und Brennen an. Das muß ja ein ganz minderes Volk sein, die Serben. Es hat ja schon allerhand auf dem Kerbholz. Heute ist ja nun der Eden in Belgrad. Es wird nicht mehr lange dauern, da ist der Krach da. Es ist nur schade um die vielen Menschen, die wieder umkommen. Und nur wegen dem Lumpenpack, den Engländern.
Vielleicht fahre ich dann noch zu Vater runter und erzähle ihm, was Du von Kurt geschrieben hast wegen seiner Krankheit. Daß er beim Appell wieder aufgefallen ist, erzähle ich nicht. Das wird ihm sonst von Vater zeit seines Lebens wieder vorgehalten. Als ich das Bügelbrett holte, sagte er auch: „Weißt Du, warum der Stoff da unten schmutzig ist? Da hast Du früher mal draufgebügelt und da hat Ernst den alten Untersetzer draufgestellt.“ Das habe ich schon lange nicht mehr gewußt. Im Übrigen war es auch nicht so schlimm, ich habe nämlich den Stoff sowieso abziehen müssen. Aber Vater ist nun einmal so. Die Hauptsache ist ja, daß er sonst ganz gut ist.
Nun will ich für heute wieder Schluß machen. Sei recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein liebster Ernst!                                                                        Konstanz, 3.April 41

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 1.4. Du bist ja ein Kerl. Nennst Du das 15 g Fettmarken, was Du geschickt hast. Ich werde alles gut aufheben und für die Osterfeiertage haben wir dann reichlich Butter und Fleisch. Die Eier werde ich auch für Ostern besorgen. Ich sage Dir für alles meinen Dank. Du bist doch ein ganz lieber Kerl.
Es freut mich, daß Dich mein Brief nicht gelangweilt hat. Ich hatte wirklich gedacht, es würde Dich nicht interessieren. Es geht mir manchmal so, erst schreibe ich und dann beim Durchlesen meine ich, Du wirst denken, na viel Gescheites hat sie auch nicht geschrieben. Es ist mir natürlich schon recht, wenn dies nicht der Fall ist.
Es wäre mir recht, wenn Du einmal wegen Zwiebelsamen nachsehen würdest. Es gibt hier nur Zwiebelsamen für weiße Zwiebeln und es steht auf der Tüte: Zum sofortigen Verbrauch, nicht für den Winterbedarf geeignet. Wir wollen aber doch die Zwiebeln, wenn sie klein sind, überwintern, um für nächstes Jahr Steckzwiebeln zu haben.
Wegen der Frauenschaft werde ich sehen, daß ich mich so lange wie möglich drücke. Ich habe auch schon gesagt, daß ich doch nicht hingehen könnte. Da wurde mir auch angedeutet, daß es ja vor allen Dingen um das Geld gehe.
Mit dem Vordruck werde ich morgen früh zur gleich zur Polizei fahren und ihn unterschreiben lassen. Die Zivilkleider schicke ich Dir in den nächsten Tagen. Ich muß mal sehen, wie ich sie verpacke. Ich werde Dir vielleicht den älteren Mantel schicken, ich finde, der neue Mantel wird gleich auf der Bahn so verdrückt und man sieht jeden Fleck daran.
Wir waren heute Nachmittag im Wald. Es war sehr schön. 1/2 Tasche Tee haben wir wieder gefunden, viel ist es ja nicht, aber ich finde, dieses Jahr gibt es gar nicht so viel. 2 Rucksäcke mit Zapfen und Erbsenreisig haben wir noch mitgebracht. Da war der Gang nicht umsonst. 3/4 6 Uhr waren wir wieder zuhause. Da haben wir dann Deinen lieben Brief vorgefunden.  
Ich glaube Dir gern, daß im Kurs sehr viel von Euch verlangt wird. Aber wie Du schon schreibst, mehr als lernen kann man nicht und wenn man da seine Pflicht getan hat, ist es gut. Alle Sachen kann man ja gar nicht behalten, das ist doch so viel. Aber ich weiß ja, daß Du alles tust, was möglich ist und ich habe keine Sorge, daß Du durchkommst. Wir können uns ja wegen allem noch einmal  unterhalten, wenn du hier bist.
Seit heute folgt Jörg wieder ein bißchen besser. Ich hoffe, daß es anhält. Das sind immer mal so Zeiten, wo es nicht klappen will.

Mein lieber Schatz!                                                                               4.April

Heute Morgen habe ich auf der Polizei den Vordruck unterschreiben lassen. Ich schicke ihn Dir nun wieder zu. Auch die Zivilkleider habe ich eingepackt und schicke sie heute noch weg.
Heute Morgen habe ich ein bißchen im Garten geschafft. Ich habe nun Kohlrabi, Wirsing, Weißkraut und Rotkraut gesät. Heute Nachmittag will ich noch weiter umgraben.
Vorhin erhielt ich das Zeitungspaket von meinen Eltern. Helga und Jörg sitzen schon dabei und schauen sich den „Blödsinn“ an. Das ist ihnen das Wichtigste an der ganzen Zeitung. An den Zeitungen habe ich wieder allerhand zu lesen. Da kann ich gut dabei stricken. Ich möchte sowieso gern für Vater die Strümpfe fertig bekommen. Bisher habe ich aber immer zu Stopfen und Nähen gehabt. Ich wünsche nun einen frohen Sonntag. Hoffentlich wird es wahr, daß wir Dich doch zu Ostern bei uns haben. Es wäre so fein.
Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Lieber Vater! Wir freuen uns schon fest das Du zu Ostern kommst, ich sagte schon zum Mutterle, wenn Du da bist ist es immer so spaßig und lustig und drum freue ich mich so sehr. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.